Traum des Lebens (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
704 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-22712-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Traum des Lebens -  Jeffrey Archer
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Zwei Länder, zwei Welten, zwei Leben
1968: Am Hafen von Leningrad müssen der junge Alexander Karpenko und seine Mutter auf der Flucht vor dem KGB entscheiden, auf welches Schiff sie sich als blinde Passagiere schleichen. Eines fährt nach Großbritannien, eines in die USA. Der Wurf einer Münze soll das Schicksal von Alexander und Elena besiegeln ... Über eine Zeitspanne von dreißig Jahren und auf zwei Kontinenten entfaltet sich in Jeffrey Archers großem Roman eine Geschichte von einmaliger Spannung und Dramatik - eine Geschichte, die man nicht wieder vergisst.

Jeffrey Archer, geboren 1940 in London, verbrachte seine Kindheit in Weston-super-Mare und studierte in Oxford. Archer schlug zunächst eine bewegte Politiker-Karriere ein. Weltberühmt wurde er als Schriftsteller, »Kain und Abel« war sein Durchbruch. Mittlerweile zählt Jeffrey Archer zu den erfolgreichsten Autoren Englands. Seine historischen Reihen »Die Clifton-Saga« und »Die Warwick-Saga« begeistern eine stetig wachsende Leserschar. Archer ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in London, Cambridge und auf Mallorca.

1

Alexander

Leningrad: 1968

Was willst du machen, wenn du mit der Schule fertig bist?«, fragte Alexander.

»Ich möchte zum KGB«, erwiderte Wladimir, »aber sie werden mich nicht mal in Erwägung ziehen, wenn ich keinen Platz an der staatlichen Universität bekomme. Und was ist mit dir?«

»Das Außenministerium«, sagte Alexander. »Wenn sie mich wollen.«

»Die würden dich mit offenen Armen aufnehmen«, sagte Wladimir. »Bei den Verbindungen, die dein Vater hat.«

»Ich halte nichts von Vetternwirtschaft«, entgegnete Alexander, während sie über den Schulhof in Richtung Straße schlenderten.

»Vetternwirtschaft?«, sagte Wladimir, nachdem sie die Straße überquert und den Heimweg eingeschlagen hatten.

»Das ursprüngliche lateinische Wort spricht eigentlich von Neffen und geht auf die Päpste im fünfzehnten Jahrhundert zurück, die ihren Verwandten und engen Freunden oft Vergünstigungen zukommen ließen.«

»Was soll daran falsch sein?«, sagte Wladimir. »Man ersetzt die Päpste einfach nur durch den KGB

»Gehst du am Samstag zum Spiel?«, fragte Alexander, indem er das Thema wechselte.

»Nein. Seit Zenit Leningrad das Halbfinale erreicht hat, gibt es wirklich keine Chance mehr, an eine Eintrittskarte zu kommen. Aber weil dein Vater Hafenverwalter ist, bekommst du automatisch ein paar reservierte Plätze auf der Tribüne.«

»Nicht solange er sich weigert, in die Kommunistische Partei einzutreten«, sagte Alexander. »Und als ich ihn das letzte Mal gefragt habe, klang er nicht besonders optimistisch, was Karten angeht. Deshalb ist Onkel Kolja meine letzte Hoffnung.«

Während sie ihren Weg nach Hause fortsetzten, begriff Alexander, dass sie genau jenes Thema vermieden, an das sie beide fast unablässig denken mussten.

»Wann werden wir es wohl erfahren, was meinst du?«

»Ich habe keine Ahnung«, sagte Alexander. »Vermutlich genießen es die Lehrer, uns leiden zu sehen, denn es ist das letzte Mal, dass sie irgendwelche reale Macht über uns haben. Und das wissen sie natürlich.«

»Du brauchst dir darüber keine Sorgen zu machen«, sagte Wladimir. »Bei dir gibt es nur einen Punkt, der noch offen ist: Bekommst du das Lenin-Stipendium für das Fremdspracheninstitut in Moskau, oder bieten sie dir einfach so einen Platz an? Ich kann nicht einmal sicher sein, ob ich einen Platz an der staatlichen Universität bekomme, und wenn nicht, dann war’s das mit meinen Chancen, zum KGB zu gehen.« Wladimir seufzte. »Wahrscheinlich werde ich am Ende für den Rest meines Lebens in den Docks arbeiten, mit deinem Vater als meinem Chef.«

Alexander äußerte sich nicht dazu, als sie das Mietshaus betraten, in dem sie beide wohnten, und die abgetretenen Stufen zu ihren Wohnungen hinaufstiegen.

