Die langen Tage von Castellamare (eBook)

Ein Familienroman
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2016 | 1. Auflage
480 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1376-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die langen Tage von Castellamare -  Catherine Banner
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Eine sizilianische Insel, drei Generationen, ein großes Familienepos Castellamare ist eine winzige Insel vor der Küste Siziliens. Als der Arzt Amedeo seine Stelle antritt, wird er zunächst misstrauisch beäugt. Er jedoch liebt seine neue Heimat und beginnt, ihre alten Legenden zu sammeln und aufzuschreiben. Eines Nachts hilft er bei zwei Geburten: Das Kind seiner Frau und das Kind seiner Geliebten kommen auf die Welt. Der Skandal kostet Amedeo Ansehen und Position. Um auf Castellamare bleiben zu können, übernimmt er mit seiner Frau ein kleines Café. Es wird der Mittelpunkt der Familie und der Insel - über mehrere Generationen hinweg, durch alle Kriege und Krisen, allen Veränderungen zum Trotz. Amedeo Esposito wächst als Waisenkind in Florenz auf. Schon immer hat er Geschichten geliebt und in seiner roten Kladde gesammelt. Als er ganz im Süden Italiens eine Stellung als Arzt antritt, fühlt er sich zum ersten Mal in seinem Leben zu Hause. Die Insel Castellamare mit ihrer verschworenen Gemeinschaft kann einem Arzt nicht viel bieten, einem Geschichtenliebhaber jedoch eine Fülle an Erzählungen und Geheimnissen. Zusammen mit seiner Frau, der schönen, klugen Pina, restauriert Amedeo ein altes Café. Direkt über dem Meer gelegen wird es ein beliebter Treffpunkt. Und für mehrere Generationen das Zuhause der Familie, die ein Jahrhundert der Veränderungen durchlebt: Freundschaften und Fehden, Kriege, Hochzeiten, Geburten und immer wieder die Liebe. Ein großer Familienroman über eine kleine Insel, berührend und äußerst unterhaltsam erzählt.

Catherine Banner wurde 1989 in Cambridge geboren, wo sie auch englische Literaturwissenschaften studierte. Mit vierzehn begann sie zu schreiben. Sie hat mehrere erfolgreiche Jugend- und Fantasyromane veröffentlicht. Die langen Tage von Castellamare ist ihr erster Roman für Erwachsene. Sie lebt mit ihrem Mann in Turin, Italien.

Catherine Banner wurde 1989 in Cambridge geboren, wo sie auch englische Literaturwissenschaften studierte. Mit vierzehn begann sie zu schreiben. Sie hat mehrere erfolgreiche Jugend- und Fantasyromane veröffentlicht. Die langen Tage von Castellamare ist ihr erster Roman für Erwachsene. Sie lebt mit ihrem Mann in Turin, Italien.

EINST WURDE DIE GANZE INSEL Castellamare vom Fluch der Klagen heimgesucht. Er kam aus den Höhlen am Meer, und da die Insulaner ihre Häuser aus dem Felsen gebaut hatten, der das flüssige Feuer des Vulkans gewesen war, erklangen diese Klagelaute schon bald in allen Wänden, sie hallten durch die Straßen, und selbst der Torbogen über dem Eingang zum Ort jammerte nachts wie eine verlassene Braut.

Die Insulaner litten unter diesem Fluch und lebten in Unfrieden. Väter vertrugen sich nicht mit Söhnen, Mütter wandten sich gegen Töchter, Nachbarn weigerten sich, miteinander zu sprechen. Kurzum, niemand fand seinen Frieden.

Das ging viele Jahre so, bis irgendwann im Herbst ein schweres Erdbeben kam. Die Insulaner wurden durch eine Erschütterung im Herzen der Insel geweckt, ein schreckliches Zittern. Das Erdbeben ließ das Kopfsteinpflaster auf den Straßen und das Geschirr in den Schränken klappern. Gebäude begannen zu wackeln wie Ricotta. Gegen Morgen hatte das Beben jedes Haus dem Erdboden gleichgemacht.

Während die gefallenen Steine klagten und jammerten, kamen die Insulaner zusammen, um zu entscheiden, was zu tun war.

Eine junge Bauerstochter namens Agata, der die Madonna erschienen war, sagte: »Die Steine der Insel sind voller Traurigkeit. Wir müssen aus den Ruinen ein neues Dorf erbauen. Wenn wir diese schwere Aufgabe bewältigt haben, wird der Fluch der Klagen vorbei sein.«

Also setzten die Insulaner Stein auf Stein und bauten den Ort neu auf.

Aus einer alten Erzählung über die Insel, in der Version, die mir zuerst von Pina Vella erzählt wurde, aufgezeichnet beim Fest der heiligen Agata 1914.

