Die wundersame Mission des Harry Crane (eBook)

Roman

***** 1 Bewertung

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
550 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76034-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die wundersame Mission des Harry Crane -  Jon Cohen
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Harry Crane braucht nicht viel zum Glücklichsein: seine über alles geliebte Frau Beth und seinen Wald. Als Beth überraschend stirbt, verliert er jeglichen Halt, nicht einmal bei den Bäumen findet er Trost. So beschließt er, in den tiefen Wäldern Pennsylvaniens für immer zu verschwinden. Dabei kommt ihm jedoch ein kleines Mädchen in die Quere. Die zehnjährige Oriana hat selbst gerade ihren Vater verloren, aber sie ist felsenfest überzeugt, dass er keineswegs tot, sondern wie im Märchen nur verwandelt ist - und es an ihr liegt, den bösen Zauber zu brechen. Da kommt ihr Harry wie gerufen ... Gemeinsam machen sich die beiden auf, um ein Märchen wahr werden zu lassen.

Zartbitter, witzig und rührend schön, über Trauer und Verlust, über die Macht von Geschichten und die heilende Kraft von Bäumen - ein Roman, der sprüht vor Fantasie, Fabulierlust und ungebrochener Lebensfreude.


<p>Jon Cohen ist ein amerikanischer Autor und Drehbuchschreiber. Seinen ersten Roman, <em>Max Lakeman und die schöne Fremde</em>, schrieb der ehemalige Krankenpfleger zwischen seinen Diensten auf der Intensivstation. Es folgten zwei weitere Romane, dann wandte er sich dem Verfassen von Drehbüchern zu. Er arbeitete für Fox, Warner Bros. und Sony, u. a. ist er Co-Autor des Films <em>Minority Report</em> von Steven Spielberg. Jon Cohen lebt mit seiner Frau in Philadelphia.</p>

Jon Cohen ist ein amerikanischer Autor und Drehbuchschreiber. Seinen ersten Roman, Max Lakeman und die schöne Fremde, schrieb der ehemalige Krankenpfleger zwischen seinen Diensten auf der Intensivstation. Es folgten zwei weitere Romane, dann wandte er sich dem Verfassen von Drehbüchern zu. Er arbeitete für Fox, Warner Bros. und Sony, u. a. ist er Co-Autor des Films Minority Report von Steven Spielberg. Jon Cohen lebt mit seiner Frau in Philadelphia.

1


****

Die Trauerfeier für Beth, Harry Cranes große Liebe und vierzehn Jahre lang seine Frau, fand im Leiper Friends Meeting House in Waverly bei Philadelphia statt. In dem großen schmucklosen Raum hatten sich ganze Scharen von Freunden, Verwandten, Nachbarn und Kollegen eingefunden. Eine Frau flüsterte leise: »Seht ihn euch nur an. Der Arme!« Wie ein Häuflein Elend saß Harry da, in der ersten Bank, sein blauer Anzug zerknittert, flankiert und gestützt von der massigen Gestalt seines großen Bruders Wolf und Beth' Vater Stan.

Stille senkte sich über die versammelten Gäste. Bei den Quäkern sitzen die Trauernden in ihrem Schweigen vereint, bis irgendjemand sich berufen fühlt, ein paar Worte zu sagen, ein Gedicht vorzutragen oder auch ein Lied. Die Stille zog sich, Minuten vergingen. Draußen schlug der kalte Märzwind einen Ast gegen ein Fenster. Ein Baby begann zu greinen. Ein alter Mann hustete. Taschentücher wurden gezückt und flatterten wie weiße Taubenflügel durch den Raum.

Sandy Maynard fasste sich als Erste ein Herz und stand auf. Mit Sandy hatte Beth alle zwei Wochen dienstags eine Runde Tennis gespielt. »Beth«, sagte sie und hielt die Rückenlehne der Bank vor sich umklammert. »Beth, ich möchte dir etwas sagen. Du warst eine wunderbare Freundin.« Tränen strömten über Sandys Wangen. »Du warst mir eine wunderbare Freundin, und ich werde dich jeden Tag für den Rest meines Lebens vermissen.« Sandys Mann drückte ihr noch ein Taschentuch in die Hand und half ihr, sich wieder zu setzen.

Harry schaute starr geradeaus.

Carl Bachman, dem das Deli Café gehört, erhob sich schwerfällig. »Also«, sagte er, wischte sich erst mal über die Stirn und räusperte sich. Carl war kein Mann der großen Worte. »Also gut, ich wollte nur sagen, dass Beth bei uns immer gern gesehen war, sie wird mir echt fehlen, eine tolle Kundin. Und Harry, ich weiß, was für ein toller Ehemann du warst. Und das alles, eine ganz schöne Tragödie. Also schlimm, versteht sich. Und ja … Es ist einfach nicht zu verstehen. Gott ist groß, aber seine Wege sind unergründlich.« Carl stutzte und schaute sich leicht panisch um, als fragte er sich plötzlich: Darf man bei den Quäkern überhaupt Gott sagen? Verdammt, wie sind hier die Regeln? Er räusperte sich. »Danke.« Dann ließ er sich zurück auf seinen Platz sacken.

