Ich habe gar keine Enkel (eBook)

Die Online-Omi räumt auf
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
256 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40375-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich habe gar keine Enkel -  Renate Bergmann
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«Fingerabdrücke, pah. Schmutz ist Schmutz.» «Es war an einem Dienstag. Ich weiß es noch ganz genau. Ich wollte mir gerade das Abendbrot machen, da schellte das Telefon. ?Nanu?, dachte ich, ?wer läutet denn um diese Zeit noch an?!? Die Uhr ging schließlich schon auf sechs, da macht man doch keine Anrufe mehr. Ich meldete mich wie immer höflich und korrekt: ?Teilnehmer Bergmann, Spandau, guten Tag?. Am anderen Ende hörte ich es atmen, und dann fragte eine Bengelstimme: ?Oma? Hallo, Oma! Nu rate mal, wer hier schprischt!? ?Junger Mann, wir sind hier nicht bei ?Rate mal mit Rosenthal?. Sagen Se, wer Sie sind und was Sie wollen, und hören Sie mit dem Quatsch auf!? Da fehlen einem die Worte» Spandauer Rentner werden reihenweise ausgenommen, Enkeltrickbetrüger gehen um. Aber nicht mit Renate Bergmann, denn die hat ja gar keine Enkel. Zusammen mit Ilse und Kurt sorgt sie in der Nachbarschaft für Ruhe, sichert Spuren und versucht nebenbei, Gertrud vom stattlichsten Polizisten Spandaus fernzuhalten.

Renate Bergmann, geb. Strelemann, wohnhaft in Berlin. Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwet: Seit Anfang 2013 erobert sie »das Interweb« mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten - und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt.Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buch-Veröffentlichung - und ein sensationeller Erfolg -, auf die zahlreiche weitere, nicht minder erfolgreiche Bände und ausverkaufte Tourneen folgten.

Renate Bergmann, geb. Strelemann, wohnhaft in Berlin. Trümmerfrau, Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwet: Seit Anfang 2013 erobert sie Twitter mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten – und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt. Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buch-Veröffentlichung – und ein sensationeller Erfolg –, auf die zahlreiche weitere, nicht minder erfolgreiche Bände und ausverkaufte Tourneen folgten.

Es ist ja doch ein großer Unterschied, ob einem sein Stündlein geschlagen hat oder seine Stunde


Es war der Donnerstag, nachdem der Enkelbetrüger bei mir angeläutet hatte. Andere wären nach so einer Erfahrung vielleicht fix und fertig gewesen mit den Nerven und hätten den Rentnerkaffee abgesagt, aber eine Renate Bergmann nich.

Ach, «Seniorenverein», meine ich. Die olle Kuckert hat sich aufgeregt und wollte es umbenannt haben. Wilma Kuckert. Sie ist Rechtsverdreherwitwe. Keiner mag sie recht. Wissen Se, ich bin bestimmt keine, die auf einsamen alten Leuten rumhackt. Aber Wilma hat nicht nur keine Freunde, sie macht sich auch noch jeden zum Feind. Sogar Ilse! Dabei trägt Ilse Spinnen vor die Tür und lässt sie frei, statt ihnen mit dem Staubsauger den Garaus zu machen. Wissen Se, was Ilse gesagt hat? «Wenn Wilma diese Welt verlässt, dann gibt das hier ein Freudenfest!», hat sie gereimt! Nee, was haben wir gelacht. Seit sich Wilma bei der Rentnerwanderung bei Kurt untergehakt hat, weil sie der Schuh drückte, ist Ilse nicht gut auf sie zu sprechen. Da vergisst sie glatt, dass sie eine ganz Liebe ist. Na ja, wir sagen jetzt jedenfalls «Seniorenverein» und nicht mehr Rentnerclub, weil sich sonst wohl viele auf den Schlips getreten fühlen, wie Wilma sagt. Statt dass se stolz sind, alt zu sein und so viel Erfahrung zu haben, schummeln sie mit den Jahren! Sie färben sich die Haare, lassen sich die Falten wegoperieren und wollen nicht alt genannt werden. Himmel herrje, wissen Se was, ich sage Ihnen eins: Alt werden wir alle, da kann keiner was dagegen tun, und je eher man sich damit abfindet, desto länger und besser wird diese schöne Zeit!

