Die Unvergesslichen (eBook)

Roman

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44191-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Unvergesslichen -  Val Emmich
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Der Roman 'Die Unvergesslichen' des amerikanischen Autors, Schauspielers und Singer-Songwriters Val Emmich erzählt die charmante Geschichte zweier ungleicher Freunde: einem trauernden Mann, der nicht vergessen will, und einem Mädchen, das aufgrund einer außergewöhnlichen Begabung nicht vergessen kann. Die zehnjährige Joan fürchtet nichts so sehr, wie eines Tages in Vergessenheit zu geraten. Denn anders als sie selbst scheinen die Leute um sie herum ständig alles Mögliche zu vergessen. Sie dagegen ist einer von nur dreißig Menschen auf der Welt mit einem fast perfekten Gedächtnis. Als der Songwriter Gavin, ein Freund ihrer Eltern, Joan darum bittet, ihre Erinnerungen an seinen plötzlich verstorbenen Partner Sydney mit ihm zu teilen, wittert Joan ihre große Chance: Sie wird Gavin von Sydney erzählen. Dafür hilft er ihr, einen unvergesslichen Song zu schreiben, mit dem sie immer im Gedächtnis der Menschen bleiben wird. Zwischen Joan und Gavin erwächst eine ungewöhnliche Freundschaft ... 'Wie Nick Hornby erzählt Emmich ohne jeden Schmalz oder Kitsch und schildert dennoch wunderbar den Zauber unerwarteter Freundschaften.' (National Book Review)

Von der New York Post nicht grundlos als 'Renaissancemensch' bezeichnet, ist der US-Amerikaner Val Emmich, Jahrgang 1979, wahrlich ein Mann mit vielen Talenten. Neben Auftritten in diversen Werbespots war er bereits als Schauspieler u.a. in den Fernsehserien The Big C, Ugly Betty und v.a. in 30 Rock neben Tina Fey und Alec Baldwin zu sehen. Zuletzt sorgte er in seiner Gastrolle in der von Martin Scorsese und Mick Jagger produzierten TV-Serie Vinyl für große Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ist Emmich ein preisgekrönter Singersongwriter, der bereits zahlreiche Musikalben veröffentlicht hat und mehrmals durch die USA tourte. 'Die Unvergesslichen' ist sein erster Roman, der auf seine persönlichen Erfahrungen auf der Bühne und vor der Kamera zurückgeht und auf einer ausgezeichneten Kurzgeschichte basiert. Emmich lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Jersey City, New Jersey.http://valemmich.com/https://www.instagram.com/valemmich/https://twitter.com/valemmichhttps://www.youtube.com/user/ValEmmich

Von der New York Post nicht grundlos als "Renaissancemensch" bezeichnet, ist der US-Amerikaner Val Emmich, Jahrgang 1979, wahrlich ein Mann mit vielen Talenten. Neben Auftritten in diversen Werbespots war er bereits als Schauspieler u.a. in den Fernsehserien The Big C, Ugly Betty und v.a. in 30 Rock neben Tina Fey und Alec Baldwin zu sehen. Zuletzt sorgte er in seiner Gastrolle in der von Martin Scorsese und Mick Jagger produzierten TV-Serie Vinyl für große Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ist Emmich ein preisgekrönter Singersongwriter, der bereits zahlreiche Musikalben veröffentlicht hat und mehrmals durch die USA tourte. "Die Unvergesslichen" ist sein erster Roman, der auf seine persönlichen Erfahrungen auf der Bühne und vor der Kamera zurückgeht und auf einer ausgezeichneten Kurzgeschichte basiert. Emmich lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Jersey City, New Jersey. http://valemmich.com/ https://www.instagram.com/valemmich/ https://twitter.com/valemmich https://www.youtube.com/user/ValEmmich

Come Together


1


Mein Vater hat mich vergessen.

