Garten, Baby! (eBook)

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2018 | 1. Auflage
176 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1705-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Garten, Baby! -  Christine Zureich
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» Garten, Baby! macht wirklich Spaß. Der Mikrokosmos aus Paarbeziehung, sympathisch-skurriler Hausgemeinschaft und Kiez  - von Zureich in treffenden Beschreibungen und sehr witzigen Dialogen eingefangen - lässt einen nicht mehr los. Am Ende wartet eine Überraschung auf den Leser.  Klare Empfehlung für den Urlaub.« Tanja Dückers   Doro und ihr Freund Rob haben, wovon andere träumen: ein Stück Natur mitten in der Großstadt. Dass die beiden Mittdreißiger im Hinterhof ihres Mietshauses Zucchini ernten können, verdanken sie Fred, Texaner, Ex-GI, leidenschaftlicher Hobbygärtner. Alle Hausbewohner sind Teil seines Projekts. Es wird geliebt und gestritten in der Drübkestraße 13, jemand stirbt und ein neuer Mieter zieht ein, es gibt einen Ehekrach und einen kuriosen Fund zwischen den Rosen, und auch Cousine Pippa aus Berlin kommt zu Besuch und erklärt, warum der Stadtgarten kein »Urban Garden« ist (zu ordentlich und »nicht vertikal genug«). So unterschiedlich die Hausbewohner sind, in ihrem Garten fühlen sie sich mit der Natur und miteinander verbunden, ihr »Urban Garden«-Manifest passt in einen einzigen Satz: Wachsen und wachsen lassen. Ein kluger, humorvoller Roman über bereichernde Vielfalt, Gemeinschaft und das Glück, etwas mit eigenen Händen zu schaffen.

Christine Zureich, 1972 in Suffern, New York, geboren, wuchs am Bodensee auf. Sie studierte Soziologie, Amerikanistik und Volkswirtschaftslehre und arbeitete als Übersetzerin, Sprachtrainerin und Museumspädagogin in Frankfurt am Main. Heute lebt Christine Zureich mit Mann und Kind am Bodensee.

Christine Zureich, 1972 in Suffern, New York, geboren, wuchs am Bodensee auf. Sie arbeitete als Übersetzerin, Sprachtrainerin und Museumspädagogin in Frankfurt am Main. Heute lebt Christine Zureich mit Mann und Kind am Bodensee. Garten, Baby! ist ihr erster Roman.

GRÜN


Pippa rekelt sich auf dem Liegestuhl unter unserer Kirsche und sagt – einfach so, aus dem Nichts –, unser Garten sei gar kein Urban Garden.

»Hast du die Kräuterspirale nicht gesehen?«, sage ich, Stimme schriller, als ich will, Farbe überall, grüner Nagellack, nur nicht, wo er hinsoll.

Idiotische Idee, die Füße zu bemalen.

»Wir haben Tomaten zur Straße hin«, sage ich, »ein Feigenbäumchen neben der Haustür und hier hinten Zucchini, Zuckermais, Karotten, Kürbis, Salat, Schnittlauch und zwölf verschiedene Arten Basilikum. René, der Lover von Fred aus dem Parterre, sammelt seltene Sorten.«

»Schon«, sagt Pippa, die wegen der grellen Maisonne die Augen geschlossen hält, also gar nichts sieht, weder die Kirschblüte noch die Bankentürme hinter den Dächern. »Nur: Einfach Gemüse in irgendeiner Stadt macht noch keinen Urban Garden, Doro.«

Ich reiße ein Büschel Gras aus zum Wischen, die Haut auf den Füßen, den Rist.

Pippa zählt Kriterien auf, eine Kleine Phänomenologie des Urban Gardens:

  1. je mehr Einwohner die Stadt, desto authentischer
  2. vintage Saatgut, bio, mit Stammbaum
  3. Pflanzbehältnisse aus dem Gelben Sack: Zahnpastatuben, Ölivenölkanister, etc.

Ich versuche es mit Argumenten. »Unsere Stadt ist die kriminellste im Land, führt seit Jahren die Statistik an!« Das muss doch zählen. Und der Garten: mittendrin, nicht irgendwo am Rand, Speckgürtel oder Vorort. Nicht mal Schrebergartenkolonie. Sonst hätte sie vielleicht noch recht.

»Wir haben drei U-Bahn-Stationen und zwei Trams in Sichtweite«, sage ich und versuche Spucke für den Lack, ohne recht daran zu glauben. »Unser Kiosk hat im Neunzehn-Stunden-Betrieb geöffnet. Die City, Museen, Bibliotheken: alles zu Fuß erreichbar.«

Pippa gähnt, zupft an ihrem Tanktop. Größe S, ich weiß nicht, wie sie es macht, sie behauptet, ohne Sport, Diäten.

»Renés Basilikum!«, sage ich. »Nicht mal Google kennt alle Sorten. Er bringt sie mit von seinen Reisen.«

Tit-tit-tit-tit-tit. Aufgescheucht fliegt eine Amsel vom Zaun zur Birke.