 

Die Wilma lässt sich ja immer mit der Taxe zum Rentnerclub fahren. Pah! Alle kommen entweder mit dem Auto oder, wenn sie nicht mehr allein fahren können, mit dem Bus. Der eine oder andere lässt sich von den Enkeln fahren, weil es nach dem Kaffee mitunter noch ein Bier oder einen Schoppen «Mädchentraube» gibt. Ich habe meinen Neffen, den Stefan, auch schon gefragt, ob er uns nicht abholen kann, aber so richtig will er nicht. Er windet sich und kommt mit Ausreden. «Drei Duftbäumchen auf der Rückbank» hat er uns genannt, nur weil Ilse, Gertrud und ich uns fein machen und einen Spritzer Kölnisch Wasser auflegen, wenn wir ausgehen. Nee, der Bengel! Aber wenn es drauf ankommt, hat eine Renate Bergmann ihre Tricks. Ich habe ihn angerufen und gesagt, dass wir gerade gemütlich beisammensitzen und Kinderfotos von ihm anschauen. Was meinen Se, wie schnell der da ran war!

Die Kuckertsche fährt jedenfalls mit Limousine vor und lässt sich vom Fahrer sogar die Tür aufhalten und beim Aussteigen helfen. So eine Etepetete ist das. Als sie das erste Mal zu uns kam, ist sie durch die Räume spaziert und hat gemurmelt: «Hübsch, ja. Einfach, aber hübsch», und dann ging das Gemecker auch schon los. «Rentner» klinge so alt, moserte sie rum und schlug eben «Seniorenverein» vor. Mir ist das schnuppe, was draußen draufsteht, wissen Se, solange drinnen immer noch dasselbe ist … und das sind wir Rentner! Pah. Man muss die Leute manchmal glauben lassen, dass sie recht haben, und einfach trotzdem weitermachen wie bisher. Also haben wir uns umbenannt.

Bei unserem Kaffeenachmittag kommen alle Alten aus dem Kiez zusammen, ach, das ist immer schön. Man ist mal raus, sitzt gemütlich beieinander und erfährt, was es Neues gibt.

Wir vom Vorstand machen auch die Tischordnung und sehen zu, dass wir alle mal durchrutschen lassen. Es hat ja keinen Sinn, dass Gertrud, Ilse, Kurt und ich an einem Tisch sitzen, nicht wahr? Wir sehen uns bald jeden Tag, was soll man sich denn da immerzu erzählen? Nee, wir gucken, dass wir uns aufteilen und an die anderen Tafeln gehen. Hinterher, auf der Heimfahrt mit dem Koyota, können wir uns austauschen und auf den aktuellen Stand bringen. So wissen wir immer gut Bescheid, was in Spandau los ist: wenn eine in anderen Umständen ist, wer schon wieder fremdgeht oder ins Heim kommt. Die Enkelin vom alten Herrn Heckenschroff arbeitet beim Edeka. Wer bei ihm mit am Tisch sitzt, erfährt manchmal schon lange vor allen anderen, wann Kaffee oder Waschpulver oder gar Korn im Angebot ist. Ariane und Stefan lachen mich dafür zwar aus, aber man kann doch ganz anders planen, wenn man einen Wissensvorsprung hat! Denken Se sich nur, ich kaufe zum Beispiel noch eine große Packung Pralinen ein, und zwei Wochen später sind die eins fuffzich billiger. Da ärgert man sich doch! Aber so sind junge Leute. Die haben eben die schweren Jahre nach dem Krieg nicht mitgemacht, als wir jeden Pfennig zweimal umdrehen mussten … na ja. Jeder nach seiner Fassong. Ich sage nur: Solange Stefan noch rauchen kann – bald zwei Päckchen die Woche! –, müssen se es recht dicke haben, und der Junge kann seine alten Tanten dann und wann auch mal mit dem Auto fahren.

Nee, Ilse und ich machen immer eine schöne Tischordnung. Wir sind alte Spandauerinnen und wissen nach so vielen Jahren genau, wer mit wem kann und wer nicht. Frieda Klotz und Hermine Hinkel zum Beispiel darf man nie zusammen platzieren, weil Hermine nämlich 64 auf der Silvesterfeier Friedas Fritz das Neujahrsküsschen auf … Aber das führt hier womöglich zu weit. Jedenfalls weiß man nie, ob die Geschichte nicht wieder hochkommt nach all den Jahren. Da will dann keiner dabei sein.

Man muss auch gucken, nicht nur die gleichen Krankheiten an einen Tisch zu setzen. Wenn Sie dreimal Rücken zusammen platzieren, haben die ganz schnell einen Fachkreis über Orthopädie, und die arme Galle daneben langweilt sich und trinkt einen Bohnenkaffee nach dem anderen, was das Problemorgan nur noch mehr reizt. Nee, da muss man sich Mühe geben und zusehen, dass man Rücken, Knie, Leber und Blutdruck mischt. Zucker passt überall mit hin, Zuckerleute sind gesellig und spielen sich nicht so in den Vordergrund. Aber Rücken sind ganz schlimm, die Rücken jammern in einer Tour und versauen einem im Rudel den ganzen schönen Kaffeenachmittag. Gertrud mit ihrem Reizdarm muss sowieso immer in der Nähe eines angekippten Fensters sitzen. Sie sehen schon, es erfordert einiges an Umsicht und Feingefühl, damit die Tischordnung gelingt und es ein schöner Nachmittag wird.

