Utopia (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
320 Seiten
Manesse (Verlag)
978-3-641-22355-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Utopia -  Thomas Morus
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Berühmter Vorläufer von '1984' und 'Schöne neue Welt'
Wohlstand und leichte Arbeit für alle, Partnerschaften ohne Konflikte und Kultur von Kindesbeinen an - so muss sie aussehen, die beste aller möglichen Welten. Nie wieder wurde über das Zusammenleben in einer Gesellschaft so menschenfreundlich fantasiert wie in «Utopia» («Nichtort»), diesem ersten Staatsroman unserer Zeit. Dabei konnte der Kontrast im 16. Jahrhundert, geprägt durch soziale Missstände, Konflikte und Kriminalität, kaum größer sein. Thomas Morus' Schilderung einer Reise zum Hort purer Harmonie war vor diesem Hintergrund auch nicht durchwegs ernst gemeint. Vielmehr kippt «Utopia» häufig ins Ironische, was den Roman zu einer noch heute ebenso anregenden wie sympathischen Lektüre macht.

Thomas Morus (1478-1535) war ein englischer Staatsmann, Humanist und Schriftsteller. Er wurde in London als Sohn eines Richters geboren, studierte in Oxford und wurde selbst Richter und Mitglied des Parlaments. Als sein König Heinrich VIII. mit der katholischen Kirche brach, verweigerte Morus ihm seine Gefolgschaft, wurde verhaftet und enthauptet. 1935 wurde er als Märtyrer des Katholizismus heiliggesprochen.

Thomas Morus ist die bedeutendste Gestalt des englischen Humanismus. Von ihm stammt der Begriff der Utopie: Sein Hauptwerk, 'Utopia', ist der erste moderne Staatsroman.

Die Insel der Utopier erstreckt sich in ihrer Mitte – hier ist sie am breitesten – über zweihundert Meilen, wird lange kaum schmäler und verengt sich dann allmählich gegen ihre Enden hin. Diese liegen auf einer wie mit einem Zirkel gezogenen Linie, die einen Kreis von fünfhundert Meilen Durchmesser beschreibt, und verleihen der ganzen Insel die Gestalt eines zunehmenden Mondes.71 Dessen Hörner trennt das dazwischen hindurchflutende Meer auf eine Strecke von etwa elf Meilen, wobei sich das weite Meer hier vergleichbar einem großen See eher ruhig als aufgewühlt zeigt und die ganze Bucht – das beinahe ringsherum reichende Land hält nämlich die Winde ab – in einen Hafen verwandelt,72 sodass die Schiffe zum Nutzen der Bewohner überallhin fahren können.

Die Zufahrt ist auf einer Seite wegen Untiefen, auf der andern wegen Klippen äußerst gefährlich. Etwa in der Mitte ragt ein einzelner Fels hoch empor und ist daher für die Schifffahrt ungefährlich. Einen darauf errichteten Turm benutzt man zur Sicherung der Einfahrt. Die übrigen Klippen sind jedoch verborgen und daher heimtückisch. Allein die Einheimischen kennen die Fahrrinnen, und so gelangt nur selten ein Fremder ohne einen Lotsen der Utopier in diese Bucht. Die Zufahrt ist sogar für sie selbst nur dann gefahrlos, wenn der Weg ihnen von der Küste aus mittels Signalen gewiesen wird. Durch Verschieben dieser Signale könnten sie jede feindliche Flotte, egal wie zahlreich, ins Verderben führen. Auf der andern Seite der Insel liegen recht rege besuchte Hafenplätze, aber überall ist die Zufahrt von Natur aus oder von Menschenhand so befestigt, dass selbst große Truppen von nur wenigen Verteidigern abgewehrt werden könnten.

Wie übrigens überliefert wird und schon die Form des Geländes verrät, war dieses Land einst nicht ganz vom Meer umgeben. Aber Utopus – die Insel trägt seinen Namen, seit er sie erobert hat, vor dieser Zeit hieß sie Abraxa73 –, der den wilden und ungesitteten Volkshaufen bis zu einem solchen Grad von Kultur und Menschlichkeit erzogen hat, dass die Utopier heutzutage fast alle andern Menschen übertreffen, dieser Utopus ließ, gleich nachdem er bei seiner ersten Landung den Sieg errungen hatte, die Verbindung zum Kontinent abtrennen und führte so das Meer ringsherum. Da er nicht nur die Einwohner der Insel zu diesem Unternehmen gezwungen, sondern außerdem auch alle seine Soldaten einbezogen hatte, damit man die Arbeit nicht als Schmach empfand, wurde die Aufgabe – die nun auf eine große Zahl Menschen verteilt war – in unglaublicher Schnelligkeit bewältigt. Der Erfolg ließ die Nachbarn, die anfänglich über die Vergeblichkeit des Vorhabens gelacht hatten, vor Bewunderung und Entsetzen betroffen zurück.

