Licht in tiefer Nacht (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
560 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-21255-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Licht in tiefer Nacht -  Nora Roberts
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Sein Lächeln war freundlich, seine Augen dunkel. Ihr größter Fehler war, ihm zu vertrauen.
Die prächtige Bodine Ranch in Montana ist seit Generationen ein familiengeführtes Gestüt. Unter der erfolgreichen Leitung der jungen Bodine Longbow wurde das Anwesen zu einem beliebten Feriendomizil ausgebaut. Doch so lange Bodine denken kann, liegt ein dunkler Schatten über diesem idyllischen Ort. Ihre Tante Alice lief mit achtzehn fort und wurde nie wieder gesehen. Was niemand von den Longbows ahnt: Alice lebt. Nicht weit von ihrer Heimat entfernt, ist sie Teil einer Familie, die sie nicht selbst gewählt hat ...

»Vielschichtig, dunkel und psychologisch raffiniert - Nora Roberts in Höchstform.« Kirkus Reviews

Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.

Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.

Prolog

Westmontana 1991

Alice Bodine erleichterte sich hinter einem spärlichen Sichtschutz aus Drehkiefern. Um dorthin zu gelangen, hatte sie durch kniehohen Schnee stapfen müssen.

Da sie auf der Nebenstraße knapp fünf Kilometer gelaufen war, ohne einem einzigen Auto oder Pick-up zu begegnen, fragte sie sich, wozu sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatte.

Manche Angewohnheiten wird man einfach nicht los, dachte sie und zog ihre Jeans wieder hoch.

Sie hatte weiß Gott versucht, alte Gewohnheiten abzulegen, sich von Konventionen und Erwartungen zu befreien. Doch jetzt, keine drei Jahre nach ihrem laut verkündeten Ausbruch aus dem Alltag, ihrer Emanzipation vom Spießertum, kehrte sie kleinlaut und verfroren nach Hause zurück.

Sie hängte sich ihren Rucksack um und trat in ihre eigenen Fußstapfen, um zu der Straße zurückzukehren, die diesen Namen kaum verdiente. Der Rucksack enthielt ihre gesamte Habe. Eine Jeans zum Wechseln, ein AC/DC-T-Shirt, ein Grateful-Dead-Sweatshirt, das sie einem längst abgehakten Typen bei ihrer Ankunft in Los Angeles abgeluchst hatte, ein Stück Seife und Shampoo von ihrem zum Glück nur kurzen Job als Zimmermädchen im Holiday Inn in Rigby/Idaho, Kondome, Schminkzeug, fünfzehn Dollar und achtunddreißig Cent sowie einen Rest gutes Gras von dem Typen, mit dem sie auf einem Campingplatz in Ost-Oregon abgefeiert hatte.

Sie redete sich ein, dass sie nur deshalb heimkehrte, weil ihr das Geld ausgegangen war und sie nie wieder Bettwäsche mit Spermaflecken wildfremder Leute wechseln wollte. Außerdem ahnte sie, wie leicht es war, zu einer der Frauen mit leerem Blick zu werden, die sich in den dunklen Straßen so vieler Städte verkauften.

Sie musste zugeben, dass sie nicht weit von diesem Punkt entfernt gewesen war. Wenn man genug Hunger und Angst hatte und heftig genug fror, war die Vorstellung nicht mehr so abwegig, den eigenen Körper zu verkaufen, um etwas Anständiges zu essen und ein Dach über dem Kopf zu bekommen. Es war schließlich nur Sex.

Doch es gab einfach Grenzen, die sie nicht überschreiten wollte. In Wahrheit wollte sie zurück nach Hause. Zurück zu ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihren Großeltern. Zurück in ihr Zimmer mit den Postern an den rosa Wänden und dem schönen Bergblick. Sie sehnte sich nach dem morgendlichen Duft von Kaffee und Speck in der Küche und danach, ein galoppierendes Pferd unter sich zu spüren.

Ihre Schwester war verheiratet. Im Grunde war es deren spießige, durch und durch traditionelle Hochzeit gewesen, die sie dazu bewegt hatte abzuhauen. Sie war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Vielleicht hatte Reenie inzwischen sogar ein Kind – sehr wahrscheinlich sogar. Und wahrscheinlich war sie so verdammt perfekt wie eh und je.

