Sommer in Villefranche (eBook)

Roman
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2017 | 2. Auflage
272 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43046-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sommer in Villefranche -  Birgit Hasselbusch
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»Dieses Buch duftet nach Lavendel und Meer!« Andrea Schumacher in >Gala<   Insa Nicolaisen befindet sich gerade in einer Phase im Leben, in der man sich für a) Durchhalten oder b) die Flucht nach vorn entscheiden kann. Insa entscheidet sich für Variante b) und flüchtet kurzerhand dorthin, wo das Meer blauer leuchtet als irgendwo sonst: an die Côte d'Azur. Der Neustart gestaltet sich jedoch wesentlich turbulenter als gedacht - und wird auch zur Reise in die Vergangenheit: Hier hat Insa einst die glücklichste Zeit ihres Lebens mit Mathieu verbracht. Und hier wartet seit 16 Jahren ein Brief auf sie, der ihre Welt komplett aus den Angeln hebt.

Birgit Hasselbusch, 1969 in Hamburg geboren, hat als Kind Bücher aus Langeweile rückwärts gelesen. Seitdem kann sie auch rückwärts sprechen: Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch. Heute ist sie Rundfunkredakteurin in Hamburg.   

Birgit Hasselbusch, 1969 in Hamburg geboren, hat als Kind Bücher aus Langeweile rückwärts gelesen. Seitdem kann sie auch rückwärts sprechen: Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch. Heute ist sie Rundfunkredakteurin in Hamburg.   

1.


Er machte Nägel mit meinem Kopf. Nach weniger als einem Tag. Nicht, dass mich das prinzipiell gestört hätte. Aber so schnell? Wir kannten uns seit knapp zwölf Stunden, und schon wollte er, dass ich von Hamburg zu ihm nach Frankreich ziehe. Dabei wusste er noch nicht einmal, wie ich aussah. Geschweige denn andersherum. Wir siezten uns sogar noch.

»Chère Madame Insa …«, so begann seine E-Mail an mich.

Er musste noch in der Nacht geantwortet haben. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet, als ich am Morgen auf meinem Smartphone die eingegangenen Nachrichten checkte. Außer den üblichen Verdächtigen wie »Insa, garantierter Erfolg bei Penisverlängerung«, »E.Harmony.com – Partnervermittlung auch in schwierigen Fällen« und der Nachricht von einem gewissen Lewis Baach, der als Rechtsanwalt offenbar den Nachlass eines verstorbenen Mannes in Afrika verwaltete, der mir eine siebenstellige Summe vermachen wollte, für die ich nur ein paar Vorabtransfers tätigen müsste, erwartete ich nichts Großartiges in meinem Mail-Postfach.

Aber ich hatte die Rechnung ohne Daniel Richez gemacht.

»Rufen Sie mich möglichst schnell an, denn ich glaube, Sie sind genau die Richtige«, las ich und bekam Schnappatmung.

»Mon Dieu!«, sagte ich lachend und nickte, obwohl außer mir niemand im Raum war. Wie auch? Ich war ja komplett allein gelassen worden, was unter Umständen der Grund dafür gewesen sein könnte, dass ich mich mitten in der Nacht mit Google angefreundet und eine Suche gestartet hatte. Nach einem Job in Frankreich. Von mir aus wäre auch Timbuktu gegangen. Hauptsache, möglichst weit weg von diesem einen, der mir so den Tag vermiest hatte. Ach, was sage ich? Mein ganzes Leben hatte er verdorben. Vielleicht hätte ich über all das trotzdem noch mal eine Nacht schlafen sollen, aber so war noch vor dem Morgengrauen das Angebot da, nach Frankreich zu ziehen. Was mir am Abend zuvor als die einzig wahre Möglichkeit erschienen war, bereitete mir nun doch ein wenig Magengrummeln. Ich bekam Angst vor meiner eigenen Courage. Und vor allem holten mich alte Erinnerungen ein. An Villefranche. An ihn. An einen anderen Maler.

»Cher Monsieur Richez«, begann ich zu schreiben, nachdem ich auf »Antworten« geklickt hatte.

»Je regrette de vous informer que …«, fuhr ich fort. Es tat mir leid, ihm mitteilen zu müssen, dass ich am Abend zuvor offenbar unter geistiger Umnachtung gelitten hatte. Ich würde mir die Sache noch mal ein bis zwei Jährchen durch den Kopf gehen lassen, formulierte ich weiter, und würde darum die Gardiennage-Stelle, also die Betreuung seines Hauses an der Côte d’Azur, vorerst nicht antreten können. Zudem entschuldigte ich mich für meine Übersprungshandlung und dafür, ihm so viel Mühe bereitet zu haben.

