Maggie Gobran - Die Mutter Teresa von Kairo -  Judith Kubitscheck,  Judith Kühl

Maggie Gobran - Die Mutter Teresa von Kairo (eBook)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
256 Seiten
adeo (Verlag)
978-3-86334-741-3 (ISBN)
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'Ich ging in den Luxushotels und Nobelrestaurants ein und aus, doch die wertvollsten und kostbarsten Momente des Lebens habe ich nicht dort erlebt, sondern in der Müllstadt. Ich traf während meiner Karriere die Elite Ägyptens: die Schönsten, Reichsten und Erfolgreichsten. Aber wenn meine Kinder mich mit ihren glücklichen Gesichtern anstrahlen, sehe ich innere Schönheit aufblitzen. Das ist ein Geschenk des Himmels, denn der Himmel ist geprägt von Liebe, Freude und Barmherzigkeit. Wenn ich bei den Ärmsten bin, kann ich oft ein Stück von diesem Himmel erkennen. Alles, was du weggibst, wirst du wieder erhalten, alles, was du behältst, wirst du verlieren. Wenn du Liebe verschenkst, wirst du Liebe bekommen, wenn du Freude austeilst, kommt Freude zurück.' Maggie Gobran Für das Leben unter den Ärmsten der Armen gab die ägyptische Informatikprofessorin Maggie Gobran Karriere und Wohlstand auf. Seit 25 Jahren setzt sie sich für die Menschen in den Slums von Kairo ein. Und das im Brennpunkt zwischen Christentum und Islam. Ihre bewegende Lebensgeschichte zeigt, was ein einzelner Mensch bewirken kann. Maggie Gobran wurde bereits mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert. Autorisierte Biografie mit einem Nachwort von Volker Kauder und zahlreichen Fotos von Christoph Jorda.

Islamwissenschaftlerin und Redakteurin beim Evangelischen Pressedienst in Stuttgart.

Islamwissenschaftlerin und Redakteurin beim Evangelischen Pressedienst in Stuttgart.

2

Erste Begegnungen
mit Armut

Wer teilt, dessen Herz fängt zu singen an.

Schwester Emmanuelle, 1908–2008

Gegen Nachmittag fahren Maggie und Ann zurück nach Heliopolis, einem wohlhabenden Stadtteil in Kairo. Dort leben Maggies Eltern, ihre Tante und ihre eigene Familie in einem Mehrfamilienhaus. Ann stürmt die Treppen im Flur hinauf und klingelt Sturm bei ihrer Großtante Matilda, die ein Stockwerk über ihnen wohnt. Maggie folgt ihr, so schnell es auf ihren hohen Pumps möglich ist.

„Ahlan wa sahlan – schön, dass ihr kommt“, begrüßt sie Tante Matilda, die von allen nur kurz Tedda genannt wird. Sie küsst Ann und Maggie rechts und links auf ihre Wangen.

Im Wohnzimmer sitzen zwei einfach gekleidete Frauen am Tisch und trinken schai ahmar, roten Tee. Tedda hat fast jeden Tag Gäste. Es ist ihre größte Freude, armen und einsamen Menschen ein Zuhause zu geben. Sie kocht für sie und betet mit ihnen. Zwischen den beiden Frauen, die heute bei ihr sind, hat es sich Maggies neunjähriger Sohn Amir bequem gemacht und bedient sich von den Keksen, die auf dem Tisch in einem ovalen Porzellanteller liegen.

Tante Tedda ist für Maggie wie eine zweite Mutter. Fast jeden Tag war Maggie als Kind bei ihr, weil sie auch damals schon im selben Haus gewohnt haben. Tedda konnte wunderbar Geschichten erzählen, am liebsten aus der Bibel. Inzwischen ist die Tante über 80 Jahre alt, und jetzt lieben es Amir und Ann, ihren Geschichten zu lauschen. Sie betet auch mit den Kindern – genauso, wie sie mit Maggie früher gebetet hat. Zusammen knieten sie täglich auf dem Boden vor dem Sofa im Wohnzimmer. „Mit Gott kannst du ganz unbefangen sprechen. Sag ihm, was du gerade denkst, was du dir wünschst oder was dich traurig macht“, hat Tedda Maggie und ihren Geschwistern erklärt.

Tedda ist ihr in vielem ein Vorbild. Gerade jetzt, vor Weihnachten, wenn Maggie selbst viele Geschenke für ihre Familie kauft, hat sie das Gefühl, sie sollte sich auch um Bedürftige kümmern.

