Das schnellste Rennen ihres Lebens (eBook)

Roman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
464 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490860-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das schnellste Rennen ihres Lebens -  Peter Carey
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Australien, 1954: Irene Bobs liebt schnelle Rennen. Ihr Ehemann ist der beste Autoverkäufer im Südosten. Gemeinsam wollen sie am Redex Reliability Trial teilnehmen, dem härtesten Autorennen Australiens. Über 10.000 Meilen rund um den Fünften Kontinent - eine Route, die kaum ein Wagen überlebt. Begleitet werden sie von Willi Bachhuber, einem unergründlichen schlacksigen Blondschopf mit einem Faible für Kartographie. Zielsicher navigiert er sie über kreuzende Flussläufe, unwegsame Pfade und gefährliche Abkürzungen durch das Outback - und bringt sie doch vom geplanten Weg ab. Weg von dem weißen Australien, und hin zum Ursprung des Landes und den vergessenen Aboriginies. »Careys bester Roman seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten. Wer hätte gedacht, dass ein Autorennen so spannend sein könnte.« The Guardian »Ein beeindruckendes und notwendiges Werk.« Elizabeth Strout »Ein Buch über kulturelle Identität, Familie und die Fähigkeit des Mitgefühls. Als solches ist es hochrelevant für unsere Zeit.« Irish Times »Ein wilder, außergewöhnlicher und magischer Ritt! Peter Carey verdient den Nobelpreis in Literatur dafür, dass er uns das Herz erfrischt.« The Daily Telegraph

Peter Carey, 1943 in Australien geboren, lebt seit über 20 Jahren in New York. Rund um den Globus sind seine Bücher Bestseller; neben J. M. Coetzee und Hilary Mantel ist er der Einzige, dem der renommierte Booker Prize zweimal verliehen wurde - 1988 für ?Oscar und Lucinda? (Fischer Taschenbuch Bd. 18446) und 2001 für ?Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang? (Bd. 16017). 2013 erschien bei S. Fischer ?Die Chemie der Tränen? und 2016 ?Amnesie?. Bei FTV liegen außerdem vor: ?Mein Leben als Fälschung? (Bd. 16246), ?Wrong about Japan? (Bd. 16840) und ?Liebe. Eine Diebesgeschichte? (Bd. 17405).Literaturpreise:- Commonwealth Writers-Preis 1998- Booker Prize 1988- Booker Prize 2001

Peter Carey, 1943 in Australien geboren, lebt seit über 20 Jahren in New York. Rund um den Globus sind seine Bücher Bestseller; neben J. M. Coetzee und Hilary Mantel ist er der Einzige, dem der renommierte Booker Prize zweimal verliehen wurde – 1988 für ›Oscar und Lucinda‹ (Fischer Taschenbuch Bd. 18446) und 2001 für ›Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang‹ (Bd. 16017). 2013 erschien bei S. Fischer ›Die Chemie der Tränen‹ und 2016 ›Amnesie‹. Bei FTV liegen außerdem vor: ›Mein Leben als Fälschung‹ (Bd. 16246), ›Wrong about Japan‹ (Bd. 16840) und ›Liebe. Eine Diebesgeschichte‹ (Bd. 17405). Literaturpreise: - Commonwealth Writers-Preis 1998 - Booker Prize 1988 - Booker Prize 2001 Manfred Allié, geboren 1955 in Marburg, übersetzt seit über dreißig Jahren Literatur. 2006 wurde er mit dem Helmut-M.-Braem-Preis ausgezeichnet. Neben Werken von Jane Austen, Joseph Conrad und Patrick Leigh Fermor übertrug er unter anderem Romane von Yann Martel, Richard Powers, Joseph O'Connor, Reif Larsen und Patricia Highsmith ins Deutsche. Er lebt in der Eifel.

Peter Carey ist ein Meister des Pikaresken, aber er weiß doch auch, wann er den staubtrockenen, ironischen, manchmal spöttischen Ton zurücknimmt.

Carey hat ein gutes, ein mutiges Buch geschrieben. Einen Roman, der das dunkelste Kapitel der australischen Geschichte aufarbeitet.