So eine schwachsinnige Idee, Insa Nicolaisen, wies ich mich zurecht. »Für spontane Entscheidungen hast du bisher doch immer eins auf den Deckel bekommen«, flüsterte mir meine innere, sehr kritische Stimme zu. »Also, lass es bleiben.«

 

So sehr konnte der andere Kerl mich gar nicht verletzt haben, dass ich in meiner Heimatstadt alles über Bord werfen und meinen Job kündigen würde, nur um ihm zu entkommen.

Gerade als ich die Absage-Mail an Monsieur Richez abschicken wollte, klingelte mein Handy.

Der Name auf dem Display hatte drei Buchstaben. Drei zu viel für meinen Geschmack. Max.

»Ja!?«, meldete ich mich so emotionslos wie möglich, während in mir ein Orkan tobte.

»Insa, Liebes. Die Vernissage ist super gelaufen. Wo warst du denn?!« Er klang so normal, als würde er mich fragen, ob wir noch Milch im Kühlschrank hätten. »Auf einmal warst du wohl weg.«

»Und das fällt dir jetzt auf?«, gab ich zurück. Okay, unbeteiligt klang anders. Ich war total außer mir. Und das zu Recht.

»Na ja, gestern war so viel zu tun!«, sagte er.

»Ganz genau. Bestimmt hattest du so viel damit zu tun, den anderen deine Frau vorzustellen.«

»Nein!«, entgegnete er tatsächlich, weil er die Schärfe in meiner Stimme offenbar ignorierte. »Die meisten kannten sie schon.«

Ich musste mich verhört haben.

»Aha. Die kannten sie also schon?« Vorsicht, Insa. Nicht, dass sich deine Stimme wieder so überschlägt wie bei deinem allerersten Chorauftritt. Ich atmete tief durch und packte eine große Portion triefende Süffisanz in meinen Tonfall.

»Ach, ist das schön, Max. Dann war ich also die Einzige, die sie noch nicht kannte.«

Auch wenn es mir schwerfiel, ließ ich vor meinem inneren Auge die Bilder des gestrigen Abends wieder auftauchen. Für meinen Liebhaber Max, von und zu Künstler mit Anspruch, aber ohne größere Verkaufserfolge, hatte ich in meiner grenzenlosen Leidenschaft eine Ausstellung auf die Beine gestellt. Um ihm Geld in die Kasse zu spülen. Wieso hatte ich es eigentlich so mit Künstlern? Ob es an damals lag? Den Gedanken wischte ich schnell wieder beiseite. Von A wie Alkohol über E wie Einladungen, L wie Loft bis Z wie Zeichnungen hatte ich alles für Max geplant und durchgeführt. Für meinen Bohemien, der mir in seiner kleinen Galerie im Karolinenviertel zwar zeigte, dass er sich mit dem Anmischen von Farben und dem Anmachen von Frauen bestens auskannte, in Sachen Organisation aber zwei linke Hände hatte.

Leider hatte ich die Rechnung ohne C wie Catarina gemacht. Das war seine Frau, die auf einmal im eleganten Abendkleid vor mir gestanden hatte, während ich noch in farbverklecksten Jeans rumgelaufen war, um die Schnittchen gut zu platzieren. Eine optimale Platzierungsfläche wäre Max’ Gesicht gewesen.

»Aber ich hab sie dir doch vorgestellt! Was stört dich denn so?«

»Was mich stört?«, schleuderte ich ihm verletzt entgegen. »Dass du sie mir ein ganzes Jahr lang eben NICHT vorgestellt hast. Ich wusste überhaupt nicht, dass du verheiratet bist.«

Hatte ich bis vorhin noch einen winzigen Hoffnungsschimmer gehabt, Max könne nach dem gestrigen Desaster auf den Knien bei mir angekrochen kommen, mich um Vergebung anbetteln, die Scheidung auf Pergamentpapier einreichen und meinen nackten Körper in Öl abbilden oder mir wenigstens plausibel klarmachen, dass das alles nur ein ganz großes Missverständnis gewesen und die Frau gar nicht seine Frau, sondern seine Schwester, Schwippschwägerin, Grundschullehrerin oder Wurstfachthekenverkäuferin war, so starb diese Hoffnung just in dem Moment, als ich seine Antwort hörte.

