Mehr als nur ein Traum (eBook)

Roman.
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2018 | 1. Auflage
448 Seiten
Gerth Medien (Verlag)
978-3-96122-306-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mehr als nur ein Traum -  Elisabeth Büchle
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Felicitas hat trotz ihrer jüdischer Wurzeln Nazideutschland überlebt. Ein unerwartetes Erbe führt die junge Frau Anfang der 1960er-Jahre in den Süden der Vereinigten Staaten, mitten hinein in die brodelnden Rassenunruhen. Trotz aller Warnungen freundet sie sich mit ihren farbigen Nachbarn an - und macht sich damit rasch Feinde, die bereit sind, bis zum Äußersten zu gehen. Welchem ihrer neuen Nachbarn kann sie trauen? Ein riskantes Verwirrspiel inmitten der aufgeheizten Stimmung am Mississippi nimmt seinen Lauf ...

Elisabeth Büchle hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen ist die Mischung aus gründlich recherchiertem historischen Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik. Sie ist verheiratet, Mutter von fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum. www.elisabeth-buechle.de © Foto: Claudia Toman, Traumstoff

Elisabeth Büchle hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen ist die Mischung aus gründlich recherchiertem historischen Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik. Sie ist verheiratet, Mutter von fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum.

2. Kapitel

Sechs Wochen nachdem sie ihren Entschluss wieder einmal über den Haufen geworfen hatte, war Felicitas endlich in Amerika angekommen. Neugierig sah sie sich um. Eine Vielzahl der teils aus Stein, teils aus Holz erbauten Gebäude wiesen so breite Holzveranden auf, dass sie den Gehweg ersetzten. Ihre gedrechselten Säulen trugen Balkone, deren Holzgeländer sich mit Ornamenten schmückten. Entlang der Straße wuchsen gewaltige, knorrige Eichen und spendeten Schatten, wie sie es wohl bereits seit einem oder zwei Jahrhunderten taten. Die graugrünen Bärte des Spanischen Mooses hingen schaukelnd von den ausladenden Ästen, und Felicitas fragte sich, ob die im lauen Wind flüsternden Blätter einander von der Schönheit und der Bitterkeit der vergangenen Jahre erzählten.

Das Rauschen des Mississippi, der sich unweit der lang gestreckten Ortschaft vorbeiwälzte, wurde von der schnarrenden Hupe eines Pick-ups übertönt. Fred Mason, ein Farmer aus dem Umland, winkte Felicitas zum Abschied mit seiner abgearbeiteten, braun gebrannten Hand zu. Schnell stellte Felicitas ihr Gepäck in den Straßenstaub und winkte dem sympathischen, alten Herrn nach. Er war so freundlich gewesen, sie von Woodville bis hierher mitzunehmen.

In eine braune Staubwolke gehüllt fuhr der knatternde Pick-up davon, wobei Fred offenbar jedes Schlagloch suchte, das die Fahrbahn hergab.

Felicitas beschattete mit der Hand ihre Augen und versuchte sich zu orientieren. Schließlich schulterte sie ihren Rucksack und nahm ihren schweren Koffer. So beladen taumelte sie in Richtung einer hölzernen Veranda und erklomm die drei knarrenden, von der Sonne ausgebleichten Stufen. Vor einer fast blinden, offen stehenden Glastür, über der ein verwittertes, kaum noch lesbares Eingangsschild darauf hinwies, dass sich hier der „Country-Store“ befand, hielt sie inne. Obwohl der Kalender erst April anzeigte, machte ihr die schwüle Hitze zu schaffen. Als sie ihre deutsche Heimat verlassen hatte, war dort gerade der letzte Schnee des Frühjahrs gefallen.

Felicitas’ flache Schuhe klapperten über die Holzveranda und ihr sperriges Gepäckstück schlug unsanft gegen den Türpfosten, als sie sich durch die Tür zu zwängen versuchte. Angesichts des Lärms, den sie schon wieder veranstaltete, zog sie betroffen den Kopf ein. Sie musste endlich lernen, sich vorsichtiger zu bewegen.

