Mein Mann, der Islamist (eBook)

Terrorisiert, verschleppt, befreit - Wie ich der Ehehölle entkam und meine Kinder rettete
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
304 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-21933-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Mann, der Islamist -  Kerstin Wenzel
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Was als liebevolle Beziehung begann, wurde zu einer Hölle aus Terror und Gewalt: Kerstin Wenzel und ihre vier Kinder haben am eigenen Leib erfahren, was es heißt, wenn der Ehemann und Vater sich zum aggressiven Fundamentalisten wandelt, der die vermeintlichen Gebote seines Glaubens über die Menschlichkeit stellt. Mehr als acht Jahre lang werden Mutter und Kinder von Mohamed M. in den Vereinigten Arabischen Emiraten festgehalten und sind dort massiven Misshandlungen ausgesetzt - bis Mutter und Kindern schließlich auf abenteuerlichen Wegen die Flucht gelingt ...

Dieses Buch ist bereits im Hardcover-Format unter dem Titel 'Abaya - Meine Kinder bekommst du nicht' im Heyne Verlag erschienen.

Kerstin Wenzel, geboren 1968, studierte Sprach- und Literaturwissenschaft und bekam mit ihrem syrischen Ehemann vier Kinder. Im Jahr 2003 wurde die Familie vom Ehemann in die Vereinigten Arabischen Emirate gebracht. Nach acht Jahren gelang Kerstin Wenzel mit den Kindern die Flucht zurück nach Deutschland. Heute arbeitet sie als freie Lektorin sowie Fremdsprachenberaterin und lebt an einem sicheren, aber geheim gehaltenen Ort.

Wehrt euch, Frauen!

Wenn ich in den letzten Jahren meine Geschichte erzählen musste, um die nötige Unterstützung bei Polizei, Ämtern, Gerichten, Notaren und Anwälten zu bekommen, habe ich meist bestürzte Gesichter gesehen. Oftmals habe ich dann gehört, über diese Geschichte könnte ich eigentlich ein Buch schreiben … Hier ist es.

Wichtig ist mir: Ich möchte mit meinem Buch keinesfalls Muslime angreifen oder gar den gesamten Islam in Bausch und Bogen als böse, als rückständige Religion anprangern. Dies ist absolut nicht mein Ziel und entspräche auch gar nicht meiner Überzeugung.

Obwohl unser Fall kein Einzelschicksal ist, möchte ich betonen, dass sich mein Bericht um einen Mann dreht, der durch die negativen Einflüsse einer Gruppe von Sektierern zu einem unbarmherzigen, grausamen Tyrannen seiner Familie wurde. Dieses Thema ist religionsübergreifend. Man denke nur an die Fälle fundamentalistisch-evangelikaler Bibelchristen. In Erinnerung ist mir der Lüneburger Axel H., der vor ein paar Jahren seine vier Töchter zu einer Radtour von der Ex-Frau abholte und die vier- bis achtjährigen blonden Mädchen über Ägypten in den Sudan entführte, um sie ausgerechnet dort, in einem islamischen Bürgerkriegsland, ungestört von Familie und Schulpflicht ganz nach seinen radikalen christlichen Glaubensvorstellungen erziehen zu können.

Typisch für solche Religionsfanatiker scheint mir zu sein, dass sie ihre Idee eines Gottesstaates mit aller Gewalt in der eigenen kleinen Familie – wo sonst? – zu verwirklichen suchen und dabei zerstören, was eigentlich Basis und Kern ihres angestrebten gottgefälligen Lebens in einer gleichgesinnten Gemeinschaft sein sollte.

In meinem Fall geht es um das folgenreiche Abdriften eines Mannes in den ultrakonservativen Salafismus, eine Strömung, die vermeintliche Ideale aus der Frühzeit des Islam propagiert und, wie wir durch den Islamischen Staat (IS) heute besser denn je wissen, bei der Durchsetzung ihrer kruden Ideen mit Gewalt und Terror jeder Art und gegen jeden, Kinder eingeschlossen, nicht zimperlich ist.

Lange habe ich überlegt, ob ich meine Geschichte wirklich aufschreiben und damit noch einmal alles durchleben möchte, was mir über zwanzig Jahre hinweg und meinen Kindern den Großteil ihres bisherigen Lebens angetan wurde. Oft habe ich mir die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, alles zu verdrängen und zu versuchen, das Geschehene zu vergessen. Ob es nicht auch für meine Kinder besser wäre, nie wieder davon zu sprechen.

