Das Haus der großen Träume (eBook)
301 Seiten
Francke-Buch (Verlag)
978-3-86827-756-2 (ISBN)
Denise Hunter hat bereits über 20 Romane geschrieben, die in den USA mit etlichen Preisen ausgezeichnet wurden. Neben dem Schreiben genießt sie es, mit ihrer Familie zu reisen und Schlagzeug zu spielen. Zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen lebt sie in Indiana.
Kapitel 2
Als Cole Evans erwachte, hatte er rasende Kopfschmerzen. Sein Körper bebte vor Schüttelfrost und er kuschelte sich tiefer in die warme Decke. In der Nähe ertönte eine Stimme. Wasser tropfte und dann senkte sich etwas Kühles auf seine Stirn.
Wo war er? Cole kämpfte gegen die Benommenheit an und versuchte die Augen zu öffnen. Irgendwo zwitscherte ein Vogel. Wieder sprach jemand. Eine Frauenstimme, angenehm, mit einem leichten Singsang. Er träumte. Dann hörte er Gesang. Jemand sang, aber schief.
Er konnte nicht einmal richtig träumen.
* * *
„Cole? Hallo, Cole. Aufwachen.“
Cole kämpfte gegen den Sog des Vergessens an und streckte sich nach dem Traum aus. Nach einem himmlisch süßen Blumenduft. Schmerz durchzuckte seinen Körper. Er stöhnte.
„Sie sind also am Leben. Machen Sie die Augen auf? Ich muss nämlich zur Arbeit und der Gedanke, Sie den ganzen Tag allein hier zurückzulassen, gefällt mir nicht besonders.“
Wieder nahm er den Kampf mit seinen Augenlidern auf und diesmal gewann er. Ein Engel mit braunem Haar beugte sich über ihn. Mit Rehaugen und seidigem Haar.
„Gott sei Dank. Ich dachte schon, ich hätte Sie umgebracht.“
Er befeuchtete seine Lippen. „Wo bin ich?“ Seine Kehle war trocken wie Sägemehl.
„Hier, bitte schön.“ Sie hielt ihm einen Strohhalm an die Lippen und er trank gierig. „Diesmal scheinen Sie fitter zu sein. Doc Lewis hat nach Ihnen gesehen. Sie sind ziemlich krank. Na ja, und dann habe ich Ihnen auch noch eins übergebraten.“ Eis klirrte, als sie das Glas abstellte.
Cole ließ den Kopf aufs Kissen fallen und schloss die Augen eine Sekunde lang, während er atmete, als hätte er gerade einen Boxkampf hinter sich.
„Sie haben eine Gehirnerschütterung. Tut mir leid.“ Die Frau schnitt eine Grimasse, während sie sich über seinen Kopf beugte und etwas anhob. Sie duftete nach Blumen und Sonne. Er sog den Geruch tief ein.
Jetzt runzelte sie die Stirn. „Oh, das sieht nicht gut aus.“
Er schloss einen Moment lang die Augen. „Wo bin ich noch mal?“
„Sie erinnern sich nicht? Sie sind in mein Haus eingebrochen. Das heißt, Sie hatten einen Schlüssel, und als Sie wach wurden, haben Sie gesagt, dass Sie dieses Haus gemietet haben. Ich vermute, es hat irgendein Missverständnis gegeben, sodass Sie streng genommen nicht eingebrochen sind. Und es ist auch nicht mein Haus, sondern ich habe es den Sommer über gemietet. Sie sind gewissermaßen in meinem Ferienhaus. Oder besser gesagt: im Schuppen im Garten meines Ferienhauses.
