Sommer unseres Lebens (eBook)

Roman

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
368 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31747-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sommer unseres Lebens -  Kirsten Wulf
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»Nach der Lektüre will man sofort seine Freundinnen anrufen und mit ihnen in den Urlaub nach Portugal fahren.« Monika Peetz, »Die Dienstagsfrauen« Durch Zufall lernen sich Miriam, Hanne und Claudia im Sommer 1989 in Portugal kennen. Die drei 25-Jährigen freunden sich an und verbringen dort den Sommer ihres Lebens. Am Ende beschließen sie: Egal, was passiert - wenn wir 50 werden, treffen wir uns hier. Und plötzlich ist es so weit. Unfassbar. Aber wegen eines uralten Versprechens nach Portugal fahren? Sie haben nur noch wenig Kontakt und stecken alle drei tief im Alltag fest. Miriam hat Karriere in der Marktforschung gemacht und mit zwei Kindern, Mann und Au-pair einen bis auf die Minute getakteten Wochenplan, Hanne hat vier Kinder bekommen und ist alleinerziehend und Claudia führt ein Lokal am Elbstrand. Doch als Hanne sich meldet und auf das Wiedersehen drängt, brechen sie auf. Aber die Reise durch Portugal wird ganz anders als gedacht: Konfrontiert mit ihren Plänen und Träumen von damals, kommen lang gehütete Geheimnisse ans Licht - und am Ende stellt sich die Frage, ob der Sommer nicht ganz anders war, als sie alle dachten.

Kirsten Wulf, geboren 1963 in Hamburg, arbeitete als Journalistin in Mittel- und Südamerika, Portugal und Israel. Seit 2003 lebt und arbeitet sie in Italien. Ihre Apulienkrimis (»Aller Anfang ist Apulien«, »Tanz der Tarantel«, »Vino mortale«) werden von der Presse sehr gelobt: »Geschmeidig und mit großer Liebe zu Besonderheiten ihrer italienischen Wahlheimat erzählt [...] Kirsten Wulf [...] davon, welche Abgründe in kleinen Städten unter der Oberfläche lauern können.« (Buchjournal). Zuletzt erschien ihr Portugalroman »Sommer unseres Lebens«.

Kirsten Wulf, geboren 1963 in Hamburg, arbeitete als Journalistin in Mittel- und Südamerika, Portugal und Israel. Seit 2003 lebt und arbeitet sie in Italien. Ihre Apulienkrimis (»Aller Anfang ist Apulien«, »Tanz der Tarantel«, »Vino mortale«) werden von der Presse sehr gelobt: »Geschmeidig und mit großer Liebe zu Besonderheiten ihrer italienischen Wahlheimat erzählt [...] Kirsten Wulf [...] davon, welche Abgründe in kleinen Städten unter der Oberfläche lauern können.« (Buchjournal). Zuletzt erschien ihr Portugalroman »Sommer unseres Lebens«.

Inhaltsverzeichnis

4


Berlin, Sommer 1989

Sogar für Hanne war Jens’ unterirdisch schlechte Laune schwer erträglich. Sie hatte die zweite Kanne Tee zum Frühstück an diesem wolkenlosen Samstag gekocht. Jens las die Tageszeitung, in der einen Hand das Nutella-Brötchen, mit der anderen tastete er nach dem Teebecher.

»Ist noch heiß …«, sagte Hanne und schob ihm den dampfenden Teebecher hin, legte ihm ihre Hand in den Nacken und las über seine Schulter die Schlagzeilen.

Jens nippte, »Verdammt, ist der heiß!«, und knallte den Becher zurück auf den Tisch. Hanne holte einen Lappen.

»Hat deine Maus doch gesagt, Jensi-Boy!« Ihr Mitbewohner Paolo war in Unterhose, T-Shirt und Badelatschen in die Küche gekommen und grinste.

Jens schwieg. Es war noch zu früh für lange Sätze.

»Er hat bis zwei Uhr heute Morgen am Schreibtisch gesessen«, verteidigte Hanne ihren Liebsten.

»Der Arme«, spottete der italienische Mitbewohner, »aber solange du ihm noch den Nacken kraulst …«, er nahm zwei Becher aus dem Regal und goss Tee ein, »Was wäre unser zukünftiger Staranwalt nur ohne dich?«

Jens muffelte irgendetwas Unfreundliches, schob den Rest seines Brötchens in den Mund, blätterte in der Zeitung und vertiefte sich in die Seite mit den Auslandsnachrichten.

Hanne seufzte. Sie hatte gerade ihren letzten Arbeitstag im Kindergarten hinter sich und vor ihr lag ein langer Sommer ohne Pläne, aber mit Arbeitslosengeld, und im Herbst das erste Semester Sozialpädagogik. Jens hingegen bereitete sich auf das Juraexamen vor. Aber Hanne gedachte ihn aufzuheitern und bei Bedarf für Ablenkungen zu sorgen.

