Ein Mädchen aus bester Gesellschaft (eBook)

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2017 | 1. Auflage
602 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-688-10280-8 (ISBN)

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Ein Mädchen aus bester Gesellschaft -  Elizabeth Edmondson
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Freundschaft, Liebe und Verrat Oxford, 1932: Im College treffen sich Verity, die Pfarrerstochter, ihre aristokratische Cousine Claudia und Lally, die Tochter eines Senators aus Chicago. Die drei genießen das Leben, aufregende Bekanntschaften und ihre neu erlangte Freiheit. Doch bald wird aus dem Spaß bitterer Ernst, und die jungen Frauen müssen Entscheidungen treffen, die ihr ganzes Leben verändern werden.

Elizabeth Edmondson startete ihre Schriftstellerkarriere schon in jungen Jahren. Mit 'Lady Helenas Geheimnis', 'Die Farben des Himmels' und 'Die Gärten von Landrake Hall' schaffte sie ihren Durchbruch in Deutschland. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Anja Malich studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf. Nach Stationen in der Verlags- und Werbebranche übersetzt sie seit mittlerweile fast 20 Jahren Bücher aus dem Englischen und Französischen. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien.    Elizabeth Edmondson startete ihre Schriftstellerkarriere schon in jungen Jahren. Mit "Lady Helenas Geheimnis", "Die Farben des Himmels" und "Die Gärten von Landrake Hall" schaffte sie ihren Durchbruch in Deutschland. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Teil Eins September 1938


Eins


Verity trat aufs Deck hinaus und blickte in den fahlen Herbsthimmel, eine Mischung aus Regen und Sonnenschein; die frische Brise, die das Wasser im Hafenbecken kräuselte, wies eindeutig darauf hin, dass der Sommer zu Ende war.

Trotz ihrer Wolljacke fröstelte sie, nicht nur wegen der kalten Luft, die bereits den Winter ankündigte. Auch aufgrund einer inneren Kälte, die sie verspürte, weil sie Angst hatte. Angst wegen der Zeit, in der sie lebte; der bevorstehende Krieg überschattete bereits das Land, das sie verließ; Angst um sich selbst. Den Krieg als solchen fürchtete sie nicht mehr, denn es gab nichts, was man tun konnte, um ihn zu verhindern oder sich darauf vorzubereiten. Was aber machte ihr Angst? Ihre Albträume? Klaus und sein Nachfolger, jener Mann mit dem ausdruckslosen Gesicht, der keine erkennbare Persönlichkeit hatte? Ihr eigenes Los, das Schicksal ihres Bruders?

Es war wohl alles zusammen.

Möwen, die über ihr in der Luft hingen, stürzten sich unvermittelt hinab und tauchten in die ölige Wasseroberfläche ein, ihr schrilles Kreischen stach aus dem dumpfen Hupen und Pfeifen der Schlepper und zahlreicher anderer Boote heraus, die in dem geschäftigen Hafen unterwegs waren. Vee sog die salzige Luft ein, den scharfen Geruch von Teer, Meer und Qualm, bis sie einen bitteren Geschmack auf der Zunge spürte. Der riesige Hafen von Tilbury, einem der belebtesten Anleger der Welt, übte keinerlei Reiz auf sie aus; sie konnte es kaum erwarten, dass die SS Gloriana in See stach, dass immer mehr Wasser Schiff und Festland trennen würde – eine Armlänge zunächst, bald schon fünfzig Meter, bis schließlich das Ufer in der Ferne verschwände und nichts als graugrüne Wellen sie umgäben.

Ein listiger Luftzug trug Stimmen vom Kai zu ihr herauf, und sie konnte die Worte erstaunlich klar verstehen. Eine fröhliche Frauenstimme rief: «Sieh mal, ist das nicht Mrs. Verity Hotspur dort oben? Findest du nicht auch, dass sie mit diesem roten Hut furchtbar schick aussieht?»

«Woher sollte ich Mrs. Hotspur kennen?»

«Sie gehört zur höheren Gesellschaft, und sie ist Witwe, ihr Ehemann …», die Worte verloren sich im Wind, waren kurz darauf jedoch wieder klar zu hören. «Ich nehme an, sie will den Winter in Ägypten verbringen.»

