Der Apfelblüten-Guru (eBook)

Roman
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2018 | 1. Auflage
448 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-18452-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Apfelblüten-Guru -  Mikael Bergstrand
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Göran Borg, mittlerweile nicht mehr ganz fünfzigjähriger Fünfzigjähriger, hat's nicht leicht: Er vermisst Indien und versinkt zu Hause in Schweden in Schwermut. Da steht - gerade rechtzeitig - eines Tages Yogi vor seiner Tür. Der liebenswerte Inder mischt Malmö (und Göran) ganz schön auf, und als das Angebot kommt, den Sommer im größten Apfelanbaugebiet Schwedens zu verbringen, schleppt er Göran in die Provinz. Dort macht Yogi schnell von sich reden, bald berichtet sogar eine Lokalzeitung über den beliebten 'Guru'. Doch manch engstirnigem Provinzler ist die subkontinentale Lebensfreude ein Dorn im Auge. Und zu Hause in Delhi braut sich ein Gewitter am Horizont zusammen, denn Yogis frischgebackene Ehefrau kommt sich zunehmend mit ihrer resoluten Schwiegermutter in die Quere ...

Mikael Bergstrand arbeitete als Journalist in Malmö, bevor es ihn 2007 nach Indien verschlug. Vier Jahre lang lebte er mit seiner Familie in Neu-Delhi, wo er als Korrespondent und Autor arbeitete. Nach seiner Rückkehr veröffentlichte er den ersten Roman über den liebenswürdigen, phlegmatischen Mittfünfziger Göran Borg. Das Buch wurde in Schweden zu einem großen Erfolg, stand lange auf Platz 1 der Bestsellerliste und wurde in 10 Sprachen übersetzt.

KAPITEL 2

Nach dem chaotischen Beginn der Hochzeit sank das Tempo beträchtlich. In dem großen beleuchteten Garten, der für diesen Zweck gemietet worden war und der an das einzige Hotel des Ortes angeschlossen war, das diesen Namen verdiente, herrschte eine deutlich ruhigere Stimmung als draußen auf der Straße. Während Yogi drinnen im Hotelfoyer weiter verarztet wurde, um für das Zusammentreffen mit seiner Frau in einem einigermaßen präsentablen Zustand zu sein, ließen die Leute sich all das Essen schmecken, das serviert wurde.

Gut dreißig Köche und doppelt so viele Küchenhilfen waren vollauf damit beschäftigt, die Gäste an den verschiedenen Ständen zu verpflegen. Außerdem gingen uniformierte Kellner herum und boten indisches Fingerfood und Mocktails an, zu den Klängen einer tamilischen Band, die uns mit etwas unterhielt, das wie eine Mischung aus Bollywoodpop und Balkanmusik klang.

Eine andere Form der allgemeinen Unterhaltung schien zu sein, mich eingehender zu betrachten. Keeran und sein Anhang folgten jedem Schritt, den ich machte, und als ich in ein knuspriges Medu Vada mit Kokoschutney biss, hielt mir der Fotograf seine Kamera so in die Visage, dass alle Gäste auf einer Großbildleinwand, die in einer Ecke des Gartens aufgestellt worden war, im Detail meine Zähne beim Zermalmen des Essens betrachten konnten.

Keeran erklärte mir, dass dies eine sehr spezielle und ungewöhnliche Hochzeit für Südindien war, wo Trauungen meist am Morgen abgehalten wurden. Eine Abendhochzeit wie diese hatte er noch nie erlebt. Auch keine Hochzeit, bei der der Bräutigam auf einem weißen Pferd eingeritten kam, und erst recht keine, bei der er von demselben abgeworfen wurde.

»Aber sehr großer Krach ist auch hier normal«, versicherte er und stellte für den späteren Abend noch mehr Feuerwerk in Aussicht.

Als ich mich endlich von der intensiven Aufwartung befreien konnte, ließ ich den Blick über den Garten schweifen und blieb bei Mrs Thakurs gebeugter Gestalt hängen, die auf einen Stock gestützt an der Seite einer jüngeren Frau stand. Ich ging zu ihnen und grüßte höflich. Die jüngere Frau stellte sich als Yogis Schwester Neepa vor. Äußerlich war sie das genaue Gegenteil ihres Bruders, groß und kühl und mit einem distanzierten Lächeln. Mrs Thakur sah von dem spektakulären Sturz ihres Sohnes immer noch mitgenommen aus, und deshalb dauerte es eine Weile, bis sie mich erkannte.