»Hör mal, Hase«, begann Hanne, »wir könnten doch am Wochenende zu …«

»Hanni«, fuhr Jens auf, »nicht schon wieder! Ich kann gerade gar nichts, und schon gar nicht am Wochenende irgendwo hinfahren. Wenn du das machen willst, viel Spaß, bitte sehr, aber ohne mich, tut mir leid.«

Hanne legte ihm die Hand auf die Schulter, »Du musst mal raus, den Kopf durchlüften«.

»Danke, Hanni«, knirschte Jens, »ich sage Bescheid, okay?«, er schüttelte ihre Hand von seiner Schulter, »Wenn du Fernweh hast, bitte, da ist Paolo, der wollte nach Italien!«

»Sorry, hat sich erledigt!«, Paolo hob die Hände, »Ich lass euch Turteltäubchen allein. Morgen bin ich weg, ich habe eine Mitfahrgelegenheit gefunden, auf dem Motorrad mit …« Er grinste, es war das Stichwort für den Auftritt eines verschlafenen Lockenkopfes in der Küchentür, in einem zu großen T-Shirt von Paolo.

»Katharina!«, beendete Paolo seinen Satz und legte der kleinen barfüßigen Frau den Arm um die Schultern. »Nach Italien, nicht wahr, amore? Möchtest du Tee?«

Hanne betrachtete Katharina, das war also die »Mfg gegen Bkb« nach Italien, die Paolo aus den Kleinanzeigen am letzten Wochenende gefischt hatte. Mitfahrgelegenheit gegen Benzinkostenbeteiligung, sperrige Worte für einen einfachen Deal, zu lang und zu teuer für eine Kleinanzeige.

»Du? Bei ihr auf dem Motorrad?«, Jens blickte hoch und scannte den Lockenkopf bis zu den lackierten Fußnägeln.

»Sie hatte eigentlich eine Frau gesucht, aber dann kam eben Paolo und nicht Paula zum Treffen, haha! Kleines Missverständnis …«

Der Lockenkopf lächelte, nahm einen Teebecher und verschwand.

»Mal ehrlich, Hanne«, Paolo nahm die Zeitung vom Tisch, »willst du dir wirklich den ganzen Sommer verderben lassen? Schau mal, hier gibt es doch bestimmt …«, Paolo blätterte auf die Seite mit den Kleinzeigen, »auch für dich eine charmante Mitfahrgelegenheit.«

Hanne stand in der Küche und betrachtete die beiden. Jens hatte eine schlechte Phase, sicher, aber sie liebte ihn trotzdem und gemeinsam …

»Hier, wie wäre es mit Portugal, Hanne?«, feixte Paolo, »maximale Entfernung zu diesem Stinkstiefel hier. Nur in Lappland wärst du sicherer, ist aber nicht so sonnig.«

Jens boxte Paolo mit dem Ellenbogen in die Seite, »Es reicht. Schönen Urlaub, Paolo!« Er stand auf und schlurfte den Flur hinunter, Richtung Schreibtisch.

»Jensi-Boy, entspann dich mal«, rief ihm Paolo hinterher, zwinkerte Hanne zu und verzog sich seinerseits in Richtung seiner lockigen Mitfahrgelegenheit.

Hanne schaute dem gut gelaunten Gigolo hinterher, sie würde später Details über die neue Prinzessin erfahren. Wie üblich. Sie war Paolos Vertraute, seitdem sie in die WG eingezogen war.

Sie hatte Jens beim David-Bowie-Konzert am Brandenburger Tor kennengelernt, in dem historischen Moment, als »Heroes« von der Bühne dröhnte und die Fans im Osten hinter der Mauer mitjohlten. Doch davon hatte Hanne nichts mehr mitbekommen, denn neben ihr stand dieser Typ, Hände in den Hosentaschen, der Einzige, der kein Feuerzeug, keine Wunderkerze schwenkte. Ihre Blicke trafen sich im Schein der vielen kleinen Lichter – und ließen sich nicht wieder los. Hanne verbrannte sich den Daumen an ihrem Feuerzeug, ein Lächeln flog über sein Gesicht, sie hatte ihn tatsächlich aus der Reserve gelockt. »We can be heroes!« – das war’s. Hanne wurde immer noch schwindelig, wenn sie sich daran erinnerte.

Jens hatte das größere WG-Zimmer mit dem größeren Bett zu bieten, fortan wechselte Hanne in ihrer WG nur noch die Klamotten.

Paolo fand die exklusive Zweisamkeit der beiden okay, solange Jens weiterhin mit ihm zum Basketball ging. Sabine, die damalige dritte Mitbewohnerin, packte nach krisengeschüttelten WG-Gesprächen ihre Kisten und zog aus. Hanne blieb und schickte Jens zum Basketball, kochte derweil für die Jungs und guckte ungestört von blöden Kommentaren »Schwarzwaldklinik«.

