Die kleine Inselbuchhandlung (eBook)

Ein Nordsee-Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40223-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die kleine Inselbuchhandlung -  Janne Mommsen
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Eine Insel liest In seinem atmosphärischen Sommer-Roman schickt Literatur-Spiegel-Bestsellerautor Janne Mommsen Greta Wohlert auf eine kleine Nordseeinsel, wo ihre Tante ein Haus am Strand hat. Die Stewardess hat sich ein paar Tage Auszeit vom stressigen Job genommen. Doch auf der Insel angekommen, muss Greta erst einmal Tante Hille beim Entrümpeln ihres ehemaligen Ladens helfen. In den staubigen Regalen entdeckt Greta unzählige Bücher. Fasziniert von dem Fund, veranstaltet sie einen Flohmarkt. Der Verkauf der Bücher macht Greta so viel Spaß, dass sie eine Idee hat: Wie wäre es, einfach hierzubleiben und eine Inselbuchhandlung zu eröffnen? Ermutigt wird sie dabei von Claas, dem attraktiven Pensionsbesitzer der Insel. Doch schon bald überschlagen sich die Ereignisse: Jemand möchte Greta von der Insel vertreiben, eine geheimnisvolle Liebeswidmung in einem alten Buch gibt ihr viele Rätsel auf. Und zu allem Überfluss steht eines Tages Gretas Daueraffäre aus Frankfurt vor der Tür. Er möchte eine zweite Chance.

Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Romane und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen.

Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Romane und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen.

1


Greta Wohlert schloss die Augen und setzte ihr freundliches Flugbegleiterinnen-Lächeln auf, das sie Tag und Nacht abrufen konnte. Dann griff sie zum Telefonhörer. «Herzlich willkommen an Bord unseres Lufthansa-Fluges nach Shanghai», ertönte ihre Stimme durch die Lautsprecher der Maschine. «Wir werden gleich starten. Bitte vergewissern Sie sich, dass großes und schweres Handgepäck sicher unter Ihrem Vordersitz verstaut ist.» Zum Glück sah sie in diesem Moment niemand, in ihrem Aufzug würde sie den Passagieren wohl Angst machen: Einige Strähnen ihrer blonden Haare hingen von der Stirn, die aufwendige Steckfrisur vom Morgen hatte nicht gehalten. Ihre dunkelblaue Uniformjacke mit dem Kranich-Emblem der Lufthansa und ihre weiße Bluse waren total zerknittert, die obligatorische Strumpfhose hatte sie ausgezogen, ebenso die hochhackigen Schuhe. Barfuß fühlte sich viel besser an.

 

Sie öffnete die Augen. Zum Glück hatte sie die Maschine bereits vor Stunden verlassen. Nun stand sie auf einem grünen Deich, der von der glühenden Abendsonne beschienen wurde. Vor ihr breitete sich das Meer bis zum Horizont aus, der Himmel war in roten und lila Pastelltönen marmoriert. Der erste Stern der kommenden Nacht leuchtete bereits auf sie herab.

Noch war sie nicht am Ziel. Das Paradies lag nur wenige Seemeilen von ihr entfernt: Auf der Insel gegenüber strahlten die weißen und roten Häuser in der Abendsonne, davor lag ein Streifen in kräftigem Ocker. Das war der Südstrand, an dem ihre Tante Hille wohnte, sie würde kommen und sie abholen.

Greta zog ihr Handy aus der Tasche, um Jana anzurufen. Natürlich wusste sie, dass eine Mutter, die sich ständig meldete, das Letzte war, wonach sich eine Neunzehnjährige sehnte. Sie wählte trotzdem ihre Nummer. Greta brauchte ihre Tochter gerade mehr als umgekehrt. Jana war vor einer Woche ausgezogen, um in Finnland Biochemie zu studieren. Auf der Mailbox meldete sich ihre Stimme auf Finnisch, was sich fremd anhörte. Ungeduldig wartete Greta den Pieps ab.

«Hier ist Mama», raunte sie. «Ich wollte dir nur sagen, ich stehe gerade am Fährhafen und fahre gleich rüber zu Tante Hille. Soll ich sie grüßen? Mach’s gut, meine Süße.»

Ein typischer, unsinniger Muttertext. Was sollte Jana damit anfangen, dass sie bald bei Tante Hille war? Greta hätte einfach nur gern ihre Stimme gehört, das hätte sie getröstet. Es gab ja so einen Kalenderspruch, dass man jeden Tag genießen solle. Dieser Tag gehörte bestimmt nicht dazu – es war einer der schlimmsten ihres Lebens.