Die Antwort gab und gibt mir der Alltag. Auch nach Jahren wache ich noch in mancher Nacht schweißgebadet auf, weil ich einen dieser schrecklichen Momente meiner Ehehölle im Traum wieder durchlebt habe. Bis heute zucke ich zusammen, wenn ich auf der Straße hinter mir jemanden Arabisch sprechen höre. Offenbar ist es mir bislang völlig unmöglich gewesen, den größten Teil eines qualvollen Lebens komplett auszublenden und zu vergessen. Man kann nicht ungeschehen machen, was meinen vier Kindern und mir an Gewalt und Erniedrigung widerfahren ist – und nur wenn ich alles aufgeschrieben, alles für mich verarbeitet habe, kann ich mit der Vergangenheit abschließen.

Mit meiner Geschichte möchte ich jede Frau – insbesondere all jene, die mit einem scheinbar in die westliche Gesellschaft integrierten Mann aus einer anderen Kultur verheiratet sind (oder das planen) – dazu ermahnen, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen und jede noch so kleine Veränderung in den religiösen Auffassungen ihres Mannes genau zu registrieren und entsprechend konsequent zu handeln. Setzt Grenzen, holt euch Hilfe, bringt euch notfalls in Sicherheit. Lasst es gar nicht erst so weit kommen, dass euer Leben von Gewalt, Drohungen und Erpressungen bestimmt ist – so wie es meines anfangs aus Scham, später aus Angst um meine Kinder viel zu lange war. Wehret den Anfängen, sagten die Römer.

Trotz des anfänglichen Verliebtseins darf Gewalt kein Thema in einer Beziehung darstellen. Die Angst vor dem Alleinsein mag eine Frau gerade in einer jungen Liebe vor einer Trennung zurückschrecken lassen. Aber dieser erste Schmerz, wenn man trotz Liebe geht, ist ganz gewiss einem Leben vorzuziehen, das von Grausamkeiten und Erniedrigungen geprägt ist.

Ihr tut euch keinen Gefallen damit, wenn ihr alles duldet und über euch ergehen lasst – in dem irrigen Glauben, dass eure Liebe die Pein schon überstehen oder gar besiegen wird. Oder in dem Glauben, dass Gott oder Allah euch dafür im Jenseits belohnen würde. Dem ist sicher nicht so.

Keine Beziehung lässt sich auf Gewalt und Unterdrückung aufbauen. Es ist keineswegs eine Schande, sich Hilfe zu suchen. Denn ganz gleich, was sie euch erzählen: Rohe Gewalt gegen Frauen und Kinder ist nicht mit dem Islam und auch mit keiner anderen Religion vereinbar.

Der echte Islam propagiert keine Gewalt gegen Schwache.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten lief seit 2012 eine Aufklärungskampagne zu der berühmt-berüchtigten Koransure Al-Nisa, die Frauen. »Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, und entfernt euch von ihnen in den Schlafgemächern und schlagt sie«,1 heißt es in Vers 34. Viele radikale Muslime leiten daraus das Recht ab, Frauen zu züchtigen. In einem Zeitungsartikel der Journalistin Ola Salem in »The National« (Emirate) hieß es unter dem Titel »Der Koran befürwortet kein Schlagen«: »Die Falschinterpretation eines Koranverses hat es Männern ermöglicht, ihre Frauen nach freiem Belieben zu schlagen und dabei zu behaupten, das religiöse Gesetz des Islam, die Scharia, würde ihnen das Recht hierzu geben …«2 Die emiratische Islamwissenschaftlerin Dr. Jamila Khanji stellt fest, dass die falsche Auslegung des arabischen Wortes idrobohun, das unter anderem als »leichtes Klapsen«, »ignorieren«, »sich fernhalten« oder »verlassen« übersetzt werden kann, dazu geführt hat, dass viele Frauen »gebrochen und zerstört« wurden und werden. Und sie fährt fort: »Eine Frau zu schlagen ist zutiefst verletzend, es zerstört die Beziehung irreparabel.«3

