Der Weihnachtswald (eBook)

Ein Wintermärchen
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
416 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-20009-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Weihnachtswald -  Angelika Schwarzhuber
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Wenn der Weihnachtsstern am hellsten leuchtet, ist es Zeit, einander zu vergeben ...
Wie jedes Jahr an Weihnachten macht sich die alleinstehende Anwältin Eva auf den Weg zu ihrer Großmutter Anna. Das stattliche Anwesen der Familie, umringt von einem Garten mit einem Wald aus Tannenbäumen, ruft viele Erinnerungen hervor. Hier wuchs Eva auf, nachdem ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren. Im Haus trifft sie nicht nur auf ihren Jugendfreund Philipp, sondern auch auf das Waisenkind Antonie. Während draußen ein Schneesturm tobt, verschwindet das Kind plötzlich spurlos. Auf der gefährlichen Suche nach Antonie landen Eva und Philipp unversehens in der Vergangenheit ...

Angelika Schwarzhuber lebt mit ihrer Familie in einer kleinen Stadt an der Donau. Sie arbeitet auch als erfolgreiche Drehbuchautorin für Kino und TV und wurde für das Drama »Eine unerhörte Frau« unter anderem mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Zum Schreiben lebt sie gern auf dem Land, träumt aber davon, irgendwann einmal die ganze Welt zu bereisen.

 Kapitel 1 

Kommt Kinder, beeilt euch. Gleich bekommen wir Besuch! Auf geht’s!«, trieb die junge Erzieherin Christel die zehn Kinder an, die mit leuchtenden Augen den weihnachtlich dekorierten Aufenthaltsraum betraten. Sie waren alle zwischen fünf und acht Jahre alt und trugen zur Feier des Tages ihre schönsten Kleider. Die Kleinen plapperten aufgeregt und setzten sich rasch um den großen gedeckten Tisch, der mit Tannenzweigen, kleinen Figürchen und roten Kerzen liebevoll geschmückt war. Aus einem CD-Player lief das Weihnachtslied Leise rieselt der Schnee, und der Duft von brennenden Kerzen und frischem Tannengrün lag in der Luft.

Nur ein Kind ließ sich Zeit. Ein zierliches Mädchen, das so hübsch war, dass man kaum von ihm wegsehen wollte. Es war das älteste Kind in der Gruppe und hieß Antonie. Sie hatte goldbraune Locken, und ihre von seidigen Wimpern umrahmten Augen waren so blau wie der Himmel an einem strahlenden Sonnentag im Winter. Doch ihr Blick war gleichgültig, fast leer. Still setzte sie sich zu den anderen an den Tisch und senkte den Kopf. Antonie war vor neun Monaten aus einem Waisenhaus auf dem Land, das geschlossen werden musste, in dieser Einrichtung in München untergebracht worden. In ihrem kurzen Leben waren Waisenhäuser das einzige Zuhause, das sie kannte. An ihr früheres Daheim, aus dem eine Frau vom Jugendamt sie kurz vor ihrem dritten Geburtstag geholt hatte, konnte sie sich nicht mehr erinnern.

Irgendwann hatte ihr eine der vielen Erzieherinnen, die sich im Laufe der Jahre die Klinke in die Hand gegeben hatten, einfühlsam erzählt, dass ihre Mami jetzt im Himmel sei, bei ihrem Papi. Und dass die beiden als Engel von dort oben auf sie aufpassen würden.

»Vielleicht klappt es heute, Antonie«, sagte Christel und streichelte sanft über den Kopf des Kindes. Wie gern hätte sie das liebenswerte Mädchen selbst über die Weihnachtsfeiertage mit nach Hause genommen. Doch das war den Mitarbeitern nicht erlaubt, damit sich die Kinder emotional nicht zu sehr an sie gewöhnten.

Antonie hob den Blick und versuchte zu lächeln – was ihr jedoch gründlich misslang.

»Und wenn nicht, dann bleib ich morgen ein wenig länger hier und lese dir eine ganz besonders schöne Geschichte vor. Großes Ehrenwort!«, flüsterte die warmherzige Frau ihr leise ins Ohr und stupste Antonie liebevoll auf die Nase.