Die Insel zählt vierundfünfzig Städte; sie sind alle weitläufig und prachtvoll, in allen wird dieselbe Sprache gesprochen, herrschen die gleichen Sitten, gibt es die gleichen Institutionen und Gesetze, gleich ist zudem ihr Grundriss und ihre äußere Erscheinung, soweit es die natürliche Beschaffenheit des Geländes erlaubt. Die einander am nächsten gelegenen Städte sind nur vierundzwanzig Meilen voneinander entfernt, und keine ist so abseits gelegen, dass man aus ihr nicht in einem Tagesmarsch in eine andere Stadt gelangen könnte.

Aus jeder Stadt kommen einmal im Jahr drei Bürger, Greise, die also über große Lebenserfahrung verfügen, in Amaurotum74 zusammen, um über die Angelegenheiten der Insel zu verhandeln. Diese Stadt gilt als die wichtigste und angesehenste, weil sie, sozusagen im Nabel des Landes befindlich, für die Abgeordneten aus allen Landesteilen am günstigsten gelegen ist.

Das Ackerland ist den Städten so zweckmäßig zugeteilt, dass eine jede auf keiner Seite weniger als zwölf Meilen Land hat; wo die Städte weiter voneinander entfernt liegen, ist es bedeutend mehr. Keine Stadt hat das Bedürfnis, ihr Gebiet zu erweitern, sind alle Bewohner doch der Ansicht, dass sie weit mehr die Besteller als die Herren des Landes sind, auf dem sie leben.

Höfe sind zweckmäßig über das Land verteilt und mit Ackerbaugeräten ausgestattet. Diese Höfe werden von Städtern bewohnt, die abwechselnd dorthin ziehen. Kein ländlicher Familienverband zählt weniger als vierzig Männer und Frauen, ganz abgesehen von jeweils zwei Ackersklaven75. Ihnen stehen je ein Familienvater und eine Familienmutter vor, so wie ein Phylarch76 über je dreißig Familien gebietet.

Aus jedem Familienverband ziehen Jahr für Jahr zwanzig Personen in die Stadt zurück. Ebenso viele neue werden bestimmt, an ihre Stelle zu treten, um von denen unterwiesen zu werden, die bereits ein Jahr auf dem Land verbracht und daher in landwirtschaftlichen Fragen mehr Erfahrung haben. Im nächsten Jahr werden diese dann wieder andere unterweisen, damit die Versorgung mit Nahrungsmitteln übers Jahr auch ja nicht gefährdet wird, nur weil dort alle neu und in der Landwirtschaft unerfahren sind. Wenn es auch üblich ist, die Bauern auszuwechseln, damit keiner dieses recht strenge Leben zu lang gegen seinen Willen führen muss, so erlangen doch viele, denen die Beschäftigung mit Landwirtschaft von Natur aus Freude bereitet, auf ihre Bitte hin die Erlaubnis, für mehrere Jahre zu bleiben.

Die «Bauern» bestellen das Land, züchten Vieh, stellen Holz bereit und bringen es auf dem Land- oder Seeweg in die Stadt, wie es gerade am bequemsten ist. Hühner ziehen sie dank einer bewundernswerten Technik in großer Zahl auf: Nicht die Hennen brüten nämlich die Eier aus, sondern sie selbst halten diese bei gleichbleibender Temperatur warm, bringen so die Küken zum Ausschlüpfen77 und ziehen sie dann auf. Sobald sie aus der Schale geschlüpft sind, schließen sich die Küken statt ihrer Mutter den Menschen an und halten sie für ihre Eltern. Pferde ziehen die Utopier nur wenige auf, wenn überhaupt, dann ausschließlich recht wilde, und dies auch nur, um die Jugend in der Reitkunst zu üben. Alle Arbeiten, sei es das Pflügen oder das Ziehen, besorgen Ochsen. Die Utopier erklären, dass diese zwar weniger wild seien als Pferde, sie aber an Ausdauer überträfen. Ferner seien sie weniger anfällig für Krankheiten, ihre Haltung sei mit weniger Mühe und Kosten verbunden, und wenn sie ausgedient hätten, könne man sie sogar noch essen.

