Aus eigener Kraft (eBook)

Wie mich die größte Krise meines Lebens stark gemacht hat
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
256 Seiten
Edel Sports - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-8419-0487-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aus eigener Kraft -  Michael Teuber,  Thilo Komma-Pöllath
Systemvoraussetzungen
15,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Nach einem Autounfall 1987 ist Michael Teuber inkomplett querschnittsgelähmt. Nach 3 Jahren im Rollstuhl kämpft er sich mit eisernem Willen und hartem Training zurück in ein mobiles Leben. Die Autobiografie des Leistungs- und Extremsportlers zeigt, dass mit Mut, Willen und Disziplin persönliche Krisen überwunden und große Ziele erreicht werden können: 'Behinderte können einen Beitrag leisten zur Lösung der deutschen Heldenkrise.' (Michael Teuber)

Michael Teuber, Jhrg. 1968, ist mit vier paralympischen Goldmedaillen und 18 WM-Titeln im Paracycling einer der erfolgreichsten deutschen Spitzensportler mit Behinderung.Nach einem Autounfall inkomplett querschnittsgelähmt, ist Teuber seit 1999 professioneller Sportler, Bergsteiger und Abenteurer. Weil er sich auch öffentlich zu sportpolitischen Themen äußert, gilt er als einer der wenigen Meinungsführer im deutschen Spitzensport. Bei den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro geht er als Medaillenaspirant im Straßen-Einzelzeitfahren an den Start. Michael Teuber lebt mit seiner Familie in Dietenhausen bei München.

Michael Teuber, Jhrg. 1968, ist mit vier paralympischen Goldmedaillen und 18 WM-Titeln im Paracycling einer der erfolgreichsten deutschen Spitzensportler mit Behinderung. Nach einem Autounfall inkomplett querschnittsgelähmt, ist Teuber seit 1999 professioneller Sportler, Bergsteiger und Abenteurer. Weil er sich auch öffentlich zu sportpolitischen Themen äußert, gilt er als einer der wenigen Meinungsführer im deutschen Spitzensport. Bei den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro geht er als Medaillenaspirant im Straßen-Einzelzeitfahren an den Start. Michael Teuber lebt mit seiner Familie in Dietenhausen bei München. Thilo Komma-Pöllath, Jhrg. 1971, ist Journalist und Autor. Seit 2006 betreibt er in München sein eigenes Redaktionsbüro "KOMMA MEDIA", entwickelt Magazine und schreibt frei für das SZ-Magazin, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und den stern. 2015 erschien von ihm die Uli-Hoeneß-Biographie "Die Akte Hoeneß – Portrait eines Potentaten" (CBX-Verlag).

1 Was ich einmal werden wollte, was ich geworden bin

Die Frage, was ich einmal werden will, die Frage also, die sich jeder Jugendliche stellt, wenn das Leben auf ernst schaltet, habe ich mir nie gestellt. Auch nicht vor dem 1. August 1987. Da war ich 19 Jahre jung, kurz vor dem Abitur und das Leben stand mir offen. Wie man so sagt. Interessante Redewendung. Und dann: Nach halb zwei Uhr nachmittags konnte von stehen keine Rede mehr sein. Ich saß im Rollstuhl. Querschnittsgelähmt. Behindert. Schon klar, ich war nicht todkrank, aber völlig intakt eben auch nicht mehr. Was konnte ich jetzt noch werden?

Polizist, Popstar oder Rennfahrer wäre mir schon als Kind nicht in den Sinn gekommen. Was Kinder eben so werden wollen. Mit mangelndem Ehrgeiz hatte das nichts zu tun, vielmehr konnte ich schon von klein auf mit kindischen, weil unrealistischen Schwärmereien nichts anfangen. Meine Eltern ahnten schon damals, dass ich mich nicht – völlig unnötig und viel zu früh – auf etwas festlegen lassen wollte, das mich dann doch nicht für mein ganzes Leben ausfüllen konnte. Spätestens seit der siebten Klasse wusste ich, dass ich das Abitur machen werde, daran hatte ich keinerlei Zweifel. Zweifel hatte ich grundsätzlich nicht viele. Meine Mutter Annemie bestärkte mich darin, das Leben von seinen Stärken her zu betrachten. „Such’ dir was, das dir Spaß macht. Intelligent genug bist du!“

Ein einziges Mal, ich war etwa acht Jahre alt, bin ich von der teuberschen „Sich bloß nicht festlegen“-Regel abgewichen. Ich war bei der Maier-Oma am Tegernsee zu Besuch, der, anders als im Märchen, guten Stiefmutter meiner Mutter. Ich liebte die Maier-Oma, sie hatte so viel Güte und Freundlichkeit in ihrem Wesen und schien mir immer zu signalisieren: „Michi, egal wie du es machst, du machst das schon richtig!“ Sie war damals ungefähr 50 Jahre alt, was mir als Kind uralt vorkam, und ich ging wohl davon aus, dass sie es nicht mehr lange machen würde. Jedenfalls sagte ich zu ihr: „Maier-Oma, ich werde Doktor, damit du nicht sterben musst.“ Die Maier-Oma lachte nur. Ich bin kein Arzt geworden, gestorben ist sie bis heute nicht, die Maier-Oma. Es blieb das einzige berufliche Ziel, das ich in meinem Leben je formuliert habe.

