Der Junge auf dem Berg (eBook)

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
304 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-7336-0150-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Junge auf dem Berg -  John Boyne
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Ein brandaktuelles Buch in Zeiten des weltweiten Rechtsrucks Vom Autor des Welterfolgs »Der Junge im gestreiften Pyjama« - mit »Der Junge auf dem Berg« kehrt John Boyne in das dunkelste Kapitel unserer Geschichte zurück Als Pierrot seine Eltern verliert, nimmt ihn seine Tante zu sich in den deutschen Haushalt, in dem sie Dienst tut. Aber dies ist keine gewöhnliche Zeit: Der zweite Weltkrieg steht unmittelbar bevor. Und es ist kein gewöhnliches Haus: Es ist der Berghof - Adolf Hitlers Sommerresidenz. Schnell gerät der Junge unter den direkten Einfluss des charismatischen Führers. Um ihm seine Treue zu beweisen, ist er zu allem bereit - auch zum Verrat. Eine bewegende Parabel über den Verlust der Menschlichkeit, die bis heute Gültigkeit hat. Preise und Auszeichnungen: - Die Besten 7 im September 2017 - Ausgezeichnet mit dem Lese-Hammer 2018 (Jugendjury) - Ausgezeichnet mit dem Buxtehuder Bullen 2017 - Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 (Jugendjury)

John Boyne wurde 1971 in Dublin, Irland, geboren, wo er auch heute lebt. Er ist der Autor von zwanzig Romanen, darunter Der Junge im gestreiften Pyjama, der sich weltweit über elf Millionen Mal verkaufte, zahlreiche internationale Buchpreise gewann und mit großem Erfolg verfilmt wurde. John Boynes Romane wurden in über fünfzig Sprachen übersetzt.

John Boyne wurde 1971 in Dublin, Irland, geboren, wo er auch heute lebt. Er ist der Autor von zwanzig Romanen, darunter Der Junge im gestreiften Pyjama, der sich weltweit über elf Millionen Mal verkaufte, zahlreiche internationale Buchpreise gewann und mit großem Erfolg verfilmt wurde. John Boynes Romane wurden in über fünfzig Sprachen übersetzt. IlseLayer arbeitete nach ihrem Studium zunächst im Kulturbereich und in einem Verlag, bevor sie sich als Literaturübersetzerin für Spanisch und Englisch selbstständig machte. Sie lebt in Berlin. Für ihre Übersetzungen hat sie diverse Auszeichnungen und Preise erhalten, darunter den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Teil 1 1936


Kapitel eins Drei rote Flecke auf einem Taschentuch


Obwohl Pierrot Webers Vater nicht im Weltkrieg gestorben war, behauptete seine Mutter Émilie immer, der Krieg hätte ihn umgebracht.

Pierrot war nicht der einzige Siebenjährige in Paris, der mit nur einem Elternteil aufwuchs. Der Junge, der in der Schule vor ihm saß, hatte seine Mutter in den vier Jahren, seit sie mit einem Lexikonverkäufer davongelaufen war, nicht mehr zu Gesicht bekommen. Der Fiesling der Klasse, der Pierrot Le Petit nannte, weil er so klein war, wohnte über dem Tabakwarenladen seiner Großeltern an der Avenue de la Motte-Picquet in einem Zimmer, wo er die meiste Zeit damit zubrachte, Wasserbomben aus seinem Fenster auf die Köpfe der Passanten unter sich fallen zu lassen und hinterher steif und fest zu behaupten, er hätte nichts damit zu tun.

Und in einer Wohnung im Erdgeschoss seines eigenen Wohnhauses in der nahen Avenue Charles Floquet lebte Pierrots bester Freund, Anshel Bronstein, allein mit seiner Mutter, Madame Bronstein, nachdem sein Vater zwei Jahre vorher bei einem missglückten Versuch, durch den Ärmelkanal zu schwimmen, ertrunken war.

Pierrot und Anshel waren im Abstand von wenigen Wochen zur Welt gekommen und wuchsen praktisch wie Brüder auf, denn wenn die eine Mutter ein Nickerchen brauchte, kümmerte sich die andere um beide Babys. Doch anders als viele Brüder stritten sie sich nie. Anshel war von Geburt an taub, deshalb hatten die Jungen schon früh eine Gebärdensprache erfunden, in der sie sich mühelos verständigen und mit flinken Fingern alles ausdrücken konnten, was sie sich zu sagen hatten. Sie suchten sogar spezielle Zeichen füreinander aus, die sie anstelle ihrer Namen benutzten. Anshel wählte für Pierrot das Zeichen für Hund, denn er fand seinen Freund warmherzig und treu, während Pierrot für Anshel, von dem alle sagten, er sei der klügste Junge in ihrer Klasse, das Zeichen für Fuchs verwendete. Wenn sie diese Namen benutzten, sah das so aus:

Sie verbrachten den größten Teil ihrer Freizeit zusammen, indem sie auf dem Marsfeld einen Fußball herumkickten und dieselben Bücher lasen. Ihre Freundschaft war so eng, dass Pierrot als Einziger die Geschichten lesen durfte, die Anshel nachts in seinem Zimmer schrieb. Nicht einmal Madame Bronstein wusste, dass ihr Sohn Schriftsteller werden wollte.

