Luxusweibchen (eBook)

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
154 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-688-11563-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Luxusweibchen -  Pitigrilli
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«Alle Frauen sind wertlos, außer unserer Mutter und der Frau, die wir im Augenblick lieben.» Scharfzüngig und ironisch skizziert der Autor die Heldinnen seines Buches, «die, wenn sie allein sind, lieber kilometerlange Wege zu Fuß zurücklegen, um die zwanzig Centesimi für die Trambahn zu sparen, und die - sobald sie mit einem Mann zusammen sind - ein Auto verlangen, um über den Damm zu kommen». 

PITIGRILLI, eigentlich Dino Segre, wurde 1893 in Turin geboren, wo er auch 1975 starb. Der promovierte Rechtswissenschaftler arbeitete als Redakteur für verschiedene Zeitungen. Bevor er 1940 Lina Furlan heiratete, Italiens erste Rechtsanwältin an einem Schwurgericht, galt Pitigrilli als Salonlöwe. Die zwanziger Jahre verbrachte er als Zeitungskorrespondent in Paris, wo auch seine ersten, heftig diskutierten Bücher entstanden. Als 1939 auch in Italien die Rassengesetze in Kraft traten, musste er auswandern, zunächst in die Schweiz, dann nach Argentinien.

PITIGRILLI, eigentlich Dino Segre, wurde 1893 in Turin geboren, wo er auch 1975 starb. Der promovierte Rechtswissenschaftler arbeitete als Redakteur für verschiedene Zeitungen. Bevor er 1940 Lina Furlan heiratete, Italiens erste Rechtsanwältin an einem Schwurgericht, galt Pitigrilli als Salonlöwe. Die zwanziger Jahre verbrachte er als Zeitungskorrespondent in Paris, wo auch seine ersten, heftig diskutierten Bücher entstanden. Als 1939 auch in Italien die Rassengesetze in Kraft traten, musste er auswandern, zunächst in die Schweiz, dann nach Argentinien.

Vorrede


Eines Abends saß in einer Stadt am Meer Pitigrilli am Roulettetisch und verlor. Beim Kommen und Gehen des Spielerpublikums, das bald aufstand, bald Platz nahm, Banknoten und Spielmarken wechseln ließ, sah er die Gattin eines Karikaturisten sich dem Ausgang zuwenden.

Pitigrilli machte eine brutale Bemerkung, mit der er auf synthetischem Wege die ganze Funktion der Gattin zum Ausdruck brachte.

Ein Feind der Literatur, der Rhetorik, der traditionellen Verlogenheit, führte er alle Dinge auf ihre Wesenheit zurück. Von sich selbst sprechend, führte er das religiöse Problem auf die einfachsten Elemente zurück, indem er auf einer halben Seite die Argumentationen überzeugend zusammenfaßte, die, erweitert, in die Länge gezerrt und wortreicher gestaltet, keineswegs überzeugender hätten wirken können:

«Ich habe keinen Glauben», sagte er, «und fühle, älter werdend, das unabweisbare Bedürfnis zu glauben. Aber es ist ein unfruchtbarer Wunsch.

Einmal sagte mir ein Ordensbruder mit großem Bart und langen Haaren, indem er mit seinen Ärmeln in einer weit ausholenden hierarchischen Geste einige Kubikmeter Luft in Bewegung setzte, mit gewichtiger Stimme: ‹Ich weiß, daß es einen Gott gibt. Ich sage Ihnen, Gott existiert.›

Ich war erschüttert. In seiner ehrwürdigen Erscheinung lag eine überzeugende Sicherheit. Lange Zeit blieb ich unter dem Eindruck dieser magnetisierenden Worte.

Aber eines Tages stellte ich mir denselben Mönch vor, gekleidet in einen Herbstüberzieher, sorgfältig frisiert, sauber rasiert mit Schnurrbart nach amerikanischer Art.

Und seine Worte beeinflußten mich nicht mehr.

Was mir Eindruck gemacht hatte, war der Bart.

Und auf diese Weise habe ich mir den Zauber der alten Kirchen erklärt, der im Altsein besteht, in den wurmstichigen und muffig riechenden Lesepulten und Altären und in den Gräbern mit unentzifferbaren Grabschriften. Die neuen Kirchen, die frisch erbauten, besitzen keine Anziehungskraft, und sie müssen lange warten, bevor sie sich eine solide und anhängliche Kundschaft zulegen können.

