Die Schwestern vom Ku'damm: Jahre des Aufbaus (eBook)

Jahre des Aufbaus
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
432 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-20048-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Schwestern vom Ku'damm: Jahre des Aufbaus -  Brigitte Riebe
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Wirtschaftswunder, Kaufrausch, Träume in Pastell - drei Schwestern und ein Kaufhaus am Ku'damm. Der Auftakt der großen 50er-Jahre-Trilogie von Bestseller-Autorin Brigitte Riebe. Berlin im Mai 1945: Es ist die Stunde Null, die Stadt liegt ebenso in Trümmern wie die Seelen der Menschen. Auch das Kaufhaus Thalheim am Ku'damm ist zerstört. Fassungslos stehen die drei Schwestern Rike, Silvie und Florentine vor der Ruine des einst so stolzen Familienunternehmens. Doch Rike, die Älteste, hat einen Traum: Sie will das Kaufhaus wieder aufbauen und mit raffinierten Stoffen und neuesten Modekreationen Farbe in das triste Nachkriegsberlin bringen. Nach der Währungsreform scheint es tatsächlich aufwärts zu gehen, die Menschen hungern nach Konsum und schönen Dingen. Doch die neuen Zeiten bringen neue Probleme. Als ein dunkles Geheimnis zutage tritt, das ein unrühmliches Licht auf das Kaufhaus und seine Geschichte wirft, müssen die Schwestern erkennen, dass die Vergangenheit noch immer lebendig ist...

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lebendig werden lässt. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lebendig werden lässt. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

Prolog


Berlin, Juni 1932

Das Schönste, was sie jemals gesehen hat!

Überwältigt greift Rike nach der Hand ihres Vaters. Ganz kurz geniert sie sich dafür, weil sie doch seine Große ist und schon lange kein Baby mehr wie ihre jüngeren Geschwister. Aber die Zwillinge jagen sich längst übermütig auf den Rolltreppen, Oskar wie immer vorneweg, Silvie ihm hinterher. Als Mama ihn ermahnt, denkt er nicht daran, zu gehorchen. Wozu ist er schließlich der Kronprinz der Familie? Für Papa steht fest, dass natürlich er einmal sein Nachfolger wird. Deshalb nimmt Oskar sich schon jetzt mehr raus als seine beiden Schwestern zusammen. Sogar im Auto hat er Rabatz gemacht, als Papa verlangte, die ganze Familie solle während der Fahrt zum Ku’damm schwarze Augenbinden tragen – um die Überraschung noch größer zu machen.

Nun steht Rike im Foyer, legt den Kopf in den Nacken und blickt nach oben, aber sie erkennt das Kaufhaus Thalheim & Weisgerber kaum wieder, so sehr hat es sich verändert. Hier, vom Erdgeschoss aus, kommt es ihr viel luftiger und auch größer vor, dabei hat es nach wie vor drei Stockwerke.

Aber dieses riesige neue Glasdach, durch das der blauweiße Sommerhimmel grüßt!

Lichter, so hell, dass es sie fast blendet.

Farben, nichts als Farben.

Ein Marmorbrunnen im Parterre, der gleich neben ihr bunt erleuchtete Fontänen sprüht.

Die neuen Rolltreppen, die lautlos nach oben oder unten gleiten und mühsames Steigen ersetzen.

Geräumige Probierkabinen mit weißen Vorhängen.

Dezente Duftbrisen, die im Intervall durch die Belüftungsanlagen strömen.

Verführung zum Kaufrausch – allerdings nur für jene, die es sich auch leisten können.

Überall Stangen mit Kleidern, Mänteln, Hosen, Blusen, Jacken, dahinter zahllose Regale und davor einladende Verkaufstische, auf denen sich Hemden, Strümpfe, Handschuhe und Gürtel stapeln, alles eben, was die moderne Dame und der moderne Herr zum Leben brauchen. Dazwischen elegant drapierte Schaufensterpuppen, so lebensecht, als würden sie im nächsten Moment zu laufen oder zu sprechen beginnen. Rike berührt die feinen Stoffe verstohlen im Vorbeigehen und spürt dabei Leinen, Wolle und Seide. Sie liebt alles, was gewebt, gewirkt oder gesponnen ist, interessiert sich für Schnitte und Kleidergrößen, Kragenformen und Ärmelvarianten, viel mehr als für die Gebirgszüge Europas oder diese endlosen englischen Vokabeln, die ihr nun schon im zweiten Jahr auf dem Westendgymnasium eingetrichtert werden. Mathe dagegen und überhaupt alles, was mit Zahlen zu tun hat, liegt ihr, auch wenn so mancher vielleicht den Kopf darüber schüttelt, weil sie doch ein Mädchen ist.