Jedenfalls heiße ich PJ McKinley. Ich weiß schon, wer Sie sind: Cole Evans. Mein Bruder hat in Ihrer Brieftasche nachgesehen. Sorry, aber er hat sich verrückt gemacht, weil ich mich um Sie kümmern wollte, also hat er Sheriff Simmons gebeten, Sie zu überprüfen – aber keine Angst, Sie sind sauber. Sonst hätte er nicht erlaubt, dass Sie hierbleiben, aber der Arzt hat gesagt, Sie seien nicht transportfähig, und Sie haben gesagt, Sie wüssten nicht, wo Sie hin sollten – können Sie sich an irgendwas davon erinnern?“
Hatte er ihre Stimme für angenehm gehalten? Sie war zu laut und redete zu viel. Cole sah sich in dem winzigen Raum um, der nur spärlich möbliert war und an jeder Wand Fenster hatte, sodass zu viel Licht hereinkam. Er stöhnte.
„Sie haben wahrscheinlich Kopfschmerzen, nicht wahr?“ Susi Sonnenschein streckte die Hand nach etwas auf dem Nachttisch aus und er hörte das Geräusch von Tabletten, die in einer Flasche zusammenschlugen. Sie ließ zwei davon in seine Hand fallen, während sie weiter über ihr Haus plauderte.
Cole hob den Kopf, um noch einen Schluck Wasser zu trinken, dann legte er ihn wieder ab und schloss die Augen. Er dachte an das Letzte zurück, woran er sich erinnerte. Dass er nach Chapel Springs in Indiana gefahren war, während sein Körper sich angefühlt hatte, als hätte er am Tag zuvor ein anstrengendes Training absolviert. Er hatte eine Matschbirne gehabt und ein flaues Gefühl im Magen.
Chapel Springs. Der Wettbewerb. Die Präsentation. Er riss die Augen auf. „Welcher Tag ist heute?“
„Mittwoch.“
Er hatte einen Tag verloren. Wo waren seine Sachen? Er versuchte sich aufzusetzen.
Doch die Frau drückte ihn mit einer Hand wieder in die Kissen. „Hey, Moment mal. Was haben Sie vor?“
Er schwang seine in Jeans gekleideten Beine über die Bettkante und spürte, wie das Zimmer sich drehte. „Wo sind meine Sachen?“
„Hören Sie, es geht Ihnen wirklich nicht gut. Sie müssen sich wieder hinlegen.“
Er sah sich im Zimmer um, bis sein Blick auf die graue Reisetasche fiel. Dann stand er auf und durchquerte mit wenigen Schritten das kleine Zimmer, während er gegen den Schwindel anblinzelte.
„Sie sollten nicht aufstehen. Schließlich haben Sie eine Gehirnerschütterung und Sie sind krank.“
Cole zog den Reißverschluss seiner Tasche auf und kramte darin, bis er die Mappe gefunden hatte. Erst jetzt beruhigte sich sein rasender Herzschlag wieder etwas. Er schwankte.
„So, das reicht. Zurück ins Bett.“ Ihre Hand legte sich um seinen Bizeps und zog vergeblich daran.
„Wie spät ist es?“
„Morgens. Es ist mein Ernst, Sie müssen wieder ins Bett.“
Widerwillig ließ er sich von ihr zum Bett ziehen. Ihre Hände fühlten sich auf seiner heißen Haut angenehm kühl an. Die Mappe hielt er fest umklammert. Er musste vor heute Abend noch eine Menge tun. Und irgendwie musste er diese Benommenheit loswerden, um klar denken zu können.
„Da drüben habe ich Ihnen etwas zu essen hingestellt. Sie haben bestimmt Hunger. Meine Mutter wird ein paarmal vorbeikommen und nach Ihnen sehen, so wie sie es gestern auch gemacht hat. Ich muss die Tür offen lassen, weil ich den Schlüssel verloren habe – eine lange Geschichte.“
Cole sank auf die dünne Matratze und blinzelte wieder, um das Schwindelgefühl zu vertreiben. Die Frau fühlte seine Stirn und sah ihn dann lange an, als wollte sie sein Geheimnis ergründen. „Ihr Fieber hat nachgelassen. Das ist gut.“
Etwas kribbelte in Coles Magen, als er ihr in die Augen sah.
