Himmel über fremdem Land (eBook)

Roman.
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2013 | 1. Auflage
464 Seiten
Gerth Medien (Verlag)
978-3-96122-012-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Himmel über fremdem Land -  Elisabeth Büchle
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Im Vorfeld des Ersten Weltkrieges geht die Niederländerin Tilla van Campen eine arrangierte Ehe mit einem Berliner Industriellen ein. Ihre 13-jährige Schwester Demy begleitet sie nur widerwillig in die Großstadt. Für das lebhafte Mädchen ist der steife Lebensstil der Familie Meindorff und die strenge Erziehung durch eine Gouvernante die reinste Folter. Dann beginnt sich die politische Lage in Berlin zuzuspitzen ... Der erste Band der großen Meindorff-Familiensaga, die in vergangene Zeiten und an spannende Schauplätze wie Berlin, St. Petersburg und Deutsch-Südwestafrika entführt. Band 1: Himmel über fremdem Land, 5516750 Band 2: Sturmwolken am Horizont, 5516921 Band 3: Hoffnung eines neuen Tages, 5516927

Elisabeth Büchle hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen ist die Mischung aus gründlich recherchiertem historischen Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik. Sie ist verheiratet, Mutter von fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum. www.elisabeth-buechle.de © Foto: Claudia Toman, Traumstoff

Elisabeth Büchle hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen ist die Mischung aus gründlich recherchiertem historischen Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik. Sie ist verheiratet, Mutter von fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum.

Kapitel 2

Bei Lübeck, Deutsches Reich,
März 1908

Laut lachend kippte Hannes Meindorff mitsamt seinem Stuhl nach hinten über. Polternd und krachend schlug er auf dem graugrünen Linoleumboden auf und spürte unsanft, wie sich die Lehne in seinen Rücken bohrte. Doch der Schmerz flaute ebenso schnell wieder ab, wie er gekommen war, sodass er mit den Frauen am Tisch weiterlachte. Leicht benommen – allerdings nicht von seinem Sturz, sondern des Alkohols wegen –, blieb er liegen und betrachtete die dunkle Holzdecke, die Messinglampen, deren elektrische Birnen ein für seinen Geschmack – oder seinen Zustand – zu grelles Licht verbreiteten und den robusten, ebenfalls aus dunklem Eichenholz gefertigten Tresen, an dem sein Kopf haarscharf vorbeigeschrammt war.

Das schrille Lachen eines der Mädchen, die bei ihnen am Tisch gestrandet waren, schmerzte in seinen Ohren. Sein Begleiter Philippe hatte diese eigentümliche Eigenschaft, überall, wo er auftauchte, die Aufmerksamkeit der Frauen auf sich zu ziehen.

Hannes grinste und legte sich bequemer hin. Seit vielen Jahren lebte Philippe in ihrem Haus, trug sogar den Nachnamen Meindorff, doch noch immer wusste Hannes nicht, als was er ihn eigentlich bezeichnen sollte. War er sein Freund oder vielmehr sein Bruder? Pflege- oder Ziehbruder klang umständlich; ein richtiger Bruder war er nicht, davon hatte Hannes zwei und mit beiden konnte er wenig anfangen – wohl aber mit Philippe.

Der junge Mann in der Uniform der Elite-Kadettenanstalt Groß-Lichterfelde1 hob die Augenbrauen, als ein mächtiger Schatten zwischen ihn und die Lichtquellen an der Decke trat.

Die Person beugte sich über ihn. »Alles in Ordnung?«

»Ja, ja. Ich sammle nur Kraft für die nächsten Stunden«, gab Hannes mit schwerer Zunge zurück und brachte damit den besorgt dreinblickenden Philippe zum Schmunzeln. Der setzte sich neben ihn auf den Boden, mit dem Rücken gegen die Vertäfelung des Tresens gelehnt, und streckte die Füße in den hochschaftigen, braunen Armeestiefeln weit von sich. Dunkle Bartstoppeln wucherten in seinem sonnengebräunten Gesicht mit dem kantigen Kinn, das die Frauen so anzog – ebenso wie seine exotische Schutztruppenuniform mit den blauen Ärmelumschlägen, die ihn als Mitglied der deutsch-südwestafrikanischen Truppen auswies.

»Du bist zu grün für diese Menge Alkohol«, rügte Philippe ihn leise.