»Mr Goran Borg? Aus Schweden?«

»Ja, ich bin doch gekommen.«

»Yogendra sagte, Sie seien wegen eines wichtigen Arbeitsmeetings verhindert.«

»Man kann sagen, ich habe mich disponibel gemacht, Madame. Man muss Prioritäten setzen, und ich habe eingesehen, dass ich es den Rest meines Lebens bereuen würde, Yogis Hochzeit zu verpassen.«

Die Alte lächelte freundlich, bevor sie besorgt den Kopf schüttelte.

»Yogendra, ja, dieser Tollpatsch. Haben Sie gesehen, was passiert ist, als er auf dem Pferd eingeritten kam?«

»Ja, das hätte richtig übel ausgehen können.«

Mrs Thakur zischte irritiert durch den Mundwinkel.

»Dass es für diese Südinder immer so schwer sein muss, eine ganz normale Bestellung ordentlich auszuführen. Ich hatte um ein leicht zu reitendes weißes Pferd gebeten, und sie haben eine Bestie geliefert, diese Stümper! Man könnte beinahe meinen, dass sie im Geheimen meinen einzigen Sohn umbringen wollen, jetzt, wo er endlich heiraten wird.«

Sie zog ihre Lupe heraus und betrachtete mich von Kopf bis Fuß. Als sie sah, dass ich lange Hosen trug, lächelte sie billigend.

»Mr Borg, wirklich schön, dass Sie hier sind. Und es freut mich, dass Sie den guten Geschmack haben, sich wie ein richtiger Mann zu kleiden«, sagte sie und senkte die Stimme. »Ich verstehe mich absolut nicht auf diese tamilische Männermode. Alle laufen sie in Stoffstücke gewickelt herum wie Frauen oder Tagelöhner. Sogar der Vater der Braut hat einen Rock an.«

»Ich habe es so verstanden, dass Lungi und Veshti in Tamil Nadu sowohl im Alltag als auch bei festlichen Anlässen getragen werden«, antwortete ich diplomatisch.

»Na ja, man muss ihre merkwürdigen Eigenheiten wohl im Austausch gegen das erträgliche Wetter hinnehmen. Schön, der beißenden Kälte zu Hause zu entkommen. In Delhi sind es nur gut zwanzig Grad, und es ist schon Anfang März.«

Mrs Thakur winkte genervt einen Kellner weg, der mit einem Tablett auftauchte, bevor sie fortfuhr.

»Aber manchmal frage ich mich, ob man sich wirklich auf die Tamilen verlassen kann.«

»Mama, das kannst du wohl doch nicht sagen? Deine zukünftige Schwiegertochter ist doch Tamilin!«, protestierte Neepa. »Und du verlässt dich ja wohl auf Lavanya und Shanker?«

»Natürlich. Aber das liegt daran, dass ich meine Bediensteten von Grund auf selbst angelernt habe«, sagte Mrs Thakur und schenkte ihrer Tochter ein mildes Lächeln. »Sieh mal, mein Mädchen, du möchtest dir doch bestimmt etwas zu essen holen? Und dann den Rest der Familie sammeln, damit wir fertig sind, wenn es Yogendra beliebt, sich wieder zu zeigen.«

Neepa ließ sich nicht lange bitten und machte sich schnell aus dem Staub, sodass ich mit der Alten allein gelassen wurde. Ich erinnerte mich mit Schrecken an meinen ersten Besuch in Indien, als die Tante Flüche über mich hatte regnen lassen, weil ich mit Yogi zechen gewesen war. Aber nach meinem letzten Aufenthalt, während dessen ich ihrem gleichzeitig geliebten und schikanierten Sohn geholfen hatte, nach einem sowohl finanziellen als auch emotionalen Zusammenbruch wieder auf die Beine zu kommen, stand ich bei Mrs Thakur in verhältnismäßig hohem Kurs. Es war deutlich, dass sie Neepa weggeschickt hatte, um ein vertrauliches Plauderstündchen mit mir zu haben.

»Setzen Sie sich, Mr Borg«, sagte sie und benutzte ihren Stock, um zwei junge Männer zu vertreiben, die die Stühle besetzten, die sie für uns vorgesehen hatte.

Ich half ihr beim Hinsetzen und nahm ihr gegenüber mit dem unangenehmen Gefühl Platz, in einem mentalen Schraubstock gelandet zu sein. Mrs Thakur war berüchtigt für ihre List und ihre verbale Bissigkeit. Wenn man bei ihr nicht in Ungnade fallen wollte, musste man seine Zunge hüten. Ich versuchte, mich mit Yogis Worten zu beruhigen, dass sie eigentlich »ein Herz aus dem goldschimmerndsten Gold hatte, das jemals jemand besaß, der Mutter Indiens Boden betreten hat«.