«Ein Zauberreich», murmelt sie und lässt ihren verzückten Blick über all die ausgestellten Schätze gleiten, während die 13-köpfige Gruppe mit der Rolltreppe in den ersten Stock fährt. «Und du, Papa, du bist hier der Magier!»

«Es gefällt dir?», hört sie ihn sagen.

Rike nickt begeistert, merkt dann aber plötzlich, dass sie gar nicht gemeint war. Mama ist es, der Papas besorgte Frage gilt, ihre wunderschöne Mutter mit den schwarzen Haaren und den gewitterblauen Augen, für die die neue Mode mit der betonten Schulterpartie, den wadenlangen Röcken und der enggegürteten Taille wie gemacht ist. Heute trägt Alma Thalheim ein blaues Seidenkleid mit cremeweißen Tupfen nebst passendem Bolero, das sie geradezu königlich aussehen lässt. Aber selbst schlicht in Rock und Twinset gekleidet, gelingt es ihr spielend, andere Frauen zum Verblassen zu bringen.

Rike liebt ihre Mutter so sehr, dass es manchmal fast weh tut, auch wenn sie ihr seit der Geburt der Zwillinge nicht mehr allein gehört. Bevor Mamas Bauch so dick geworden ist, dass sie schon Angst bekam, er würde platzen, waren sie beide eine Einheit, die nichts und niemand auseinanderbringen konnte.

Mama-Rike.

Rike-Mama.

Doch mit den beiden Schreihälsen, die gut drei Jahre nach ihr zur Welt kamen, war diese Idylle schlagartig vorbei. Mama ist nun immer müde und wirkt bedrückt, muss sich oft ausruhen und hat plötzlich kaum noch Zeit für ihre Älteste. Erst hat Rike viel geweint, irgendwann hat sie jedoch beschlossen, das Beste daraus zu machen, weil es sich ja doch nicht ändern lässt. Inzwischen hat sie gelernt, nach außen hin tapfer zu sein, aber so richtig leicht fällt es ihr noch immer nicht, ihre Mama mit den Zwillingen zu teilen.

«Und das ist wirklich euer Ernst, Fritz?» Mamas rauchige Stimme klingt eher gereizt als freudig, während sie die Auslage im ersten Stock inspiziert. «Dieser ganze sündteure Pomp? Ausgerechnet jetzt, wo noch immer so viele Menschen keine Arbeit haben.»

«Ich muss meiner ebenso klugen wie charmanten Schwägerin recht geben», schaltet sich nun Onkel Carl ein, und heute klingt er gar nicht so locker wie sonst. «Ihr solltet vorsichtiger sein, Fritz. Die Nationalsozialisten mögen keine Konsumtempel, die den arischen Einzelhandel bedrohen. Erst recht nicht, wenn sie auch noch zur Hälfte in jüdischer Hand sind. Das könnte äußerst unangenehme Konsequenzen haben. Und glaube mir, leider weiß ich sehr genau, wovon ich rede.»

Selten genug, dass Papas jüngerer Bruder sich überhaupt ins Kaufhaus bequemt. Mode und Menschenmassen sind ihm gleichermaßen zuwider. Heute aber hat er sogar seine Frau Lydia mitgebracht sowie seine Söhne Gregor und Paul. Carls sandfarbenes Haar ist zerzaust, als hätte ihm die Lust zum Kämmen gefehlt, nicht gerade das, was man von einem seriösen Staatsanwalt erwartet. Außerdem raucht er zu viel und soll darüber hinaus ein Faible fürs Nachtleben haben, auch wenn Rike nur erahnen kann, was damit gemeint sein könnte.

Sogar Oma Frida, die sonst alles gut findet, was ihr Ältester sich ausdenkt, zieht ein bedenkliches Gesicht. Unsicherheit und zu große finanzielle Wagnisse hasst sie noch mehr als Streitigkeiten zwischen ihren beiden Söhnen. Alle in der Familie wissen, wie sehr sie noch immer um ihren Mann trauert: Wilhelm Albert Thalheim, der mit seinem imposanten Geschäft für Knöpfe und Galanteriewaren nahe dem Potsdamer Platz den Grundstock für Wohlstand und Aufstieg der Familie gelegt hat, verstorben kurz vor der Geburt der Zwillinge.

