Die Charité: Hoffnung und Schicksal (eBook)

Spiegel-Bestseller
Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
496 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40423-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Charité: Hoffnung und Schicksal -  Ulrike Schweikert
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Sternstunden der Medizin Berlin, 1831. Seit Wochen geht die Angst um, die Cholera könne Deutschland erreichen - und als auf einem Spreekahn ein Schiffer unter grauenvollen Schmerzen stirbt, nimmt das Schicksal seinen Lauf. In der Charité versuchen Professor Dieffenbach und seine Kollegen fieberhaft, Überträger und Heilmittel auszumachen: ein Wettlauf gegen die Zeit. Während die Ärzte um das Überleben von Tausenden kämpfen, führen drei Frauen ihren ganz persönlichen Kampf: Gräfin Ludovica, gefangen in der Ehe mit einem Hypochonder, findet Trost und Kraft in den Gesprächen mit Arzt Dieffenbach. Hebamme Martha versucht, ihrem Sohn eine bessere Zukunft zu bieten, und verdingt sich im Totenhaus der Charité. Die junge Pflegerin Elisabeth entdeckt die Liebe zur Medizin und - verbotenerweise - zu einem jungen Arzt ... Die Charité - Geschichten von Leben und Tod, von Hoffnung und Schicksal im wohl berühmtesten Krankenhaus Deutschlands.

Ulrike Schweikert arbeitete nach einer Banklehre als Wertpapierhändlerin, studierte Geologie und Journalismus. Seit ihrem Romandebüt «Die Tochter des Salzsieders» ist sie eine der bekanntesten deutschen Autorinnen historischer Romane. Beide Bände ihrer Erfolgsreihe «Die Charité» standen in den Top 10 der Bestsellerliste und verkauften sich insgesamt über 200.000-mal. Zuletzt begeisterte die Verfilmung ihrer Jugendbuchserie «Die Erben der Nacht» zahlreiche Zuschauer.  

Ulrike Schweikert arbeitete nach einer Banklehre als Wertpapierhändlerin, studierte Geologie und Journalismus. Seit ihrem Romandebüt «Die Tochter des Salzsieders» ist sie eine der bekanntesten deutschen Autorinnen historischer Romane. Beide Bände ihrer Erfolgsreihe «Die Charité» standen in den Top 10 der Bestsellerliste und verkauften sich insgesamt über 200.000-mal. Zuletzt begeisterte die Verfilmung ihrer Jugendbuchserie «Die Erben der Nacht» zahlreiche Zuschauer.  

Kapitel 2 Krankenwärterin Elisabeth


Es war gegen Mitternacht, als Dieffenbach in der Friedrichstadt in die Jägerstraße einbog, wo er mit seiner Frau Johanna in einer großzügigen Wohnung im ersten Stock lebte. Er hatte die Treppe noch nicht hinter sich gebracht, da riss sie bereits die Tür auf. Er brauchte sie nicht anzusehen, um zu wissen, dass ihre Stimmung auf Sturm stand. Die Luft schien wie vor der Entladung eines Gewitters zu flirren.

Dieffenbach ahnte, was gleich kommen würde, und wäre dem Streit gern ausgewichen. Er fühlte sich müde und ausgelaugt und wollte nichts mehr, als sich noch eine Stunde in sein ruhiges Studierzimmer zurückzuziehen, um über diesen Fall nachzudenken. Außerdem wollte er seinem Freund Dr. Georg Friedrich Stromeyer nach Hannover schreiben, der ihm von seiner faszinierenden Operation der Durchschneidung einer Achillessehne berichtet hatte. Zudem ließ der Hunger seinen Magen rumoren. Nur kurz in der Küche vorbeigehen, ein Stück Brot und Käse nehmen und dann die Tür hinter sich schließen.

Doch Johanna verstellte ihm den Weg und blitzte ihn zornig an. «Weißt du, wie spät es ist? Und komm mir nun nicht wieder mit irgendwelchen wichtigen Patienten. Es geht bei dir immer nur um Patienten. Und was ist mit mir? Bin ich nur deine Frau und damit unwichtig?»

«Johanna, es tut mir leid. Es war wirklich ein wichtiger Fall – nicht für mich, für ganz Berlin.»

Johanna wischte diesen Einwand mit einer Handbewegung weg. «Ich habe dir gesagt, dass dies ein bedeutsamer Abend für uns wird.»

«Für dich», wagte er zu widersprechen.

«Für uns», beharrte sie. «Wir haben geschätzte Gäste!»