In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Flur, und langsam, fast zögerlich, betraten einige Erwachsene den Raum. Es waren Ehepaare, die vorhatten, ein Waisenkind über die Feiertage zu sich zu nehmen und es vielleicht sogar zur Pflege aufzunehmen. Sie nickten den Kindern zu, einige lachten sogar, was ein klein wenig übertrieben wirkte. Doch wahrscheinlich waren die Erwachsenen heute sogar noch nervöser als die Kinder, von denen die meisten diese Prozedur nicht zum ersten Mal erlebten.

Christel drückte noch einmal aufmunternd Antonies Hand, dann ging sie den Besuchern entgegen.

»Herzlich willkommen«, sagte sie freundlich und forderte die Gäste auf, näher zu kommen und sich mit den Kindern zu unterhalten.

Antonies kleines Herz hüpfte plötzlich aufgeregt, als ein sehr sympathisch aussehendes Paar langsam auf sie zukam.

»Meine Güte, ist die süß, die Kleine. Peter, schau doch. Wie süß«, flüsterte die Frau ihrem Mann zu und hielt sich an seinem Arm fest.

»Aber wollten wir nicht ein jüngeres Kind? Und einen Jungen?«, fragte er, konnte den Blick jedoch selbst nicht von dem Mädchen wenden.

»Das ist doch egal. Bitte Peter, schau sie dir doch an.«

»Ja. Die ist wirklich besonders herzig«, gab er ihr schließlich recht.

Jetzt standen die beiden vor Antonie. Christel zwinkerte dem Mädchen aufmunternd zu und drückte hinter dem Rücken des Paares verstohlen beide Daumen.

Obwohl sie es eigentlich besser wissen müsste, entzündete sich in Antonie ein kleiner Funken der Hoffnung. Was, wenn es heute doch klappen würde? Es war schließlich Weihnachten! Und an Weihnachten passierten doch oft Wunder, hatte Christel ihnen erzählt. Dieses Paar sah so nett aus. Es wäre bestimmt schön, solche Eltern zu haben und für immer bei ihnen zu leben. Vielleicht hätte sie dort sogar ein eigenes Zimmer, das sie nicht wie hier mit drei weiteren Mädchen teilen müsste. Ach, sie wünschte es sich so sehr, in einer echten Familie zu leben. Sie musste sich jetzt nur zusammenreißen, damit sie es nicht wieder vermasselte.

»Hallo Kleine. Ich bin Peter, und das ist meine Frau Martina. Wie heißt du denn?«

Antonies Herz klopfte wild, und sie atmete schneller.

»Na? Magst du uns deinen Namen nicht verraten?«, fragte die Frau mit schmeichelnder Stimme.

Antonie nickte. Die beiden waren wirklich sehr nett. Es musste einfach klappen. Bei den anderen Kindern funktionierte es doch auch. Sogar bei den ganz kleinen. Sie holte tief Luft.

»Mmm-mmm-mm-mei…«, begann sie, und ihr Gesicht verzog sich dabei vor Anstrengung. Oh nein! Es passierte schon wieder.

»Trau dich ruhig!«, munterte Peter sie auf.

Panik stieg in ihr hoch. Doch noch schaute das Paar sie erwartungsvoll an.

»Mmm-mmmein-mmein N-Nnnn-Nnam-Nnnaaam-Nnname i-ii-iiist …«

Während sie stotternd versuchte, ihren Namen auszusprechen, verschwand das Lächeln aus den Gesichtern des Paares und machte einem betretenen Ausdruck Platz.

»Aaa-aann-nn-Antoonie!«, kam es endlich aus ihr hervor. Sie hatte es geschafft. Aber nicht so, wie sie es sich gewünscht hätte.

»Antonie … Das ist aber ein schöner Name«, sagte der Mann höflich. Dann wandte er sich leise an seine Frau. »Wie wäre es, wenn wir doch einen kleinen Jungen …?«

Sie nickte rasch.

»Ja. Das wollten wir ja eigentlich. Nicht wahr?« Sie schaute wieder zu Antonie und lächelte so übertrieben, dass ihre strahlend weißen Zähne nur so blitzten. »Wir wünschen dir noch schöne Weihnachten, Antonie.«

Dann wandten sie sich an den kleinen Rotschopf Sandro, der erst seit einigen Wochen im Heim war.

In Antonies Ohren rauschte es, und Tränen brannten in ihren Augen. Sie hatte es gewusst. Es war jedes Mal so. Niemand wollte sie haben. Zuerst waren sie immer von ihrem Anblick begeistert. Doch sobald sie versuchte, etwas zu sagen, wandten sie sich von ihr ab.

