Ensel und Krete (eBook)

Ein Märchen aus Zamonien

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
256 Seiten
Knaus (Verlag)
978-3-641-13962-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ensel und Krete -  Walter Moers
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Moers meets Grimm: ein geniales Match!
Angeln, Imkern, Beeren sammeln - ein aufregender Familienurlaub sieht anders aus. Auf der Suche nach einem handfesten Abenteuer verlässt das Geschwisterpaar Ensel und Krete den zivilisierten Bereich von Bauming. Tiefer und tiefer dringen die zwei jungen Halbzwerge in den Großen Wald vor: zu tanzenden Bäumen, Pflanzen mit Tiergesichtern und Wesen mit Tausend Stimmen. Da treibt sie der Hunger in ein drolliges kleines Haus... Mit dieser hintergründigen Parodie auf das berühmte grimmsche Märchen, erzählt von Großdichter Hildegunst von Mythenmetz, entführt Walter Moers in sein legendäres Zauberreich Zamonien, wo Fantasie und Humor gehörig außer Kontrolle geraten.

Dies ist ein Roman, der im legendären Bücherreich Zamonien spielt. Folgende weitere Zamonienromane sind bislang erschienen:

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Rumo & die Wunder im Dunkeln

Die Stadt der Träumenden Bücher

Der Schrecksenmeister

Das Labyrinth der Träumenden Bücher

Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr

Weihnachten auf der Lindwurmfeste

Der Bücherdrache

Der Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz ist der bedeutendste Großschriftsteller Zamoniens. Sein Schöpfer Walter Moers hat sich mit den Romanen rund um Mythenmetz und den fantastischen Kontinent Zamonien weit über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus in die Herzen der Leser und Kritiker geschrieben. Alle seine Romane wie «Die 13 ½ Leben des Käpt'n Blaubär», «Die Stadt der Träumenden Bücher», «Der Schrecksenmeister», «Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr», «Weihnachten auf der Lindwurmfeste» und «Der Bücherdrache» waren Bestseller.

Nur ein Wort, dafür ein ziemlich langes und häßliches: Waldspinnenhexensekret. Na? Erinnert sich jemand? Im Fach Geschichte nicht aufgepaßt, beim Thema Waldspinnenhexenverbrennung? Na gut, dann also eine kleine Lektion in zamonischer Historie: Als die Buntbären den Großen Wald besiedelten, fanden sie in seinem Innern die Überreste einer verendeten Waldspinnenhexe. So etwas konnten sie bei der Gründung ihrer neuen Gemeinde nun gar nicht gebrauchen, also beschlossen sie, die Gebeine des Monstrums zu verbrennen. Das war mit einigen Unannehmlichkeiten verbunden, insbesondere mit infernalischem Gestank.

Bei der Einäscherung wurde das noch im Körper befindliche Spinnensekret in Form von dunklem Qualm freigesetzt, der schwerste Halluzinationen bei den Buntbären hervorrief. Viele von ihnen inhalierten den bitteren Rauch und irrten anschließend tagelang durch den Wald, andere konnten nicht aufhören zu tanzen oder zu gackern und bedurften intensiver seelischer Betreuung.

Der schwere Qualm aber senkte sich wieder und legte sich in Form von schwarzen Schlacken auf die umstehenden Gewächse des Waldes, die weiterhin unangenehm ausdünsteten. Dort, wo der fettige Schmauch direkt mit dem Waldboden in Kontakt kam, sank er ins Erdreich und hinterließ graues verdorrtes Gras.

Die Sache wurde öffentlich als Triumph über die Waldspinnenhexe dargestellt, um die geplante Fremdenverkehrsindustrie nicht zu gefährden. Aber die Buntbären sind ein geselliges Völkchen, sie haben ein lockeres Mundwerk, besonders wenn sie das eine oder andere Glas Dampfbier intus haben, und so kursierten mit der Zeit Gerüchte, die von Schlampereien bei der Waldspinnenhexenverbrennung berichteten.

In diesem Zusammenhang entstand ein zamonisches Sprichwort: Die Waldspinnenhexe hat ihren Hut liegengelassen. Man benutzt dieses Sprichwort gewöhnlich, wenn man darauf hinweisen will, daß irgend etwas einen schlechten Geschmack oder Geruch hinterlassen hat, daß sich üble Verhältnisse schwer oder gar nicht ändern oder ähnliches. Aber was die wenigsten wissen: Die Waldspinnenhexe hatte tatsächlich ihren Hut liegengelassen, nicht nur im übertragenen Sinne.