«Devrient ist da», vermutete Dieffenbach und unterdrückte einen Seufzer. Er kannte die Vorliebe seiner Frau für den Schauspieler, doch seine Abneigung gegen diesen hatte nichts mit Eifersucht zu tun. Dabei war Johanna ganz sicher eine Frau, über deren Treue ein Ehemann sich Gedanken machen sollte. Sie hatte ihren ersten Gatten nicht nur mit Dieffenbach betrogen. Seltsam. Die Zeit, in der er in Bezug auf Johanna so etwas wie Eifersucht empfunden hatte, war irgendwann verflogen.

«Ja, Ludwig ist hier und hat unseren Gästen eine sehr interessante Lesung gehalten», sagte sie mit aggressivem Unterton. «Nur auf meinen Gatten mussten sie wieder einmal verzichten. Unser geschätzter Minister von Humboldt wartet übrigens ungeduldig auf dich!»

«Ehemaliger Minister», korrigierte Dieffenbach.

Johanna machte eine wegwerfende Handbewegung. Das war nicht der springende Punkt!

Obgleich auch Wilhelm von Humboldt zu den verflossenen Liebhabern seiner Frau zählte, mochte ihn Dieffenbach und war gern der Hausarzt der Familie. Ihm hatte er es unter anderem zu verdanken, dass er sich diese teure Wohnung und seine Pferde leisten konnte. Wilhelm von Humboldt wurde nicht müde, ein Loblied auf den Arzt seiner Wahl zu singen und ihm so gut betuchte Patienten für seine Privatpraxis zu verschaffen.

Für einen Moment huschten Erinnerungen an ihre ärmliche erste Wohnung durch Dieffenbachs Geist. An nicht enden wollende Tage mit Patienten, die kaum einen Groschen bezahlen konnten. An Studenten auf Paukböden, denen er abgetrennte Nasenspitzen wieder angenäht oder blutende Schmisse verbunden hatte. Doch obgleich Johanna auch damals schon davon geträumt hatte, einen berühmten Salon in Berlin zu führen so wie Henriette Herz, beispielsweise, oder Rahel Varnhagen, war sie zufriedener gewesen, voller Hoffnung und Zukunftspläne. Und es hatte noch Liebe zwischen ihnen gegeben.

Jetzt verfügte sie über eine großzügige Wohnung und musste nicht mehr sparen. Sie konnte einladen, wen sie wollte, doch ihr Dilemma war, dass die Leute, die zu Besuch kamen, den begnadeten Arzt treffen wollten, der sich allerdings nichts mehr ersehnte, als von seiner Frau ein wenig umsorgt zu werden, um ansonsten in seinem Studierzimmer seine Ruhe zu genießen und an seinen Artikeln oder Büchern zu arbeiten.

War das denn zu viel verlangt?

Dieffenbach sah Johanna an. Das Licht, das schräg über ihr Gesicht fiel, meißelte gnadenlos jede Falte in ihre erschlaffende Haut. Niemand hätte sie je als gutaussehend oder gar schön bezeichnet. Es waren ihre geistreiche Art und ihre anregende Konversation, die Männer anzogen – wenn sie nicht gerade in solch einer Stimmung war wie an diesem Abend. Er hatte sich nie daran gestört, dass seine Frau neun Jahre älter war als er selbst, und obwohl man ihr heute ihre fast fünfzig Jahre ansah, waren es nicht diese Äußerlichkeiten, die sie entzweiten. Dieffenbach sah in diesem Moment nicht seine Liebe, für die er alle Konventionen gebrochen hatte, die sich für ihn hatte scheiden lassen und die mit ihm durch die Welt gereist war, bis er endlich in Berlin praktizieren durfte. Die er gegen alle Widerstände geheiratet hatte.

Er sah nur eine verbitterte Frau.

«Ich werde hineingehen und von Humboldt begrüßen», sagte er und schob sich an ihr vorbei.

***

Es war noch früh am Morgen, dennoch waberte die Luft stickig durch die Räume des Pockenhauses, ein kleines Gebäude außerhalb der Zollmauer, die das Gelände der königlichen Charité auf der Nord- und der Ostseite umgab. Statt im normalen Totenhaus der Charité innerhalb der Mauer hatte man die Leiche hierhergebracht, und nun lag der tote Hans Mater auf dem Tisch in der Mitte des Raumes.

Martha zog sich in eine Ecke zurück, wo sie keinem im Weg stand und dennoch das Geschehen verfolgen konnte. Sie war fest entschlossen, den Schwur, den sie Frau Mater gegeben hatte, nicht zu brechen und bis zum Ende an der Seite ihres Sohnes zu bleiben. Bisher hatte noch keiner der anwesenden Ärzte versucht, sie hinauszuschicken.

