Das Dach muss vor dem Winter drauf (eBook)

Die Online-Omi baut ein Haus
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
240 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40562-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Dach muss vor dem Winter drauf -  Renate Bergmann
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Vertrauen ist gut, Renate ist besser Renate Bergmann überlässt ihr Spandauer Grundstück Neffen, nachdem dieser ihr jahrelang Nachhilfe bei der Handhabung moderner Technik gegeben hat. Schließlich heißt es ja immer, ein Mann solle in seinem Leben ein Haus bauen, einen Sohn zeugen und einen Baum pflanzen. Gut, beim Hausbau werden dann alle ein bisschen mithelfen, vor allem Kurt. Das mit dem Sohn hat auch nicht geklappt, denn Ariane, Stefans Frau, erwartet wieder ein Mädchen - die kleine Agneta. Und am Ende steht der Stefan mit 14 Apfelbaum-Setzlingen da. Zum Glück ist für eine Streuobstwiese genug Platz. Aber lesen Sie selbst, was Renate zur Situation auf der Baustelle sagt: «Es ist gut, wenn man seine eigenen vier Wände hat. Eigener Herd ist Goldes wert , heißt es immer, und da ist was Wahres dran. Selbst, wenn der Herd in Spandau steht und die jungen Dinger doch nur Tütensuppe darauf warmmachen.»

Renate Bergmann, geb. Strelemann, wohnhaft in Berlin. Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwet: Seit Anfang 2013 erobert sie »das Interweb« mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten - und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt.Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buch-Veröffentlichung - und ein sensationeller Erfolg -, auf die zahlreiche weitere, nicht minder erfolgreiche Bände und ausverkaufte Tourneen folgten.

Renate Bergmann, geb. Strelemann, wohnhaft in Berlin. Trümmerfrau, Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwet: Seit Anfang 2013 erobert sie Twitter mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten – und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt. Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buch-Veröffentlichung – und ein sensationeller Erfolg –, auf die zahlreiche weitere, nicht minder erfolgreiche Bände und ausverkaufte Tourneen folgten.

Bevor ich zu Bett gehe, hänge ich immer noch die Bilder meiner verstorbenen Männer ab. Es wäre mir unangenehm, würden die mich ohne Zähne sehen.


Damit Se verstehen, welche Idee ich da hatte, muss ich Ihnen (kurz!) von Franz erzählen. Franz war meine dritte standesamtliche Zuteilung – und ein Fehlgriff ins Gatten-Regal.

Es ist traurig, aber wahr: Die Jugend wird an die Jungen verschwendet. Ach, wenn wir Alten noch ein paar unserer frühen Tage hätten, wir könnten doch etwas viel Klügeres damit anfangen! Aber es wird wohl schon richtig so sein, die Jugend gehört gedankenlos verschwendet. «Lebt», sage ich den jungen Leuten immer, «lebt, genießt und schwelgt. Es wird noch früh genug beschwerlich, und dann hat man nur noch Erinnerungen.»

Wissen Se, ich will gar nicht noch mal jung sein. Was habe ich für Fehler begangen, Himmel, nee! Und Franz war nur einer davon. Es hat aber gar keinen Sinn, darüber nachzugrübeln. Die Lektionen sind gelernt, und nun lebe ich im Hier, Jetzt und Heute. Die Zeit, die mir noch bleibt, ist knapp genug. Die werde ich doch nicht damit vergeuden, über vergangene Tage zu jammern. Aber WENN ich noch mal jung wäre, ha, meinen Franz würde ich vor die Tür setzen. Mindestens!

Seinerzeit war das noch nicht so mit Emanzipation und solchen Dingen. Wenn man als Frau da gemerkt hat, dass der Mann fremd… also, es mit der Treue nicht so genau nahm, dann weinte man ins Kissen und wartete, bis er starb. Eine Renate Bergmann, damals noch verheiratete Hilbert, war ihrer Zeit aber ein bisschen voraus und weinte zumindest nicht (nur). Als ich merkte, dass der Franz sich mit Possiermädchen vergnügte, ließ ich ihn auf der Couch nächtigen. Nicht mal geleugnet hat der Hallodri das! «Ehe ist etwas so Schwieriges, dass man drei Leute braucht, damit sie funktioniert», sagte er nur und lächelte. Das war das letzte Mal, dass der gelächelt hat, das sage ich Ihnen aber. Dem habe ich das Leben ungemütlich gemacht. Die Schlafzimmertür war von da an immer abgeschlossen und für ihn tabu. Da kam der nicht mehr durch. Nee, nee.