Antonie bemerkte nicht den mitfühlenden Blick der Erzieherin, die das Mädchen am liebsten in die Arme genommen und getröstet hätte. Sie schloss die Augen und hoffte, dass die Erwachsenen bald verschwinden würden, damit sie auf ihr Zimmer gehen konnte. Und dort würde sie endlich weinen können.

Doch ausgerechnet jetzt betrat ein Mann den Raum, der einen Rollstuhl schob. Darin saß eine betagte Dame in einem geschmackvollen dunkelblauen Kostüm. Ihre silbergrauen Haare waren hübsch frisiert, und sie hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit der englischen Königin Elisabeth II. Das hohe Alter von fünfundneunzig Jahren sah man ihr nicht an.

Als Christel sie erblickte, ging sie sofort auf sie zu und begrüßte sie herzlich.

»Guten Tag, Frau Koffler. Wie schön, dass Sie hier sind.«

Anna Koffler war bekannt dafür, dass sie die Waisenhäuser in München und Umgebung schon seit vielen Jahren mit großzügigen Spenden unterstützte. Und jedes Jahr an Weihnachten kam sie persönlich hierher und brachte Geschenke für die Kinder mit.

»Ich freue mich auch, Frau …?«

»Nennen Sie mich doch bitte einfach Christel!« Sie nahm es nicht übel, dass die alte Dame ihren Namen seit dem letzten Jahr vergessen hatte.

»Ach stimmt«, schien Anna Koffler sich nun doch zu erinnern. »Christel … Das ist Philipp, der Sohn einer lieben Freundin.«

Der dunkelhaarige Mann, der sie begleitete, trug einen großen Sack und nickte der Erzieherin freundlich zu.

»Freut mich!«, sagte Christel.

»Schiebst du mich bitte näher zu den Kindern?«, bat Anna Philipp.

»Klar.«

Inzwischen hatten sich die Paare mit einigen der Kinder in einen Nebenraum zurückgezogen, um sich bei einem ersten Gespräch ein wenig kennenzulernen. Die übrig gebliebenen Kinder saßen mit mehr oder weniger enttäuschten Gesichtern am Tisch. Die Chance, von einem liebevollen Paar zur Pflege genommen oder wenigstens über die Feiertage eingeladen zu werden, war für heute vorüber.

Antonie ließ den Kopf hängen und zupfte unter dem Tisch am Saum ihres hellblauen Kleidchens.

»Guten Tag Kinder. Mein Name ist Anna. Anna Koffler.«

»Guten Tag«, grüßten die Kleinen im Chor und schauten die alte Dame im Rollstuhl neugierig an. Nur Antonie nicht. Sie hielt den Kopf weiterhin gesenkt.

»Das Christkind hat Geschenke bei mir abgeladen und mir aufgetragen, sie zu euch zu bringen. Aber auspacken dürft ihr sie natürlich erst morgen, am Heiligen Abend«, erklärte sie. Die Augen der Kinder funkelten vor Vorfreude, als Philipp den großen Sack auf den Tisch stellte und die liebevoll verpackten Überraschungen herausholte.

»Schau doch, Antonie. Es gibt Geschenke«, sagte Christel, um die Kleine ein wenig aufzumuntern.

Als Anna diesen Namen hörte, schien sie für einen Moment zu erstarren. Dann wandte sie sich an das Kind, räusperte sich und sprach es mit einem leichten Zittern in der Stimme an.

»Du bist Antonie?«

Das Mädchen nickte kaum wahrnehmbar.

»Magst du mich bitte anschauen?«

Zögerlich hob das Kind den Kopf. Als Anna die himmelblauen Augen des Mädchens sah, wurde sie blass im Gesicht.

»Geht es dir nicht gut, Anna?«, fragte Philipp besorgt.

»Doch. Es...

Erscheint lt. Verlag 18.9.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bayern • eBooks • Familie • Familiengeheimnis • Frauenromane • Großmutter • Heiligabend • Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück • Liebe • Liebesromane • Liebesschmarrn und Erdbeerblues • München • Romane für Frauen • Servus heißt vergiss mich nicht • Winter Romance
ISBN-10 3-641-20009-1 / 3641200091
ISBN-13 978-3-641-20009-1 / 9783641200091
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