Das Geheimnis der ersten neun Monate -  Gerald Hüther,  Ingeborg Weser

Das Geheimnis der ersten neun Monate (eBook)

Reise ins Leben
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
248 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-22266-4 (ISBN)
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Was passiert mit dem Kind während der ersten neun Monate im Mutterleib? Und was mit seinen Eltern? Die Autoren geben noch nie da gewesene Einblicke in die pränatale Welt und erklären, wie die Beziehung zwischen Eltern und Kind die Entwicklung des Ungeborenen entscheidend prägt - vor und bei der Geburt. Anhand neuester Erkenntnisse aus Hirnforschung und Geburtshilfe erzählen Gerald Hüther und Ingeborg Weser die faszinierende Entwicklungsgeschichte des Embryos und zeigen ihre Bedeutung für das weitere Leben des Kindes.

Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern Deutschlands: Sein Thema ist die Verbreitung und Umsetzung von Erkenntnissen aus der modernen Hirnforschung. Er versteht sich als »Brückenbauer« zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlicher bzw. individueller Lebenspraxis. Ziel seiner Aktivitäten ist die Schaffung günstigerer Voraussetzungen für die Entfaltung menschlicher Potentiale. Im Rahmen verschiedener Initiativen und Projekte befasst er sich mit neurobiologischer Präventionsforschung; außerdem schreibt er Sachbücher, hält Vorträge, organisiert Kongresse, arbeitet als Berater für Politiker und Unternehmer und ist häufiger Gesprächsgast in Rundfunk und Fernsehen. Studiert und geforscht hat er in Leipzig und Jena, dann seit 1979 am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen. 1994-2006 leitete er eine von ihm aufgebaute Forschungsabteilung an der psychiatrischen Klinik in Göttingen. Von 2004-2016 war er als Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen beschäftigt. Im Jahr 2015 gründete er die Akademie für Potentialentfaltung und übernahm ihre Leitung.

Vorwort

Einem Kind das Leben schenken


Es gibt Ereignisse, auf die wir vielleicht schon lange hingearbeitet haben und die uns ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Der Schulabschluss kann so etwas sein, auch der Auszug aus dem Elternhaus oder der Beginn einer Partnerschaft, vielleicht auch ein attraktives Stellenangebot oder ein Lottogewinn. An das großartige, uns selbst bestärkende Gefühl, das mit dem Erreichen eines solchen lange ersehnten Zieles verbunden war, können wir uns dann meist auch sehr gut erinnern. Andererseits gibt es auch Lebensereignisse, die über uns hereinbrechen, uns aus der Bahn werfen und alles infrage stellen, was wir bisher erreicht haben. Der Verlust eines geliebten Menschen zum Beispiel, ein Unfall oder eine schwere Erkrankung. Das damit einhergehende Gefühl von eigener Ohnmacht und Hilflosigkeit kennen wir ebenfalls sehr gut. Beides, die Freude über das Erreichen eines bestimmten Zieles wie auch der durch das Unerreichbarwerden bestimmter Ziele ausgelöste Schmerz, sind deshalb so starke Gefühle, weil sie uns selbst betreffen, uns entweder kraftvoll und zuversichtlich oder aber schwach und hilflos machen.

Es gibt aber auch Lebensereignisse, die uns nicht einfach nur in dem bestärken, was wir in unserem Leben erwarten und erhoffen oder die unsere Hoffnungen und Erwartungen an das Leben untergraben. Das sind ganz besondere Ereignisse. Sie betreffen zwar auch unser eigenes Leben, reichen aber weit über die jeweiligen Ziele hinaus, die wir persönlich verfolgen.

Leider erleben wir solche Sternstunden allerdings nur sehr selten. Sie verbinden uns auf eine über unsere eigene Existenz hinausreichende Weise mit dem Fluss des Lebens, in den wir selbst eingebettet sind. Dann spüren wir, dass wir als Teil des Lebens in der Lage sind, neues Leben hervorzubringen. Dieses unbeschreibbare und wohl auch tiefste Gefühl, das wir als Menschen zu empfinden in der Lage sind, wird immer dann in uns wach, wenn uns bewusst wird, dass wir ein Kind erwarten. Dass wir diejenigen sind, die diesem Kind sein Leben schenken – und damit das Leben selbst an dieses Kind weitergeben.

Nun leben wir heute in einer Welt, in der für ein derartig tief gehendes Gefühl weder Raum noch Zeit vorhanden zu sein scheint. Die meisten Eltern entschließen sich oft erst dann, ein Kind zu bekommen, wenn es in ihre eigene Lebensplanung passt. Zuerst kommt die Karriere, dann das Kind, denken viele. Und wir verfügen ja inzwischen auch über die dafür erforderlichen Hilfsmittel, angefangen bei den entsprechenden Verhütungsmitteln bis zur Pille danach, notfalls lässt sich auch noch eine Abtreibung arrangieren. Nur wenige Frauen werden heute noch schwanger, weil es einfach so »passiert ist«. Die meisten haben eine sehr genaue Vorstellung davon, wann es passieren soll oder »darf«. Und falls es dann nicht klappt, sind die Ärzte in vielen Fällen auch in der Lage, entsprechende Verfahren einzusetzen, um den Kinderwunsch zu erfüllen.