»Ich würde lieber im ersten Stock wohnen anstatt im neunten.«

»Du weißt genauso gut wie ich, dass die Wohnungen in den ersten drei Stockwerken für Parteimitglieder reserviert sind, Wladimir. Aber ich bin sicher, dass du ganz schön tief sinken wirst, wenn du erst mal beim KGB bist.«

»Wir sehen uns morgen«, sagte Wladimir, ohne auf die schnippische Bemerkung seines Freundes einzugehen, und trat seinen Weg weitere vier Stockwerke hinauf an.

Alexander öffnete die Tür zu der winzigen Wohnung der Familie im fünften Stock, während er über einen Artikel nachdachte, den er kürzlich in einem staatlichen Magazin gelesen hatte. Dort wurde darüber berichtet, dass die Kriminalität in Amerika so sehr überhandgenommen hatte, dass jeder mindestens zwei und manchmal sogar drei Schlösser an seiner Wohnungstür angebracht hatte. Der einzige Grund, warum das in Russland nicht so war, vermutete Alexander, bestand wahrscheinlich darin, dass niemand etwas besaß, das zu stehlen sich gelohnt hätte.

Er ging auf direktem Weg in sein Zimmer, denn er wusste, dass seine Mutter erst nach Beendigung ihrer Arbeit zurückkommen würde. Er nahm mehrere Blätter liniertes Papier, einen Bleistift und ein abgegriffenes Buch aus seiner Schultasche und legte alles auf den winzigen Tisch in einer Ecke seines Zimmers. Dann schlug er Krieg und Frieden auf Seite 179 auf und fuhr fort, Tolstois Worte ins Englische zu übersetzen. Als die Familie Rostow sich zum Abendessen versammelte, schien Leo nicht ganz bei der Sache zu sein, und das nicht nur, weil …

Alexander sah gerade jeden Absatz noch einmal auf Rechtschreibfehler durch und dachte gleichzeitig darüber nach, ob er an einigen Stellen ein angemesseneres englisches Wort finden könnte, als er hörte, wie die Wohnungstür geöffnet wurde. Sein Magen begann zu knurren, und er fragte sich, ob es seiner Mutter gelungen war, einen Happen aus der Offiziersmesse zu schmuggeln, wo sie als Köchin arbeitete. Er schloss das Buch, verließ sein Zimmer und ging zu ihr in die Küche.

Elena begrüßte ihren Sohn mit einem warmherzigen Lächeln, als er sich auf die Holzbank am Tisch setzte.

»Gibt es heute Abend irgendetwas Besonderes, Mama?«, fragte Alexander hoffnungsvoll. Sie lächelte und begann, ihre Taschen zu leeren; zum Vorschein kamen dabei eine große Kartoffel, zwei Pastinaken, ein halber Laib altbackenes Brot sowie – als Höhepunkt dieses Abends – ein Stück Fleisch, das ein Offizier wahrscheinlich nach dem Mittagessen auf seinem Teller hatte liegen lassen. Ein wahres Fest, dachte Alexander, verglichen mit dem, was sein Freund Wladimir heute Abend essen würde. Es gab immer jemanden, dem es schlechter ging als einem selbst – seine Mutter wurde nicht müde, ihn daran zu erinnern.

»Irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte seine Mutter, während sie begann, die Kartoffel zu schälen.

