Unter einem Dach (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-56351-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unter einem Dach -  Anneke Mohn
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Familie ist nichts für Feiglinge. Dana liebt ihren Job an der Uni, das Leben im Hamburger Grindelviertel - und Mattis. Dass ihr neuer Freund Kinder aus früheren Beziehungen hat, macht ihr nicht viel aus. Aber das Zusammenleben gestaltet sich weitaus komplizierter als gedacht. Als Mattis eine renovierungsbedürftige Villa am Hamburger Stadtrand kauft und kurz darauf Maren, seine Ex, vorübergehend mit ihren beiden Kindern bei ihnen einzieht, ist es mit der Harmonie vorbei: Die eine Tochter scheint fest entschlossen, Papas neue Freundin zu hassen, die andere verbreitet auf Schritt und Tritt Unordnung. Und Maren sieht die Trennung von Mattis offenbar nicht als endgültig an. Das Leben in der Patchworkfamilie wird zur Belastungsprobe: Wo hört das Chaos auf, wo beginnt das Glück?

Anneke Mohn ist in Niedersachsen aufgewachsen, lebt mit ihrer Familie in Hamburg und sammelte unterwegs selbst einige Patchworkerfahrungen. Sie war in den Lektoraten verschiedener Buchverlage tätig und arbeitet heute als Übersetzerin und Autorin.

Anneke Mohn ist in Niedersachsen aufgewachsen, lebt mit ihrer Familie in Hamburg und sammelte unterwegs selbst einige Patchworkerfahrungen. Sie war in den Lektoraten verschiedener Buchverlage tätig und arbeitet heute als Übersetzerin und Autorin.

Erster Teil


1


«Und damit sind wir am Ende angekommen. Aus soziologischer Sicht ist die romantische Paarbeziehung also eine Fiktion.»

Dana schob ihre Unterlagen zusammen und ließ den Blick über die ansteigenden Reihen des halbvollen Hörsaals wandern. Die Vorlesung war geschafft, das Semester auch. Vor ihr lagen drei Sommermonate ohne Lehrveranstaltungen. Viel Ruhe, um zu schreiben und ohne die üblichen Pflichten Zeit mit Mattis zu verbringen, mit ihm auszuschlafen, ans Meer zu fahren, schwimmen zu gehen.

«Im Wintersemester werde ich eine Einführung in die Familiensoziologie anbieten und außerdem das Seminar Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Die Auflösungsphase in Zweierbeziehung und Ehe.» Hier und da wurde gelacht. «Die veränderten Familienkonstellationen haben auch Konsequenzen für die Paarbeziehungen, und um die soll es in dem Seminar gehen. Was für Konsequenzen sind das? Welche Rolle spielen sie bei der Entscheidung, eine Ehe einzugehen, welche bei ihrem Scheitern? Aus welchen Gründen wird heute überhaupt geheiratet?»

«Spießig ist das neue cool», warf jemand aus den vorderen Reihen ein. Dana sah, dass es Paul war, der Hiwi von einem der Professoren an ihrem Institut. Seine These gefiel ihr. Vollkommen unspießig war sie wahrscheinlich selber nicht – wer konnte das schon von sich behaupten –, aber die Begeisterung für Heirat und Nestbau, die ihr Umfeld seit einiger Zeit ergriffen hatte, teilte sie nicht.

«Interessante Theorie. Das ist doch ein guter Ausgangspunkt für deine Hausarbeit.» Sie zwinkerte ihm kurz zu und strich sich den Pony aus der Stirn, der dringend mal wieder geschnitten werden musste. «Also … einen schönen Sommer!»

Die Studenten erhoben sich, Sitze klappten nach oben, augenblicklich herrschte Aufbruchsstimmung. Ein bisschen schade fand Dana es ja, dass die Seminare erst in drei Monaten wieder losgingen. Im Kreise ihrer Studenten fühlte sie sich manchmal immer noch wie eine von ihnen. Sie hob ihre Tasche auf den Tisch und begann, ihre Sachen zusammenzusuchen. Als sie aufsah, begegnete ihr Blick dem von Paul, der mit lässigem Schritt die Treppe herunter und auf den Ausgang zuging. Auf seinem weißen T-Shirt stand in verblichenen schwarzen Blockbuchstaben Sex. Murder. Art. Hinter ihm löste sich zu Danas Überraschung Mattis aus dem Gewimmel auf der Treppe. Sie hatten die letzte Nacht nicht zusammen verbracht und noch nicht gewusst, ob sie sich heute würden sehen können. Umso mehr freute sie sich, dass er hier so unvermittelt auftauchte, das hatte er noch nie gemacht. Trotz Jeans und seinem ziemlich lässigen braunen Lockenkopf passte er hier so gar nicht her. Ein Mann mit Lebenserfahrung zwischen lauter hippen Jungs und Mädchen, jemand, der mit den Händen arbeitete zwischen lauter Kopfmenschen. Aber genau das gefiel Dana an Mattis.

