Der Tag, an dem ich lernte zu leben (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
288 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-17649-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Tag, an dem ich lernte zu leben -  Laurent Gounelle
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Wie wäre es, wenn heute ein ganz neues Leben für dich beginnen würde?
Jonathan lebt in San Francisco und muss sich eines Tages eingestehen, dass er in eine Sackgasse geraten ist: Seine Frau hat ihn verlassen, seine Karriere droht zu scheitern, und er leidet unter der Trennung von seiner kleinen Tochter. Als ihm dann auch noch in Aussicht gestellt wird, dass er möglicherweise nicht mehr viel Zeit zu leben hat, spürt Jonathan, dass er handeln muss - er verlässt die Stadt und zieht sich zurück in das Haus seiner Tante am Meer. Noch ahnt er nicht, dass dort der Schlüssel zu einem erfüllten und sinnvollen Leben für ihn verborgen liegt. Um ihn zu finden, muss er jedoch bereit sein zu dem Wagnis, sich von seinen bisherigen Überzeugungen zu befreien und sein Herz auf ganz neue Weise für die Welt zu öffnen ...



Laurent Gounelle, 1968 geboren, studierte Soziologie und Philosophie an der Universität von Santa Cruz, Kalifornien. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich in seinen Büchern mit Neurowissenschaften, östlichen Weisheitslehren und dem Thema Persönlichkeitsentwicklung, einige Jahre unterrichtete er an der Universität von Clermont-Ferrand. Laurent Gounelle gehört zu den erfolgreichsten Autoren Frankreichs, seine Bücher stürmen stets die oberen Ränge der Bestsellerliste.

1

Das Übel an der Wurzel packen.

Vom Fenster des Badezimmers, oben in dem rosafarbenen Häuschen, das er vor fast drei Monaten in einer hübschen kleinen Straße von San Francisco gemietet hatte, sah Jonathan, mechanisch mit seiner Rasur beschäftigt, wie der Klee sich unerbittlich über den Rasen ausbreitete. Die arme Wiese, unter der sengenden Julisonne gelb geworden, schien bereit zu kapitulieren. Selbst Clopyralid war machtlos dagegen: Ein ganzer Kanister voll Herbizid, zu Beginn des Monats versprüht, hatte nichts genutzt. Man müsste ihn eigenhändig ausreißen, einen Halm nach dem andern, dachte Jonathan, während der Rasierapparat unter monotonem Summen sein Kinn massierte. Der Garten lag ihm am Herzen. Hinter dem Haus nach Süden ausgerichtet war dies der Ort, wo seine Tochter Chloé spielte, wenn sie ihn an jedem zweiten Wochenende besuchte.

Nach beendeter Rasur schaute Jonathan auf seinem Smartphone die eingegangenen E-Mails durch: Anfragen von Kunden, eine Reklamation, ein verschobenes Mittagessen, der Monatsbericht der Buchhaltung, ein Angebot des Telefonanbieters und einige Newsletters.

Wieder vor dem Spiegel griff er nach Pinsel und Flakon mit braunem Haarfärbemittel und strich die Lotion behutsam über die ersten weißen Haare. Mit sechsunddreißig Jahren war er zu jung, um den Abdruck der Zeit einfach hinzunehmen.

Eilends machte er sich fertig, um rechtzeitig im Café am Platz zu sein. Seit der Gründung ihrer kleinen Versicherungsgesellschaft fünf Jahre zuvor trafen sie, die drei Teilhaber, sich dort jeden Morgen zu einem schnellen Kaffee auf der Terrasse. Eine von ihnen war keine andere als seine Exlebensgefährtin Angela, und selbst ihre kürzlich vollzogene Trennung hatte an diesem offensichtlich unwandelbaren Ritual nichts geändert.

Ihre Firma war die einzige in der Stadt, die sich auf kleinere Unternehmer aus der Umgebung spezialisiert hatte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatten die Geschäfte nun so weit angezogen, dass die Teilhaber sich und ihrer Assistentin ein, wenn auch eher geringes, monatliches Gehalt überweisen konnten. Immerhin war es ihnen gelungen, sich zu etablieren, und die Wachstumsaussichten schienen durchaus vielversprechend. Sie mussten zwar alle Kraft zusammennehmen, und zeitweilig wurde Jonathan von einer bedrückenden Mutlosigkeit ergriffen, aber er glaubte daran, dass alles möglich sei, dass es keine anderen Grenzen gebe als die, die man sich selbst setzt.