Carey gelingt die Balance zwischen tiefem Ernst und situativer Komik.

Das reinste Lesevergnügen. Peter Carey erzählt anrührend von einem wilden Autorennen durch Australien.

Da hat Peter Carey Figuren erschaffen, die einem sofort ans Herz wachsen.[…] Das ist ein Roman, da möchte man eigentlich nie, dass er endet. […] Ein fantastischer Lesegenuss.

Ein enorm vielschichtiges Werk, reich an verblüffenden Wendungen, die zum Markenzeichen von Carey zählen.

Ein Buch wie eine Achterbahnfahrt

Bacchus Marsh


33 Meilen von Melbourne

1


Dass ein Mädchen sich gegen einen Vater durchsetzen muss, ist ja schon eine Herausforderung, aber in diesem Falle standen gleich zwei zwischen mir und dem Ziel meiner Träume, und das war – um nicht um den Brei herumzureden – ein süßer kleiner Bursche namens Titch Bobs.

Der erste der beiden Väter war mein eigener. Als er dahinterkam, dass ich, seine klitzekleine Irene, sein Mäuschen, seine Mademoiselle im Miniaturformat, ohne ihn zu fragen, einem Mann von eins einundsechzig einen Heiratsantrag gemacht hatte, da spuckte er beim Frühstück seine Wheaties gleich wieder aus.

Der zweite Vater war der von Titch. Der zündete wie eine Rakete, war hundert Prozent Feuer und Flamme. Ich war sein Augenstern, sein Wonneproppen, bis ich ihm dann, auf dem Flur beim Kleiderständer, doch eine knallen musste.

Meine Schwester war älter als ich und »hatte Erfahrung«. Sie konnte gar nicht glauben, dass ich mir einen so kleinen Knirps als Ehemann ausgesucht hatte. Wollte ich etwa eine Mäusemannschaft großziehen? Zum Totlachen. Beverly selbst maß eins sechzig und löste am laufenden Band Verlöbnisse, mit dem langen Lulatsch oder dem dicken Dino oder diesem berühmten Fußballspieler, aber ich werde bestimmt nicht so blöd sein, den Namen zu nennen. Ich hätte mich ja nicht mal getraut, dem die Hand zu geben, von allem anderen ganz zu schweigen.

Beverly hatte sich die Suppe selbst eingebrockt und musste sie dann auch auslöffeln, sechsunddreißig Stunden Wehen, Babys mit kürbisdicken Köpfen. Meine eigenen Kinder waren so winzig und wohlgeformt wie ihr Daddy, perfekt in den Proportionen, in der Anmut ihrer Bewegungen, mit rosa Apfelbäckchen, die sie von Titch geerbt hatten, und dem Lächeln von mir. Meine Schwester konnte es nicht ertragen, dass ich so glücklich war. Jahrelang hat sie nach Beweisen dafür gesucht, dass »alles nur Schau« war. Als ihr erster Ehemann sich nach Neuseeland absetzte, schrieb sie mir in einem gehässigen Brief, mir sei ja mein Mann wichtiger als meine Kinder. Für sie seien ihre Jungs ihr Ein und Alles. Sie wisse ja, schrieb sie, dass ich Titch nur wegen seines Geldes geheiratet hätte. Natürlich war sie da gerade schlecht drauf. Kann man ja auch verstehen. Der Mann, den sie geheiratet hatte, war ein Mistkerl. Sie sei geschieden »ohne einen Penny«, könne sie da jetzt bitte in unser Elternhaus ziehen, das Haus, das wir beide geerbt hatten und dessen Verkauf sie immer verhindert hatte? Hätten Titch und ich das Geld brauchen können? Auf die Idee kam sie nicht. Hätten wir dann ein ganz anderes Leben führen können? Allerdings. Ich überließ ihr das Haus für ein Butterbrot an Miete und behielt für mich, was ich darüber dachte.

