Nichts weniger als ein Wunder (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
640 Seiten
Limes (Verlag)
978-3-641-24235-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nichts weniger als ein Wunder -  Markus Zusak
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Von Millionen Lesern sehnsüchtig erwartet - der neue große Roman vom preisgekrönten Autor des Weltbestsellers »Die Bücherdiebin«.
Dies ist die Geschichte der fünf Dunbar-Brüder. Nach dem Tod der geliebten Mutter und dem Weggang ihres Vaters leben sie nach ihren ganz eigenen Regeln. Sie trauern, sie lieben, sie hassen, sie hoffen und sie suchen. Nach einem Weg, mit ihrer Vergangenheit klarzukommen, nach der Wahrheit und nach Vergebung. Schließlich ist es Clay - angetrieben von den Erinnerungen an ihren tragischen Verlust -, der beschließt, eine Brücke zu bauen. Eine Brücke, die Vergangenheit zu überwinden und so sich selbst und seine Familie zu retten. Dafür verlangt er sich alles ab, was er geben kann, und mehr: nichts weniger als ein Wunder.

Der Bestsellerautor Markus Zusak hat sechs Romane geschrieben, darunter »Nichts weniger als ein Wunder«, »Die Bücherdiebin« und »Der Joker«. Seine von Publikum und Presse gleichermaßen gefeierten Bücher sind in mehr als vierzig Sprachen übersetzt. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Sydney.

Am Anfang gab es einen Mörder, ein Maultier und einen Jungen, aber noch sind wir nicht am Anfang, noch sind wir vor dem Anfang, und vor dem Anfang, da gibt es mich, Matthew, und ich sitze in der Küche, mitten in der Nacht – in diesem uralten Flussdelta des Lichts –, und ich tippe und hämmere unermüdlich. Das Haus ist still.

Die anderen schlafen.

Ich sitze am Küchentisch.

Nur ich und der alte Klapperkasten, wie unsere vor Langem abhandengekommene Großmutter laut unserem ebenfalls schon lange abhandengekommenen Vater die Schreibmaschine immer nannte. Eigentlich sagte sie »der olle Klapperkasten«, aber solche Spitzfindigkeiten liegen mir nicht. Schrammen und Besonnenheit liegen mir, Höhen und Muskeln und Blasphemie, und gelegentlich eine Spur Sentimentalität. Wenn du wie die anderen bist, fragst du dich wahrscheinlich, ob ich überhaupt einen vollständigen Satz zu Papier bringen kann, und du würdest nicht glauben, dass ich über Heldendichtung und die alten Griechen Bescheid weiß. Manchmal ist es ganz nützlich, in dieser Hinsicht unterschätzt zu werden, aber noch besser, wenn jemand es erkennt. Ich hatte Glück.

Bei mir war es Claudia Kirkby.

Es gab einen Jungen, einen Sohn, einen Bruder.

Ja, für uns gab es immer einen Bruder, und er war derjenige von uns fünfen, der alles auf seine Schultern lud. Wie immer, sagte er ruhig und besonnen zu mir, und natürlich traf er damit ins Schwarze. In einem heruntergekommenen Hinterhof in einer heruntergekommenen Hinterhofstadt lag tatsächlich eine alte Schreibmaschine begraben, aber ich musste den Spaten an der richtigen Stelle einstechen, sonst würde ich einen toten Hund oder eine tote Schlange ausgraben (was ich dann auch tat). Ich dachte mir, wenn der Hund und die Schlange da waren, konnte die Schreibmaschine nicht weit sein.

Ein perfekter, piratenloser Schatz.

Ich fuhr am Tag nach meiner Hochzeit hinaus.

Hinaus aus der Stadt.

Durch die Nacht.

Durch die Unmengen leeren Raums. Und noch weiter.

Die Stadt, in die ich fuhr, war ein unbarmherziges Szenenland. Man sah es schon von Weitem. Die strohige Landschaft, der Marathon des Himmels, ringsum eine Wildnis aus Gestrüpp und Eukalyptus. Und es stimmte, es stimmte haargenau: Die Menschen buckelten und bückten sich. Die Welt hatte sie abgenutzt.

Vor dem Bankgebäude, gleich neben einem der zahlreichen Pubs, wies mir eine Frau den Weg. Sie war die aufrechteste Frau der Stadt.