In derselben Tageszeitung stand unter der Überschrift »Empörung über Fatwa zur häuslichen Gewalt« folgender Bericht: »Kairo. Diese Woche entschied Sheikh Abdel Hamid Al Atrash, Leiter der Kommission für Religiöse Urteile (Fatwas) und religiöse Erlässe an der Al Azhar University in Kairo, dem höchsten islamischen Institut der Sunniten, dass Frauen das Recht haben, Gewalt zu gebrauchen, um sich vor gewalttätigen Ehemännern zu schützen. Eine Frau hat das legitime Recht, ihren Mann zu schlagen, um sich zu verteidigen. Jeder hat das Recht, sich zu verteidigen, sei er nun Mann oder Frau … weil alle Menschen vor Gott gleich sind.«4 Auch der saudische Sheikh Abdel Mohsen Al Abyakan forderte Frauen auf, zu derselben Art von Gewalt zu greifen, die ihre Ehemänner gegen sie gebrauchen, sei es nun mit einem Lederriemen oder einem Stromkabel. Sheikh Abyakan bestätigte seine Ansichten auf einer bekannten muslimischen Website. »Die Frau kann Gewalt gebrauchen, um sich gegen die Gewalttätigkeit ihres Ehemannes zur Wehr zu setzen. Wenn ihr Ehemann sie schlägt, kann sie ihn zurückschlagen, und wenn er versucht, sie zu töten, kann sie ihn töten, um sich selbst zu verteidigen, wenn dies für sie die einzige Möglichkeit ist, um ihr Leben zu retten.«5

Keine Sorge, dies soll kein Aufruf zum ehelichen Blutbad sein, sondern nur ein sehr plakatives Beispiel, wie weit das gleiche Recht nach Ansicht eines Religionsexperten schlimmstenfalls gehen dürfe.

Die Botschaft aus all dem lautet für mich vielmehr: Bitte habt Mut und kämpft gewaltlos gegen Gewalt in eurer Familie. Gewalt ist keine Option. Gebt niemals auf, denn damit stärkt ihr nur die Verbrecher, egal welchen Glaubens, die euch und euren Kindern das antun. Wenn ihr in eurem Umfeld auf Gewalt gegen Frauen und Kinder aufmerksam werdet, schaut nicht weg! Es könnte sein, dass eure Hilfe gebraucht wird. Leistet die Unterstützung, die mir leider oft verwehrt blieb.

Oft ist Außenstehenden auch nicht klar, in welcher Verfassung sich Gewaltopfer befinden. Der Pädagoge Martin R. Textor schreibt über geschlagene Frauen: »Zumeist brechen sie nicht aus der Ehe aus, da sie von ihren Partnern abhängig sind und sich selbst als unselbständig und unfähig erleben. Sie haben oft Alpträume, schlafen schlecht, leiden unter psychosomatischen Beschwerden, sind energielos und verzweifelt.« Textor weiter: »Geschlagene Frauen akzeptieren in der Regel ihre Männer als Familienoberhäupter, ordnen sich ihnen unter, sind unterwürfig und versuchen zumeist, deren Wünsche zu erfüllen. Oft erleben sie sich als inkompetent, wertlos oder nicht liebenswert und leiden unter negativen Selbstwertgefühlen.«

Textors wichtigste Feststellung über geschlagene Frauen ist für mich: »Sie halten sich vielfach für schuldig, wenn sie von ihren Partnern geschlagen werden.«6 Diesen Satz muss man wirklich mehrmals lesen. Er beschreibt, wie tägliche Gewalt das Erleben und Empfinden der Frau auf den Kopf stellt. Denn selbstverständlich gilt, was der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotruf jedem Opfer zu vermitteln versucht: »Sie haben keine Schuld. Auch wenn Sie sich nicht gewehrt haben!«7

Gewalt ist ein Gefängnis ohne Gitterstäbe. Ohne fremde Hilfe ist ihm schwer zu entkommen oder, anders gesagt: Einem Ertrinkenden lediglich »Schwimm doch!« zuzurufen hilft...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2017
Zusatzinfo mit Bildteil
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Arabien • Autobiografie • Biografie • Biographien • eBooks • Ehe • Entführung • Flucht • Frauen • Fundamentalismus • Häusliche Gewalt • Islamismus • Kindsentführung • Missbrauch • Misshandlung • Muslim • Salafismus • Schicksal • Terror • Terrorismus
ISBN-10 3-641-21933-7 / 3641219337
ISBN-13 978-3-641-21933-8 / 9783641219338
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