Hanne schwebte verliebt durch die Tage, bändigte im Kindergarten mit Engelsgeduld einen Sack Flöhe – je bunter das Leben, desto lustiger.

Dann flog Jens durch das erste Staatsexamen.

Nicht knapp, sondern volle Kanne. Sein Vater, selbst Anwalt, drohte, die monatlichen Zahlungen einzustellen. Sein Sohn könne mietfrei und vermutlich konzentrierter im Elternhaus in München lernen. Dem Vater war offensichtlich der Zusammenhang zwischen Hannes sonniger Präsenz im Leben seines Sohnes und den finsteren Resultaten des Studiums aufgefallen.

Hanne räumte das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine, legte die Tageszeitung auf das Fensterbrett und wischte den Tisch ab. Gemeinsam würden Jens und sie diese Krise meistern – eine Herausforderung für ihre Liebe. So konnte man das ja auch mal sehen.

Hanne nahm die Zeitung und setzte sich an den Tisch.

Nur ein kurzer Blick, sie blätterte hastig – da waren sie, Kleinanzeigen, Reise, »Mfg gegen Bkb für Frau, Berlin–Portugal …«

Portugal! Allein das Wort elektrisierte Hanne.

»… hin Mi 12.7., zurück nach Absprache, Miriam«.

Tat sie Jens nicht vielleicht sogar einen Gefallen, wenn er in Ruhe lernen konnte? Mittwoch war in vier Tagen. Hanne atmete tief durch und ging zum Telefon.

 

Vier Tage später fuhr sie mit Miriam schweigend durch die DDR gen Westen, begleitet vom rhythmischen Bedumm-bedumm-bedumm-bedumm, dem Sound der Plattenautobahn. Im Schleier des Nieselregens verloren sich Wiesen und Felder. Hanne verfolgte die Linien, die Regentropfen über das schmale Schiebefenster der Beifahrertür zogen. Was für eine bekloppte Idee. Im R4 quer durch Europa, mit dieser Miriam, die offensichtlich auch nicht besser gelaunt war als Jens. In den ersten beiden Stunden hatten sie kaum miteinander geredet: Benzinkosten? Abwechselnd die Tankfüllungen zahlen. Führerschein? Hatte Hanne. Könnte sie Miriam auch am Steuer ablösen? Klar, kein Problem. Isomatte, Schlafsack dabei? Nein, wieso das denn? Macht nichts, kann ich dir leihen. Übernachten im Zelt, in Ordnung? Klar, kein Problem. Schweigen.

Nach einer Weile versuchte sich Hanne an einem Gespräch.

»Und, was machst du so?«

»Studiere. Politik und Soziologie.«

»In Berlin?«

»Nee, Köln …«

»In Berlin hast du Freunde?«

Schweigen.

»Scheißthema.«

»Ah. Verstehe.«

Schweigen.

Hanne verfolgte wieder Regentropfen. Sie dachte an Jens. Linste zu Miriam. Sie sieht klasse aus, dachte Hanne, sehr hübsch. Groß, die dunklen Haare energisch hinters Ohr geklemmt. Herbe Gesichtszüge. Wenn nur diese Zornesfalte nicht wäre. Wütend sah sie aus. Und traurig. Kinder plärren einfach los, dachte Hanne, Erwachsene halten die Luft an und Miriam schien eine erstklassige Luftanhalterin zu sein.

Sie wirkte so entschieden, das gefiel und verunsicherte Hanne. Sie selbst ließ die Dinge meist geschehen, ihr Leben passierte einfach. Deshalb saß sie ja auch in diesem Auto. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Ahnung, was sie in Portugal wollte. Es war das Wort »Portugal« gewesen, das Bilder in ihrem Kopf entstehen und sie einen Moment lang Jens’ Elend vergessen lassen hatte.

Die Frau am Telefon hatte nett geklungen. Miriam war nicht da gewesen, aber ja, der Platz im Auto sei noch frei.

Als Miriam zurückrief, war Hanne nicht zu Hause. »Mittwochmorgen, neun Uhr, ich hole sie ab«, diktierte sie dem verdatterten Jens und fragte nach der Adresse.

Hanne hätte sich am liebsten aufgelöst, als Jens ihr wortlos den Zettel mit der Notiz gereicht hatte, aber statt einer Szene hatte Jens nur gemurmelt »finde ich ja irgendwie …«, mit den Achseln gezuckt und war zum Schreibtisch geschlichen.

Sonntag. Montag. Dienstag. Mehr hatte er zu ihrer spontanen Portugalreise nicht zu sagen gehabt....

Erscheint lt. Verlag 17.8.2017
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50 Jahre • Foto • Freundinnen • Freundschaft • Lebensentwürfe • Midlife Crisis • Portugal-Reise • Sinn des Lebens • Sommer-Urlaub • Wiedersehen
ISBN-10 3-462-31747-4 / 3462317474
ISBN-13 978-3-462-31747-3 / 9783462317473
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