Als Teenie war mir der Gedanke an „Arbeit“, an „Nine to Five“, generell ein Graus, an dem nur Spießer Gefallen finden konnten. Hey, es waren die Achtziger, ich trug Kajal unter den Augen, Schmuck überall und spitze Schuhe an den Füßen, und das in der bayerischen Provinz! Ich wollte mich ausprobieren, ich wollte was anderes als die Mainstream-Maibaum-Jugend. Ich wollte mir Zeit lassen, die ich, das weiß ich heute, so nicht hatte. Gerade volljährig, das Abi in Sichtweite, wollte ich in jede nur mögliche Lustnische meines jungen Lebens schnuppern: Surfen, Segeln, Mode, Mädels. Nebenbei die Schule fertig machen, später an die Uni. Was Richtiges studieren, einen guten Job, einen gut bezahlten Job. Konkreter war das nicht. Ich wollte was werden, aber bitte noch nicht sofort. Ich war kein Typ, der sich sonderlich Sorgen um seine Zukunft machte, lang herumgrübelte, sondern einer, der an seine Möglichkeiten glaubte. Wie soll ich sagen: Ich hatte schon als junger Bursche ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das auch meine Eltern immer wieder überraschte. „Michi, woher hast du das nur?“, war ein Standardspruch meiner Mutter. Die Antwort war einfach: Von dir und Papa.

Dann kam der 1. August 1987, der Tag, der meine Möglichkeiten im Leben dramatisch beeinflussen sollte. Zunichtemachte, dachten die meisten. Aber auch das kam anders. Ausgerechnet mit dem Unfall ergab sich die günstige Fügung für mein Leben, dass ich mich nie um einen dieser langweiligen, spießbürgerlichen Jobs mit dem klassischen Chef, der schlechten Bezahlung und dem üblichen Mobbing bewerben musste. Es gehört zu den Kuriositäten meines Lebens, dass ich nur durch meine Querschnittslähmung Profisportler werden konnte.

Es gibt Menschen, die, weil sie zu viele Talente haben, ihre Möglichkeiten im Leben vertändeln. Sie fangen vieles an und bringen nichts zu Ende. Da hatte ich es besser. Ich stürzte mich auf das Wenige, das ich noch hatte, das ich jedoch unbedingt nutzen wollte: meinen gesunden Menschenverstand und das, was von meinem Körper übrig blieb. Beides erwies sich als erstaunlich lebendig. Nach dem Unfall wurde mir ziemlich schnell klar, was ich zu tun hatte. Die Rückkehr in ein einigermaßen normales Leben, die Rehabilitation, die Quälerei waren anfangs natürlich kein Spaß. Aber als sich die ersten Fortschritte zeigten, als ich den Rollstuhl nach über zwei Jahren verlassen konnte, da erinnerte ich mich wieder an die Ermunterung meiner Mutter: Junge, mach, was dir Spaß macht im Leben! Elf Jahre später beschloss ich, Leistungssportler zu werden. Heute weiß ich: Ein Leben in der Weltspitze macht eine Menge Spaß, selbst wenn man seine Beine nicht mehr spüren kann.

Ich hatte das, was man eine unbeschwerte, glückliche Kindheit nennt. Ich war ein fröhlicher Bub, konnte die Leute um mich herum zum Lachen bringen. Ich spielte am liebsten draußen auf der Straße und war schon als Kind sehr unabhängig, wie meine Mutter sagt. Was wohl heißen soll, dass ich sie mit meinem Bewegungs- und Freiheitsdrang an die Grenzen ihrer Pädagogik brachte und ihr manchmal ziemlich auf die Nerven ging. Big Jim war mein Ideal, ein martialischer Plastikheld, mit Muskelpaketen überall, die dicken Arme in Siegerpose in die Höhe gereckt. Sein durchgedrückter Rücken gefiel mir, was war dagegen schon der Schönling Ken? Wenn man jung ist, will man autonom, stark und selbstbewusst sein und Dinge einfach tun können, ohne die Eltern fragen zu müssen. Was ich schon als Kind in mir spürte, wurde spätestens mit dem Unfall zum wichtigsten Charaktermerkmal: meine Unabhängigkeit. Gerade in den ersten Wochen nach dem Unfall, im Krankenhaus, wurde mir bewusst, wie einsam man sich fühlen kann, wenn man für jeden noch so kleinen Schritt jemanden braucht, der einem hilft, weil man selbst nichts mehr einfach nur so tun kann: Aufstehen, Treppen steigen, Füße hochlegen, pinkeln.