„Wenn Sie meinen Laden abreißen und anschließend neu aufbauen wollen, dann nur weiter so“, drang eine tiefe, raue Frauenstimme zwischen den überfüllten, jedoch akkurat eingeräumten Regalen hervor. Auch ihr war die auffällig gedehnte Sprechweise zu eigen, die Felicitas schon an dem alten Fred aufgefallen war. Diese erschwerte es Felicitas zusätzlich zu ihrem nicht perfekten Englisch, die Menschen hier im Süden zu verstehen. „Entschuldigen Sie bitte, aber ich wollte mein Gepäck nicht draußen stehen lassen.“

„Bei uns kommt nichts weg, Süße! Das ist eine saubere Stadt mit ehrlichen, anständigen Bürgern!“

„Das ist gut!“ Felicitas war unbehaglich zumute, wollte sie doch keinesfalls den Eindruck erwecken, dass sie die Leute dieser Gegend für unehrenhaft hielt. Immerhin war sie jetzt Eigentümerin eines Hauses in diesem Ort und würde den Rest ihres Lebens hier verbringen! Ein wenig amüsierte sie sich allerdings über die stolze Bezeichnung „Stadt“ für die rund 30 Häuser, die entlang der Uferstraße standen. Hinzu kam wohl noch die etwa gleiche Anzahl an Gebäuden in der winzigen Querstraße und an der Route in Richtung Woodville. Wie viele Ferienhäuschen es direkt am Flussufer gab, hatte sie auf die Schnelle nicht abschätzen können.

Seufzend stellte sie ihren Koffer ab und nahm vorsichtshalber auch den Rucksack herunter, damit sie nicht an einem der Regale hängen blieb. Dann machte sie sich auf die Suche nach der Person, zu der die Stimme gehörte, und fand hinter dem mit Süßigkeitengläsern, Schnürsenkeln, Schnupftabak und Kräutertöpfen beladenen Tresen eine schlanke Frau in einem Schaukelstuhl. Ihr dunkles, von grauen Strähnen durchzogenes Haar trug die etwa Fünfzigjährige zu einem strengen Knoten zurückgebunden, und über ihren mageren Schultern lag ein Baumwolltuch. Felicitas wurde es beim Anblick des Schals noch wärmer, schwitzte sie doch trotz ihres luftigen A-Linien-Kleides seit der Fahrt in dem von der Sonne aufgeheizten Pick-up ohnehin aus allen Poren.

„Was kann ich für Sie tun? Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, schnarrte die Ladeninhaberin nicht unfreundlich, aber auch nicht unbedingt herzlich. Fasziniert beobachtete Felicitas, dass die Frau sprechen konnte, ohne dabei den Mund nennenswert zu öffnen – sofern man diesen unsäglichen Dialekt verstand.

Felicitas trat an den Tresen und umklammerte die Kante der zerschrammten Holzfläche, deren unzählige schwarze Löcher wohl von unachtsam abgelegten Zigaretten herrührten. „Mein Name ist Felicitas Jecklin. Ich komme aus Deutschland und habe das Haus von Miss Virginia Tampico geerbt.“

Jetzt öffnete die Frau den Mund – weit und für eine lange Zeit! In Felicitas keimte der Verdacht, dass der Laden entweder nicht sonderlich viel Gewinn abwarf oder die Frau zu geizig war, um einen Teil ihres Einkommens in einen Zahnarztbesuch zu investieren, denn ihre Zahnruinen waren durchaus dazu geeignet, Kinder zu erschrecken.

„Aus Deutschland?“

„Ja.“

„Wie alt sind Sie?“

„Sechsundzwanzig.“

„Heißen Sie wirklich so?“

„Ja.“

„Und Sie haben das Haus von Miss Virginia geerbt?“

„Genau!“

„Walter! Walter! Komm mal her!“

Felicitas zuckte angesichts der Lautstärke, in der die Frau nach einem Walter rief, vor Schreck zusammen. Unruhig trat sie von einem Bein auf das andere. War ihr einen Fehler unterlaufen? Sie hatte sich doch lediglich vorstellen und nach dem Weg zu ihrem neuen Zuhause fragen wollen.

