Der Frauenchor von Chilbury (eBook)

Roman
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2017 | 1. Auflage
480 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31726-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Frauenchor von Chilbury -  Jennifer Ryan
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»Der Frauenchor von Chilbury« erzählt von den Kämpfen, Affären, Enttäuschungen und Erfolgen eines Chors während des Zweiten Weltkriegs. Als England in den frühen Tagen des zweiten Weltkriegs in das Kriegsgeschehen eingreift und die Männer in der Ferne kämpfen, schmieden die Frauen des Dorfes Chilbury einen ungewöhnlichen Plan. Sie widersetzten sich der Entscheidung des Vikars den Chor aufzulösen. Stattdessen singen sie weiter und lassen sich als Frauenchor von Chilbury wieder auferstehen. Tauchen Sie ein in die Schicksale fünf außergewöhnlicher Chormitglieder:Eine ängstliche Witwe ist am Boden zerstört als ihr Sohn in den Kampf zieht; die ältere Tochter des Brigadegenerals fühlt sich hingezogen zu einem mysteriösen Künstler; ihre jüngere Schwester ist unmöglich verliebt, eine Jüdin, geflohen aus der Tschechoslowakei, hütet ein Familiengeheimnis; und eine Hebamme schmiedet Pläne, um ihrer zwielichtigen Vergangenheit zu entkommen. Jennifer Ryans Debütroman ist eine zauberhafte Geschichte voller Intrigen, Romantik und den wichtigen Fragen des Lebens. Sie beleuchtet spannend die wahre Stärke der Frauen an der Heimatfront.

Jennifer Ryan wurde in England geboren. Vor ihrer Arbeit als Autorin war sie Lektorin in London. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Washington, D.C. und schreibt historische Romane wie »Der Frauenchor von Chilbury«.

Jennifer Ryan wurde in England geboren. Vor ihrer Arbeit als Autorin war sie Lektorin in London. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Washington, D.C. und schreibt historische Romane wie »Der Frauenchor von Chilbury«. Andrea O'Brien, geboren 1967, übersetzt seit fast 20 Jahren zeitgenössische Literatur aus dem Englischen. Für ihre Übersetzungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Übersetzerstipendium des Freistaat Bayern und dem Literaturstipendium der Stadt München.

Inhaltsverzeichnis

Tagebuch der Kitty Winthrop


Samstag, 30. März 1940

In diesen schwierigen Zeiten ist Tagebuch schreiben gut fürs Durchhaltevermögen, das behaupten sie jedenfalls im Rundfunk. Deshalb habe ich beschlossen, meine Gedanken und Träume in mein altes Schulheft zu schreiben. Niemand darf es lesen, außer vielleicht, wenn ich alt oder tot bin, und dann sollte es ein gedrucktes Buch werden, finde ich.

Wichtige Dinge über mich

Ich bin dreizehn Jahre alt, und wenn ich groß bin, will ich Sängerin werden, dann kann ich tolle Kleider tragen und das Publikum in London und Paris begeistern, vielleicht sogar in New York. Ich glaube, ich kann gut mit dem Erfolg umgehen, man wird mich bestimmt für meine souveräne Haltung schätzen.

Ich wohne in einem muffigen Dorf voller alter Häuser, in denen es immer feucht ist und nach Mottenkugeln riecht. Es gibt eine Wiese mit einem Ententeich, einen Kolonialwarenladen, einen Gemeindesaal und eine mittelalterliche Kirche mit überwuchertem Friedhof. In der Kirche hat sich sonst immer der Chor getroffen, bis der Vikar beschloss, dass wir ohne Männer nicht weitermachen können.

Seitdem liege ich dem Vikar in den Ohren, aber dieser Mann hört einfach nicht zu. Also habe ich erst mal einen Schulchor gegründet. Früher war ich auf dem Internat, doch dann haben sie alle Schüler nach Wales evakuiert. Weil Mama mich nicht gehen lassen wollte, muss mich unser neuer Butler Proggett jetzt jeden Morgen fünf Meilen zur Schule in Litchfield fahren. Es ist nicht schlecht da, nur leider will keiner bei meinem Chor mitmachen.