Aber sie vermisste sogar Maureens verdammte Perfektion.

Deshalb marschierte sie weiter, weitere anderthalb Kilometer in der abgetragenen Fleecejacke, die sie gebraucht gekauft hatte und die sie nur unzureichend vor Kälte schützte. In den Stiefeln, die sie seit mehr als zehn Jahren besaß, den schneebedeckten Rucksack auf den mageren Schultern.

Sie hätte von Missoula aus zu Hause anrufen, ihren verdammten Stolz hinunterschlucken sollen. Dann wäre ihr Grandpa gekommen und hätte sie abgeholt. Der schimpfte nie. Doch sie hatte sich eingebildet, aus eigener Kraft zur Ranch zurückmarschieren zu müssen, stolz und hoch erhobenen Hauptes.

Sie hatte sich vorgestellt, wie alle erstarren und sie ungläubig anstarren würden.

Die verlorene Tochter kehrt nach Hause zurück.

Alice seufzte, und eine warme Atemwolke vertrieb die eisige Brise.

Sie hätte es eigentlich besser wissen müssen, aber als sie in Missoula eine Mitfahrgelegenheit bekommen hatte, war ihr das wie eine Art Zeichen vorgekommen. Außerdem hatte ihr dieses Angebot dazu verholfen, dass sie nur noch knapp zwanzig Kilometer von zu Hause entfernt war.

Gut möglich, dass sie es bis zum Einbruch der Dämmerung nicht mehr schaffen würde. Das machte ihr Sorgen. Sie hatte eine Taschenlampe im Rucksack, aber die Batterien waren schwach. Sie hatte ein Feuerzeug, aber bei der Vorstellung, ohne Zelt, Schlafsack oder etwas zu essen im Freien übernachten zu müssen, beschleunigte sie ihre Schritte. Ihre letzte Wasserflasche hatte sie bereits vor drei Kilometern ausgetrunken.

Sie dachte darüber nach, wie sie wohl reagieren würden. Sie würden sich riesig freuen, sie zu sehen, das ging gar nicht anders. Vielleicht waren sie sauer, weil sie einfach so abgehauen war und nur einen winzigen Zettel zurückgelassen hatte. Damals war sie achtzehn gewesen. Alt genug zu tun, was sie wollte. Sie hatte weder ein Studium noch die Zwangsjacke einer Ehe noch einen der Scheißjobs auf der Ranch gewollt.

Sie hatte sich nach Freiheit gesehnt und sie sich genommen.

Heute war sie einundzwanzig und entschied sich freiwillig dafür, nach Hause zurückzukehren.

Vielleicht würde es ihr inzwischen nicht mehr so viel ausmachen auf der Ranch zu arbeiten. Vielleicht würde sie sich sogar für ein Studium einschreiben.

Sie war eine erwachsene Frau.

Die Zähne der erwachsenen Frau klapperten, aber sie marschierte stur weiter. Hoffentlich waren ihre Großeltern zu Hause. Heftige Schuldgefühle plagten sie, weil sie nicht wusste, ob Grammy oder Grandpa überhaupt noch am Leben waren.

Klar sind sie das, redete sich Alice ein. Sie war nur drei Jahre weg gewesen. Grammy würde nicht sauer sein, zumindest nicht lange. Vielleicht würde sie ein bisschen schimpfen: »Schau nur, wie dünn du geworden bist. Was um alles in der Welt hast du mit deinen Haaren angestellt?«

Als sie sich das vorstellte, zog Alice ihre Mütze amüsiert tiefer über die Kurzhaarfrisur, die sie so platinblond gebleicht hatte, wie es nur ging. Sie mochte es, blond zu sein, mochte es, dass die glamouröse Haarfarbe ihre Augen tiefgrün wirken ließ.

Vor allem mochte sie die Vorstellung, von ihrem Grandpa in die Arme genommen zu werden und sich an einen reich gedeckten Tisch zu setzen. Schließlich stand Thanksgiving vor der Tür. Da würde sie ihrer Spießerfamilie von ihren Abenteuern berichten können.