Dann habe ich den Glauben in den biologischen und naturgeschichtlichen Wissenschaften gesucht. Aber die Wissenschaft hat die Macht, den Glauben zu stärken in dem, der empfänglich dafür ist, und ihn zu töten in dem, der für den Atheismus empfänglich ist. Ist man prädisponiert, an Gott zu glauben, so findet man in jeder Sache die Zeichen seines hohen Geistes. Ein mystizierender Wursthändler würde sagen: ‹Wie groß ist der liebe Gott gewesen! Indem er die Schweine erschaffen für die Füllung der Würste, hat er auch daran gedacht, sie mit Därmen zu versehen für die Wursthüllen.›

Vielleicht wird es mir in der rein ästhetischen, abgetönten, äußeren Betrachtung der Natur gelingen, an etwas weniger Brutales (aber sicher weniger Schönes) als die Materie zu glauben. Meine Bescheidenheit gestattet mir, drei jugendliche Verse hierherzusetzen, die mir gefallen und in denen ich meinen Gedanken gut zum Ausdruck gebracht habe:

O blauer Himmel, o Meer von Heliotrop,

in euch finde ich vielleicht jenen Gott,

den ich eines Tages verlor unter dem Mikroskop!»

***

In einer scherzhaften Autobiographie, zu der Pitigrilli von einer Zeitschrift aufgefordert worden war, faßte er seine Persönlichkeit und sein Leben folgendermaßen zusammen:

«Eine Autobiographie schreiben heißt soviel wie dem Publikum unsere intimsten Wäschestücke zeigen. Ich werde es tun, obwohl ich der Meinung bin, daß dies niemals eine aufrichtige Tat ist, weil man für diese Gelegenheit saubere Wäsche anlegt.

Ich kann nur das erste Kapitel schreiben, da ich das zweite erst erleben muß.

Alter: 26 Jahre

Statur: 1,75 m

Gesichtsfarbe: rosig

Gestalt: schlank

Zähne: gesund

Nase: regelmäßig

Kinn: desgleichen

Mund: desgleichen

Besondere Kennzeichen: habe keine

Mein Strafregister: unbestraft

Vollendete Studien: Universität, wo ich auch in irgendeinem Fach promoviert haben muß

Bei Kriegsbeginn wurde ich geimpft.

Kragenweite: Nr. 37

Ich bin noch nicht syphilitisch.

Schädelbildung: Längendurchmesser 31 cm, Breitendurchmesser 31 cm. Ich bin also ein Quadratschädel. Ein blonder Quadratschädel.

Soweit die Anthropologie.

Bis 2 Jahre uninteressant

Mit 4 Jahren: Typhus

Mit 12 Jahren: mannbar

Mit 13: erste Zigarette; Erbrechen; letzte Zigarette

Mit 19: perverse Liebe zu einer Frau mit Brille. Es gibt nichts Groteskeres, als eine nackte Frau mit Brille. Dieser schaudererregende Anblick hatte großen Einfluß auf mein Leben, wie gewisse als Knabe empfundene Schrecknisse.

Mit 20: Liebe zu einer Frau, die mich nicht liebte.

Mit 21: Die Frau liebte mich noch immer nicht.

Mit 22: noch immer nicht, aber gegen Ende des Jahres entschloß sie sich.

Mit 23, 24, 25, 26: stürmische Liebe für dieselbe Frau. Ich bin ein Musterbeispiel der Beständigkeit und Treue, würde verewigt werden, wenigstens in einem Operettentext oder in einem parfümierten Taschenkalender.

Ich bin rachsüchtig wie die Rothäute, ich habe das rachgierige Gedächtnis der Elefanten.

Ich habe lange in Turin gelebt, der Stadt der Türme und der Dummköpfe.

Ich habe einige unwerte, unmoralische kleine Machwerke veröffentlicht, die viel Beifall bei den Angekränkelten fanden.

Ich habe eine Charakteristik einer Dichterin geschrieben, um zu beweisen, daß das, was man über unsere Beziehungen flüsterte, falsch ist. Es kann mir aber nicht gelungen sein, denn was man erst flüsterte, schreit man jetzt über die Dächer.

Auf meinem Passivum stehen einige Verse. Verse sind eine Sache, die niemand liest, die aber alle schreiben.

In allen hervorragenden italienischen Zeitschriften habe ich Artikel publiziert. Einige sind nicht abscheulich.

Häufig war ich im Begriff, Bücher von 400 Seiten herauszugeben. Aber ich besitze die Gabe jenes wohltätigen geistigen Abzugsgrabens, den man Selbstkritik nennt.