Ich habe eine garstige Schwester namens Venetia, die ist achtzehn. Bis vor Kurzem hatte ich auch einen Bruder, doch der wurde in der Nordsee von einer Bombe getroffen. Wir wohnen im größten Haus des Dorfes, Chilbury Manor, das zwar furchtbar herrschaftlich, aber im Winter eiskalt ist. Es ist nicht so imposant wie Brampton Hall, wo Henry Brampton-Boyd lebte, bis er zur Royal Air Force ging, um in seiner Spitfire die Deutschen abzuschießen. Wenn ich alt genug bin, heiraten wir und kriegen vier Kinder. Dann führen wir ein Luxusleben mit drei Katzen und einem großen Hund namens Mozart. Allerdings gehört uns Brampton Hall erst, wenn der alte Mr Brampton-Boyd das Zeitliche gesegnet hat, und weil der lieber in Indien ist, weiß keiner, wann das sein wird. Venetia macht sich lustig darüber und meint, dass er dort nur ausharrt, damit er seine Frau, die herrische Mrs B., nicht sehen muss. An seiner Stelle würde ich es genauso machen.

Über den Krieg

Dieser Krieg geht schon viel zu lange – schon mehr als sechs Monate. Das Leben ist unerträglich. Alle haben schrecklich viel zu tun, es gibt kein Essen, keine neuen Kleider, keine Dienstboten, kein Licht nach Sonnenuntergang und keine Männer mehr im Dorf. Immer müssen wir unsere Gasmasken mitschleppen und jedes Mal, wenn die Sirenen losgehen, in die Schutzräume rennen (obwohl das bisher nicht oft war). Abends müssen wir die Fenster mit dickem schwarzen Stoff verhängen, damit der Feind uns nicht sehen kann. Jedes Mal, wenn es im Radio rauscht und knistert, weil sie wieder irgendwelche Nachrichten senden, muss ich still sein und darf kein Klavier spielen.

Daddy ist ein Brigadegeneral, der seltsamerweise nie kämpfen muss und nur manchmal wegen »Kriegsangelegenheiten«, wie er es nennt, nach London fährt. Ich glaube, er versucht, an den Treffen im Kriegsministerium teilzunehmen. Wahrscheinlich haben sie immer neue Ausreden, ihn nicht reinzulassen. In letzter Zeit war er besonders böse, hatte die Pferdepeitsche immer zur Hand, damit wir nicht vergessen, wer der Herr im Haus ist. Venetia und ich halten uns meist fern. Mama hat fürchterliche Angst vor ihm und ist außerdem hochschwanger, deshalb passt außer der alten Nanny Godwin keiner auf uns auf, die ist allerdings viel zu alt und konnte sich sowieso noch nie durchsetzen.

In manchen Zeitungen steht, dass der Krieg bald vorbei sein wird, weil nicht gekämpft wird und die Deutschen sich mit Osteuropa zufriedengeben. Daddy behauptet, alles Unsinn, der Krieg hätte gerade erst angefangen.

»Zeitungen werden von Narren geschrieben.« Gern nimmt er dann die betreffende Zeitung in die Hand und klatscht sie auf den Schreibtisch. »Hitler lässt sich Zeit mit Polen. Merkt euch das: Vor Ende des Jahres wird Frankreich fallen, und dann sind wir dran.«

»Aber es ist alles so ruhig und normal«, habe ich daraufhin gesagt. »Mein Lehrer nennt es einen Schwindelkrieg, weil nichts passiert. Die Hälfte der aus London evakuierten Kinder ist schon wieder zurück. Er meint, bis Weihnachten sind unsere Truppen wieder zu Hause.«

»Dein Lehrer ist ein Idiot, der nicht über den Tellerrand hinausschauen kann«, brüllte Daddy. »Sieh dir Polen an, die Tschechoslowakei, Finnland. Zähl mal die Schiffe und U-Boote, die sie schon versenkt haben, und denk an unseren Edmund.«

Da mussten wir den Mund halten, weil Mama schon wieder zu weinen anfing.

Mein toter Bruder Edmund

Als Nächstes muss ich dir von Edmund erzählen, meinem Bruder, der in seinem U-Boot von einer Bombe getroffen wurde. Eigentlich sollten wir trauern. Es klingt zwar schäbig, aber er fehlt mir überhaupt nicht. Er war ein widerlicher Stinkstiefel, ich konnte ihn überhaupt nicht ausstehen. Nie habe ich ihm verziehen, dass er mich in den Brunnen gesperrt hat. Das eiskalte Wasser stand mir bis zum Hals, bis Nanny Godwin mich schließlich fand. Oder dass er mich als Zielscheibe fürs Bogenschießen missbraucht hat. Dafür wollte er mir das Autofahren beibringen, was tatsächlich ganz nett gewesen wäre.