«Sie sucht wohl eher einen sicheren Zufluchtsort», warf eine mürrische, näselnde Stimme ein. «Ich wünschte, unsereins könnte das auch so machen.»

«Mensch, Jimmie», antwortete die Frau, «du musst doch für dein Land kämpfen. Und wer sagt denn überhaupt, dass es Krieg geben wird? Lass uns zuversichtlich bleiben.»

«Die laufen doch alle davon. Für die Reichen gilt ein Gesetz und für den Rest von uns ein anderes.»

Davonlaufen. Herrgott, wenn die wüssten, wovor sie davonlief. Krieg? Lächerlich. Unausweichlich, aber unerheblich und sicher nicht der Grund, warum sie auf dem obersten Deck der SS Gloriana stand, die bald – für sie nicht bald genug – zu einer Reise nach Indien ablegen würde.

Sie stützte sich mit den Armen auf die Reling aus Teakholz. Auf diesem Schiff, wo Holz und Messing auf Hochglanz poliert wurden, bis man sich darin spiegeln konnte, war die Welt noch in Ordnung. Glockenschläge, regelmäßige Abläufe und Menschen, die ihre Aufgaben kannten, bestimmten das Leben an Bord. Ostindische Matrosen schrubbten hier vor Tagesanbruch die Decks, die trocken und sauber erstrahlten, noch bevor der erste Passagier oder Offizier einen Fuß darauf setzte. Jede Mahlzeit wurde exakt zur angekündigten Zeit serviert, und täglich um Punkt zwölf Uhr errechnete man die zurückgelegte Strecke.

Dennoch war es eine wandelbarere Welt als diejenige, die sie zurückließ. Wenn die Gloriana erst auf See war, würden sich die Sterne unmerklich immer weiter von ihren vertrauten Positionen fortbewegen, bis man eines Tages andere Sterne, die Sterne der Südhalbkugel, am Himmel leuchten sähe und sich das Schiff nicht mehr in Europa, sondern im Indischen Ozean befände.

Neuer Himmel, neues Land und doch das alte Leben. Sie wünschte, diese Reise würde einen deutlichen Bruch mit ihrem Leben bedeuten, einen jener Wendepunkte, bei denen sich die Tür zum alten Leben verschloss und man in ein neues eintrat.

Wie oft hatte sie das bereits erlebt? Natürlich bei der Geburt. Dann als sie laufen gelernt hatte, auch wenn sie sich zumindest nicht bewusst daran erinnern konnte, doch die ersten Schritte vermitteln ein erstes Gefühl von Unabhängigkeit. Die Schulzeit bedeutete vielleicht einen weiteren Neubeginn; für sie endete die Kindheit mit dem Eintritt ins Internat. Und der größte Schritt von allen – nein, geradezu ein Sprung – war die Zugfahrt von Yorkshire zu ihrem Studienort Oxford gewesen.

Dort hatte vom ersten Trimester an ein neues, erwachsenes Leben für sie begonnen. Sie hatte sich gefühlt wie eine Nonne, die den Ruf Gottes hört und ihrer Bestimmung folgt. Wie falsch sie damit gelegen hatte, wie blauäugig, naiv, zornig und von sich eingenommen sie gewesen war und wie sicher zu wissen, was richtig und was falsch war.

Und weil sie auf diese trügerische innere Stimme gehört und sich von ihrem Zorn hatte leiten lassen, war sie nun hier. An Bord der SS Gloriana, im Auftrag von jemand anderem, erfüllt von Angst und Hass, daran zweifelnd, ob sie das, was man von ihr verlangte, würde tun können, und wissend, es nicht tun zu wollen. Und der Preis, wenn sie versagte?

Ein Leben.

Sie blickte über drei weitere Relings und Decks sowie mehrere Reihen Bullaugen die steil abfallende Außenwand des großen Schiffes hinunter auf den Kai, wo der Wind Papierfetzen und Abfall aufwirbelte. Die Menschen, die dort unten umherliefen, während der Moment des Ablegens immer näher rückte, waren so klein wie Schachfiguren.