»Du hast ja auch nie gefragt. Dachtest du, es sei was Ernstes zwischen dir und mir?«

Nicht gleich brüllen. Nicht das Handy würgen. Nicht den Schreibtisch malträtieren. Ganz die Ruhe selbst bleiben.

Natürlich hatte ich angenommen, dass es was Ernstes war. Immerhin hatte ich ihm auch von seinen Vorgängern erzählt. Und zwar alles, was es darüber zu wissen gab. Der Altersunterschied von gut fünfzehn Jahren zwischen Max und mir war mir egal gewesen. Max kratzte bereits an der Mitte-fünfzig-Grenze. Ich hatte mich Hals über Kopf in ihn verliebt, als ich vor dem Regen Schutz suchend in seine Galerie gestolpert war, wo sich in einem Nebenzimmer Bett, Bad und Kochplatte befanden. Mehr brauchten wir gar nicht. Wir hatten über Kubismus, Impressionismus und Moderne Kunst gefachsimpelt. Auch wenn seine Werke eher nach einem Mix aus Nihilismus und Infantilismus aussahen. Aber das hatte ich dem sensiblen Künstler natürlich nie gesagt. Es war nicht wichtig. Ich hätte ihm auch ein Bild mit einem weißen Motiv auf weißem Grund abgekauft. So sehr war ich ihm verfallen. Ich hätte mir nichts Schöneres vorstellen können, als ein Leben zwischen Farbtuben, Pinseln und Leinwänden zu verbringen. Als Muse oder etwas ähnlich geheimnisvoll Klingendes. Inzwischen kam ich mir nur leider eher wie Terpentinersatz vor.

»Was Ernstes?«, gab ich zurück. »Pfff, nicht unbedingt. Aber ich finde schon, du hättest mir sagen können, dass …«

»Nun reg dich doch nicht so auf, Süße!«, unterbrach er mich.

»Ich bin nicht deine Süße!«, schrie ich – mittlerweile hemmungslos.

»Warum bist du denn so hysterisch? Es war doch alles klasse zwischen uns. Was hast du dir denn nur gedacht?«

»Du trägst keinen Ehering!« Ich ging gar nicht auf seine unverschämte Zwischenbemerkung ein.

»Stört beim Malen«, merkte er ohne die Spur eines schlechten Gewissens an.

»Weißt du, was mich stört?«, schleuderte ich ihm durchs Telefon entgegen.

»Ich vermutlich. Richtig?« Er klang ironisch. Das war so typisch für ihn. Wir hatten oft zusammen gelacht, ich hatte ihm aber auch gesagt, dass es Momente gab, in denen man mit Ironie ungefähr so viel anfangen konnte wie mit Ostereiern zu Weihnachten.

»Punktlandung. Und weißt du, was ich jetzt mit dir mache?«, schob ich ihn verbal und mit einer gefährlichen Mischung aus Rage und Verwundbarkeit in Richtung meines Abschlussplädoyers. »Etwas, was als Künstler und Maler eigentlich deine Spezialität ist. Ich streiche dich!«

»Ach so. Dabei wollte ich dich fragen, ob du vielleicht Lust hättest, noch so eine Vernissage für mich zu organisieren. Das wäre …«

Was das wäre, hörte ich nicht mehr. Es interessierte mich auch nicht. Ich hatte dem Mann, der dreizehn Monate lang der Farbtupfer meines Lebens gewesen war, den Hahn abgedreht.

 

Wie etwas Hochansteckendes warf ich mein Handy weit weg von mir aufs Sofa. Ich versuchte, meine Atmung wieder zu beruhigen und mein hochrotes Gesicht einige Stufen herunterzudimmen. Ich musste mich und meinen rasenden Puls wieder unter Kontrolle bekommen. Von 100 auf 0 herunterbremsen sozusagen. Keine übereilten Entscheidungen jetzt. Ich hob den Kopf, streckte die Arme und...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2 CV • Aussteigerroman • Côte d'Azur • Ente • Ferienlektüre • Frauenroman • Frauenunterhaltung • Freundschaft • Hamburg • Hochzeitsplaner • Liebesgeschichte • Liebesroman • Neuanfang • Provence • Reiselektüre • Roman für Frauen • Roman Urlaub • Sommerroman • Strandlektüre • Südfrankreich • Unterhaltungsroman • Urlaubslektüre • Urlaubsroman
ISBN-10 3-423-43046-X / 342343046X
ISBN-13 978-3-423-43046-3 / 9783423430463
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