Man muss aber auch aufpassen, dass niemand aufsteht und einfach an einen anderen Tisch geht. Sonst war am Ende womöglich alles umsonst, und der ganze schöne Plan artet in eine Reise nach Jerusalem aus.

 

An diesem Kaffeedonnerstag saß ich jedenfalls mit Lotte Lautenschläger an der Tafel. Ich kenne Lotte als gesellige Person, die nie um einen kleinen Spaß verlegen ist, aber heute war sie ganz betrübt.

Lotte ist eine treue Seele, die ihr Leben lang fleißig gearbeitet und sich nichts zuschulden kommen lassen hat. Sie war früher Zahnarzthelferin, als das noch so hieß und nicht «zahnmedizinische Fachangestellte». Die hat genug Elend gesehen in über 40 Dienstjahren am Spucknapf, kann ich Ihnen sagen. Nu saß se ganz traurig hinter ihrer Kaffeetasse und wollte nicht so richtig mit der Sprache raus. Zweimal habe ich gefragt, aber sie blieb stumm. Da weiß eine Renate Bergmann, dass sie besser nicht weiterbohrt. Dass sie nicht erzählen wollte, lag aber nicht an mir, sondern an der übrigen Gesellschaft am Tisch. Ich hatte mich nämlich geopfert und Wilma Kuckert mit zu uns genommen.

Lotte guckte ins Leere und aß ihren Streuselkuchen ohne rechten Appetit. Dieses Mal hatte Ilse gebacken. Er war trocken und bröselte von der Kuchengabel, aber es war nun auch nicht so schlimm, dass Lottes Verstimmung daran gelegen haben könnte. Ich ließ es aber dabei bewenden, parlierte mit der Anwaltswitwe, und als die endlich mal austreten ging, machte ich mit Lotte ein Likörchen auf meiner Küchenbank aus. Sie hatte Tränen in den Augen, denken Se nur!

 

Mir ließ das gar keine Ruhe. Gleich am nächsten Tag rief ich sie an, und schon nach dem Mittag saß Lotte auf meinem Küchensofa. Kennen Se noch ein Küchensofa? Ach, ich finde das so gemütlich! Küchen sind in meinen Augen sowieso der Ort, an dem man am leichtesten ins Gespräch kommt. Es ist weniger gezwungen als in der guten Stube, und vieles ergibt sich einfach so nebenher beim Abwasch oder beim Gemüseputzen. Mein Franz liebte die Küchencouch auch, der hat oft ganze Wochenenden darauf verbracht. Er hat da geschlafen, sich die Fußnägel geschnitten, Zeitung gelesen und gegessen. Und wenn es ran war … na, was soll ich mich dummhaben wie die Zick am Strick? Ich sage es frei heraus, wir waren jung, und da sind wir manchmal nicht in die Schlafstube gegangen, wenn das Verlangen über uns kam. Wenn mein Küchensofa Geschichten erzählen könnte, Sie müssten die Ohren anlegen! Mein Katerle schläft da tagsüber, die Frau Meiser, was meine Nachbarin ist, pflanzt sich da hin und wieder drauf und schielt zum Kühlschrank, wenn sie mal was auf dem Herzen hat. (Im Kühlschrank steht der Eierlikör, den ich selbst ansetze und den die Meiser mit Vorliebe schleckert und die Mongscherie, von denen sie auch schon so manche Packung auf den Hüften hat.)

Nun saß also Lotte in meiner Küche, und ich goss gerade das zweite Glas Likör ein, damit ihre Zunge lockerer wurde. «Lotte, nun erzähl mal. So schlimm kann es doch nicht sein: Was ist passiert?», ermutigte ich sie dezent.

Sie atmete bebend tief ein und brachte mit zitternder Stimme immerhin das Wort «Enkeltrick» heraus. Danach flossen nur noch die Tränen. Die gute Lotte war fix und fertig und sachte erst mal gar nichts mehr.

Dabei war Lotte schon die Dritte bei uns im Kiez, die so einen Enkelanruf bekommen hatte. Kennen Se das? Enkeltrick? Ich meine nicht, wenn die Enkel nach Taschengeld betteln und einem...

Erscheint lt. Verlag 21.8.2018
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Berlin-Spandau • DDR • Fake • fun-fake • Händi • Handy • Internet • Internetz • Korn • Omi • Parodie • Sarah Kuttner • Spandau • Twitter • Twitter-Omi
ISBN-10 3-644-40375-9 / 3644403759
ISBN-13 978-3-644-40375-8 / 9783644403758
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