»Ich bin nur ein paar läppische Jahre jünger als du, das sind also nur ein paar läppische Bier weniger!«, witzelte Hannes, wandte den Kopf und schaute Philippe an. Verwundert stellte er fest, dass dessen Blick vollkommen klar war und nicht verriet, dass er auch nur annähernd zu viel Alkohol abbekommen hatte. Vertrug dieser Kerl denn so viel, oder … Hannes hatte nicht darauf geachtet, wie viele Gläser Philippe im Laufe des Abends geleert hatte. Womöglich hielt er sich ja noch an seinem ersten Bier fest!

Schweigen senkte sich zwischen die Freunde, und obwohl Hannes’ Kopf sich schwerer anfühlte als sonst, liefen seine Gedanken immer weiter, während am Tisch die Runde munter weiterfeierte, ungeachtet der Tatsache, dass die beiden vormals so interessanten Uniformierten fehlten.

Hannes war wütend auf Philippe gewesen, weil der von seinen drei Monaten Heimaturlaub nahezu zweieinhalb in irgendwelchen anderen Ländern zugebracht hatte und nur für die letzten paar Tage nach Hause kommen würde, bevor er nach Afrika zurückkehren musste.

Der Ziehsohn seiner Eltern war schon immer ein unabhängiger Vagabund gewesen, vielleicht, weil er als Kind so oft hin und her geschoben worden war. Philippe eckte ständig überall an, was den dickfelligen jungen Mann aber zumindest nach außen hin nicht zu beeindrucken schien.

Hannes beneidete Philippe um diese Kaltschnäuzigkeit, war er selbst doch ganz anders. Verwöhnt nannten ihn die einen, leichtlebig die anderen. Beides stimmte. Er war privilegiert aufgewachsen und besaß nicht den Ehrgeiz, sich den Regeln und Normen seines dominanten Vaters, der Gesellschaft oder des Lehrkörpers zu widersetzen. So führte er ein angenehmes Leben, das er zumeist genoss und das vor allem dank Philippe nicht langweilig wurde, dem ständig originelle Abenteuer einfielen und der dennoch zuverlässig dafür sorgte, dass Hannes nicht zu Schaden kam. Aus diesem Grund störte es ihn auch so sehr, dass Philippe den Großteil seines Urlaubs im Ausland verbracht hatte, wenngleich Hannes bewusst war, dass er nicht viel von ihm gehabt hätte, denn immerhin war er selbst ja die meiste Zeit in der Kadettenanstalt kaserniert.

An seinem freien Wochenende hatte er es sich nicht nehmen lassen, Philippe mit seinem nagelneuen Automobil vom Kieler Hafen abzuholen, und nun waren sie irgendwo auf der Strecke zwischen Kiel und Berlin in einem Gasthaus versackt. Nein, er war versackt, stellte Hannes mit einem neuerlichen prüfenden Blick in Philippes wache Augen fest.

Er hatte genug davon, irgendwelchen schwer zu sortierenden Gedanken nachzuhängen, also richtete er sich mühsam auf die Ellenbogen auf und stieß seinen Kameraden mit der Stiefelspitze an. »Was hältst du davon, wenn wir uns wieder um die süßen Mädchen kümmern?«

»Ich habe nicht den Eindruck, dass die uns vermissen.«

»Ja, ja, aus den Augen, aus dem Sinn«, kicherte Hannes und schob sich auf die Knie. »Komm schon. Sobald sie dein Antlitz wieder erblicken, wird ihnen schmerzlich bewusst werden, was sie in den letzten paar Minuten versäumt haben.«

»Wenn du meinst«, erwiderte Philippe und klang zu Hannes’ Erstaunen reichlich desinteressiert. Dabei war Philippe in ganz Berlin als Frauenheld verschrien und die Väter, die etwas auf die Ehre ihrer Töchter hielten – und das mussten in Preußen fast alle sein, zumindest in Hannes’ Bekanntenkreis –, schlossen die jungen Damen inzwischen weg, wenn Philippe in der Stadt war. So jedenfalls war es Hannes zu Ohren gekommen.