Meine Verse erscheinen in der Zeitschrift Die Frau, ein intellektuelles Blatt. Aber das hat nichts zu sagen! Ich habe auch für Die Nummer, eine humoristische Turiner Halbmonatsschrift, geschrieben. Und was das Schlimmste ist, ich habe die Gewissenlosigkeit gehabt, zu unterzeichnen. Eine üble Angewohnheit noch aus der Knabenzeit.

In Turin habe ich immer allen gesagt, was ich dachte, und mir damit ein Wanzennest von Feinden geschaffen, das mir die Pforten des Turiner Journalismus verschloß. Ein Nicht-Turiner Direktor – Itala Minunni – war es, der sie mir öffnete.

Eine Mailänder Zeitung nahm gastlich eine größere Anzahl meiner Schmähungen gegen die Mitbürger auf, die mir eine neue Schar von Feinden einbrachten, sie rächten sich damit, daß sie versuchten, mir einen Ruf als Päderast, als Zuhälter und als Liebhaber meiner Schwester zu machen …

In Rom lernte ich einen vulkanischen, erfolgreichen, dynamischen Journalisten kennen, der mich zu sich in die Redaktion des Epoca nahm und mich dadurch in einem Jahr die Karriere des Journalismus durchlaufen ließ, die man in Turin nicht in dreißig Jahren kennenlernt.

Ich kann nicht italienisch schreiben, denn wir Norditaliener müssen das lernen, wie man eine fremde Sprache lernt.

In Paris spreche ich französisch. Ich muß einen ausgezeichneten Akzent haben, denn niemand merkt, daß ich Italiener bin. Ich glaube, man hält mich für einen Moldau-Slowaken.

Ich verstehe nichts von Politik. Zuweilen lese ich den Leitartikel meiner Zeitung, um zu wissen, wie mein Direktor darüber denkt und welches dementsprechend meine aufrichtige und spontane politische Überzeugung sein muß.

Meine Unempfindlichkeit für die äußere und die innere Politik ist die beste Garantie für ein ungetrübtes Urteil. Als Sonderkorrespondent zur Wahlberichterstattung nach Neapel geschickt, habe ich fünfundzwanzig Artikel geschrieben, ohne etwas davon zu verstehen. Eben damals begann ich an ein Unterbewußtsein zu glauben. Aber mit Sport mußte ich mich beschäftigen, obschon ich das Pferd nicht vom Jockey, den Radler nicht vom Fahrrad unterscheiden kann. Und ich rühme mich dessen.

Beinahe hätte ich eine Wochenschrift zugrunde gerichtet durch einen Artikel gegen den Egoismus der Alten. Die alten Leute erfreuten sich in unserer Heimat einer guten Presse. Und mein Artikel wirkte so alarmierend, daß viele das Abonnement aufgaben, und andere begnügten sich mit schriftlichen Injurien, für den Direktor und mich gemeinsam bestimmt.

Mir gefallen die keck hingeworfenen Skizzen. Ich verabscheue die Literatur, wo die Leute in Hemdsärmeln den Gemüsegarten begießen, Karten spielen, sich die Nase mit den Fingern schneuzen, wo die Frauen ‹Mütterchen Rosa› heißen und die Männer ‹Gevatter Tonio›. Ich lese nur Romane und Novellen, in denen die Männer seidene Hemden tragen und die Frauen jeden Morgen ein Bad nehmen.

Ich bin Vegetarier, aber wenn ich Gäste habe, esse ich Fleisch, um nicht wie ein Poseur zu wirken. Und da ich nicht daran gewöhnt bin, so esse ich auch welches, wenn ich allein bin, um mich zu gewöhnen.

Ich trinke keinen Alkohol. Ich glaube, daß nur wenige Alkohol trinken. Weißwein und Liköre, ja.

Ich liebe die Hunde, und in jeder Novelle lasse ich einen auftreten, wie Veronese auf seinen Bildern. (Auch in meinen Vergleichen bin ich bescheiden.)

Ich halte die Feder zwischen dem Zeigefinger und Mittelfinger wie alle intellektuellen Friseure, aber ich habe mich noch nicht vor meinem Schreibtisch fotografieren lassen, mit dem...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2018
Übersetzer Maria Gagliardi
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20er Jahre • Edelgeschöpfe • Frauen • Humoresken • Ironie • Scharfzüngigkeit
ISBN-10 3-688-11563-5 / 3688115635
ISBN-13 978-3-688-11563-1 / 9783688115631
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