Als Fußgelähmter darf ich diesen platten Wortwitz machen: Die Freiheit des Einzelnen – auf ihr fußt alles im Leben. Das ist zumindest meine Grundmaxime. Mein Gerechtigkeitsempfinden, meine Aversion gegen blinden Gehorsam, meine Abneigung gegen Bevormundung, meine kritische Haltung Autoritäten gegenüber, all das war bei mir bereits in meiner Kindheit angelegt, fragen Sie meine Eltern. Ich wollte mich nicht unterordnen. Sie werden kaum einen Lehrer finden, der mich damals nicht als renitent und aufmüpfig empfunden hat (na gut, ein, zwei mag es gegeben haben, denen ein freier Geist, eine selbständige Denke wichtiger waren als der starre Lehrplan).

Seit der Mittelstufe des Gymnasiums wusste ich, dass ich, anders als mein älterer Bruder Christian, niemals zur Bundeswehr gehen würde. Mein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist auf den 31. Juli 1987 datiert. An diesem Tag steckte ich das Kuvert an das Bundesamt für den Zivildienst in die Post. Es ist der Tag, an dem ich mich abends auf jene unglückselige Reise nach Portugal aufmachte, die mein Leben von den Füßen auf den Kopf stellte. Der Tag vor der größten Katastrophe meines Lebens. So sahen es damals alle, vor allem meine Eltern. Keine 24 Stunden, nachdem ich den Brief eingeworfen hatte, in dem ich meinem Land darlegte, warum ich aus Gewissensgründen keine Waffe in die Hand nehmen könne und meine Dienstzeit lieber etwas Sinnvollerem opfern wolle, meinetwegen mich als Zivi um Behinderte zu kümmern. Keine 24 Stunden später war ich selbst behindert, ein Pflegefall, der auf Hilfe angewiesen war.

Bis zum Abitur, der Entlassung in die größtmögliche persönliche Freiheit der Erwachsenenwelt, war es noch ein Jahr, aber ich wollte meine Haltung so früh es geht demonstrieren. Nach der Pfeife von anderen tanzen – niemals! Mit 18 war ich aus der Kirche ausgetreten, es war meine erste Amtshandlung als erwachsener deutscher Staatsbürger, noch bevor ich das erste Mal zur Wahl ging. Im Ohr hatte ich dabei den Religionslehrer, der mir in der Grundschule in Odelzhausen eine Watschn androhte, nur weil ich im Unterricht geschwätzt hatte. Nein, ich bin nicht für streng hierarchische Systeme wie das Militär, die katholische Kirche oder auch den Klinikbetrieb gemacht. Solche Systeme schließen das Selberdenken zu oft aus. Nicht meine Denke vom Leben.

Dass ich ein Mensch bin, der eine eigene, oft unbequeme Meinung hat und deshalb mitunter aneckt, das habe ich von meinen Eltern. Sie haben mich zu einem eigenständigen Menschen mitgeformt, das war und bleibt die große Kunst ihrer Erziehung. Was andere über mich denken, darüber habe ich mir nie viele Gedanken gemacht. Und spätestens in der Klinik, nach meiner Querschnittsdiagnose, hatte ich dafür auch gar keine Zeit mehr. Seit meine Beine gelähmt sind, weiß ich die Freiheit zwischen meinen Ohren noch viel mehr zu schätzen. Nur indem ich nach dem Unfall meine Ratio benutzte, konnte ich den lange ergebnisoffenen Schwebezustand zwischen Lähmung und Fortschritt austarieren, meinen persönlichen Erwartungsdruck bezüglich der maximal erreichbaren Mobilität in Schach halten. Und ich lernte, dass die Fähigkeit, von anderen Hilfe anzunehmen, nicht automatisch den Verlust der Unabhängigkeit bedeuten muss, sondern der Beweis innerer Größe sein kann.

Soweit ich mich zurückerinnere, hatte ich im Umgang mit meiner Behinderung von Anfang an das gute Gefühl: So, wie ich es mache, ist es richtig. Ich bin nicht in Depressionen versunken, ich habe nie gedacht, dass es das schon gewesen sein könnte mit mir. Ich habe...

Erscheint lt. Verlag 29.8.2016
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Behindertensport • Biografie • Biographie • Erfahrungsbericht • Lebenskrise • Paralympics • Querschnittsgelähmt • Radsport • Stark werden • Zurück ins Leben
ISBN-10 3-8419-0487-4 / 3841904874
ISBN-13 978-3-8419-0487-4 / 9783841904874
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 1,0 MB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99