Heute Morgen waren ihretwegen auf dem Frankfurter Flughafen Blaulicht und Martinshorn aufgefahren worden, und der Transkontinentalflug des Airbus A 380 musste verschoben werden. Peinlicher ging es kaum: Das größte Passagierflugzeug der Welt mit der modernsten Technik an Bord war an Flugbegleiterin Greta Wohlert gescheitert.

Vor dem Flug nach Shanghai waren sie und ihre Kolleginnen total ausgelassen gewesen, eine chinesische Flugbegleiterin hatte ihnen in der Bordküche ein paar Schimpfwörter in ihrer Sprache beigebracht – die sie natürlich alle falsch aussprachen, was deren abfällige Bedeutung noch einmal verschärfte. Anschließend hatte Greta das Catering kontrolliert, sämtliche bestellten Gerichte waren geliefert worden. Als die ersten Passagiere an Bord kamen, lagen sie mit den Vorbereitungen perfekt in der Zeit. Irgendwann schloss Greta die Kabinentür, und der Kapitän sagte über die Lautsprecher: «Ready.»

In diesem Moment war ihr schlecht geworden, und zwar so heftig, als hätte ihr jemand mit der Faust in den Magen gehauen. Ihr Bauch krampfte, das Herz raste. Als Ursache dafür hatte sie sofort den Fisch im Verdacht, den sie am Vortag am Frankfurter Römer gegessen hatte. Sie atmete so tief wie möglich ein und hielt den Hörer fest in der Hand, als sie die Fluggäste begrüßte: «Herzlich willkommen an Bord unseres Lufthansa-Fluges nach Shanghai», presste sie aus sich heraus. «Wir werden gleich starten.»

Sie brach ab und rang nach Luft. Alle Passagiere schauten irritiert in ihre Richtung, was den Stress noch erhöhte. Verzweifelt versuchte sie weiterhin, Luft zu holen, aber da kam nichts mehr! Ihre Knie wurden weich, sie glitt zu Boden. Ihre Kollegin Mia rief den Captain um Hilfe, der die Startvorbereitungen sofort abbrach und die Triebwerke der riesigen Maschine herunterfuhr. Eine andere Kollegin schob ihr behutsam ein Kissen unter den Kopf und legte eine Decke über sie. Dann hockte sie sich zu ihr und hielt ihr die Hand. Derartige Magenkrämpfe hatte sie noch nie in ihrem Leben gehabt, jeder Atemzug machte es schlimmer. Würde sie sterben?

Kurze Zeit später wurde die Kabinentür geöffnet, draußen flackerte Blaulicht von Feuerwehr und Krankenwagen – alles ihretwegen, was für ein Wahnsinn! Eine Hebebühne fuhr an den Airbus heran, zwei Sanitäter und ein junger Notarzt stürzten herein. Der Arzt hörte sie ab, prüfte Sauerstoffsättigung und Puls. «Hundertzwanzig im Ruhezustand, das ist entschieden zu viel», erklärte er besorgt. «Wir nehmen Sie mit.» Die Sanitäter legten sie auf eine Trage und brachten sie hinaus auf die Hebebühne, die man an den Airbus herangefahren hatte. Es tat gut, an der Luft zu sein, auch wenn es stark nach Kerosin roch.

Auf der Krankenstation des Flughafens beruhigte sich alles wieder, ihr Puls ging langsam herunter, sie atmete wieder normal. Die Ursache der Attacke blieb unklar, es konnte der Fisch gewesen sein, aber auch alles Mögliche andere. Der Arzt schlug ihr weitere Untersuchungen vor, doch darauf verzichtete sie. Sie lebte – bis auf kleine Sünden – einigermaßen gesund, was sollte da sein? Er schrieb sie für drei Tage krank und entließ sie dann.

Greta wusste, was ihr jetzt guttun würde. Sie begab sich auf direktem Weg zum Bahnhof unter dem Flughafen, zückte ihr Handy und rief Tante Hille an. Es tutete dreimal, dann kam ein rauchiges «Moin» aus dem Hörer. Allein wie sie dieses Wort aussprach, breit und kurz zugleich, klang so vertraut nach Meer, Sonne und Strand. Keine Stunde später saß Greta im nächsten Zug nach Hamburg, um von dort aus weiter zum Fährhafen zu fahren. Nur ein einziger Tag bei Tante Hille auf der Insel, und sie würde sich wieder auf null befinden. Übermorgen würde sie sich erneut bei der Lufthansa einklinken und den nächsten Linienflug nach Shanghai antreten, das hatte sie bereits mit der Zentrale vereinbart.