Es wunderte sie nicht, dass Dr. Dieffenbach und Dr. Calow anwesend waren. Außerdem war da noch ein Arzt um die fünfzig in Uniform, den sie nicht kannte. Neben ihm stand ein kleiner, rundlicher Mann im schwarzen Rock mit einer dicken Brille auf der Nase – das musste Geheimrat Professor Rust sein. Obwohl es schon so früh am Morgen unerträglich heiß war, trug er einen dicken, abgetragenen schwarzen Gehrock und eine eng geschlossene Halsbinde, die in eine andere Zeit zu gehören schien.

Die Tür wurde aufgestoßen. Außer Atem stürmte ein junger Mann in Uniform herein. Seine Wangen glühten rot, das Haar stand ihm nach allen Seiten.

Ein hübscher Junge, dachte Martha. Groß, blond und mit wundervoll blauen Augen. Sie schätzte ihn auf dreiundzwanzig oder vierundzwanzig Jahre. So viel junges, ungestümes Leben in einem Raum des Todes. Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte sie.

Der junge Mann verbeugte sich und blickte dann hilfesuchend in die Runde, bis sein Blick an den beiden Männern im Hintergrund hängenblieb.

«Professor Rust, Direktor Kluge, ich bin der Pépin Alexander Heydecker, im dritten Jahr der Medizinisch-Chirurgischen Akademie für das Militär und ab dieser Woche als Unterchirurg an die Charité abkommandiert. Ich habe vorhin beim Frühstück von einem Kameraden erfahren, dass Sie hier heute Morgen einen Choleratoten sezieren, und da dachte ich mir, es sei wichtig zu wissen, mit was genau wir es zu tun haben. Ich meine, was auf alle Ärzte in Berlin zukommt, sollte sich der Verdacht bestätigen.»

Er sah um Zustimmung heischend von einem zum andern. «Ich bitte Sie, mich an der Sektion teilhaben zu lassen. Ist der Tote wirklich ein Opfer der asiatischen Cholera?»

«Ein wissbegieriger junger Mann», sagte Direktor Kluge und lächelte. «So wie wir es uns bei unseren Schülern der Pépinière wünschen. Nun, dann treten Sie näher und sagen Sie uns, was Sie sehen.»

Martha überlegte, was sie über die Pépinière wusste. Sie waren vorhin erst an den Gebäuden des Friedrich-Wilhelm-Instituts, wie es seit zwei Jahrzehnten hieß, vorbeigefahren, ein Gebäudekomplex, der sich auf einem dreieckigen Gelände am Südufer der Spree direkt vor der Weidendammer Brücke entlang der Friedrichstraße erstreckte. Die Eleven erhielten hier eine kostenfreie Ausbildung zum Arzt oder Chirurgen, wenn sie bereit waren, acht Jahre Militärdienst zu leisten. Es gab allerdings auch die Möglichkeit, die Ausbildung selbst zu bezahlen, doch Martha hatte gehört, dass dies die Familien die stattliche Summe von mehr als einhundert Taler pro Semester kostete. Neben den jungen Pépins sah man dort auch häufig altgediente Regimentschirurgen und Feldscher, die sich zum höheren medizinischen Dienst weiterbilden lassen konnten. Sie arbeiteten in dieser Zeit als Pensionschirurgen an der Charité, was bedeutete, dass ihr Sold weiterbezahlt wurde.

Martha richtete ihre Aufmerksamkeit wieder der Leiche und den Ärzten rund um den Seziertisch zu. Direktor Kluge gab Dieffenbach und Calow ein Zeichen.

«Meine Herren, beginnen Sie.»

Dieffenbach griff zum Messer und setzte zwei diagonale Schnitte von den Schlüsselbeinen her, die sich über dem Brustbein trafen. Von dort zog er die Klinge gerade bis zum Schambein. Entschlossen öffnete er die Brust und die Bauchhöhle.

«Nun, mein junger Heydecker, was sehen Sie?», forderte der alte Rust den Pépin auf. «Was fällt Ihnen auf?»

«Es ist seltsam. Seine Blutgefäße. Sie sind wie ausgetrocknet. Nirgends auch nur ein wenig Blut zu sehen.»

Calow schnitt die großen Arterien auf und schüttelte den Kopf.

«So etwas habe ich noch nie gesehen»,...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2018
Reihe/Serie Die Charité-Reihe
Zusatzinfo Mit 1 s/w Karte
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Berlin • Berlin Roman • Charité • Cholera • Ellin Carsta • Frauenroman • Historienroman • Historischer Roman • Iny Lorentz • Krankenhaus • Krankenschwester • Romane für Frauen • Saga • Serie
ISBN-10 3-644-40423-2 / 3644404232
ISBN-13 978-3-644-40423-6 / 9783644404236
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