Als die Buntbären versucht hatten, den hutförmigen Kopfpanzer des Monstrums mitzuverbrennen, mußten sie nämlich feststellen, daß dies unmöglich war. Er qualmte und stank, er kokelte an den Rändern, aber er verbrannte nicht. Sie übergossen ihn mit Lampenöl, sie errichteten einen Scheiterhaufen aus pechgetränkten Holzbalken über ihm, sie pusteten mit Blasebälgen ins Feuer, aber der Hut erwies sich als unzerstörbar. Außerdem produzierte er beim Erhitzen nur neue giftige Dämpfe und schwarze Schlacken, daher entschlossen sie sich, ihn einfach zu verscharren.

Sie begruben ihn so tief wie möglich und mieden seither den Ort der Waldspinnenhexenverbrennung weiträumig. Es war tatsächlich hauptsächlich der Hut, der die Buntbären veranlaßte, Bauming vom übrigen Wald so ängstlich abzugrenzen und ihr paranoides Sicherheitssystem zu errichten. Nur ab und zu gingen ein paar besonders tapfere Waldwächter dorthin, um nachzusehen, ob die Sache noch unter Kontrolle ist.

Ein paar Jahreszeiten später begannen in der Nähe der Stelle, wo man den Hut vergraben hatte, kleine schwarze Pilze zu wachsen. Sie sahen unappetitlich aus, verströmten einen unangenehmen, schwindelig machenden Geruch und hatten einen Hut, der dem der Waldspinnenhexe entfernt ähnelte. Sie besaßen die Eigenschaft, sich schnell auszubreiten, also gaben die Buntbären ihnen den Namen Hexenhutpilze und versuchten sie zu vernichten, wo immer sie welche fanden. (Nur ein bedauernswerter Buntbär mit goldenem Fell namens Boris Boris hatte einmal versucht, einen zu essen. Er war der Ansicht, daß man durch nachhaltiges Abkochen jeden Pilz entgiften könne, und bereitete sich ein üppiges Hexenhutragout. Er verlor dadurch seinen Verstand, hatte keine Kontrolle über seine Hände mehr und belästigte gelegentlich Touristen. Eine Zeitlang wurde er als Dorftrottel geduldet, dann verschwand er eines Tages spurlos. Die Buntbären vermuteten, daß er nun irgendwo in Zamonien herumirrte, worüber man in Bauming wegen des anwachsenden Tourismus nicht ganz unglücklich war.) Die Brandwächter waren in Wirklichkeit in der Hauptsache damit beschäftigt, Hexenhutpilze aufzustöbern und zu entsorgen. Sie sammelten sie in ihren Eimern und warfen sie in der Bärenbucht ins Meer. So gerieten mit der Zeit die Waldspinnenhexe, ihr Hut und die Pilze außerhalb Baumings in Vergessenheit.

Ach übrigens, nebenbei bemerkt: Der eine oder andere kleinkarierte Kritiker von der Sorte Laptantidel Latudas (möge seine Schreibhand verdorren!) wird vielleicht bemängeln, daß ich in der Szene mit dem Laubwolf gelegentlich dessen Perspektive einnehme, was, da es sich um eine Halluzination handelt, in der Tat ein künstlerisches Wagnis darstellt. Dazu folgendes: Wo immer in meinen Werken ein Exemplar einer Rarlebewesengattung auftaucht, sei es eine Finsterbergmade, eine Berghutze oder ein Laubwolf, kann ich nicht anders, als mich in dieses Wesen hineinzuversetzen. Nennen Sie es eine Gnade, nennen Sie es einen Fluch – ich habe einfach keine Wahl. Ich folge einem Ruf der Natur, der für normale zamonische Daseinsformen nicht hörbar ist, denn letztlich gehöre auch ich einer vom Aussterben bedrohten Rarlebewesengattung an, der der aufrecht gehenden, vernunftbegabten Dinosaurier. So fremd und bedrohlich mir gewisse Rarlebewesen auch vorkommen mögen, uns verbindet dennoch ein familiäres Band, das mich als Dichter verpflichtet, ihren Empfindungen Ausdruck zu verleihen.

ichen. Birken. Ulmen. Trauerweiden. Buchen. Sogar Palmen und Bambus. Gummi- und Mammutbäume. Ahornplatanen. Pyramidenpappeln. Schwarzerlen. Edelkastanien. Fichten. Eiben. Lärchen. Riesenumfen. Knolmen. Blutbäume. Ornische Orken. Zamonenkork. Blauschwarzer Ätherich. Datteltannen. Grobblättrige Senfklapper. Korallenzypressen. Schlankes, dickes, glattes, knotiges, rissiges, braunes, schwarzes, rotes und weißes Holz, in allen möglichen Wuchshöhen, dichtes Laubgitter überall. Manche Bäume waren so dick, daß man ein Haus hätte hineinschnitzen können, viele standen ineinander verkeilt mit verschlungenen Ästen, hoffnungslos verwachsen beim Ringkampf um den besseren Platz an der Sonne. Der Boden wellte sich vom üppigen Wurzelwerk, das sich darunter tausendfach verknotete.