«Markus ist getauft», erwidert Papa mit fester Stimme, und sein Gesicht rötet sich, ein untrügliches Zeichen, dass er sich zu ärgern beginnt. Das blütenweiße Hemd mit der blauen Krawatte scheint plötzlich zu eng, so nervös zupft er am Kragen herum. «Und damit so protestantisch wie du und ich. Es ist der ideale Zeitpunkt, Carl! Die Leute fassen endlich neuen Mut, und nichts anderes tun wir auch. Außerdem werden sich die Nazis auf Dauer nicht halten können. Und falls du jetzt wieder mit all den Landtagen ankommst, in denen sie inzwischen schon sitzen – für mich zählt einzig und allein die anstehende Reichstagswahl. Und da werden sie grandios scheitern!»

«Und wenn nicht?», fragt Mama. Sie schaut dabei nicht Papa an, sondern seinen Compagnon, den die Kinder der Familie ebenfalls «Onkel» nennen, obwohl er gar nicht ihr richtiger Onkel ist. Bislang hat Markus Weisgerber kein Wort gesagt, sondern nur die ganze Zeit vielsagend in sich hineingelächelt. Mama erwidert sein Lächeln nicht. «Wäre es nicht klüger gewesen, erst einmal abzuwarten, wie die politische Lage sich weiterentwickelt, bevor man solch immense Investitionen riskiert?» Ihre schlanke Hand mit dem Schlangenring am kleinen Finger, den sie niemals ablegt, flattert durch die Luft und sinkt dann zurück auf ihren flachen Bauch.

Wortlos starrt Markus Weisgerber zurück, und für einen Augenblick scheint die Luft zwischen den beiden zu brennen. Seit einiger Zeit reagiert Mama fast immer angespannt, sobald er in ihre Nähe kommt. Früher haben sie viel zusammen gelacht, doch wenn sie sich jetzt begegnen, fühlt es sich an wie kurz vor einer Explosion.

«So oder so habt ihr jetzt Schulden bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Denn die alten Verbindlichkeiten sind doch auch noch längst nicht abgestottert, wie jeder sich ausrechnen kann, der das Einmaleins beherrscht.» Tante Lydia schnappt nach Luft, und ihr himmelblauer Hut mit den altmodischen Schleifen wippt dabei empört auf und ab. «Immer ganz hoch hinaus – ja, das passt zu euch beiden Hasardeuren! Was ich allerdings nicht Mut nennen würde, sondern eher grenzenlose Unvernunft. Denn das alles hier» – ihr molliger Arm, in pastelligem Tweed verpackt, beschreibt einen weiten Kreis – «lässt sich doch in einem einzigen Leben nicht zurückverdienen, selbst wenn alle Kassen von früh bis spät klingeln. Und mehr als einmal reich heiraten gelingt vermutlich nicht einmal dir, lieber Fritz!»

«Wenn euer Abenteuer schiefgeht, dann ist mein großzügiger Vater also auf einen Schlag seine schöne Schuhfabrik los.» Mamas kurzes Lachen klingt bitter. «Denn den habt ihr doch sicherlich zusätzlich zur Bank angepumpt, oder etwa nicht?»

Rike hasst es, wenn die Erwachsenen so miteinander reden, zynisch, ohne jedes Gefühl. Macht sofort Schluss damit, würde sie am liebsten schreien, ihr tut euch doch nur weh. Aber wer hört schon auf eine Elfeinhalbjährige?

«Dein geschätzter Vater, liebe Alma, kriegt jeden Pfennig zurück», versichert Markus, der in seinem hellgrauen Flanellanzug mit dem englischen Streifenhemd frisch und dynamisch aussieht. Neben ihm wirkt Papa in strengem Anthrazit älter, aber auch seriöser. «Und mehr als das, denn natürlich kassiert auch er die üblichen Zinsen. Das Angebot, uns für eine Weile finanziell unter die Arme zu greifen, kam übrigens von ihm. Und niemand weiß doch besser als du, welch gewiefter...

Erscheint lt. Verlag 23.10.2018
Reihe/Serie Die 50er-Jahre-Reihe
Die 50er-Jahre-Trilogie
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1950er • 50er Jahre • Berlin • Berlin Roman • Dallmayr • Das Haus der Träume • Familiensaga • Geschichte • Kaufhaus • Ku'damm • Mode • Nachkriegszeit • Roman • Saga • Schwestern • Wirtschaftswunder • wunderfrauen • Zeitgeschichte
ISBN-10 3-644-20048-3 / 3644200483
ISBN-13 978-3-644-20048-7 / 9783644200487
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