Ich sitze mit meiner Gitarre auf der harten Treppe und warte, da ist eine Ameise neben meinem Turnschuh. Sie ist nur ein winziges Ding, aber ich wäre lieber ein winziges Ding, das keiner bemerkt, als ein echtes Mädchen, das alle sehen und trotzdem vergessen.

Miss Caroline wartet zusammen mit mir. Der Mann im Auto will sie nach Hause fahren, aber sie darf erst gehen, wenn ich gehe.

»Wir versuchen es noch mal bei deinem Vater«, sagt Miss Caroline.

Sie braucht nur ein Mal auf ihr Handy zu tippen, weil sie meinen Vater bereits angerufen hat, sie hat sogar eine Nachricht hinterlassen. Sie lauscht, lässt das Handy sinken und sagt mit extra freundlicher Stimme: »Keine Sorge, Joan. Sicher ist er gleich da.«

Sie ist so nett, was mir umso peinlicher ist. Das Gute ist, dass heute die letzte Musikschulstunde war und ich, wenn mein Vater mich abgeholt hat, Miss Caroline nie wieder unter die Augen treten muss.

»Wie spät ist es?«, frage ich.

»Fast fünf Uhr«, sagt Miss Caroline.

Der Unterricht endet um halb fünf. Normalerweise sitzen mein Vater und ich spätestens um zwanzig vor im Auto. »Tut mir leid.«

»Vergiss es, Joan.«

Aber ich kann es nicht vergessen. Das ist ja eben mein Problem. Ich kann nichts vergessen.

Es geht hier nicht nur um meinen Vater, der vergessen hat, mich abzuholen. Es geht darum, dass er und ich im Jahr 2011 einen roten Vogel in einem Baum gesehen haben und ich wissen wollte, ob er sich an den anderen roten Vogel erinnern kann, den wir zwei Jahre zuvor gesehen hatten, am Mittwoch, den 29. April 2009. Er muss eine Weile überlegen, und dann antwortet er: »Ja«, aber ich merke, dass er sich überhaupt nicht an den anderen roten Vogel erinnern kann, und deswegen fühle ich mich ihm weniger nah, als ich eigentlich möchte.

Und als meine Mutter mal wieder wie auch immer sagt, überschlage ich im Kopf, wie oft sie in den vergangenen sechs Monaten »wie auch immer« gesagt hat (siebenundzwanzig Mal). Ich bitte sie, die Zahl zu erraten, ich gebe ihr sogar einen Hinweis, die Zahl ist kleiner als fünfzig und größer als zehn, aber statt mitzuspielen, sagt meine Mutter: »Was willst du von mir?«, und lässt mich stehen.

Und es gibt Leute, die ein komisches Gesicht ziehen, wenn ich sie darauf hinweise, dass sie eine Anekdote falsch erzählt haben. Mein Vater erklärt mir dann jedes Mal, dass die meisten Menschen ihre Erinnerungen als eine Art Märchen betrachten, wodurch sie zwangsläufig weniger verworren, dafür aber lustiger und aufregender werden und ein glücklicheres Ende haben als im richtigen Leben. Ich verstehe nicht, wie man so tun kann, als hätte sich eine Sache anders zugetragen als in Wirklichkeit, aber mein Vater sagt, die meisten Leute würden ihren Irrtum gar nicht bemerken.

Miss Caroline geht die Treppe runter und spricht mit dem Mann im Auto. Sie unterhalten sich leise, er stellt den Motor aus, das schont die Umwelt, und klappt den Sitz ganz zurück, so wie mein Großvater, wenn es Zeit für seinen Mittagsschlaf ist.

Miss Caroline kommt wieder herauf und sagt: »Was zeichnest du da?«

Ich schließe mein Tagebuch. »Nichts.« Ich hätte nichts dagegen, dass mein zukünftiger Mann meine Zeichnungen herumzeigt, wenn ich gestorben bin, so wie Yoko es mit den Bildern von John gemacht hat. Aber bis dahin sind meine Zeichnungen Privatsache.