Das Getreide verwenden sie ausschließlich zur Herstellung von Brot. Denn getrunken wird entweder Wein aus Trauben oder aus Äpfeln oder Birnen, manchmal auch nur reines Wasser oder solches, worin sie Honig oder Süßholz gekocht haben, was sie beides reichlich haben.

Obwohl sie – und zwar sehr gewissenhaft – untersuchen, welche Menge an Nahrungsmitteln eine jede Stadt samt Umland verbraucht, säen sie trotzdem viel mehr an und ziehen weit mehr Vieh auf, als für ihren Bedarf ausreichen würde, um den Überschuss ihren Nachbarn zukommen zu lassen.

Was auch immer sie an Hausrat oder Geräten benötigen und auf dem Land nicht beschafft werden kann, das erbitten sie sich von der Stadt und erhalten es von den Behörden umstandslos und ohne Gegenleistung. In der Stadt treffen nämlich die meisten von ihnen jeden Monat an einem Festtag zusammen.

Wenn die Erntezeit bevorsteht, melden die Phylarchen der «Bauern» den Behörden, wie viele Stadtbewohner zu ihnen geschickt werden sollen. Hat sich dann die entsprechende Anzahl von Erntearbeitern am vorab festgesetzten Termin rechtzeitig eingestellt, können sie fast an einem einzigen schönen Tag mit der gesamten Ernte fertig werden.

Über die Städte und insbesondere
über Amaurotum78

Wer eine Stadt kennt, kennt alle, so sehr ähneln sie sich – jedenfalls soweit die natürliche Beschaffenheit des Geländes dies zulässt. Ich will also irgendeine beschreiben, welche, spielt keine Rolle. Und welche sollte ich schon lieber beschreiben als Amaurotum? Keine verdient dies mehr als sie, wird sie doch von den übrigen Städten verehrt, weil der Senat dort seinen Sitz hat. Außerdem weiß ich, der ich ja volle fünf Jahre in ihr gelebt habe, über keine besser Bescheid.

Amaurotum liegt an einem sanften Berghang und weist einen quadratischen Grundriss auf. Wenig unterhalb des Berggipfels beginnend, erstreckt sie sich in ihrer ganzen Breite über zwei Meilen bis zum Anydrus79, wobei sie am Fluss noch etwas breiter wird.

Der Anydrus entspringt einer unbedeutenden Quelle achtzig Meilen oberhalb von Amaurotum, schwillt durch den Zulauf anderer Flüsse – darunter auch zweier recht großer – an, erreicht unmittelbar vor der Stadt eine Breite von einer halben Meile, nimmt dann nochmals zu und ergießt sich nach sechzig Meilen in den Ozean. Auf der ganzen Strecke zwischen Stadt und Ozean wechseln alle sechs Stunden Ebbe und Flut mit der schnellen Flussströmung ab. Dringt die Meeresflut auf einer Strecke von dreißig Meilen landeinwärts, drängt sie den Fluss zurück und nimmt dessen ganzes Bett ein. Auch etwas weiter im Landesinneren verdirbt sie sein Wasser noch durch ihren Salzgehalt. Erst danach wird das Flusswasser allmählich wieder süß, der Fluss gleitet wieder in seiner natürlichen Gestalt an der Stadt vorbei und verfolgt nun, rein und unvermischt, seinerseits die zurückweichende Flut fast bis zur Mündung.

Die Stadt ist mit dem gegenüberliegenden Ufer durch eine nicht auf hölzernen Pfählen, sondern aus Stein errichteten und vortrefflich gewölbten Brücke an der Stelle verbunden, wo sie am weitesten vom...

Erscheint lt. Verlag 15.10.2018
Reihe/Serie Manesse Bibliothek
Nachwort Peter Sloterdijk
Übersetzer Jacques Laager
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Original-Titel Utopia
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1984 • Aldous Huxley • Arbeitszeit • Besser leben • Der utopische Staat • dystopie fantasy • eBooks • George Orwell • Gerechtigkeit • Gesellschaft Soziologie • Gesellschaftsutopie • Light Academia Books • Neue Welt • Sonnenstaat • Sozialstaat • Sozialutopie • Utopie • Utopie Literatur • Utopische Roman
ISBN-10 3-641-22355-5 / 3641223555
ISBN-13 978-3-641-22355-7 / 9783641223557
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99