«Hey!» Sie ging ihm entgegen. «Was machst du denn hier?»

«Dich abholen.» Er gab ihr einen Kuss, und seine braunen Augen lachten sie an.

«Ist was? Du strahlst so.»

«Ja, könnte man so sagen.» Er zupfte irgendetwas Unsichtbares vom Kragen ihres Blazers.

«Was Gutes?», fragte Dana.

«Na ja … ich würde gern die Konsolidierungsphase unserer Zweierbeziehung einleiten. Falls es so was gibt.»

Dana grinste. «So was gibt es, ja.»

«Hast du Zeit, Mittag zu essen?

Sie musste eigentlich noch mal ins Sekretariat, bevor dort niemand mehr war, und außerdem ein Telefonat führen, aber sie war gespannt, was Mattis ihr zu sagen hatte. Konsolidierungsphase klang gut. Allerdings auch ein bisschen beängstigend.

«Sehr schön.» Mattis legte den Arm um sie. «Bist du so weit?»

«Mehr verrätst du mir nicht?»

«Doch, gleich. Wenn wir sitzen.»

«Bei den restlichen Punkten der Tagesordnung ist Ihre Anwesenheit dann nicht mehr erforderlich.»

Matildas Klassenlehrerin nickte Maren zu, und die zweite Elternvertreterin und sie standen auf und verabschiedeten sich. Tatsächlich durften sie gar nicht dabei sein, wenn die Direktorin und die Klassenlehrerin den Lernstand der einzelnen Kinder durchgingen, obwohl das sicher der interessanteste Teil der Zeugniskonferenzen war.

Andrea, mit der zusammen Maren im vergangenen Jahr das Erntedankfest, die Weihnachts- und die Faschingsfeier der Klasse 1b organisiert, besorgte Eltern zu besänftigen versucht und Geld für Lehrergeschenke eingetrieben hatte, schloss die Tür zum Klassenzimmer hinter sich. Während sie an mit Kinderzeichnungen plakatierten Wänden vorbei auf den Ausgang zugingen, zog Andrea ihr Handy aus der Tasche und begann, eine Nachricht zu tippen.

«Jetzt bringen wir noch das Sommerfest hinter uns, und dann sind endlich Ferien. Ich werde mich nächstes Jahr nicht wieder zur Wahl stellen, der ganze Orga-Kram wird mir dann zu viel.» Sie steckte das Handy weg und legte die Hand auf ihren leicht gerundeten Bauch. «Willst du noch weitermachen?»

Maren nickte. «Ich denke schon.» So viel war eigentlich gar nicht zu organisieren, und sie freute sich immer, mit den anderen Eltern Kontakt zu haben und zu hören, was bei deren Kindern so los war. Sie hielt Andrea die Eingangstür auf, und sie traten auf den Schulhof, der still in der Julisonne lag.

«Das ist gut. Ist ja immer besser, wenn wenigstens einer der Elternvertreter sich schon ein bisschen auskennt.» Andrea blieb an einer schattigen Stelle der schmalen Seitenstraße des Eppendorfer Wegs stehen, wühlte in ihrer Tasche herum, steckte sich dann eine Klemme zwischen die Lippen und nahm die langen Haare mit beiden Händen zusammen. «Jochen holt mich gleich ab. Macht ihr im Sommer was Schönes? Wir verbringen die kompletten Ferien in Südfrankreich, wird ja wahrscheinlich der letzte Urlaub für dieses Jahr.»