„Also … ich hoffe, Sie sind so weit in Ordnung, weil ich sonst zu spät zur Arbeit komme. Es ist kein toller Job, aber alles, was ich im Moment habe, und ich darf die Stelle nicht verlieren, weil ich sonst aus dem Haus ausziehen muss. Und dann würden die anderen nie Ruhe geben …“ Der letzte Satz war eher ein Murmeln.
„Mir geht es gut.“ Oder vielmehr: Es würde ihm gut gehen, sobald er alle seine Unterlagen bereit und wieder einen klaren Kopf hatte. Und Ruhe. Das würde auch helfen.
„Okay: Wasser hier, Tabletten und Essen da drüben. Ich komme erst spät abends wieder, aber Sie können so lange bleiben, bis es Ihnen besser geht, schließlich habe ich Ihnen die Gehirnerschütterung verpasst.“
Cole lehnte sich in die Kissen zurück und wartete darauf, dass der Schwindel nachließ.
An der Tür drehte die Frau sich noch einmal um, sodass die glatten Haare über ihre Schultern flogen. Dann sah sie ihn streng an. „Bleiben Sie im Bett!“
Das würde er. Jedenfalls eine Weile. „Ja, Ma’am.“
Und dann war sie fort und mit ihr der Blumenduft und das Geplauder.
* * *
PJ schlüpfte durch die Tür von Grandmas Dachboden und sah sich in dem Antiquitätengeschäft um. Es dauerte einen Moment, bis ihre Augen sich nach dem hellen Sonnenschein draußen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Ihr Arbeitstag war wie im Flug vergangen. In Fionas Süßigkeitenladen waren viele Kunden gewesen und ihre Arme schmerzten davon, auf der Marmorplatte Fudge auszurollen.
Der vertraute Geruch alter Schätze stieg ihr in die Nase. Als Kind hatte sie viele Sommernachmittage hier verbracht und in Kleiderschränken gespielt und Dinge kaputt gemacht.
„PJ!“ Ihre Mutter durchquerte mit einem Staubwedel in der Hand den Raum und drückte PJs Arm. Mit ihren blauen Augen und ihrem gewinnenden Lächeln war Joanne McKinley nach wie vor eine schöne Frau. „Du siehst richtig geschäftsmäßig aus. Das Rot steht dir unheimlich gut.“
„Kaum zu glauben, dass es so weit ist. Ich bin schrecklich nervös.“
„Entspann dich. Diese Menschen kennen dich schon dein ganzes Leben lang.“
„Das ist es ja, wovor ich Angst habe. Sie erinnern sich daran, wie ich in meiner Windel den Mittelgang der Kirche hinuntergerannt bin, wie ich vor Lonnie Terrells Limonadenstand demonstriert habe und an tausend andere dumme Dinge.“
Ihre Mutter sah sie warmherzig an. „Du warst tatsächlich immer für eine Überraschung gut, als du noch klein warst.“
PJ zupfte an ihrem Rock herum.
„Du siehst wunderschön aus und du bist gut vorbereitet. Atme tief durch und zeig ihnen, wie sehr dein Herz dafür brennt.“
Ihr Handy verkündete mit einem leisen Pling, dass eine SMS eingegangen war. PJ blickte auf ihr Display. „Das ist Kayla. Sie wünscht mir viel Glück.“ Kayla war ihre Freundin aus dem College.
„Hast du ihr von deinem gefährlichen Eindringling erzählt?“ Die Lippen ihrer Mutter zuckten belustigt.
„Ich kann dir sagen, er ist wie eine Abrissbirne in mein Wohnzimmer gepoltert. Zu Tode erschreckt hat er mich. Wie ging...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2017 |
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Übersetzer | Dorothee Dziewas |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The wishing season |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Christlicher Roman • Glaube • Kochen • Liebesroman • Pflegekinder • Restaurant |
ISBN-10 | 3-86827-756-0 / 3868277560 |
ISBN-13 | 978-3-86827-756-2 / 9783868277562 |
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