Er trat hinaus, stieg die Außentreppe hinunter und ging zum Tor. Ein angenehmer sommerlicher Dunst lag in der Luft. Der kleine vordere Garten, der das Haus von der Straße trennte, befand sich nicht in besserem Zustand als der hintere. Nach Norden gelegen war er weithin mit Moos überzogen.

Im Briefkasten wartete Post. Jonathan öffnete ein Schreiben der Bank. Durch die Autoreparatur war sein Konto in die roten Zahlen gerutscht. Es musste schnellstens ausgeglichen werden. Das zweite Schreiben stammte von seinem Telefonanbieter. Sicherlich eine weitere Rechnung …

»Guten Tag!«

Der Nachbar, der ebenfalls gerade die Post holte, grüßte mit dem entspannten Ausdruck dessen, dem das Glück gewogen ist. Jonathan erwiderte den Gruß.

Eine Katze rieb sich miauend an seinen Beinen. Er bückte sich, um sie zu streicheln. Sie gehörte der alten Dame, die in dem kleinen Mietshaus nebenan wohnte. Zu Chloés größter Freude kam sie oft in seinen Garten.

Die Katze ging Jonathan voraus den Fußweg entlang bis zur Tür des Hauses, vor der sie stehen blieb und, zu ihm aufblickend, miaute. Er stieß die Tür auf, und die Katze schlich hinein, ohne den Blick von ihm zu wenden.

»Du willst, dass ich dich zurückbringe, stimmt’s? Ich hab’s eilig, weißt du«, sagte Jonathan, während er die Tür zum Aufzug öffnete und hinzufügte: »Los, mach schnell!«

Die Katze jedoch verharrte mit einem leisen Miau am Fuß der Treppe.

»Du magst die Treppe lieber, ich weiß … aber ich hab keine Zeit. Los, komm schon …«

Sie blieb hartnäckig und blinzelte. Jonathan seufzte.

»Du übertreibst …«

Er nahm die Katze hoch und stieg mit ihr Stufe um Stufe hinauf in den dritten Stock. Dort läutete er an der Wohnungstür und stieg sogleich wieder hinunter, ohne zu warten.

»Ah, da bist du endlich, du Ausreißer!«, rief die alte Frau.

Jonathan eilte die Gasse entlang, vorbei an verschlafenen Häusern, und bog schließlich nach rechts in die Geschäftsstraße ein, um den kleinen Platz zu erreichen, wo sie verabredet waren.

Er dachte an die Demonstration gegen die Rodung des Amazonas-Regenwaldes, an der er tags zuvor teilgenommen hatte. Einige hundert Menschen waren zusammengekommen und hatten die Aufmerksamkeit der lokalen Presse erregen können. Immerhin.

Als er am Schaufenster des Sportgeschäfts vorbeikam, fiel sein Blick auf das Paar Turnschuhe, das ihn seit einiger Zeit zu verhöhnen schien. Prächtige Treter, aber unerschwinglich. Kurz darauf lockte ihn der köstliche Duft ofenfrischer Kuchen, den eine österreichische Konditorei durch ihre geschickt an der Fassade angebrachten Lüftungsöffnungen verbreitete. Fast wäre er schwach geworden, doch dann beschleunigte er seinen Schritt. Zu viel Cholesterin. War unter allen Kämpfen nicht der gegen die vielfachen Wünsche, die den lieben langen Tag in uns geweckt werden, der schlimmste?

Hier und da lag ein Obdachloser unter einem Vordach und schlief. Der mexikanische Lebensmittelhändler hatte bereits geöffnet, ebenso der Zeitschriftenhändler und, ein paar Türen weiter, der puerto-ricanische Friseur. Jonathan sah einige vertraute Gesichter; Leute, die mit abwesender Miene zur Arbeit aufbrachen. In einer Stunde würde sich die Gegend mit lärmendem Leben füllen.

Der Mission District ist das älteste Viertel San Franciscos. Alles dort ist bunt gemischt: Viktorianische Villen, schon ein wenig verblasst, reihen sich an seelenlose Hochhäuser, die wiederum an halb baufällige Baracken grenzen. Alte Gebäude in Pastelltönen flirten mit solchen, deren Mauern von Graffiti in schreienden Farben übersät sind. Bevölkert ist das Viertel von den unterschiedlichsten Gemeinschaften, die sich zwar ständig begegnen, aber keinen echten Umgang miteinander pflegen. Man hört zahlreiche Sprachen, Chinesisch etwa, Spanisch, Griechisch, Arabisch oder Russisch. Jeder lebt in seiner Welt, ohne sich um die anderen zu kümmern.