»Biegen Sie von der Turnstile Street links ab, okay? Dann etwa zweihundert Meter geradeaus und wieder links.«

Sie war braunhaarig und gut gekleidet, mit Jeans und Stiefeln, einer roten Bluse und einem Auge, das sie gegen die Sonne zusammenkniff. Einzig das eingefallene Dreieck unterhalb ihres Halses verriet sie, die müde, alte und geriffelte Haut, wie der Griff einer Ledertruhe.

»Haben Sie’s verstanden?«

»Verstanden.«

»Nach welcher Hausnummer suchen Sie denn?«

»Dreiundzwanzig.«

»Ach, dann wollen Sie also zu den alten Merchisons, ja?«

»Nun, eigentlich nicht.«

Die Frau kam näher, und jetzt bemerkte ich ihre Zähne, die weiß und glänzend waren und gelb, so wie die gleißende Sonne. Ich streckte ihr meine Hand entgegen, und da standen wir nun, sie und ich und ihre Zähne und die Stadt.

»Ich heiße Matthew«, sagte ich. Der Name der Frau war Daphne.

Als ich schon wieder am Wagen stand und sie am Geldautomaten, drehte sie sich um und kam noch einmal zurück. Sie ließ sogar ihre Kreditkarte im Schlitz stecken und baute sich mit der Hand in die Hüfte gestemmt vor mir auf. Ich war gerade am Einsteigen, und Daphne nickte. Sie wusste Bescheid. Sie wusste fast alles, wie eine Frau, die alle Nachrichten liest.

»Matthew Dunbar.«

Das war keine Frage.

Da war ich also, zwölf Stunden von zu Hause entfernt, in einer Stadt, in die ich in meinen ganzen einunddreißig Jahren noch nie einen Fuß gesetzt hatte, und doch hatte man mich erwartet.

Eine ganze Weile schauten wir uns an, mindestens ein paar Sekunden lang, und alles war weit und offen. Leute kamen herbei und wanderten die Straße entlang.

»Was wissen Sie sonst noch?«, fragte ich. »Wissen Sie, dass ich wegen der Schreibmaschine hier bin?«

Sie öffnete das zweite Auge.

Sie nahm es mit der Mittagssonne auf.

»Schreibmaschine?« Jetzt hatte ich sie völlig aus der Spur gebracht. »Was meinen Sie damit?«

Wie aufs Stichwort rief ein alter Mann, ob das ihre verdammte Karte in dem Geldautomaten sei, die verdammt noch mal den ganzen Verkehr aufhielt, und sie eilte hin, um die Karte zu holen. Vielleicht hätte ich ihr erklären sollen, dass es in dieser Geschichte wirklich einen alten Klapperkasten gab, aus einer Zeit, als in Arztpraxen noch Schreibmaschinen standen und Sekretärinnen auf die Tasten hämmerten. Ich werde nie erfahren, ob es sie interessiert hätte oder nicht. Ihre Wegbeschreibung allerdings war ein Volltreffer.

Miller Street:

Ein starres Fließband aus kleinen, zurückhaltenden Häusern, die alle in der Sonne brieten.

Ich stellte den Wagen ab, schlug die Tür zu und überquerte den knisternden Rasen.

Jetzt bedauerte ich, dass das Mädchen, das ich gerade geheiratet hatte, nicht bei mir war. Oder besser gesagt die Frau, die Mutter meiner zwei Töchter. Und natürlich auch die Töchter selbst. Die Mädchen hätten diesen Ort geliebt, sie wären geschlendert und gehüpft, mit Fohlenbeinen und sonnigem Haar. Auf dem Rasen hätten sie Rad geschlagen und gerufen: »Und guck mir ja nicht auf die Unterhose, klar?«

Tolle Flitterwochen.

Claudia war auf der Arbeit.

Die Mädchen waren in der Schule.

Aber einem Teil von mir gefiel das.

Einem großen Teil von mir gefiel es sogar sehr.

Ich atmete ein, ich atmete aus. Und klopfte.

Im Haus war es wie in einem Ofen.

Die Möbel wurden geröstet.

Die Bilder waren gerade aus dem Toaster gesprungen.

Es gab auch eine Klimaanlage. Die kaputt war.

Tee und Kekse. Die Sonne schlug hart gegen das Fenster. Am Tisch wurde ausgiebig geschwitzt. Tropfen klatschten aus Achseln auf Stoff.

Die Merchisons waren ehrliche, haarige Leute.