Sie hatte den Pazifik gesehen, war wie ein Filmstar über den Rodeo Drive flaniert und hatte zweimal als Statistin an einem Spielfilm mitgewirkt. Echte Rollen in echten Filmen zu bekommen war schwieriger gewesen als gedacht, aber sie hatte es wenigstens versucht.

Sie hatte bewiesen, dass sie allein zurechtkam. Dass sie etwas auf die Beine stellen, rumkommen und etwas erleben konnte. Wenn sie sie zu sehr verurteilen würden, konnte sie jederzeit wieder aufbrechen.

Genervt blinzelte Alice ihre Tränen weg. Sie würde sie auf keinen Fall anflehen sie wiederaufzunehmen.

Meine Güte, sie wollte einfach nur nach Hause!

Am Stand der Sonne erkannte sie, dass sie es so nie rechtzeitig schaffen würde. Die Luft roch nach Schnee. Wenn sie querfeldein ging, durch den Wald und über die Felder, konnte sie es vielleicht bis zur Ranch der Skinners schaffen.

Müde und erschöpft blieb sie stehen. Es war sicherer auf der Straße zu bleiben, aber ein Querfeldeinmarsch wäre eine Abkürzung. Wenn sie sich nicht verlief, gab es dort außerdem mehrere Hütten für Natururlauber. Dort konnte sie einbrechen, den Ofen anheizen und vielleicht sogar ein paar Konserven finden.

Sie warf einen Blick auf die schier endlose Straße, auf die schneebedeckten Felder, die schneebedeckten Berge. Letztere ragten graublau in den Himmel auf, der von Dämmerung und Neuschnee kündete.

Später sollte Alice oft an diese Unentschlossenheit, dieses minutenlange Zögern im schneidend kalten Wind am Straßenrand zurückdenken.

Obwohl es das erste fremde Geräusch war, das Alice seit mehr als zwei Stunden hörte, nahm sie den Motorlärm zunächst gar nicht wahr.

Dann kämpfte sie sich zurück durch den Schnee und spürte, wie ihr Herz beim Anblick des Pick-ups freudig klopfte.

Sie machte einen Schritt nach vorn. Statt den Daumen rauszuhalten, winkte sie wild mit den Armen wie jemand, der in Schwierigkeiten steckt.

Sie war zwar drei Jahre weg gewesen, aber nach wie vor ein waschechtes Countrygirl. Niemand in dieser Gegend würde an einer Frau vorbeifahren, die auf einer einsamen Straße um Hilfe bat.

Als der Pick-up hielt, glaubte Alice nie etwas Schöneres gesehen zu haben als diesen rostigen blauen Ford mit den Gewehrhalterungen, der von einer Plane bedeckten Ladefläche und dem Aufkleber Ich bin ein echter Patriot an der Windschutzscheibe.

Als der Fahrer das Fenster herunterließ und sich herausbeugte, konnte sie ihre Tränen nur mit Müh und Not zurückhalten.

»Sieht ganz so aus, als bräuchten Sie Hilfe.«

»Eine Mitfahrgelegenheit wär nicht schlecht.« Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln und musterte ihn gründlich. Sie brauchte diese Mitfahrgelegenheit, aber sie war nicht blöd.

Er trug eine in die Jahre gekommene Schaffelljacke und hatte einen Cowboyhut auf dem kurzen dunklen Haar.

Er sah gut aus, fand Alice, das war ein Pluspunkt. Er war ein gutes Stück älter, bestimmt vierzig. Seine ebenfalls dunklen Augen machten einen freundlichen Eindruck.

Countrymusic kam aus dem Radio.

»Wohin müssen Sie denn?«, fragte er im typischen Akzent Westmontanas, der wie Musik in ihren Ohren klang.

»Zur Bodine Ranch. Das sind bloß …«

»Ich weiß, ich kenne die Ranch. Steigen Sie ein.«

»Danke, vielen Dank! Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen.« Sie setzte ihren Rucksack ab und nahm...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2017
Übersetzer Christiane Burkhardt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Come Sundown
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte eBooks • Entführung • Familiensaga • Frauenromane • Liebesgeschichte • Liebesroman • Liebesromane • Montana • Ranch • Romane für Frauen • Thriller
ISBN-10 3-641-21255-3 / 3641212553
ISBN-13 978-3-641-21255-1 / 9783641212551
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