Ein Bettler näherte sich mit ausgestreckter Hand. Jonathan zögerte einen Moment, wich jedoch dem Blick aus und setzte seinen Weg fort. Man kann nicht allen etwas geben.

Michael, sein Mitgesellschafter, hatte bereits auf der Caféterrasse Platz genommen, ein eleganter Vierziger mit charmantem Lächeln, der so schnell redete und derart sprühte vor Energie, dass man sich fragen mochte, ob er an eine Hochspannungsbatterie angeschlossen oder einfach mit Amphetaminen vollgepumpt war. In sandfarbenem Anzug und weißem Hemd mit geflochtener orangefarbener Seidenkrawatte saß er vor einem großen Kaffeebecher und einem carrot cake, offenbar passend zum Ton der Krawatte gewählt. Die Terrasse nahm einen großen Teil des Fußweges ein und erstreckte sich weit genug in die Tiefe, dass man die vorbeifahrenden Autos vergaß, abgeschirmt durch eine Reihe von Büschen in stattlichen Holzkübeln, die auch in der Orangerie eines Schlossparks hätten stehen können. Die Rattantische und -stühle verstärkten noch den Eindruck, dass man irgendwo anders war und nicht in der Stadt.

»Geht’s dir gut?«, fragte Michael aufgekratzt.

Seine Stimme erinnerte an die Darbietung von Jim Carrey in The Mask.

»Und dir?«, erwiderte Jonathan wie gewohnt.

Er holte einen kleinen Flakon mit antibakterieller Lotion aus der Jackentasche, verteilte ein paar Tropfen auf die Finger und rieb sich energisch die Hände. Michael betrachtete ihn mit amüsiertem Lächeln.

»Einfach Spitze, der Kuchen des Tages. Der haut dich um. Was nimmst du?«

»Isst du jetzt etwa Kuchen zum Frühstück?«

»Meine neue Diät: ein bisschen Zucker am Morgen, um in die Gänge zu kommen, dann den ganzen Tag keinen mehr. Entscheid dich für den Kuchen.«

Michael gab dem Kellner ein Zeichen und bestellte.

Unter den drei Teilhabern war Michael derjenige, der die Finessen ihres Geschäfts am besten beherrschte, und Jonathan empfand oft eine gewisse Bewunderung für ihn. Er beneidete ihn um die Leichtigkeit, mit der es ihm gelang, den Kunden in eine Stimmung zu versetzen, in der er sich überzeugen ließ. Während gemeinsam geführter Verkaufsgespräche hatte er unglaubliche Szenen miterlebt, in denen Michael sogar widerspenstige Kunden für seine Position hatte gewinnen können. Er selbst hingegen, der lange in Verkaufsstrategien ausgebildet und geschult worden war, verhielt sich stets korrekt und musste beträchtliche Anstrengungen unternehmen, wo Michael geschickt alle Register zog und die Kunden dazu brachte, neue Policen zu unterschreiben und ihren Versicherungsschutz immer weiter zu erhöhen, bis sie ein und dasselbe Risiko mehrfach abdeckten, ohne sich dessen bewusst zu sein … Auf diesem Gebiet, hatte Michael seinen Teilhabern ans Herz gelegt, sei die Angst das maßgebliche Gefühl, die wichtigste Verbündete des Beraters. Sie erwache im Blick des Unternehmers, sobald der sich eine Katastrophe, einen Diebstahl, einen Rechtsstreit ausmale. Zunächst kaum wahrnehmbar schleiche sie sich langsam und heimtückisch in die Windungen seines Gehirns, um schließlich die Entscheidungsfähigkeit in hohem Maße zu beeinflussen. Was bedeute schon der geforderte Jahresbeitrag, verglichen...

Erscheint lt. Verlag 25.7.2016
Übersetzer Jochen Winter
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Le jour où j'ai appris a vivre
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller in Frankreich • eBooks • Roman • Romane • San Francisco • Suche nach dem Glück
ISBN-10 3-641-17649-2 / 3641176492
ISBN-13 978-3-641-17649-5 / 9783641176495
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