Wissen Se, ich war ja als Schaffnerin im D-Zug oft lange weg. Heute würde man wohl sagen, dass wir von da an eine Wohngemeinschaft hatten. Wir lebten zusammen, aber getrennt von Tisch und Bett. Wie die jungen Leute bei mir im Haus: ein Mädchelchen und zwei Herren, die alle was studieren und sich eine Wohnung und die Miete teilen. Jeder schläft in seinem Zimmer, und ab und an kochen sie gemeinsam, aber im Grunde geht jeder seiner Wege. So hielt ich es mit Franz auch, seit ich dem verdorbenen Fremdgänger draufgekommen war. Der olle Zausel durfte auf dem Küchensofa schlafen und seine Sachen in der Anbauwand verwahren. Und damit war der noch gut bedient! Ich machte sogar weiter seine Wäsche mit, schließlich war er nach außen hin mein Mann, und die Schande, dass die Leute reden, hätte ich nicht gewollt. Wegen der Wäsche bin ich ihm auch draufgekommen; der Dussel war nämlich so unvorsichtig, mir seine Hemden in die Truhe zu werfen, die nach dem Parföng von seiner Bettgesellin rochen. Ich bitte Sie, ich erkenne doch NONCHALANCE! So was Gutes hatte ich nicht, das war Westparföng. Das gab es nur im Intershop. Als ich dann sogar ein rotes langes Haar auf dem Hemd entdeckte, na, da war es aber aus. Franz hat vielleicht Augen gemacht, als er sein Plumeau auf dem Küchensofa liegen sah. Kein Wort musste ich sagen, der wusste genau, dass ich ihm auf die Schliche gekommen war. Schürzenjäger, verdammter! Was hat der über Rückenschmerzen gejammert in den Wochen danach, angeblich wegen des Küchensofas. Aber auf dem Ohr war ich taub. «Wenn es hinten weh tut, musst du vorne aufhören, du oller Bock», das war alles, was ich ihm noch mitgab. Es ging ja auch nicht lange, kein halbes Jahr später war er mausetot. Jetzt gucken Se nich so, ich habe damit nichts zu tun. Mein Alibi war dicht wie eine Tresortür, stand 28 Jahre lang quer durch Berlin, wurde von bewaffneten Organen beschützt und nannte sich Mauer: Der Franz starb auf Dienstreise nach Westberlin.

Was meinen Se, wie schwierig es war, den toten Franz nach Hause zu bekommen! Was auch immer vorgefallen war, er war mein Angetrauter, und es gehörte sich doch, dass ich ihn in Ehren – so viele Ehren, wie er eben noch verdient hatte – unter die Erde brachte. Was haben die sich angestellt beim Zoll, ich sage Ihnen, so was Bockbeiniges hatte ich noch nicht erlebt. Erst hieß es, er dürfte nicht im Sarg aus Westberlin raus, sondern nur eingeäschert in der Urne. Ich bitte Sie! Denen habe ich aber was erzählt. Ich legte los und der Beamte die Ohren an. «Wenn ich ein Schwein zum Schlachter bringe», sagte ich, «dann will ich doch zum Wursten auch zwei Hälften zurück und nicht schon fertigen Gulasch!» Das habe ich dem gesagt und noch ganz andere Sachen. Eine Renate Bergmann redet nicht lange um den heißen Brei herum, sondern Tacheles. Es ging ein Weilchen hin und her, der andere Zoll wurde hinzugezogen, und ein Herr guckte in einer Tabelle nach. Zwischen Krokussen, Feinstrumpfhosen und Autorückspiegeln fand sich nach langer Suche «Sarg». Letztlich war vonseiten Ostberlins alles genehmigt, und nun sollten noch die Franzosen ja und amen sagen, weil es Franz im französischen Sektor dahingerafft hatte.

Da wurde es mir endgültig zu bunt. Die Zeit drängte ja auch, wissen Se, wir hatten Sommer, da musste der Kerl zügig unter die Erde!

Als Franz wieder im Osten war, hat ihm der Rachmeier, mein Haus-und-Hof-Bestatter, erst mal einen anständigen Anzug angezogen. Das rüschige Leichenhemd aus dem Westen hat er nicht anbehalten, das war ja würdelos! Das sah eher aus wie ein Taufkleid oder als wäre mein Mann einem «Käfig voller Narren» entsprungen. Aber den Sarg von drüben, den haben wir ihm gelassen. Was meinen Se, wie die Leute geguckt haben, so was Schönes hatten die meisten ollen Frauen noch nie gesehen. Massive Eiche, dunkel gebeizt und mit üppigen Beschlägen aus Messing. Sehr gediegen! Heute ist das ja Standard, da können Se für Geld ja alles kriegen, aber zu DDR-Zeiten war das wie ein Mercedes zwischen lauter Trabis. Franz wurde also begraben wie ein Staatsmann. Im Grunde völlig unverdient. Na ja.