Die letzten Passagiere hasteten mit Pässen und Bordkarten in der Hand aus dem Zollgebäude. Gepäckträger mit Wagen, auf denen sich die Bagage in enorme Höhen türmte, jeder Koffer, jede Kiste und jede Truhe war mit Klebeschildern versehen: P&O; SS Gloriana; Initialen; ein großer eingekreister Großbuchstabe, B für Brown, J für Jones, S für Smith; Anhänger mit den Zielhäfen Lissabon, Port Said, Bombay; Bordgepäck. Was während der Reise nicht benötigt wurde, war im Laderaum verstaut worden, wo das Gepäck ordentlich aufgereiht bis zum Ausschiffungshafen blieb; sie wünschte, sie könnte sich selbst einpacken und im dunklen Schiffsrumpf verstecken. Dort gehörte sie hin, zu den Ratten und dem Schutt, nicht in den Komfort und den Luxus der ersten Klasse.

«Ratten, die das sinkende Schiff verlassen, das sind sie», nörgelte jetzt die näselnde Stimme am Anleger. Vee blickte auf die dicken Taue, mit denen das Schiff am Kai festgemacht war; sie hatte einmal gehört, dass Ratten tatsächlich spürten, wenn ein Schiff unterging. Angeblich könne man beobachten, wie sie sich über die Taue an Land retteten, sobald etwas nicht stimme. Nein, es waren keine Ratten zu sehen. In den Augen dieses Mannes war sie die Ratte. Sie und all die anderen Passagiere.

«Halte du nach Sam Ausschau und sei nicht so boshaft», war nun wieder die freundlich klingende Frau zu vernehmen, die sie erkannt hatte; die ihr Foto im Tatler gesehen haben musste oder in einem der anderen Schundblätter, als … Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken.

Mit zusammengekniffenen Augen versuchte Vee zu erkennen, wer von all den dort unten Stehenden sie wohl als Ratte bezeichnet hatte. Es musste der Mann im schäbigen Mackintoshmantel und mit dem abgetragenen Hut sein. Neben ihm stand eine flotte junge Frau, die einen allzu dünnen Mantel trug. Sie schien entschlossen, sich die Laune nicht verderben zu lassen; ihr Haar, das unter dem aufgebürsteten, aber dennoch abgestoßenen Samthut hervorschaute, war aschblond. Sie hatte zu viel Lippenstift aufgelegt, doch sie hatte eine positive Ausstrahlung und ein sicheres Auftreten. Vee beneidete sie. Miss Samthut, wer auch immer sie sein mochte, lebte vermutlich ein besseres, weniger kompliziertes Leben als sie. Nachts schlief sie wahrscheinlich tief und traumlos und wachte morgens mit Vorfreude auf den neuen Tag auf, auch wenn sie hart für ihr spärliches Auskommen arbeiten musste, es nie wirklich genug zu essen gab und sie wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft hatte.

«Sam drückt sich nicht, Jimmie. Er muss dort arbeiten, genau wie du und ich hier.»

«Ich habe nicht gesagt, dass Sammy sich drückt. Und der Rest der Touristenklasse wohl auch nicht. Das sind normale Leute wie du und ich. Nein», sagte er und warf einen verächtlichen Blick in Richtung des Decks, auf dem Vee stand, «es sind die da oben, die mich aufregen. All diese Erste-Klasse-Passagiere, etepetete und selbst keinen Finger krümmen. Jeden Abend Sieben-Gänge-Menüs und Tanz und sich sonst um nichts kümmern. Die sehen zu, dass sie schnell aus England rauskommen, bevor es Nazibomben regnet, die sie abbekommen könnten.»

«Wie gesagt, vielleicht gibt es gar keinen Krieg.»

«Ja, ja, und die Sonne geht morgen vielleicht auch nicht mehr auf. Diese feinen Pinkel wissen ganz genau, dass der Krieg kommt. Wer nicht die Möglichkeit hat, nach Amerika abzuhauen, meint, er könne sich an irgendeinen warmen Ort zurückziehen, wo sich nichts ändert und man weiterhin ein Leben mit Whisky und Dienstboten führen kann, während anderswo Menschen in die Luft geblasen werden. Das macht mich krank.»

«Dich macht alles krank, Jimmie.»

«Ich weiß, wer diese Mrs. Hotspur ist.» Jimmies Stimme klang ungehalten. «Die stand...

Erscheint lt. Verlag 19.5.2017
Übersetzer Anja Malich
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte College • Frauen • Freundinnen • Oberschicht • Oxford
ISBN-10 3-688-10280-0 / 3688102800
ISBN-13 978-3-688-10280-8 / 9783688102808
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