I


Ein kratzendes Geräusch an den Fensterläden weckte ihn auf. Also musste er geschlafen haben. »Das Baby kommt«, rief jemand. »Signor il Dottore.«

In seiner Verwirrung glaubte er, Pinas Baby sei gemeint, das Kind seiner Frau. Er war schon aufgesprungen und, mit Bettlaken umwickelt, am Fenster, bevor ihm einfiel, dass Pina neben ihm schlief. Das Gesicht am Fenster gehörte dem Bauern Rizzu und schwebte wie ein Mond im Dunkeln. »Wessen Kind kommt?«, fragte der Arzt.

»Das von Signor il Conte. Wessen sonst?«

Also ging er, um Pina nicht zu wecken, an die Tür. Das Mondlicht im Hof ließ alles in eigenartiger Klarheit erscheinen. Selbst Rizzu war verändert. Der Bauer, der sein sonntägliches Wams und eine Krawatte angelegt hatte, wirkte so steif, als wäre er darin festgenagelt. »Das ist ein Missverständnis«, sagte der Arzt. »Ich habe keine Anweisungen, das Kind des Conte auf die Welt zu holen.«

»Aber Signor il Conte höchstpersönlich hat mir befohlen, Sie zu ihm zu bringen.«

»Mir wurde nicht aufgetragen, die Contessa während ihrer Wehen zu begleiten. Die Hebamme hat sie in der Schwangerschaft betreut. D’Isantu hat bestimmt gemeint, dass Sie stattdessen sie holen sollten.«

»Nein, nein, die Hebamme ist schon dort. Der Conte will Sie auch dabeihaben. Dringend, hat er gesagt.« Rizzu plusterte sich unter der Wichtigkeit seiner Botschaft auf. »Kommen Sie jetzt? Sofort?«

»Meine Frau kommt auch sehr bald nieder. Ich möchte mich nicht weit vom Haus entfernen.«

Aber Rizzu beharrte: »Das Kind der Contessa kommt in diesem Augenblick, gerade jetzt. Ich glaube, da führt kein Weg dran vorbei, Dottore.«

»Und die Hebamme schafft es nicht alleine?«

»Nein, Dottore. Die Geburt ist … kompliziert. Die brauchen Sie, weil das Baby nicht ohne Ihr Silberzangenzeug rauskommen will.« Rizzu spitzte die Lippen, als er solche Sachen direkt ansprechen musste. Er war bei der Geburt seiner Kinder nicht zugegen gewesen und hatte sich lieber vorgestellt, sie wären der Erde entsprungen wie Adam und Eva. »Kommen Sie jetzt?«, fragte er.

Der Arzt fluchte im Stillen, aber ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als hinzugehen. »Ich hole Hut und Mantel«, sagte er. »Wir treffen uns in fünf Minuten auf der Straße. Haben Sie Ihren Eselskarren dabei, oder müssen wir zu Fuß gehen?«

»Nein, Dottore, ich habe den Karren mitgebracht.«

Er zog sich im Dunkeln an. Seine Uhr zeigte Viertel vor zwei. Er packte seine Instrumente ein: Zange, Stahlschere, ein Satz Spritzen – das alles hatte er für die bevorstehende Niederkunft seiner eigenen Frau vorbereitet – sowie Morphium und Magnesiumsulfat für den Notfall. Anschließend weckte er Pina. »Wie oft wecken dich die Schmerzen, ­amore?«, fragte er. »Bei der Frau des Conte haben frühzeitig die Wehen eingesetzt, verflucht soll sie sein, und man hat mich gerufen, um ihr beizustehen.«

Pina war ungehalten über die Störung. »Sie kommen noch nicht oft … nur alle halbe Stunde … lass mich schlafen …«

So Gott wollte, würde er es schaffen, das Kind der Contessa auf die Welt zu holen und rechtzeitig zur Niederkunft seiner Frau zurück zu sein. Bevor er ging, lief er über die Piazza und weckte die alte Gesusina, die auf der Insel Hebamme gewesen war, bis sie allmählich ihr Augenlicht verlor. »Signora Gesusina, mi dispiace«, sagte er. »Würden Sie bei Pina bleiben? Ich bin zu einer anderen Patientin gerufen worden, und bei Pina haben die Wehen eingesetzt.«

»Wer ist die andere Patientin?«, wollte Gesusina wissen. »Bei der heiligen Agata, liegt denn eine andere arme Seele auf dieser gottverdammten Insel im Sterben, dass Sie Pina gerade jetzt allein lassen müssen?«

»Bei der Frau des Conte haben frühzeitig die Wehen eingesetzt, und es gibt Komplikationen; ich soll die Zange mitbringen.«

»Die Frau des Conte, wie? Und man hat Sie hinzugerufen?«

»Ja, Signora.«

»Nach allem, was mir zu Ohren gekommen ist, haben Sie allen Grund, das Kind der Signora la Contessa nicht auf die Welt zu holen.« Die alte Frau versank in tiefgründiges Schweigen.

»Was haben Sie gehört, Signora Gesusina?« Der Arzt konnte seinen Ärger kaum unterdrücken.

»Gerüchte«, erwiderte Gesusina.