Franz hatte es schneller von der Platte geputzt, als ich ahnen konnte, und ich stand als nun dreifache Witwe da, immer noch jung und vorzeigbar. Ich betrauerte ihn, wie es sich gehörte, räumte das Küchensofa wieder frei, gab seine Anzüge zum Roten Kreuz und trug ein halbes Jahr Schwarz, wie es der Anstand gebot. Dann war es aber auch gut.

Kaum ein paar Wochen, nachdem wir ihn in Heimaterde zur letzten Ruhe gebettet hatten, kam raus, dass er mir nicht nur die Lebensversicherung, ein hübsches Sümmchen auf dem Sparbuch und den Namen Hilbert hinterlassen hatte, sondern auch ein Grundstück in Westberlin. Du meine Güte, was meinen Se, was das wieder für Ärger mit den Behörden gab. Es ging über JAHRE hin und her! Ich durfte ja nicht reisen, das Alter hatte ich noch lange nicht. Solange man rackern konnte, war man wertvolle Arbeitskraft, aber als Rentenbezieher hätte man ruhig drüben bleiben dürfen, das hätte die Kasse geschont. Irgendwann – es war wohl schon in den 80ern, wissen Se, die Behörden arbeiteten damals schon in einem Tempo, wie eine Schildkröte krabbelt –, jedenfalls nach etlichen Jahren kam ein Wisch, der mich als Grundstückseigentümerin auswies. Das Fleckchen Erde war unbebaut, irgendwo im Niemandsland dichte bei der Mauer, am Rande von Spandau. Fragen Se mich nicht, wie Franz da drangekommen war. Ob der das selber geerbt hatte oder ob er im Westen darum gespielt hat, ich weiß es wirklich nicht.

Wirklich nicht, Sie müssen gar nicht nachbohren! Ich hatte das Grundstück auch tatsächlich vergessen, das schwöre ich Ihnen, so wahr ich hier sitze und Renate Bergmann heiße. Ich schwöre es beim Rouladenrezept von Oma Strelemann! Sie wissen ja, wie das ist, man heftet so was in den «Wichtig»-Ordner und denkt sich mit ganz schlechtem Gewissen: «Da musst du mal wieder durchräumen.» Ein-, zweimal im Jahr nimmt man ihn sich wirklich vor und blättert durch, und dann fallen einem die Wasserabrechnung von 1984, das Gesundheitszeugnis von einem der Männer oder der Garantieschein für den Föhn oder die Fernsehtruhe in die Finger, und man stellt das Ding ganz schnell wieder weg, weil es ja sein kann, dass man das noch mal braucht.

Ich bin ja auch noch umgezogen zu Walter, meinem vierten Mann, und da denkt man nun wirklich gar nicht mehr an das Vorgängermodell. Erst recht nicht bei so einem Fremdgänger und Springinsfeld! Sie werden mich verstehen, meine Damen, oder? Sicher, ich weiß, was sich gehört, selbstverständlich wird Franz bepflanzt, geharkt und begossen wie die drei anderen Herren auch, da mache ich keinerlei Unterschiede. Schon, weil ich kein Gerede will. Was würde sich Wilma Kuckert, die Anwaltswitwe, das Maul zerreißen, wenn sich rausstellen würde, dass ich Franz billigere Eisbegonien aufs Grab pflanze als Walter. Nee, da lasse ich mir nichts nachsagen!

 

Jetzt jedenfalls kam mir die Geschichte wieder in den Sinn, und zwar genau, als ich mit Ilse und Kurt im Koyota auf dem Rückweg vom Galle-Doktor an der Parzelle vorbeifuhr. Nicht, dass die Strecke nun direkt am Ererbten entlanggeführt hätte, aber Kurt nimmt eben nicht immer den direkten Weg. Gläsers – also, Ilse und...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2019
Zusatzinfo Mit 3 s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bauarbeiter • Berlin • Dachdecker • Hausbau • Renovierung • Spandau
ISBN-10 3-644-40562-X / 364440562X
ISBN-13 978-3-644-40562-2 / 9783644405622
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