»Mr Borg, wo Sie doch nicht nur mit Yogendra, sondern auch mit Lakshmi dort oben in den Bergen so viel Zeit verbracht haben, wie würden Sie das Mädchen beschreiben?«

»Ich habe nur Gutes über sie zu sagen«, begann ich defensiv.

»Das freut mich. Und was, würden Sie sagen, sind ihre herausragendsten Eigenschaften?«

»Dass sie … zuverlässig ist«, sagte ich zögerlich und spürte bereits, wie der Boden unter meinen Füßen zu wanken begann.

»Zuverlässig, das ist etwas vage ausgedrückt, Mr Borg. Ich dachte eher an ihre Art. Ihr Temperament und ihre Fertigkeiten, haben Sie darüber nichts zu sagen?«

»Sie ist auch sehr … freundlich.«

Mrs Thakur rümpfte die Nase, als würde sie meine Unsicherheit riechen, bevor sie in rasendem Tempo eine neue Frage hinausschleuderte.

»Und ich habe gehört, dass Lakshmi sehr energisch und aktiv war, als ihr diese Teeplantage in Darjeeling in Ordnung gebracht habt, die die havarierte Finanzlage der Familie Krishnamurti gerettet hat.«

»Ähh … ja.«

»Das klingt, als sei sie eine Frau mit Initiative.«

»Ja, absolut.«

»Frauen, die die Fähigkeit haben, zu schalten und zu walten, sind doch beneidenswert. Oder nicht?«

»Doch.«

»Sie meinen also, dass Lakshmi schaltet und waltet?«

Jetzt hatte sie mich. Ich kramte in meinem Hirn verzweifelt nach einer geeigneten Antwort. Genauso sehr wie das Schweigen mich plagte, schien es die Alte zu triggern.

»Sie finden also, Mr Borg, dass Lakshmi schaltet und waltet?«, wiederholte sie.

»Ähh … so würde ich es vielleicht nicht ausdrücken, eher, dass sie auf eine sympathische Art bestimmt ist.«

»Wie denn?«

»Na ja … ein bisschen so wie Sie, Mrs Thakur.«

Die Tante warf mir durch das Vergrößerungsglas einen mörderischen Zyklopenblick zu.

»Das dürfen Sie jetzt gern weiter ausführen, Mr Borg.«

»Sie weiß auf eine sympathische Art, was sie will«, versuchte ich es.

Mrs Thakur lehnte sich im Stuhl zurück, was mich ein wenig aufatmen ließ.

»Weiß sie auch, wann es am besten ist, zufrieden zu sein?«

»O ja!«, rief ich aus.

Dieses Mal kam die Antwort wiederum ein bisschen zu schnell und zu resolut, um richtig glaubwürdig zu klingen. Mrs Thakur lächelte, sah aber immer noch skeptisch aus.

»Sie meinen also, dass diese Ehe sich auf eine harmonische Art entwickeln wird?«, fragte sie, bevor sie sich wieder nach vorn lehnte und mit einer Schärfe in der Stimme, die mir kalte Schauer über den Rücken jagte, hinzufügte: »Für alle Beteiligten?«

Yogi hatte mir viele Male gepredigt, dass eine Ehe in Indien nicht nur eine Allianz zwischen Mann und Frau war, sondern in noch höherem Maße eine Union zwischen den beiden Familien, und daher auch ein sehr enges Verhältnis zwischen der Mutter des Bräutigams und der in die Familie einziehenden Braut voraussetzte. Ich schluckte für Lakshmi einen Kloß im Hals hinunter und sah die Alte mit dem standhaftesten Blick an, der mir möglich war.

»Sie ist genau die richtige Frau für Yogi und außerdem die perfekteste Schwiegertochter, die man im Haus haben...

Erscheint lt. Verlag 14.5.2018
Reihe/Serie Die Göran-Borg-Romane
Übersetzer Julia Gschwilm
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Gurun i Pomonadalen
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Delhi • Der Fünfzigjährige • eBooks • Indien • Karma • Malmö • Männer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens • Männerprobleme • Midlife Crisis • Mittsommer • Roman • Romane • Schweden • Selbstsuche • Sinn des Lebens
ISBN-10 3-641-18452-5 / 3641184525
ISBN-13 978-3-641-18452-0 / 9783641184520
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