Auch sie engagiert sich und bittet deshalb ihre Tante, morgen zusammen mit ihrer Mutter auf ihre Kinder aufzupassen. „Ich möchte einige Weihnachtsgeschenke an arme Menschen verteilen.“ Wie erwartet, ist ihre Tante gern dazu bereit.

Das Mädchen ohne Schuhe

Am nächsten Tag zieht Maggie ihren dicken Mantel und die schwarzen Lederstiefel an. Die wird sie heute brauchen können, denkt sie sich, während sie die Haustür hinter sich zuzieht und den Müll vor die Tür stellt. Dieser Tag im Januar kurz vor dem koptischen Weihnachtsfest ist außergewöhnlich kalt. Nur selten fallen die Temperaturen im subtropischen Kairo auf zwei, drei Grad Celsius.

Ein weißer Mitsubishi-Bus hält vor ihrem Haus. Maggie steigt zu fünf anderen Frauen in den Wagen und fährt mit ihnen in das Stadtviertel Shubra el Kheima, einem Industriegebiet, an dessen Rand die Armen des Viertels leben.

Vor Kurzem hörte Maggie von den fünf Frauen, die aus verschiedenen Kirchengemeinden kommen und sich zusammengetan haben, um an Weihnachten und zu Ostern Lebensmittel an Arme zu verteilen. Heute schließt sich Maggie ihnen zum ersten Mal an. Sie sieht darin eine schöne Möglichkeit, wenigstens ein paarmal im Jahr etwas Gutes zu tun. In der Familie Gobran gilt es als selbstverständlich, dass man sich um Menschen sorgt, die weniger haben.

Die Zeit in Shubra el Kheima vergeht wie im Flug: In der Eingangshalle einer katholischen Kirche warten Mütter, Kinder und ältere Menschen. Der Priester hat ihnen angekündigt, dass sie hier zu Weihnachten Lebensmittel bekommen. Schnell sind die Essenspakete und Geschenke für die Kinder verteilt. Als alle Kisten leer sind, geht Maggie los, um den Fahrer zu suchen, der mit dem Auto irgendwo in den Straßen nahe der Kirche wartet.

An der Hauptstraße fällt ihr Blick auf eine Frau, die auf dem schmalen Streifen zwischen den Fahrbahnen sitzt. Der chaotische Verkehr zieht an ihr vorbei. Teilnahmslos blickt sie den Autos und Mopeds hinterher. Nur bekleidet mit einem einfachen Hemd, das ihr bis zu den Füßen reicht, reibt sie ihre Handflächen aneinander. Trotz der Kälte ist sie barfuß. Auch einen Mantel hat sie nicht. Sie zittert. Das kleine Feuer vor ihr reicht nicht, um sie zu wärmen.

Vor ihr liegen kleine Stücke Kohle, die sie für wenig Geld verkauft. Maggie überquert die Fahrbahn und geht zu ihr. Schweigend bleibt sie neben ihr stehen. Sie sucht nach Worten, überlegt eine Weile und fragt die Frau plötzlich und direkt: „Masah el-kheir, anti kwayesa?“

Irritiert sieht sie die Kohleverkäuferin an, deutet auf die Kohlen, wartend, dass Maggie ihr sagt, wie viel sie kaufen möchte.

Doch Maggie fragt erneut: „Guten Abend, geht es Ihnen gut?“

Die Frau schaut ihr in die Augen. Sie überlegt einen Moment, dann platzt es aus ihr heraus: „Seit dem Tod meines Mannes vor vier Jahren hat mich niemand mehr gefragt, wie es mir geht. Weder meine Verwandten noch meine Nachbarn haben sich darum gekümmert, was ich und meine vier Kinder machen.“

Sie erzählt, dass sie täglich auf der Straße sitzt, Kohle verkauft und hofft, dass das Geld abends reicht, um den Kindern wenigstens eine Mahlzeit am Tag zu geben. Sie weint. Wahrscheinlich, weil ihr jetzt noch bewusster wird, wie mühsam und bitter es für sie war, in den letzten Jahren allein um das Überleben ihrer Familie kämpfen zu müssen. Auch Maggie ist sehr bewegt und nimmt die Frau in den Arm.

Es ist kurz vor sieben Uhr abends. Die älteste Tochter der Witwe kommt gerade von der Schule. Weil die staatlichen Schulen in den ärmeren Vierteln der Stadt mit der Schüleranzahl überlastet sind, bieten sie dreimal am Tag je drei Stunden Unterricht an. Das achtjährige Mädchen geht immer erst von 15 bis um 18 Uhr zur Schule. Statt sich danach an die Hausaufgaben zu setzen oder mit ihren Freundinnen zu spielen, läuft das Mädchen direkt zu seiner Mutter. Es löst sie ab und verkauft bis in die späten Abendstunden die Kohle, damit die Mutter die Geschwister ins Bett bringen kann.