Die Blicke der Trauernden richteten sich wieder auf Harry. Draußen fuhr ein Lastwagen vorbei. Das tiefe Wummern des Motors war bis in den Saal zu spüren. Harry setzte sich zurecht, blinzelte. Alle hielten gespannt den Atem an, warteten, aber vergebens.

Links hinter Harry sprang eine Frau auf, wie ein kleines Erdmännchen stand sie da, und hielt ihre Querflöte hoch. »Ich würde gern etwas für dich spielen, Beth. Eigentlich wollte ich ein Stück komponieren, nur für dich, aber ich war einfach zu traurig, um auch nur zwei Töne aneinanderzureihen. Deshalb spiele ich jetzt ein Lied von den Beatles. Bei den Beatles findet man die ganze Bandbreite der Gefühle, und genau das möchte ich ausdrücken. Das Stück heißt Hello Goodbye.« Sie hob die Flöte an die Lippen und ließ einen schrillen nervösen Pfeiflaut ertönen. »Oh je, einen Moment. Ich muss hier kurz was einstellen. Moment.« Sie hantierte mit dem Stimmzug, drehte hier und da am Instrument und setzte erneut an. Sie schloss die Augen und spielte den ersten Ton. Diesmal traf sie ihn perfekt. Die einfache Popmelodie erfasste die Trauergäste mit der emotionalen Wucht einer Cellosuite von Bach. Jemand heulte laut auf, dann brach sich das Schluchzen quer durch den Saal Bahn.

Aus der ersten Reihe, wo Harry weiter wie versteinert saß, drang kein Laut.

Ganz hinten stand jetzt jemand auf und meldete sich zu Wort, sprach mit der ruhigen, etwas behäbigen Stimme eines schon älteren Mannes. »Mein Name ist Bill Belson, und ich wohne drüben an der Guernsey Road. Ich würde gerne eine kleine Begebenheit von Beth und meinem Jack-Russell-Terrier Bud erzählen. Jeden Morgen binde ich Bud am Kirschbaum vorn in meinem Garten fest, damit er ein bisschen gucken kann, was so passiert. Und jeden Morgen, wenn Beth auf dem Weg zum Zug bei meinem Haus vorbeigefahren ist, hat sie kurz angehalten, um Bud ein bisschen zu knuddeln oder ihn am Kopf zu kraulen. ›Hallo, Bud‹, hat sie immer gesagt, wenn sie zu ihm in den Garten kam, und ›Mach's gut, kleiner Kerl‹, wenn sie gegangen ist. Daran musste ich bei dem Stück gerade denken, dieses Hello Goodbye.« Bill Belson verstummte einen Moment. »Ich habe Beth' Stimme oft gehört, durchs offene Fenster oder wenn ich draußen war und das Laub zusammengerecht habe, und das hat mir immer Freude bereitet mit den beiden. Eine schöne kleine Begebenheit, jeden Morgen.« Bills tiefer Seufzer erfüllte den Raum. »Das wird mir fehlen. Denn ist es nicht das, was unser Leben ausmacht? Sich all der kleinen Dinge bewusst sein. Und das war Beth, sie war sich der Welt, des Lebens bewusst.«

Zum ersten Mal, seit Stan und Wolf ihn hereingeführt hatten, kam Bewegung in Harry. Ganz langsam drehte er sich um, wollte sich diesen Mann, diesen Bill Belson anschauen. Aber Bill hatte sich schon wieder gesetzt.

Harrys Blick fiel stattdessen auf einen Teenager, der gerade aufstand. Jason Luder, netter Kerl, wohnte nebenan und mähte bei ihnen den Rasen, wenn sie im Urlaub waren. »Ja, also, ich … ähm«, fing Jason an, »dachte mir, das passt ganz gut zu dem, was Mr Belson erzählt hat und zu dem Stück, das wir vorhin gehört haben. In der Schule lesen wir gerade einen Roman von Vonnegut, und da gibt es diesen einen Satz, den Billy Pilgrim immer sagt, ›Mach's gut, hallo, mach's gut, hallo‹, weil die Zeit für ihn irgendwie aus den Fugen ist. Und wenn man es so betrachtet, ist Mrs Crane ja vielleicht noch da, irgendwie. Als wäre ihre Zeit auch einfach nur aus den Fugen geraten.« Jason setzte sich wieder.