Mama steht völlig neben sich, außerdem will sie unbedingt, dass ihr neues Kind ein Junge wird, und Daddy auch. Er meint, Mädchen sind zu nichts nutze. Venetia ist eine Ausnahme, weil sie blond ist. Aber ich bin dermaßen nutzlos, dass Daddy sich nur an mich erinnert, wenn er mal wieder einen Sündenbock braucht. Manchmal bitte ich Mama, etwas zu unternehmen, damit er nicht mehr so gemein ist, aber das kann sie nicht. Stattdessen rät sie mir, einen lieben, netten Mann zu heiraten. Ob sie sehr unglücklich ist?

Jeden Abend weist Mama unser Mädchen an, auch für Edmund zu decken, als würde er gleich hereinkommen, sich auf den Stuhl fallen lassen, auf typisch arrogante Art die Beine ausstrecken und einen gemeinen Witz reißen, meist über mich oder Venetia. Dann prustete er immer los und strich sich übers Haar, als wäre es ganz wunderbar, Edmund Winthrop zu sein. Manchmal kann ich kaum glauben, dass er einfach weg ist. Letzte Woche war seine Beerdigung, jedoch ohne Leichnam. Das war seltsam. Wo ist er jetzt?

Diese Woche musste ich immer an den Tod denken, weil David Tilling nach Frankreich geht und vielleicht nie wiederkommt, denn er stellt sich immer so ungeschickt an. Gestern habe ich gehört, wie Mrs B. sagte, er sei so einer, den die Kugel schneller fände als andere Burschen, und ich fürchte, dass sie damit richtigliegen könnte.

Unglaublich, wie fast alle, mit denen ich aufgewachsen bin, aus dem Dorf verschwinden. Edmund ist tot, David auf dem Weg in den Krieg, Henry in seiner Spitfire über Deutschland, Victor Lovell auf einem Schiff irgendwo im Ozean, Angela Quail in London, nur Hattie und die garstige Venetia sind noch hier. David wird mir am meisten fehlen. Er hat immer auf mich gewartet, wenn die anderen vorausgingen, wie ein Bruder, nur netter. In ein paar Wochen kommt er nach der Einweisung noch mal kurz nach Hause, bevor er nach Frankreich einrückt, und alle sind zu einer Überraschungsfeier bei den Tillings eingeladen, um ihn zu verabschieden. Ich weiß, dass wir den Mut nicht sinken lassen dürfen, auch wenn jemand in den Tod geht, aber wie soll ich vergessen, dass ich ihn wahrscheinlich nie wiedersehen werde?

Dinge, die man sich merken sollte, bevor die Menschen in den Krieg ziehen
  • Die Form ihres Körpers – so sieht die Lücke aus, die Menschen reißen, wenn sie uns verlassen

  • Die Art, wie sie sich bewegen, wie sie gehen, wie schnell sie sich umwenden

  • Alle Gerüche und der persönliche Duft, der langsam vergeht

  • Ihre Farbe, die alles überstrahlt, sogar ihren Tod

Menschen und ihre Farben

Ich stelle mir Menschen gern als Farben vor, eine Art Aura oder Lichthof, der sie umgibt und ihr Äußeres in den verschiedenen Tönen ihres Inneren leuchten lässt.

  • Ich – violett, so intensiv und dunkel wie der Himmel bei einem nächtlichen Gewitter

  • Mama – ein blasses Rosa wie ein Mäusejunges

  • Daddy – schwarz wie Ruß (Edmund war auch schwarz, aber eher wie ein sternenklarer Himmel)

  • Mrs Tilling – hellgrün, wie ein zartes Pflänzchen im Schnee

  • Mrs B. – dunkelblau (korrekt und traditionellen Werten verbunden)

Henry ist tiefblau wie seine Augen. Ein Azurton, der mich an den wunderbaren Julitag in den Ferien vor einem Jahr erinnert, als er das erste Mal vom Heiraten...

Erscheint lt. Verlag 7.9.2017
Übersetzer Andrea O'Brien
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2. Welt-Krieg • Briefe • Deine Juliet • Downton Abbey • England • Englisch • Frauen-Chor • Frauen-Freundschaft • Intrigen • Liebe • Sing a song for Chilbury • Tagebuch
ISBN-10 3-462-31726-1 / 3462317261
ISBN-13 978-3-462-31726-8 / 9783462317268
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