Die hier ist gut, sagte Pierrot dann in der Gebärdensprache und ließ seine Finger durch die Luft flattern, wenn er ihm einen Packen Blätter zurückgab. Ich mochte die Stelle mit dem Pferd und den Teil, wo das Gold entdeckt wird, das im Sarg versteckt ist. Die hier ist nicht so gut, fuhr er dann fort und gab Anshel ein zweites Bündel Papier zurück. Aber das liegt daran, dass deine Handschrift so schlampig ist und ich manche Teile nicht lesen konnte … Und die hier, fügte er hinzu und wedelte mit einem dritten Stapel durch die Luft, als wäre er auf einem Festzug, die hier ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn ich du wäre, würde ich sie in den Mülleimer werfen.

Die ist experimentell, antwortete Anshel in der Gebärdensprache; er hatte nichts gegen Kritik, wollte jedoch die Geschichten, die seinem Freund am wenigsten gefielen, manchmal ein bisschen verteidigen.

Nein, widersprach Pierrot und schüttelte den Kopf. Sie ergibt einfach überhaupt keinen Sinn. Gib sie bloß niemand anderem zum Lesen. Jeder würde denken, du hättest nicht alle Tassen im Schrank.

Auch Pierrot mochte die Vorstellung, Geschichten zu schreiben, aber er konnte nie lange genug stillsitzen, bis er sämtliche Wörter auf das Blatt notiert hatte. Stattdessen setzte er sich lieber vor seinen Freund auf einen Stuhl und fing einfach an, Gebärden aneinanderzureihen, dachte sich etwas aus oder beschrieb einen Streich, den er in der Schule verübt hatte, und Anshel sah aufmerksam zu, bevor er anschließend alles für ihn zu Papier brachte.

Dann habe ich das geschrieben?, fragte Pierrot, wenn er schließlich die Seiten bekam und sie durchlas.

Nein, geschrieben habe ich es, widersprach Anshel und schüttelte den Kopf. Aber die Geschichte ist von dir.

Émilie, Pierrots Mutter, sprach nur noch selten über seinen Vater, obwohl der Junge noch ständig an ihn dachte. Wilhelm Weber hatte bis vor drei Jahren bei seiner Frau und seinem Sohn gelebt, Paris jedoch im Sommer 1933 verlassen, wenige Monate nach dem vierten Geburtstag seines Sohnes. Pierrot hatte seinen Vater als einen großen Mann im Gedächtnis, der ihn auf seinen breiten Schultern durch die Straßen trug, dabei gelegentlich in Galopp verfiel und das Wiehern eines Pferdes nachahmte, so dass Pierrot immer vor Begeisterung schrie. Sein Vater hatte Deutsch mit ihm gesprochen, um ihn an seine Herkunft zu erinnern, und sich alle Mühe gegeben, ihm ein paar einfache Lieder am Klavier beizubringen, obwohl klar war, dass Pierrot darin nie so gut wie sein Vater werden würde. Papa spielte Volkslieder, die ihren Gästen die Tränen in die Augen trieben, besonders wenn er dazu mit seiner sanften, aber kräftigen Stimme sang und von Erinnerung und Reue erzählte. Pierrot war nicht sonderlich musikalisch, machte dies jedoch mit seiner Sprachbegabung wett; es kostete ihn nicht die geringste Mühe, sich mit seinem Vater auf Deutsch und seiner Mutter auf Französisch zu unterhalten und von einer Sprache in die andere zu wechseln. Auf Feiern gab er die Marseillaise auf Deutsch und dann das Deutschlandlied auf Französisch zum Besten, womit er die Tischgäste manchmal in Verlegenheit brachte.

»Ich möchte nicht, dass du das noch länger machst, Pierrot«, sagte seine Mutter eines Abends zu ihm, nachdem seine Darbietung eine kleine Meinungsverschiedenheit mit einigen Nachbarn ausgelöst hatte. »Lern etwas anderes, wenn du im Mittelpunkt stehen möchtest. Jonglieren. Zaubertricks. Kopfstand. Egal was, Hauptsache, du singst dabei nicht auf Deutsch.«

»Warum denn kein Deutsch?«, wunderte sich Pierrot.