»Jeden Abend stellst du mir dieselbe Frage, Mama«, erwiderte Alexander, »und ich erkläre dir immer wieder, dass es mindestens noch einen Monat oder vielleicht sogar noch länger dauern wird, bis ich es erfahren werde.«

»Es ist ja nur, weil dein Vater so stolz wäre, wenn du das Lenin-Stipendium gewinnen würdest.« Sie legte die Kartoffel auf den Tisch und schob die Schalen zusammen. Nichts würde verschwendet werden. »Du weißt, dass dein Vater studiert hätte, wenn der Krieg nicht dazwischengekommen wäre.«

In der Tat, Alexander wusste das nur zu gut. Aber er hörte immer wieder gern, wie sein Vater als junger Gefreiter während der Belagerung von Leningrad direkt an der Front stationiert worden war und seinen Posten erst verlassen hatte, als die Deutschen abgedrängt worden waren und sich in ihr eigenes Land zurückgezogen hatten, obwohl eine Elite-Panzerdivision den betreffenden Frontabschnitt über dreiundneunzig Tage hinweg immer wieder angegriffen hatte.

»Wofür ihm der Orden der Verteidiger von Leningrad verliehen wurde«, sagte Alexander wie aufs Stichwort.

Seine Mutter musste ihm die Geschichte schon mindestens einhundert Mal erzählt haben, doch Alexander wurde ihrer niemals überdrüssig, auch wenn sein Vater sie von sich aus nie erwähnte. Und jetzt, fast fünfundzwanzig Jahre nach seiner Rückkehr zu den Docks, war er zum Genossen Hafenverwalter aufgestiegen und hatte die Oberaufsicht über dreitausend Arbeiter inne. Obwohl er kein Parteimitglied war, musste sogar der KGB anerkennen, dass er genau der Richtige für diese Arbeit war.

Die Wohnungstür wurde geöffnet und mit einem recht lauten Knall wieder geschlossen, was bedeutete, dass Alexanders Vater eingetroffen war. Alexander lächelte, als sein Vater in die Küche kam. Konstantin Karpenko war ein großer, kräftig gebauter Mann, der noch immer so gut aussah, dass manche junge Frau sich bis heute nach ihm umdrehte, um sich einen zweiten Blick zu gönnen. Sein wettergegerbtes Gesicht wurde von einem buschigen Schnurrbart beherrscht, den Alexander als Kind oft gestreichelt hatte. Inzwischen wagte er es schon seit mehreren Jahren nicht mehr. Konstantin ließ sich seinem Sohn gegenüber auf einen Stuhl sinken.

»Es dauert noch eine halbe Stunde, bis das Abendessen fertig ist«, sagte Elena, während sie die Kartoffel in Würfel schnitt.

»Wenn wir unter uns sind, sollten wir uns ausschließlich auf Englisch unterhalten«, sagte Konstantin.

»Warum?«, fragte Elena in ihrer Muttersprache. »Ich habe noch nie in meinem Leben einen Engländer getroffen, und vermutlich werde ich das auch nie.«

»Weil Alexander die Sprache unserer Feinde flüssig sprechen sollte, wenn er dieses Stipendium gewinnen und nach Moskau gehen wird.«

»Aber haben die Briten und die Amerikaner im letzten Krieg nicht auf derselben Seite wie wir gekämpft, Papa?«

»Auf derselben Seite, ja«, erwiderte sein Vater. »Aber nur, weil wir für sie von zwei Übeln das kleinere waren.« Alexander dachte darüber nach, während sein Vater aufstand. »Sollen wir eine Runde Schach spielen, solange wir warten?«, fragte er. Alexander nickte. Das war immer der schönste Teil des Tages für ihn. »Du stellst die Figuren auf, während...

Erscheint lt. Verlag 12.11.2018
Übersetzer Martin Ruf
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Heads You Win
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Die Clifton Saga • eBooks • Familiensaga • Historische Romane • Kain und Abel • KGB • Krise • London • New York • politischer Flüchtling • Roman • Romane • Russland • Schicksal • Was wäre wenn • Weihnachtsgeschenke
ISBN-10 3-641-22712-7 / 3641227127
ISBN-13 978-3-641-22712-8 / 9783641227128
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