Er ein blaues Unterhemd mit mächtigen Koteletten, wie pelzige Axtklingen an seinen Wangen, sie eine Frau namens Raelene, mit Perlohrringen, engen Löckchen und einer Handtasche auf dem Schoß. Sie war auf dem Weg zum Einkaufen gewesen, blieb nun aber da. In dem Augenblick, als ich den Garten erwähnte und die Möglichkeit, dass dort etwas vergraben war, hatte sie angebissen. Als die Tassen leer und von den Keksen nur noch Krümel übrig waren, wandte ich mich den Koteletten zu und wartete. Er kam gleich zur Sache:

»Dann machen wir uns mal an die Arbeit.«

Draußen in dem länglichen, vertrockneten Garten ging ich nach links, wo die Wäscheleinen hingen und eine zerzauste, ausgedörrte Banksie stand. Ich warf einen Blick hinter mich: das kleine Haus, das Wellblechdach. Die Sonne stand noch über allem, zog sich aber allmählich zurück und neigte sich gen Westen. Ich grub mit der Schaufel und meinen Händen, und dann war da etwas …

»Gottverdammt!«

Der Hund.

Noch einmal.

»Gottverdammt!«

Die Schlange.

Beide nur noch Knochen.

Wir fegten behutsam die Erde ab.

Legten sie dann auf den Rasen.

»Na, da soll mich doch …«

Dreimal sagte er es, und beim dritten Mal am lautesten, als ich die alte Remington fand. Bleikugelgrau, wie eine Waffe in der Erde, eingewickelt in drei Lagen feste Plastikfolie, die so durchsichtig war, dass ich die Tasten sehen konnte. Erst das Q, dann das W und in der Mitte F, G und H.

Eine Weile schaute ich sie nur an.

Die schwarzen Tasten grinsten wie Monsterzähne. Aber freundlich.

Schließlich griff ich in das Loch und zog sie mit vorsichtigen, erdbeschmutzten Händen heraus. Dann schaufelte ich alle drei Löcher wieder zu. Wir holten die Schreibmaschine aus der Plastikhülle, kauerten uns nieder und betrachteten sie.

»Ein Mordsgerät«, sagte Mr. Merchison. Die pelzigen Äxte zuckten.

»Das stimmt.« Einfach prachtvoll.

»Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet, als ich heute Morgen aufgewacht bin.« Er hob die Schreibmaschine auf und reichte sie mir.

»Wollen Sie zum Essen bleiben, Matthew?«

Das kam von der alten Dame, die immer noch ganz fassungslos war. Doch Fassungslosigkeit hatte gegen das Abendessen keine Chance.

Immer noch kauernd schaute ich zu ihr hoch. »Danke, Mrs. Merchison, aber ich bin immer noch satt von den ganzen Keksen.« Wieder blickte ich zum Haus. Es war jetzt in Schatten gehüllt. »Ich sollte mich wieder auf den Weg machen.« Ich schüttelte den beiden die Hand. »Danke. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.« Dann wandte ich mich mit der Schreibmaschine unter dem Arm zum Gehen.

Damit war Mr. Merchison allerdings nicht einverstanden.

Er rief mir ein unverblümtes »Oi!« zu.

Was sollte ich machen?

Es musste einen Grund geben, warum ich die beiden Tiere ausgebuddelt hatte. Unter den Wäscheleinen drehte ich mich um – eine altersschwache, quietschende Wäschespinne, genau wie bei uns zu Hause – und wartete darauf, dass es gesagt wurde. Und er sagte es auch.

»Haben Sie nicht was vergessen, Kumpel?«

Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Hundeknochen und die Schlange.

Und so fuhr ich davon.

Auf dem Rücksitz meines alten Kombis lagen die Gebeine eines Hundes, eine Schreibmaschine und das zarte, gewundene Skelett einer Mulgaschlange.

Nach der Hälfte der Strecke fuhr ich rechts ran. Ich kannte einen Ort in der Nähe – nur ein kleiner Umweg, und ich hätte mich ausschlafen können –, aber ich entschied mich dagegen. Stattdessen legte ich mich in den Wagen,...

Erscheint lt. Verlag 4.2.2019
Übersetzer Alexandra Ernst
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Bridge of Clay
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Australien • Bestseller • Brücke • Brüder • Die Bücherdiebin • eBooks • Familiensaga • Geheimnis • Liebe • New-York-Times-Besteller • New-York-Times-Bestseller • New-York-Times-Bestsellerautor • Roman • Romane • Schuld • Vergebung • Versöhnung
ISBN-10 3-641-24235-5 / 3641242355
ISBN-13 978-3-641-24235-0 / 9783641242350
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