»Das frage ich mich auch, Émilie.« Papa saß schon den ganzen Abend im Sessel in der Ecke und trank zu viel Wein – eine Angewohnheit, die ihn immer dazu brachte, über die schlechten Erfahrungen zu grübeln, die ihm keine Ruhe ließen. »Warum denn kein Deutsch?«

»Hast du immer noch nicht genug, Wilhelm?« Maman hatte sich zu ihm gedreht, die Hände fest in die Hüften gestemmt.

»Wovon denn genug? Von deinen Freunden, die mein Land beschimpfen?«

»Sie haben es nicht beschimpft«, widersprach sie. »Es fällt ihnen nur schwer, den Krieg zu vergessen, das ist alles. Vor allem denjenigen, die ihre Liebsten in den Schützengräben verloren haben.«

»Aber sie haben nichts dagegen, zu mir nach Hause zu kommen, an meinem Tisch zu essen und meinen Wein zu trinken.«

Papa wartete, bis Maman wieder in die Küche gegangen war, bevor er Pierrot zu sich rief und ihm den Arm um die Taille legte. »Eines Tages werden wir uns zurückholen, was uns gehört«, sagte er und sah dem Jungen tief in die Augen. »Und wenn es so weit ist, denk daran, auf welcher Seite du stehst. Du magst in Frankreich geboren sein und in Paris leben, aber du bist durch und durch Deutscher, genau wie ich. Vergiss das nicht, Pierrot.«

 

Manchmal wachte Papa mitten in der Nacht auf, und seine Schreie hallten durch die dunklen, leeren Flure ihrer Wohnung. Dann hüpfte Pierrots Hund, D’Artagnan, verängstigt aus seinem Korb, sprang mit einem Satz aufs Bett und schmiegte sich zitternd an sein Herrchen. Der Junge zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch und hörte zu, wie Maman Papa hinter den dünnen Wänden zu beruhigen versuchte, leise auf ihn einredete, dass alles in Ordnung war, dass er zu Hause bei seiner Familie war, dass er nur schlecht geträumt hatte.

»Es war aber kein Traum«, hörte Pierrot seinen Vater einmal sagen, und dabei bebte seine Stimme vor Qual. »Es war viel schlimmer. Es war eine Erinnerung.«

In manchen Nächten wachte Pierrot auf, weil er kurz zur Toilette musste, und entdeckte seinen Vater in der Küche, wie er zusammengesunken am Tisch saß und vor sich hin murmelte, neben sich eine leere Flasche. Wann immer das geschah, rannte der Junge barfuß nach unten und warf die Flasche im Hof in die Mülltonne, damit seine Mutter sie am nächsten Morgen nicht entdeckte. Und wenn er wieder nach oben kam, hatte sich Papa normalerweise aufgerappelt und irgendwie wieder ins Bett gefunden.

Weder Vater noch Sohn sprachen jemals am nächsten Tag über diese Vorfälle.

Einmal jedoch, als Pierrot bei einem dieser nächtlichen Einsätze nach unten rannte, rutschte er auf der nassen Treppe aus und fiel hin – nicht so schlimm, dass er sich etwas brach, aber doch so, dass die Flasche in seiner Hand zu Bruch ging, und als er aufstand, grub sich eine Scherbe in seine linke Fußsohle. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er sie heraus, aber gleich darauf quoll viel Blut durch den Schnitt in der Haut; als er auf der Suche nach einem Verband in die Wohnung zurückhumpelte, schreckte Papa auf und sah, was er angerichtet hatte. Nachdem er die Wunde desinfiziert und sich vergewissert hatte, dass sie fest verbunden war, hieß er den Jungen hinsetzen und entschuldigte sich für seine Trinkerei. Unter Tränen erklärte er Pierrot, wie lieb er ihn hatte, und versprach, nie wieder etwas zu tun, das ihn einer Gefahr aussetzte.

»Ich hab dich auch lieb, Papa«, sagte Pierrot. »Aber am liebsten hab ich dich, wenn du mich auf den Schultern trägst und so tust, als wärst du ein Pferd. Ich...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2017
Übersetzer Ilse Layer
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 2. Weltkrieg • 3. Reich • Adolf • Berghof • Denunziation • Drittes Reich • Hitler • Holocaust • Internationaler Tag der Berge • Jugendbuch • Nationalsozialismus • Nazi • Obersalzberg • Paris • Peter • Pierrot • Schuld • Täter
ISBN-10 3-7336-0150-5 / 3733601505
ISBN-13 978-3-7336-0150-8 / 9783733601508
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