»Vielleicht haben wir keinen hohen Upcycling-Anteil bei den Pflanzbehältnissen«, sage ich, »aber Schnittlauch in Sauerkrauteimern. Und Palettenhochbeete für Karotten.«

»Okay, okay«, lenkt Pippa ein, »und den Salat habt ihr in Eimern eingebuddelt. Hab ich gesehen, Doro, brauchst du nicht mehr aufzuzählen.«

Ich sage ihr nicht, dass die Plastikdinger Schneckenkrägen sind, Neuware aus dem Gartencenter.

Pippa. Pippa aus Berlin, Hauptstadt, wo man nie einfach nur wohnt, immer heißt es: lebt und arbeitet in. Eigentlich ist sie aus Schwaben. Eine Cousine von Rob, der trotzdem ins Büro musste heute. Irgendeine Abgabe. Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb. Architektenschicksal.

»Kannst dich ja ein bisschen kümmern um sie«, hat er in der Früh gesagt und seine Planrolle umgeschnallt. »Ist doch nur bis morgen, und du bist ja sowieso zu Hause.«

Besuch. Der Garten. So wird das nie was mit dem neuen Buch. Verkaufen sich von alleine, Schwedenkrimis, sagt der Verlag, hätte die Übersetzung lieber gestern als heute. Cash Cow, da will ich nicht meckern. Aber ein eigenes Buch wäre schon schön. Ein Roman ohne Mord, Schneegraupel, peitschendem Wind. Nur mein Name auf dem Cover. Was Bleibendes: Doro für die Nachwelt. Ich weiß nicht, ist das noch Quarterlife-Crisis oder schon Midlife?

Die grünen Zehennägel sind mir egal. Ein Zeitvertreib, mehr nicht. Wenn man immer nur zu Hause arbeitet, verlottert man mit der Zeit, aber irgendetwas muss ich ja tun, hier mit Pippa.

Pippa arbeitet sonst auch rund um die Uhr in ihrer Agentur, sagt sie, und dann der plötzliche Erfolg mit ihrem Dawanda-Shop, Siebdruckpapeterie, Paper Craft. Jetzt braucht sie erst mal Pause, Myanmar. Sommer vortanken. Von unserer Großstadt gehen mehr Flieger als von ihrer, oder sie sind billiger. Deshalb hat sie sich einquartiert bei Rob und mir, einen Tag und eine Nacht, Familienbande pflegen nennt sie das, dabei will sie nur sparen. Schwaben-Gen. Ich kenne das von Rob.

Pippa sitzt in unserem Liegestuhl und nuckelt an ihrer Wildpflaumenbrause. Ein Etikett, als hätte man alte Ost-Bestände ausgegraben. NVA, Rote Armee. Den Trinkhalm aus Papier hat sie auch mitgebracht in ihrem Rollkoffer.

Pippa streckt sich, Hände über dem Kopf. »Das wichtigste Einzelfeature beim Urban Garden ist –«, sagt sie, Finger klimpern in der Luft, »Vertikalität!«

Sie öffnet die Augen, lächelt mir ins Gesicht. »Aus Platzmangel in Etagen pflanzen! Dachterrassen, Hochbeete, grüne Lagerregale.«

Haben wir zu viel Garten für einen Urban Garden? Nach vorn raus zur Straße hin, das Vorgärtchen, vielleicht fünfundzwanzig Quadratmeter, hinten höchstens hundert. »Räume für Gartenträume«, hatte der Makler gesagt, damals vor drei Jahren, und auf seinem Zahnstocher gekaut. »Grünes Kleinod« – Chiffre für: runtergekommen und überwuchert. Der ganze Block hat solche Hinterhöfe; sie gehen ineinander über, zerfallene Mäuerchen, Maschendraht zur Abgrenzung, ein Streifen Wildwuchs im Häusermeer. Nur in der 15, beim Zahnarzt: Englischer Rasen, und beim Rentner Ecke Kubitzki-/Melcher-Straße am anderen Ende des Blocks: ein Zwergenparadies. Windmühlen, Fliegenpilze aus alten Kabeltrommeln, ein Kettenkarussell; unzählige Figuren aus Gips mit abgeplatzten Nasen und Zipfelmützen.

Gartenträume? Hatten wir nicht, Rob und ich auf Wohnungssuche, das erste Mal zusammen. Architekt und Übersetzerin: Wir konnten froh sein, den Zuschlag zu kriegen. Bezahlbare Miete, zentrale Lage. Garten? Garten war noch Vorort, ganz und gar nicht hip, drei Jahre her.

»Aber die Hochhäuser!« Ich reiße den Arm hoch, Pippa soll die Skyline sehen zwischen den Baumwipfeln, den Dächern. »Hier ist mehr Platzmangel als bei euch!« Ich erwische das Nagellackfläschchen. Künstliches Grün breitet sich auf dem Gras aus.