Wenn Krete und Ensel sich vorher von der Eintönigkeit des Waldes gelangweilt fühlten, ängstigte sie nun seine ständig zunehmende Formenfülle. Je weiter sie liefen, desto dichter und sperriger wurde die Natur, um so artenreicher und ausgreifender wucherten die Bäume und Sträucher, die Farne und die Moose. Immer beschwerlicher wurde das Vorankommen, aber die Geschwister kämpften sich vorwärts, sie wollten so weit fort wie möglich von diesem bösen, übelriechenden Platz, der ihnen solch trügerische Träume beschert hatte.

Ihnen war immer noch schwindelig und übel, Ensel sah alles nur zweifarbig (grün und rot), und Krete hörte Geräusche und Stimmen, die nicht von dieser Welt waren: Flüstern und Raunen, Säuseln und Kichern. Aber die Symptome ließen langsam nach, und als sie eine Stunde beschwerlichen Marsches hinter sich hatten, waren die Beschwerden fast vollständig verschwunden. Die Schatten des Waldes verflochten sich immer dichter zu einem Netz aus Dunkelheit, denn die Dämmerung kroch wieder in den Großen Wald.

Der Moosteppich unter Kretes Füßen war feucht und nachgiebig, und sie verwünschte sich dafür, ihre Schuhe weggeworfen zu haben. Ständig veränderte sich die Beschaffenheit des Waldbodens, mal war er naß und moosig, mal hart und von Wurzeln durchsetzt, mal voller vertrockneter Eicheln oder stacheliger Nadeln, aber immer war es unangenehm, ihn mit nackten Fußsohlen begehen zu müssen.

Ensel stieg über eine wuchtige Eichenwurzel und zerschlug mit einem abgebrochenen Ast einen Vorhang von dünnen Lianen, der ihnen den Weg versperrte. Dahinter öffnete sich der Wald zu einem großen freien Rund.

»Eine Lichtung«, sagte Krete und zögerte, weiterzugehen. »Vielleicht ist es wieder die mit den Pilzen.«

»Da sind keine Pilze«, erwiderte Ensel.

Sie betraten eine baumlose Wiese, die nur noch spärlich vom Licht der untergehenden Sonne erhellt wurde. Im Zentrum des Platzes lag ein großer schwarzer und hohler Baumstamm, der aussah, als sei er vom Blitz gefällt worden.

»Wir sind wieder im Kreis gelaufen«, sagte Krete und ließ sich seufzend ins Gras fallen.

Diesmal weinte Ensel, und Krete war es, die ihn tröstete. Als das Licht völlig verschwunden war, verkrochen sie sich in die Baumruine und versuchten nun, die Nacht über zu schlafen. Bevor sie einnickten, erzählten sie sich noch gegenseitig von ihren Halluzinationen.

Kretes Wahnbilder waren teilweise von anderer Art gewesen als die von Ensel. Sie hatte nicht von Baumschätzen und Geheimpolizisten phantasiert, sondern von Einhörnern, einem fünf Meter großen Dreiäugigen Schuhu, einer Schwanenprinzessin und einer Wolke aus Diamanten, die über ihr abregnete. Die Passagen mit dem Laubwolf und dem Bürgermeister hatten sie größtenteils zusammen halluziniert. Ensel war von ihren Träumen (beziehungsweise der Tatsache, daß es nur ein Traum war) offensichtlich mehr mitgenommen als Krete, denn er zitterte immer noch am ganzen Leib.

Er jammerte, daß es unmöglich sei, daß der gleiche Baumstamm an mehreren Stellen des Waldes liegt. Der Baumstamm müsse verhext sein, oder die Lichtung, oder der ganze verfluchte Wald sei verwünscht, und er habe Hunger und Durst und wolle nach Hause und so weiter und so fort, bis er sich müde gejammert hatte und endlich...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Buchlinge • das kleine Arschloch • Das Labyrinth der träumenden Bücher • der bücherdrache • Der Fönig • Der Schrecksenmeister • Die Stadt der Träumenden Bücher • eBooks • Fantasy • High Fantasy • Hildegunst von Mythenmetz • Käpt'n Blaubär • Märchen • Märchenbuch • Prinzessin Insomnia • Rumo • spiegel bestseller • Zamonien • Zamonien 2
ISBN-10 3-641-13962-7 / 3641139627
ISBN-13 978-3-641-13962-9 / 9783641139629
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