Behände sprang Philippe auf, strich sich die Uniformjacke glatt und zog Hannes auf die Beine. Einen Moment lang drehte sich alles vor seinen Augen, doch dieser leidige Zustand legte sich rasch. Schon bevor er seinen Stuhl wieder aufgestellt hatte, saß eine adrette Brünette auf Philippes Schoß und bedeckte unter gedämpftem Kichern sein sicher unangenehm kratziges Gesicht mit federleichten Küssen.

Hannes strahlte, als sich zwei Mädchen links und rechts an ihn lehnten und ihn mit ihrer Aufmerksamkeit bedachten, wobei ihn die qualmende Zigarette in der Hand der ansehnlichen Schwarzhaarigen empfindlich störte. Der prickelnde, ja nahezu erhebende Zustand, gleich von zwei Frauen umgarnt zu werden, dauerte jedoch nur so lange an, bis die Tür des winzigen Gastraums so fest gegen die Innenwand knallte, dass die unzähligen leeren und halb gefüllten Gläser auf den Tischen klirrend aneinanderstießen.

In der Tür baute sich ein vierschrötiger Kerl um die vierzig auf, der aufgrund seiner Oberarme als ein körperlich schwer arbeitender Mann zu erkennen war. Schneller noch, als Hannes in seinem leicht benebelten Zustand überhaupt begriff, was da vor sich ging, hatte Philippe die glimmende Zigarette, die die Schwarzhaarige reaktionsschnell unter den Tisch geworfen hatte, ausgetreten. Gleich darauf zerrte Philippe ihn vom Stuhl und stieß ihn in Richtung der Hintertür zum Treppenhaus. Er drückte ihm den Schlüssel für ihr Zimmer in die Hand und raunte: »Verschwinde nach oben!«

»Aber …«

»Verschwinde, Kadett!«

Hannes gehorchte, und erst als er die Tür hinter sich zuschlug, wurde ihm bewusst, dass Philippe sich einmal mehr schützend vor ihn stellte. Der Eindringling, vermutlich der aufgebrachte Vater der Schwarzhaarigen, sah aus wie ein Schwergewichts-Profiboxer. Hannes’ nächste Überlegung war, ob Philippe gezielt den Tisch direkt vor dem Treppenhaus gewählt hatte, da ihm Situationen wie diese geläufig waren.

Wütende und erschrockene Stimmen mischten sich mit dem Scharren von Stühlen über den Linoleumboden, dem folgten ein dumpfer Schlag und das Klirren von Glas, als habe jemand den Tisch umgeworfen.

Noch einmal überlegte Hannes, ob er nicht lieber seinem Freund beistehen sollte, doch der Offizier in Philippe hatte ihm keine Wahl gelassen. Philippe wollte verhindern, dass er bei dem Zusammenstoß mit dem aufgebrachten Vater anwesend war, also gehorchte er.

***

Gut eine Stunde später – Hannes lag in einer Art Dämmerzustand auf seinem Bett –, öffnete sich die Zimmertür, und Philippe trat ein. Hannes fuhr hoch, musste sich aber am Fenstersims festhalten, um nicht wie von einem Hammer getroffen zurück auf die Matratze zu fallen. Der Alkohol in seinem Blut machte ihm erheblich zu schaffen, allerdings gelang es ihm, einen prüfenden und besorgten Blick auf seinen Kameraden zu werfen. Dieser wirkte erstaunlich aufgeräumt, stellte Hannes fest, wobei er seinen Sinneseindrücken nicht mehr so ganz traute.

»Leg dich schlafen. Du solltest deinen Schädel schonen, wie ich soeben beim Begleichen der Rechnung erfahren habe«, foppte Philippe ihn.

Erleichtert sank Hannes zurück auf das quietschende Metallbett. Sein Freund musste die Situation entschärft haben, denn neben seiner äußerlichen Unversehrtheit klang er gewohnt ruhig.

»Was war denn da unten los?«

»Unterschätze nie das Ansehen eines Offiziers, den Namen Meindorff, die Entschuldigung, dass der Kadett noch ein unreifer Jungspund ist, auf den ich als älterer Bruder selbstverständlich ein wachsames Auge habe, wie auch auf die Mädchen in unserer Begleitung, und unterschätze auf keinen Fall die Wirkung, wenn man das alles dem...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2013
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Belletristik • Erster Weltkrieg • Europa • Krieg • Liebe • Roman • St. Petersburg
ISBN-10 3-96122-012-3 / 3961220123
ISBN-13 978-3-96122-012-0 / 9783961220120
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