Eine grässlich knarrende Tür wurde aufgeschoben und nicht minder geräuschvoll wieder geschlossen. Gemächliche Schritte näherten sich dem Tresen. Gleichzeitig betrat jemand hinter Felicitas den Laden. Neugierig drehte sie den Kopf, konnte gegen das Sonnenlicht, das in das Gebäude flutete, aber nur eine groß gewachsene, männliche Gestalt ausmachen.

„Bill, einen Augenblick bitte“, sagte die Ladeninhaberin, und diesmal gelang ihr das erneut, ohne ihre Zähne zu zeigen, geschweige denn, ihre Lippen zu bewegen.

Die Schattengestalt, derlei Bitten offenbar gewohnt, gab einen zustimmenden Laut von sich, ergriff einen der neben der Ladentür aufgestapelten Holzstühle und setzte sich auf die Veranda hinaus, wo er sich eine dicke Zigarre anzündete.

„Was ist, Dorothy?“ Der lautstark herbeizitierte Walter brachte sich mürrisch in Erinnerung.

„Die Süße hier sagt, sie kommt aus Deutschland und hat das Tampico-Haus geerbt.“

Felicitas musterte den rundlichen Walter ebenso interessiert wie er sie. Der Mann war nicht sehr groß, hatte die Fünfzig seit ein paar Jahren überschritten, und auf seiner fortgeschrittenen Glatze spiegelte sich das Licht der Deckenlampe.

„Sie kommen aus Deutschland?“

„Ja.“

„Wie alt sind Sie?“

„Sechsundzwanzig.“

„Und wie heißen Sie?“

„Felicitas Jecklin.“

„Und Sie haben das Haus von Virginia Tampico geerbt?“

„Genau!“

„Sag ich doch!“, mischte Dorothy sich ein, wobei sie sich schwerfällig aus ihrem Schaukelstuhl erhob, ihre Arme auf den Tresen stützte und Felicitas leicht vornübergebeugt betrachtete.

„Dann ist es wohl so“, glaubte Felicitas zu verstehen, war sich aber nicht sicher, ob sie Walter richtig verstanden hatte. Der bedachte sie mit einem misstrauischen Blick, ehe er sich abwandte. Als sich die knarrende Tür hinter ihm geschlossen hatte, überlegte Felicitas, ob sie sich besser woanders nach dem Weg erkundigen sollte. Allerdings befürchtete sie, dass sie dann dieselben Fragen noch ein drittes Mal gestellt bekommen würde. Bei dieser Dorothy hatte sie zumindest einen kleinen Zeitvorteil – denn Zeit, das schienen die Menschen hier reichlich zu besitzen!

„Süße, das Haus von Miss Virginia steht seit zwei Jahren leer. Wir sind immer davon ausgegangen, dass sie überhaupt keine Verwandten hat!“

Unbekümmert zuckte Felicitas mit den Schultern. „Zwei Frauen in Deutschland wurde das Erbe angeboten, doch sie hatten kein Interesse daran. Danach bekam ich das Angebot.“

„So? Und Sie haben angenommen?“

„Wie Sie sehen.“

„Was sehe ich?“

„Ich bin hier!“

„Ach ja!“

Felicitas wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Sie fand das Gespräch als zunehmend anstrengend, zumal sich alles in ihr nach einer Möglichkeit zum Frischmachen und einem Bett sehnte.

„Würden Sie mir bitte erklären, wie ich das Haus finden kann?“, fragte sie in dem Versuch, das Geschehen voranzutreiben, verbunden mit der Hoffnung auf eine verständliche Auskunft noch am gleichen Tag.

„Das könnte ich, Süße. Aber ich vermute mal, dass Sie da nicht wirklich hinwollen!“

„Weshalb denn nicht? Ich habe das Haus doch geerbt. Ich besitze eine beglaubigte Eigentumsurkunde und …“

„Süße, es hat sich niemand um das Gebäude gekümmert. Abgesehen von Ratten, Schlangen und Waschbären.“

Bei der Vorstellung, das Haus könne von allerlei Getier bewohnt sein, jagte ein kalter Schauer über Felicitas’ Rücken. Dennoch hob sie...

Erscheint lt. Verlag 26.2.2018
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1960er-Jahre • Martin Luther King • Rassismus • Südstaaten • USA
ISBN-10 3-96122-306-8 / 3961223068
ISBN-13 978-3-96122-306-0 / 9783961223060
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