John Lennon ist der Lieblingsmusiker meines Vaters, und meiner auch. Mein Vater wollte mich Lennon nennen, aber meine Mutter hat ihr Veto eingelegt, weil man das als Ehefrau darf, sagt sie. Also hat mein Vater Lennon in die Mitte geschoben, und jetzt heiße ich Joan Lennon Sully. In der Mitte sind wichtige Namen ohnehin besser aufgehoben. John Lennons zweiter Vorname war Winston, wegen Winston Churchill, auch so ein Mann, an den sich alle erinnern.

Die Menschen haben alle möglichen Gründe, um zu vergessen. Sie schieben es auf den schwachen Akku oder auf ihre Schwerhörigkeit, oder sie behaupten, sie wären zu beschäftigt, zu alt oder zu müde. In Wahrheit vergessen sie, weil sie nicht genug Platz in ihren Fächern haben.

Als ich fünf wurde, hat meine Mutter ein Schrankfach für meine Kunstwerke freigeräumt. Sie hatte es satt, dass meine Zeichnungen und Basteleien überall im Haus rumlagen. Ich sollte die wichtigsten Stücke auswählen, weil in dem Fach nicht genug Platz für alle war. Genau so ist es mit dem Gehirn der meisten Menschen. Sie haben nur Platz für die wichtigsten Erinnerungen, alle anderen müssen weg. Ich werde vergessen, weil ich unwichtig bin, da ist es doch nur verständlich, dass ich den Blues kriege wie John Lennon auf dem White Album, auf dem er singt, er sei einsam und wolle sterben. Vor allem, weil ich doch selbst nie jemanden vergessen würde, in meinem Gehirn ist genug Platz für alle. Ich möchte einfach nur, dass es gerecht zugeht.

Ich wünschte, ich könnte immer wichtig sein und unvergessen bleiben wie John Lennon und Winston Churchill, aber ich weiß, das ist unmöglich. Vor ein paar Jahren musste ich einsehen, dass ich in keinem Erinnerungsfach sicher bin, nicht mal bei meiner Großmutter.

 

Samstag, 13. Februar 2010: Großmutters neues Zuhause.

»Oma, ich bin’s, Joan.«

Sie sieht mich verwirrt an. »Ich bin Joan.«

»Ich weiß, aber ich bin auch Joan. Ich habe meinen Namen von dir.«

Mein Vater zieht mich beiseite. »Sie ist einfach nur müde, Schätzchen.«

»Sie kann sich nicht an mich erinnern.«

»Unsinn. Natürlich kann sie das. Sie ist nur …«

»Oma, ich bin’s!«

Sie gibt sich Mühe. Wirklich. Aber ich existiere nicht.

 

Großmutter musste mich aus ihren Gehirnfächern entfernen, weil sie den Platz für ihre vielen Lieblingslieder brauchte. Die hat sie bis zu ihrem Tod (am 8. Oktober 2011) nicht vergessen.

Ich habe versucht, dem Gedächtnis der anderen auf die Sprünge zu helfen, ich habe Zettel für sie geschrieben und ihnen jede Menge gute Tipps gegeben. Einmal habe ich im Radio gehört, Blaubeeren wären sehr gut für das Gedächtnis. Ich habe meine Mutter überredet, eine ganze Kiste zu kaufen, und dann habe ich meine Familie gezwungen, die Blaubeeren zu essen, aber es war reine Zeitverschwendung. Wenn meine Großmutter mich vergessen kann, kann jeder mich vergessen. Selbst mein Vater.

 

»Wie spät ist es?«, frage ich und streiche über die Gitarrensaiten.

»Fünf Minuten nach fünf.«

Ein Auto kommt angerast, fährt weiter. Ich spiele einen Akkord in Moll, weil ich nicht in der Stimmung für etwas Fröhliches bin.