Der letzte Urlaub für dieses Jahr – das sollte wohl heißen, dass der Herbsturlaub wegen des neuen Babys ausnahmsweise ausfallen musste, dachte Maren. Das war natürlich ein extrem hartes Schicksal. «Wir wollen zu meiner Mutter», sagte sie wahrheitsgemäß, «und vielleicht –»

«Entschuldige, wie unsensibel von mir! Zoe hat mir erzählt, dass Mattis nicht mehr bei euch wohnt. Du, das tut mir so leid, ehrlich. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Ich fand immer, dass ihr so ein sympathisches Paar seid …»

Maren nickte. Sie hasste es, bemitleidet zu werden. Auch darum hatte sie bisher nur wenigen Leuten erzählt, dass Mattis vor ein paar Monaten ausgezogen war. Ihre Familie und Heike, ihre beste Freundin, wussten natürlich Bescheid. Allen anderen gegenüber – den Müttern der Freundinnen ihrer Töchter zum Beispiel – hatte sie, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden ließ, von einer Auszeit gesprochen. Und das war eigentlich auch nicht gelogen. Denn Maren war fest davon überzeugt, dass Mattis schon noch zur Besinnung kommen würde. Es war ja nicht das erste Mal, dass er eine Krise hatte. Im letzten Frühjahr war ihm schon einmal die Decke auf den Kopf gefallen. Damals hatte er Maren ziemliche Vorwürfe und sich eine Zeitlang aus dem Staub gemacht. Aber dann war er nach zehn Tagen wieder da gewesen. Von einer endgültigen Trennung konnte also gar keine Rede sein. Auch dieses Mal würde er früher oder später wieder vor der Tür stehen. Er brauchte einfach ein bisschen Zeit für sich. Das war alles.

«Ah, da kommt er ja.» Andrea beugte sich zu Maren vor und küsste die Luft neben ihren Wangen. «Wir haben gleich einen Ultraschalltermin. Wenn wir Glück haben, können wir heute sehen, was es ist, ein drittes Mädchen oder zur Abwechslung mal ein Junge. Wär ja zu schön …»

Neben ihnen hielt ein schwarzer SUV. Maren rang sich ein Lächeln ab und winkte Jochen zu. Mit Sicherheit würde es ein Junge. Manche Frauen schienen einfach alles zu bekommen, was sie sich wünschten.

Als der Wagen um die Ecke gebogen war, schloss Maren ihr leuchtend pinkfarbenes Fahrrad auf. Da die Zeugniskonferenz auf den späten Vormittag gelegt worden war, hatte sie sich für heute im Laden abgemeldet und konnte direkt nach Hause fahren.

Maren raffte ihr Blümchenkleid zusammen, damit es nicht in die Speichen geriet, und trat kräftig in die Pedale. Sie fuhr an ihrem Kinderschuhladen und ihrer Lieblingsboutique vorbei und an den bereits jetzt gut besuchten, zahlreichen kleinen Cafés des Generalsviertels. Eigentlich hatten sie und Mattis auch alles gehabt, was sie sich immer gewünscht hatten. Mattis’ Möbelfirma hatte die schwierigen ersten Jahre überstanden und lief jetzt ganz gut, sie selbst arbeitete vormittags in dem kleinen Bio-Deli in Hamburg-Hoheluft, was ihr Spaß machte. Und vor allem hatten sie Marla und Matilda, ihre wunderbaren Töchter. Sie hätten sogar noch ein Kind bekommen können. Könnten sie theoretisch immer noch, noch war sie dafür nicht zu alt. Es war alles so schön gewesen. Die «Trennung» ergab einfach keinen Sinn. Mattis war ein wunderbarer Vater, kümmerte sich auch nach seinem Auszug rührend um die Kinder, und in Erziehungsfragen waren Maren und er sich meistens einig. Als Eltern waren sie nach wie vor gut – warum nicht auch als Paar?

Aber sie kannte Mattis nach all den Jahren gut genug. Es hatte keinen Sinn, ihn zu drängen, er musste selbst zur Vernunft kommen. Und das würde er sicher, denn er war ein Familienmensch, genau wie sie. Nachdem sein Vater früh gestorben und Mattis allein mit seiner Mutter aufgewachsen war, hatte er sich immer eine große Familie gewünscht. Es war ein Traum von ihnen beiden gewesen, als sie sich kennenlernten. Das hatte sie verbunden, und das verband sie auch immer...

Erscheint lt. Verlag 22.7.2016
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Familie • Hamburg • Haus • Kinder • Liebe • Liebesroman • Norddeutschland • Patchwork • Roman
ISBN-10 3-644-56351-9 / 3644563519
ISBN-13 978-3-644-56351-3 / 9783644563513
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 979 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99