Beverly sagte immer gern, ich sei eigensinnig, eine Idee, die sie von Mum hatte. Aber Mum mochte den Eigensinn an mir. Sie hat sich immer gefreut, wenn ich meinen Kopf durchsetzte. Natürlich war Mum irgendwie genauso, und sie hatte so schöne ebenmäßige Zähne, so zarte Wangenknochen, da tat man einfach alles, um sie lächeln zu sehen, selbst wenn man ihr eine Waschmaschine dafür kaufen musste. Sie hat Dad dazu gebracht, den Ford anzuschaffen, und das wiederum war der Grund dafür, dass Titch vor unserer Tür stand, in Geelong, Victoria, Australien. Es war der 8. Mai 1945, V-E Day, der Tag des Kriegsendes in Europa.

Keiner wird je wissen, was Mum mit dem Ford vorhatte. Sonntags nach der Kirche nach Colac fahren und ihre Schwester besuchen? Die Geschichte hat nicht mal Dad ihr abgenommen. Trotzdem hat er den Scheck für den Autohändler ausgestellt, für Dan Bobst, der, wie ich erfuhr, als ich am V-E Day die Haustür aufmachte, uns noch »gratis« Fahrstunden dazugegeben hatte, erteilt von seinem Sohnemann. Und Himmel, was war dieser Sohnemann für eine Augenweide, da auf der Veranda, an diesem Dienstagmorgen mit dem Pappkoffer in der Hand. Er würde, erfuhr ich, auch bei uns wohnen.

Aber die arme Mum sollte nie dazu kommen, den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, und dann herrschte ein solches Durcheinander, und wir hatten alle so viel mit der Beerdigung zu tun, dass keiner daran gedacht hat, den jungen Mann wieder wegzuschicken. Er wusste nicht, wohin er sonst sollte, und so »packte er seine Siebensachen aus« und »wartete auf seine Befehle«, wie er später immer gern sagte. Der Ford stand weiterhin in der Auffahrt, und keiner sah ihm an, dass er jetzt zum Nachlass der Verstorbenen gehörte.

Mum lag also auf dem Friedhof von Mount Duneed, und unser neuer Logiergast war der Einzige, der mir dabei half, ihre Sachen durchzusehen. Er kam nie auf das Auto zu sprechen oder die Fahrstunden, die er der Verstorbenen hatte geben sollen. Er wollte wissen, ob ich fahren kann. Ich antwortete, wenn er um sechs Uhr zurück sei, könne er mit uns zu Abend essen. Mitten in all der Traurigkeit war dieser hübsche rotbackige Mann ein großer Trost für mich, den ich um nichts hätte missen wollen. Ich hielt den Atem an. Ich kochte für ihn, und er aß alles bis zum letzten Bissen und half mir dann noch beim Abwasch. Er war gepflegt. Als ich weinte, tröstete er mich. Er verstreute Talkumpuder auf dem Fußboden im Bad.

Abends am Western Beach, wo man die Ankerketten der alten Kriegsschiffe in der Corio Bay seufzen hörte, erzählte er mir Geschichten über seinen Vater. Er fand sie lustig. Diese Geschichten waren wichtiger als ich dachte. Aber so oder so trieb es mir die Tränen in die Augen zu hören, dass dieser wunderbare Junge sich den Arm gebrochen hatte, als er am Flugzeug seines grässlichen Vaters den Propeller hatte anwerfen müssen, dass dieser alte Grobian ihm das Landen beigebracht hatte, indem er sich hinter ihn gesetzt hatte, auf den Navigatorsitz des Eindeckers, und seinen schmalen Rücken so lange mit Faustschlägen traktiert hatte, bis er den Steuerknüppel weit genug vordrückte, und dass er ihn mutterseelenallein bei zwei alten irischen Junggesellen in Bullengarook gelassen hatte, bis die beiden gelernt hatten, den gekauften Wagen zu fahren. Der junge Mann hieß Titch – was bei uns so viel wie Zwerg oder Steppke heißt –, manchmal aber auch Zac, ein anderes Wort für den Sixpence, und ein Zac war also ein halber Shilling oder ein halber Bob, wobei Bob natürlich auch der Nachname seines Vaters war. Na, egal. Himmel, für mich war er immer nur Titch, und anscheinend war ich nur auf Erden, um deinen gemarterten Leib zu lieben, und deine glückliche Koboldseele.