Miss Caroline legt den Kopf in den Nacken und betrachtet die Schäfchenwolken. »Es hat schon so lange nicht mehr geregnet.«

»Zum letzten Mal geregnet hat es am 20. Juni, einem Donnerstag, vor weniger als drei Wochen.«

»Wirklich?«

»Ja.«

Sie wirkt beeindruckt. »War dein Gedächtnis immer schon so gut?«

»Nein«, sage ich. »Erst seit ich im Baumarkt auf den Kopf gefallen bin.«

Miss Caroline lacht, dabei ist es wahr. Mein Freund Wyatt weiß alles über Comics und das Internet, er hat mir erzählt, dass ich durch einen Sturz bei Home Depot ein unfehlbares autobiografisches Gedächtnis bekommen habe und es durch einen zweiten Sturz am selben Ort wieder verlieren würde. Seitdem meide ich den Laden.

Es passierte, als ich zwei war (jetzt bin ich zehn). Mein Vater hatte mich in den orangefarbenen Einkaufswagen gestellt. Und als er nicht aufpasste, habe ich mich über die Kante gebeugt und bin herausgefallen. Mein Kopf knallte auf den Betonboden, und mein Vater fing zu schreien an, aber nicht in dem Ton, in dem er andere Autofahrer anschreit; es klang eher so, als hätte er ohne Handschuh in den Ofen gegriffen. Er nahm mich auf den Arm und rannte aus dem Baumarkt.

Ich erzähle Miss Caroline nichts davon, weil sie mit ihren Unterlagen beschäftigt ist. Ihr Zeigefinger rutscht über eine Seite, bis zu der Zeile mit den im Notfall zu benachrichtigenden Personen.

»Wer ist Jack Sully?«, fragt sie.

»Mein Großvater.«

Sie verzieht den Mund, als müsste sie einen hässlichen Mann küssen.

»Ich könnte zu Fuß nach Hause gehen«, sage ich. »Ich wohne ganz in der Nähe.«

»Das kann ich nicht erlauben, Joan.«

Sie ruft meinen Großvater an und hinterlässt auch ihm eine Nachricht. Bei meiner Mutter hat sie es längst versucht. »Ist das schon einmal vorgekommen, dass niemand aus deiner Familie erreichbar war?«, fragt Miss Caroline.

»Nein«, sage ich, was der Wahrheit entspricht. Manchmal können die Leute nicht glauben, dass ich meine Erinnerungen so blitzschnell durchsuchen kann. Es ist nicht so, als müsste ich in der Kramschublade meiner Mutter nach dem einzigen funktionierenden Stift suchen. Es ist eher so, als würde ich das Licht einschalten, nur dass der Schalter sich immer genau unter meinem Finger befindet.

»Hör zu«, sagt Miss Caroline, »wir werden Folgendes tun: Um zwanzig nach fünf rufen wir alle Nummern noch einmal an. Wenn wir dann immer noch niemanden erreichen, holen wir uns Hilfe.«

»Was für eine Hilfe?«

»Wir könnten jemanden bei dir zu Hause vorbeischicken.«

»Wen? Ihren Freund?«

»Nein«, sagt Miss Caroline. »Wir wollen nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.«

Wen meint sie? Und warum macht sie so ein Geheimnis darum? Ich denke über die Wörter Notfall, Hilfe und schießen nach und weiß plötzlich, wen Miss Caroline anrufen will. Ich richte meine Augen auf die Straße, weil ich fürchte, dass versehentlich eine Träne heraustropfen könnte.

Ich könnte einfach weglaufen, ich kenne mich in Jersey City ganz gut aus, aber selbst wenn ich den...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2017
Übersetzer Eva Bonné
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Beatles • Coming of Age • Erinnern • Familiengeschichte • fotografisches Gedächtnis • Freundschaft • Gedächtnis • Geschenk beste Freunde • Geschenk Freunde • geschenk freundschaft • Hyperthymesie • John Lennon • Liebe • Liebesdrama • Musik • Musik-Komödie • Neuerscheinung 2018 • Tragikomödie • Trauer • Val Emmich • Vergessen • Vergessenheit
ISBN-10 3-426-44191-8 / 3426441918
ISBN-13 978-3-426-44191-6 / 9783426441916
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