 

Als hätte jemand einen Zeitraffer angestellt, sank der glühende Sonnenball nun immer schneller ins Meer. Gretas Zehen spielten mit dem warmen, feinen Sand, der ihre Füße sanft massierte. Kaum zu glauben, dass sie sich noch heute Morgen in der abgeschlossenen Welt des Flughafens mit seinen spiegelglatten Böden bewegt hatte! Staubkörner wurden dort mehrmals am Tag mit großen Maschinen weggesaugt, die Luft wurde gefiltert, um im Hochsommer wie im frostigen Winter die gleiche Temperatur herzustellen. Seit über zwanzig Jahren begab sie sich in frisch gereinigter Uniform und makellosen Schuhen in diese künstliche Welt, um zu einer nahezu identischen Welt am anderen Ende des Erdballs zu gelangen, mit exakt derselben Temperatur, egal ob sie in der Sahara lag oder am Polarkreis.

Es war schwül geworden, am Himmel zogen noch mehr lila Wolken auf. Von gegenüber funkelten die Lichter der Insel in der Abenddämmerung zu ihr herüber. Der Ohlhörner Leuchtturm am Südstrand zwinkerte ihr zu, als wolle er sie persönlich einladen. Ihre Eltern, mittlerweile beide verstorben, stammten von hier und hatten lange hier gelebt, bevor sie kurz vor Gretas Geburt nach Frankfurt gezogen waren. Seit Gretas frühester Kindheit hatte die Familie jeden Urlaub hier verbracht. Für Greta war die Insel – gefühlt – mehr Heimat als Frankfurt, wo sie auch heute noch lebte. Das letzte Mal war sie vor drei Monaten hier gewesen. Morgen würde sie an die vertrauten Orte pilgern, in die Godelniederung, über die Dünen, und sie würde durch die flache Marsch wandern, wo sie der höchste Punkt in der Landschaft war.

Nachdem der Sonnenball verschwunden war, flackerte der Himmel am Horizont ein letztes Mal rot auf, dann wurde es schnell dunkel. Eine gute Dreiviertelstunde später hörte sie ein sattes Motorblubbern, das musste der Diesel von Tante Hilles altem Boot sein! Und tatsächlich, nach kurzer Zeit näherten sich die Positionslichter der «Ariadne 2» dem Kai. In der linken Hand hielt Tante Hille das große Ruder, mit der rechten winkte sie ihr lässig zu. Sie trug weiße Shorts und ein grünes T-Shirt mit einer maskierten Spider-Woman als Aufdruck: Die Comicfigur kletterte eine Wand empor und lächelte dabei verwegen.

Tante Hille hatte die siebzig bereits überschritten, besaß aber noch Energie für zwei. Greta liebte ihre große lange Nase und den Mund mit den rundlichen Lippen, das gehörte bei ihr so. Die roten Haare kannte Greta allerdings noch nicht, für ihren Geschmack waren sie ein bisschen zu rot. In ihrem großen offenen Holzboot wirkte die üppige Tante Hille beinahe etwas verloren, der weiß gestrichene Rumpf war zehn Meter lang und drei Meter breit. Das sogenannte «Börteboot» wurde normalerweise zum Ausbooten der Passagiere von ankernden Seebäderschiffen vor Helgoland eingesetzt und fasste bis zu fünfzig Menschen.

Vor dem Kai zog Tante Hille eine elegante Schleife und kam genau vor Greta zum Stehen. «Moin, mien Seuten», rief sie fröhlich, und ihre blauen Augen strahlten. «Schön, dass du da bist!»

Greta warf ihren Handkoffer an Bord und sprang hinterher. Auf den schwankenden Planken drückte ihre Tante sie erst einmal fest an ihren großen Busen. Greta...

Erscheint lt. Verlag 27.3.2018
Reihe/Serie Die Inselbuchhandlung-Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bücher • Buchhandlung • Greta • Klaas • Lufthansa • Nordsee • Nordseeinsel • Nordseeroman • Nordsee Roman • Papillon • Pension • Stewardess • Widmung
ISBN-10 3-644-40223-X / 364440223X
ISBN-13 978-3-644-40223-2 / 9783644402232
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