Wie konnte ich denn vorhersehen, liebe Beverly, was für eine Art Leben mein Herzliebster für mich in petto hatte? Als ich Titch zum ersten Mal sah, war unser Dad noch am Leben. Meine Kinder waren noch nicht auf der Welt. Ich wusste nicht, wie man Auto fährt. Wir waren noch nicht im Zeitalter von Holden kontra Ford angekommen. Ja, auch den Redex Around Australia Reliability Trial gab es noch nicht, das größte australische Autorennen des Jahrhunderts, obwohl ja genau das die Geschichte ist, die ich eigentlich hier erzählen will.

Ich habe an dem Tag geheiratet, an dem ich meinen Führerschein bekam. Ich selbst chauffierte uns die hundert Meilen bis Warragul. Später zogen wir nach Sale, dann nach Bairnsdale, wo Titch Fords verkaufte, im Namen seines Vaters, der ihn jedes Mal bei der Provision übers Ohr gehauen hat. Mein junger Ehemann war in so gut wie jeder Hinsicht vollkommen, das wusste ich schon, bevor ich seine wahre Stärke überhaupt erkannt hatte, und das war etwas, was man bei einem Autohändler als Allerletztes vermutet hätte. Er konnte nämlich einfach nicht lügen – so sah es zumindest aus. Nie übertrieb er, außer wenn er Witze machte. Er war lustig, er war frech. Er sagte zu mir, die Kunst, keine Prügel abzubekommen, habe er zur Vollkommenheit entwickelt, und das war gut so, wenn man sah, in was für Bars er seine Geschäfte abschloss.

Wir wohnten in Pensionen oder möblierten Zimmern und aßen ganze Hammelherden, aber, so unglaublich das klingt, wir waren glücklich, selbst zu den Zeiten, zu denen sein Dad im Zimmer nebenan wohnte. Manchmal lachten wir uns buchstäblich krank, kugelten uns an Sonntagnachmittagen auf dem Fußboden vor Lachen. Wer hätte mehr verlangen können?

Mein Schwiegervater lungerte immer irgendwo in der Nähe. Ich habe Titch nie gesagt, was er mir alles an widerwärtigen Angeboten gemacht hat. Er hat das Gott sei Dank nie mit anhören müssen. Und mein Mann bekam anscheinend auch nicht mit, was alles an Beleidigungen ihm gegenüber fiel. Dan Bobs war kein gutaussehender Mann, aber er war so unablässig mit dem Kamm zugange, dass ihm am Ende sämtliche Haare ausfielen. Titch bemerkte diese Eitelkeit nicht. Er saß einfach dabei und hörte sich an, wie der Dreckskerl von morgens bis abends mit seinen Heldentaten prahlte. Ich habe das jahrelang ausgehalten, bis der Alte schließlich in Melbourne eine Frau fand, die ihn ertragen konnte. Als er in einer Anzeige im Warragul Express bekanntgab, dass er sich zur Ruhe setze, wagte ich nicht, es zu glauben.

Dan hatte ein Album mit Zeitungsausschnitten aus seinem ganzen Leben. Als Erster in Australien hatte er einen Flugschein erworben. Es gab Berichte über seine Bruchlandungen. In Fords war er Rennen von Melbourne nach Sydney gefahren. Er hatte den Milchbauern auf den schlammigen Weiden von Gippsland Autos verkauft, auf den flachen Vulkanebenen von Sunbury; Geschäfte im alten Stil, das heißt, er ließ den Käufern jeweils seinen Sohn da, der ihnen das Fahren beibrachte. Und das wollte er jetzt wirklich aufgeben? Oder war dieser »Rückzug« auch...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2019
Übersetzer Manfred Allié, Gabriele Kempf-Allié
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1954 • Aborigines • Anspruchsvolle Literatur • Australien • Autorennen • Kolonialgeschichte • Man Booker Prize • Rally • Redex Reliability Trial
ISBN-10 3-10-490860-5 / 3104908605
ISBN-13 978-3-10-490860-1 / 9783104908601
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