Pippa verdreht die Augen. »Das Problem ist doch«, sagt sie und saugt ihre Flasche leer, am Papierhalm ein Hauch Lippenstift, nude, »das Problem ist: Ein Urban Garden darf nicht zu gepflegt aussehen, Doro. Ein Urban Garden«, sagt sie und kramt eine Sonnenbrille aus ihrem Beutel am Boden, »darf nie clean sein.«

Da tritt, als hätte sie das gehört, die Dittrich auf den Balkon, Parterre links. Die Frau hat den siebten Sinn! Ohne zu grüßen, wie zu sich selbst, sagt sie: »Vor lauter Unkraut sieht man keine Pflanzen mehr!« Sie trägt ein Hauskleid aus türkisfarbenem Frottee.

Pippa schiebt sich die Sonnenbrille ins Haar und starrt die Dittrich an, als gäbe es keine alten Frauen in Berlin. Dann runzelt sie die Stirn, die Brille fällt zurück an ihren Platz.

»Hat die den Garten angelegt?«, fragt sie schließlich.

Grotesk, mein Reflex, ausgerechnet die Dittrich verteidigen zu wollen! Sie war die Erste im Haus, die wir damals kennenlernten, Rob und ich. Kehrwoche 1 und gleich Vollversagen; Mülltonnen nicht in der richtigen Reihenfolge zurückgestellt, den Rasen gegen den Strich gebürstet, was weiß ich. Es hat sich einiges angesammelt in den drei Jahren seit unserem Einzug. Die Dittrich führt Buch. Ein Sündenregister.

»Die Dittrich«, sage ich, »hat zuletzt die Rosen vorne gepflanzt, zirka 1950.« Dittrichs Sohn hat eine Blumenboutique in Baden-Baden. Das macht die Dittrich zur Expertin.

Ein Garten, den man nicht bestellt, aber das sage ich Pippa nicht, ist wie ein Nachbar, für den man nicht stehen bleibt auf der Straße. Kurz hingeschaut, ein schemenhaftes Wiedererkennen, unter uns die dicke Frau, neben ihr die Alleinerziehende mit dem lauten Mädchen. Struppige Rosen vorne, hinten moosiges Gras und ein paar alte Bäume, ein knapper Gruß im Vorübergehen, ein Nicken, im ersten Jahr, als wir hier frisch wohnten, Rob und ich.

Ich schaue Pippa ins Gesicht, das ungeschminkt aussähe, wüsste ich nicht, dass sie eine Stunde im Bad zugebracht hat für den Look. »Den Urban Garden hat Fred angelegt. Eigentlich ist er aus Texas«, sage ich, »jetzt Halbparterre rechts.«

Pippa schnalzt mit der Zunge. Natürlich, Texas ist nicht Brooklyn, Williamsburg.

»Er will nicht zu seinem Dauer-Lover ziehen«, erkläre ich, »obwohl der eine Wahnsinnswohnung hat, nicht weit von hier, zehn Minuten zu Fuß, weil René zu viele Katzen hat. René züchtet Basilikum und Perserkatzen.«

Fred ist vor zwei Jahren in die Drübkestraße gekommen, ein Jahr nach uns, mit seinen Holzfällerhemden, einer neurotischen Katze und unzähligen Setzlingen in Töpfen. Noch bevor seine Kisten komplett ausgepackt waren, begann er den Boden zu beackern, vor und hinter dem Haus. Uns. Er verwickelte das ganze Haus in Gespräche über das Wetter, Insekten, schob uns dabei kleine Aufgaben unter. Mal eben schnell die Heckenschere halten, danke, jetzt den Spaten.

Ehe wir es wussten, hatten wir ein Projekt, einen Urban Garden, rissen samstags Unkraut aus statt Shopping, Fred, Sibel, ihr Freund Zeus, Zoé, die kleine Emily, Rob und ich. Unkraut, Gestrüpp, ein Teil der alten Rosen. Wir pflanzten Salbei, Lavendel, Thymian, Rosmarin. Das Grün, die Nachbarn bekamen Namen und Geschichten.

»Überhaupt«, sagt Pippa, »ist Guerilla Gardening geiler. Subversiver. Bunter. Samenbomben, gehäckte Grünflächen, Parks, Baumspiegelbeete. Guerilla Gardening ist politisch, nicht so SCHÖNER WOHNEN. Vorortidyll.« Als sie nach ihrer Tasche tastet, fasst sie in die Nagellacklache. »Fuck«, sagt sie. »Fuck!«

Ich schließe die Augen. Kopfkino: Suburban Gardening I – The...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2018
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2018 • Bücher Neuerscheinungen 2018 • buch neu • Frankfurt am Main • Freundschaft • Garten • Gartenarbeit • Hausgemeinschaft • Liebe • Nachbarn • Neu • Neu 2018 • Neuerscheinung • Neuheit • Roman • Schwangerschaft • Tod • urban garden
ISBN-10 3-8437-1705-2 / 3843717052
ISBN-13 978-3-8437-1705-2 / 9783843717052
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