Während die Kohleverkäuferin schnell nach Hause geht, bleibt Maggie bei dem Mädchen, das sich barfuß auf den Boden zu den Kohlen setzt. Es drückt seine dünnen, angewinkelten Beine an den Oberkörper, doch die Kälte frisst sich in Windeseile durch ihren gesamten Körper.

„Wie heißt du?“, fragt Maggie und versucht, ein Gespräch zu beginnen.

„Sherine.“

„Warum hast du denn mitten im Winter keine Schuhe an, Sherine?“

Das Mädchen sagt nichts. Maggie ahnt: Es besitzt einfach keine Schuhe.

Spontan sagt sie: „Komm, wir kaufen dir jetzt warme Schuhe.“

Sherine nickt, löscht das Feuer, scharrt die Kohle zusammen und steckt sie in einen dreckigen Plastiksack. Schüchtern folgt sie Maggie in das nächste Schuhgeschäft ein paar Meter weiter an der Hauptstraße.

„Such dir aus, was dir am besten gefällt“, fordert Maggie sie auf.

Sherine braucht nicht lange, bis sie ein passendes Paar schöner Lederschuhe in den Händen hält.

Als Maggie die Schuhe bezahlen möchte, fragt das Mädchen leise: „Kann ich diese Schuhe auch in einer anderen Größe nehmen? Ich brauche sie ein paar Nummern größer.“

Maggie fragt verwundert: „Warum? Diese Größe passt dir wie angegossen!“

Sherine schüttelt den Kopf. „Nein, ich brauche sie nicht für mich.“ Sie macht eine Pause und flüstert, damit die anderen im Laden es nicht hören: „Meine Mutter hat auch keine Schuhe. Sie braucht sie dringender als ich, denn sie schämt sich so sehr, barfuß gehen zu müssen.“

Maggie kann nicht glauben, was sie hört. Sie hätte mit vielem gerechnet: Dass das Mädchen vor Freude durch den Laden tanzt, dass es sich nicht entscheiden kann – wie manchmal ihre Tochter Ann – oder dass sie ganz viele Schuhe auf einmal haben will. Sherine reagiert völlig anders. Ihre Füße müssen Eisklötze sein. Selbst Maggie friert in ihren dicken Socken, die in gefütterten Stiefeln stecken. Wie sehr muss dann das Mädchen frieren? Doch sie denkt nicht an ihre Not, sondern an ihre Mutter. Wo hat sie diese Großzügigkeit gelernt? Maggie ist sprachlos: Was für eine Selbstlosigkeit!

Sie bezahlt zwei Paar Schuhe. Ein Paar für Sherine und eines, ein paar Nummern größer, für die Mutter. Das Mädchen strahlt vor Freude.

Maggie bringt Sherine nach Hause. Als die Mutter die neuen Schuhe für sich sieht, erzählt Maggie, dass ihre Tochter darauf bestanden hat, ein Paar Schuhe für sie zu kaufen. Die Mutter weiß nicht, was sie sagen soll. Weder sie noch irgendjemand anderer hatte dem Kind seit Jahren etwas gekauft oder geschenkt. Und jetzt, als es das erste Mal etwas geschenkt bekommt, denkt es nicht an sich, sondern zuerst an sie, seine Mutter.

Es ist später Abend, als Maggie die Tür zu ihrer Wohnung aufschließt. Sie zieht ihre Lederstiefel aus und stellt sie in ihren großen Schrank, den sie kaum noch schließen kann, so viele Schuhe stehen darin: High Heels, Sandalen, Stiefeletten … Für jedes Wetter und jede Jahreszeit ist Maggie ausgestattet. Zum ersten Mal fällt ihr auf, wie viele Schuhe sie besitzt. Die Witwe und ihre Tochter hatten nicht ein einziges Paar.

Maggie geht in die Zimmer ihrer Kinder und drückt beiden einen Kuss auf die Wange. Sie blickt auf die selig schlafende Ann. „Wie gut du es hast im Vergleich zu Sherine“, denkt sie.

Im Wohnzimmer läuft der Fernseher. Ihr Ehemann Ibrahim ist noch wach. Von der Witwe und ihrer Tochter ohne Schuhe wird sie ihm erst morgen...

Erscheint lt. Verlag 12.1.2015
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ägypten • Armut • Biografie • Brennpunkt • Christentum • Friedensnobelpreis • Islam • Kairo • Lebensgeschichte • Mutter Teresa • Slums
ISBN-10 3-86334-741-2 / 3863347412
ISBN-13 978-3-86334-741-3 / 9783863347413
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