Und Harry stand auf. Alle, bis in die letzte Reihe, hielten sie den Atem an. Harry würde etwas sagen! Es waren zwei Worte, aber so leise, dass niemand ihn verstand. Er schaute zu Boden, dann an die Decke, dann sagte er es noch einmal: »Warte hier.«

Zweihundert Augenpaare warfen einander fragende, verstohlene Blicke zu.

Harry ging an Wolf vorbei, Wolf hielt Harry zurück. Harry schüttelte ihn ab, geriet kurz aus dem Gleichgewicht, fing sich und marschierte den Gang hinunter, stieß die Türen auf und sprang, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinab und rannte über den Rasen, als gelte es, an ein unerreichbares Ziel zu gelangen. Wolf stampfte ihm hinterher wie eine große fauchende Lokomotive, sein Atem wie weißer Dampf in der Luft. Er holte ihn ein, packte ihn von hinten, und sie krachten auf den steinhart gefrorenen Boden.

Unter seinem Bruder begraben, sein Gesicht auf das kalte Erdreich gepresst, gab Harry sich der süßen Verlockung völliger Auslöschung hin. Doch dann hörte er sich stöhnen — es gab kein Entkommen — und klappte das linke Auge auf. Ein kurzes Blinzeln, dann erkannte er seine Hand, wie sie sich dicht neben seinem Kopf in den Boden krallte. Er sah, wie seine Finger sich langsam lösten, wie seine Hand sich öffnete und ein Stück Papier zum Vorschein kam, ein Lottoschein, der ganz feucht und verkrumpelt war, weil er ihn seit fünf Tagen nicht mehr aus der Hand gegeben hatte.

»Warte hier«, flüsterte er und sah Beth vor sich stehen. Beth, genau so, wie sie vor fünf Tagen auf der Market Street vor ihm gestanden hatte.

Warte hier.

Sie wollten ins Kino und waren schon spät dran. Hand in Hand waren sie die Market Street in Philadelphia hinabgeeilt. Als sie an der Sixth Street auf Grün warten mussten, wandte Harry den Kopf und sah sie an. Er wurde es nie müde, seine Frau anzusehen. Die feinen Lachfältchen um ihren Mund. Die Haarsträhne über ihrem rechten Ohr, die im Licht des späten Nachmittags leuchtete. Diese Freude, einfach nur ihre Hand zu halten. Wenn Beth bei ihm war, fühlte Harry sich lebendiger als sonst. Er zog sie an sich und küsste sie. Ein richtiger, inniger Kuss.

Sie lehnte sich zurück und lächelte ihn an. »Hallo?«

»Pass bloß auf«, sagte er. »Es könnte wieder passieren.« Sein Blick fiel auf das verblichene Straßenschild. »Es wird wieder passieren, und zwar an jeder geraden Straße.«

»Ach ja? Ist das eine neue Form von...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2018
Übersetzer Alexandra Kranefeld
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Harry's Trees
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Baum • Bäume • Big fish • Das geheime Leben der Bäume • Die fabelhafte Welt der Amelie • Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry • Die Widerspenstigkeit des Glücks • Ein Mann namens Ove • es tut ihr leid • Fabulierlust • Fantasie • Fredrik Backman • Freundschaft • Gabrielle Zevin • Geschichtenerzählen • Glück • Happy End • Heilung • insel taschenbuch 4747 • IT 4747 • IT4747 • Lebensfreude • Liebe • Magie • Märchen • Natur • Oma lässt grüßen und sagt • Peter Wohlleben • Rachel Joyce • Tod • Trauer • Verlust • Wald • Wälder • Was man von hier aus sehen kann • Zauber
ISBN-10 3-458-76034-2 / 3458760342
ISBN-13 978-3-458-76034-4 / 9783458760344
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5 Schicksale führen zusammen

von , am 01.01.2019

Harry Crane ist Mitarbeiter der Forstbehörde und liebt Bäume schon seit er ein Kind war. Als nun seine Frau viel zu früh ums Leben kam, machte er sich auf in den Wald um seines zu beenden.
Oriana ist ein kleines zehnjähriges Mädchen, deren Vater ebenfalls gestorben ist. Nun ist sie der Meinung, er schickt ihr Zeichen und Harry ist eines davon. Also hat Harry nun das Mädchen an den Hacken. Eine seltsame, aber auch heilende Zeit beginnt.

Der Schreibstil des Buches war zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, ich lese normal eher Jugendbücher oder sogenannte TrivialLiteratur, aber nach dem ich mich eingelesen hatte, hat es mich durchaus gefesselt. Ich musste zwar, bedingt durch die lange Lesezeit, manchmal etwas zurückblättern, weil mir ein paar Namen nicht mehr geläufig waren, aber auch das tat dem Lesegenuss keinen Abbruch.
Ein Buch, welches mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird und mich sehr gut unterhalten halt. Ein Jahreshighlight für 2018
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
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