»Wie dem auch sei, würden Sie sich zu Pina setzen?«

Gesusina fasste sich wieder. »Ja, bei der heiligen Agata, natürlich. Wo sind Sie, mein Junge? Geben Sie mir Halt, damit ich auf diesen beschwerlichen Steinen nicht stolpere.«

Die Frau war wirklich fast blind. Gesusina folgte ihm über den Platz, wobei sie sich am Saum seines Mantels festhielt, und ließ sich auf einem Stuhl in der Ecke von Pinas Schlafzimmer nieder. Er hoffte nur, dass der Anblick der alten Gestalt Pina nicht erschrecken würde, wenn sie aufwachte.

Es war schon nach zwei. Er küsste Pina auf die Stirn und ging.

Noch immer fluchend, machte er sich auf die Suche nach Rizzu und dessen Eselskarren. Der verdammte d’Isantu und seine Frau. Sie hatten während der Schwangerschaft die Dienste der Hebamme bevorzugt und seine Hilfe verschmäht. Warum jetzt die Hast und Eile, ihn in die Villa zu rufen, um zwei Uhr nachts? Wahrscheinlich bestand die Komplikation lediglich darin, dass sich die Nabelschnur verdreht hatte oder die Wehen besonders schmerzhaft waren, und eine Geburtszange war überhaupt nicht vonnöten. Dennoch musste seine Frau allein bleiben, während er auf den Befehl des Conte hin über die Insel fuhr.

Rizzu wartete, den Hut in den Händen, als wäre er in der Kirche. Sie stiegen auf seinen Eselskarren, ein phantasievolles, grün-gelbes Gefährt. Die Seitenwände erzählten die Geschichten von berühmten Schlachten, Schiffswracks und Wundern, die auf der Insel geschehen waren. Der Wagen war nicht für schnelle Fahrten angelegt. Schweigend, nur von der Brandung des dunklen Meeres begleitet, fuhren sie durch die schlafenden Straßen. Der Mondschein glänzte auf den Palmenblättern und erleuchtete den staubigen Rücken des Esels. »Auf der ganzen Insel zwei Kinder kurz vor der Geburt«, grummelte der Arzt. »Das meiner Frau und das der Contessa, und beide zur gleichen Zeit. Wer will da schon medico condotto sein?«

»Ah«, sagte Rizzu, der seine Meinung über die Nöte von Landärzten nicht unbedingt zum Ausdruck bringen wollte. »Es ist immerhin ein doppelter Segen, Dottore, oder nicht? Zwei Neugeborene in derselben Nacht, das hat es auf dieser Insel noch nie gegeben.«

»Eine doppelte Unannehmlichkeit.«

Um zwanzig nach zwei erreichten sie das Tor des Conte. Der Arzt nahm seinen Mantel, seinen Hut, seine Tasche und das Stethoskop und machte sich im Laufschritt auf den Weg über die Auffahrt, um seine Aufgabe so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

Der Conte stand vor dem Schlafzimmer seiner Gattin im modernen Teil des Hauses Wache. Der angespannte Glanz in seinem Gesicht verlieh ihm ein verschwitztes, reptilienhaftes Aussehen. »Sie sind spät dran«, sagte er. »Ich habe vor fast einer Stunde nach Ihnen geschickt.«

»Ich hatte überhaupt keine Anweisung, diese Geburt zu begleiten.« Verärgert, wie er war, nahm der Arzt kein Blatt vor den Mund. »Meine Frau liegt in den ersten Wehen, sie hat schon seit Tagen immer wieder Schmerzen. Es kommt mir verdammt ungelegen, sie jetzt allein lassen zu müssen. Und ich dachte, die Contessa habe nur die Hebamme bei sich haben wollen.«

»Das ist richtig. Ich habe nach Ihnen geschickt. Carmela ist hier drinnen, sehen Sie am besten selbst nach ihr.«

Der Conte trat beiseite, um den Arzt an seinem massigen Körper vorbei in das Zimmer der Contessa zu lassen. Im Schein der neu installierten elektrischen Lampen sah alles bleich aus. Die Hebamme ging nach althergebrachter Methode vor – atmen, pressen, atmen,...

Erscheint lt. Verlag 12.8.2016
Übersetzer Marion Balkenhol
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Altes Land • Buch 2016 • canterbury schwestern • Dorfgeschichten • Dörte Hansen • Ein Leben mehr • Elena Ferrante • Familie • Familienepos • Familiengeschichte • Familiensaga • Frauenroman • Frauenunterhaltung • Freundschaft • Große Gefühle • Inselarzt • Isabel Allende • Italien • italien romane • Italo Calvino • Jocelyne Saucier • kleine Insel • Legende • Liebe • Liebesroman • liebesromane bestseller 2016 • Liebesromane deutsch • Luca di Fulvo • Meer • Meine geniale Freundin • Neu 2016 • Neuerscheinung 2016 • Neuerscheinungen 2016 • Saga • Sizilien • Sommer Roman • Syrakus
ISBN-10 3-8437-1376-6 / 3843713766
ISBN-13 978-3-8437-1376-4 / 9783843713764
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