Schwangerschaft und Geburt sind damit nicht mehr dem Zufall – oder wie man früher sagte, dem Schicksal – überlassen. Sie sind zu Lebensereignissen geworden, die sorgfältig geplant, auf die gezielt hingearbeitet werden kann.

Deshalb ist die Freude groß, wenn es dann auch so wie geplant »geklappt« hat, wenn das angestrebte Ziel – die erwünschte Schwangerschaft – erreicht ist. Gleichzeitig wächst damit aber auch die Sorge, dass nun – während der Schwangerschaft – irgendetwas nicht so gut »klappen« könnte.

Es ist daher verständlich, dass werdende Eltern gleichermaßen von dieser sie selbst bestärkenden Freude (unser Wunsch wird Wirklichkeit) wie auch von dem eigener Ohnmacht und Angst (hoffentlich geht alles gut) erfüllt – und zwischen beiden Gefühlen hin- und hergerissen – sind.

Vor wenigen Generationen hatte das, was heute bei uns der häufigste Fall ist, eine »Wunschschwangerschaft«, noch Seltenheitswert. Die Freude darüber, »in anderen Umständen zu sein«, hielt sich damals meist in Grenzen. Das dominierende Gefühl vor allem der werdenden Mutter war Angst – nicht nur vor möglichen Fehlbildungen, sondern vor den Gefahren der Geburt selbst. Dazu kam noch die Sorge, ob das Geld reicht, um das Kind »durchzubringen«. Aber selbst unter diesen schwierigen Bedingungen wird jede schwangere Frau tief in sich auch dieses andere Gefühl gespürt und dieses tiefe Glück darüber empfunden haben, einem Kind das Leben schenken zu können.

Heute wissen wir, dass eine werdende Mutter dieses wunderbare Gefühl umso stärker empfinden kann, je weniger es von ihren Ängsten und Sorgen überlagert wird. Und immer häufiger ist es heute auch den werdenden Vätern möglich, dieses menschlichste und tief reichendste aller Gefühle mit ihnen zu teilen. Dann spüren auch sie, dass es nichts Bedeutenderes im Leben gibt, als einem Kind das Leben zu schenken.

Meist ist es noch nicht das positive Ergebnis des Schwangerschaftstests, das dieses Gefühl auslöst, sondern der Augenblick, wenn das ungeborene Kind mit den ersten Bewegungen im Bauch auf sich aufmerksam macht. Dann spürt zuerst die werdende Mutter und – wenn sie seine Hand an die betreffende Stelle führt – auch der werdende Vater, dass ihr Kind ein eigenständiges lebendiges Wesen ist, mit eigenen Regungen. Sie erleben in diesem Augenblick erstmals, dass ihr Kind ein Subjekt ist, zu dem sie liebevoll »du« sagen können. Je intensiver werdende Eltern diesen Moment der ersten Begegnung mit ihrem Kind erleben können, desto tiefer wird dieses Empfinden dann auch in ihrem Gehirn verankert. Diese tiefe Erfahrung wird ihnen später helfen, ihr Kind immer wieder in seiner Einzigartigkeit zu erkennen und anzunehmen.

Das ist deshalb so wichtig, weil jedes Kind mit diesem Grundbedürfnis zur Welt kommt, von seinen Eltern so, wie es ist, als Person, also als Subjekt gesehen und angenommen zu werden. Es braucht dieses Gefühl genauso wie die Luft zum Atmen. Wenn ein Kind spürt, dass es von seinen Eltern als Objekt behandelt wird, geht es ihm nicht gut.

Und wenn es ihm nicht gut geht, kann es sich nicht so gut entwickeln. Es hat ein Problem und kann deshalb seiner Entdeckerfreude und Gestaltungslust nicht mehr »unbekümmert« nachgehen und die in ihm angelegten Potenziale entfalten.

Gerade in unserer heutigen Leistungsgesellschaft kann es sehr leicht geschehen, dass auch Eltern unter Druck geraten und ihre Kinder – aus Sorge um deren Zukunftschancen – zu Objekten ihrer Erwartungen, ihrer eigenen Ziele und Interessen und damit zu Objekten ihrer jeweiligen Erziehungs- und Bildungs- oder sonstigen Fördermaßnahmen machen. Es ist schwer für Eltern, sich diesem Druck zu entziehen. Helfen kann ihnen dabei aber die Erinnerung an dieses Gefühl, das damals in ihnen wach wurde, als sich ihr Kind mit seinen ersten eigenen Bewegungen und Regungen im Bauch der werdenden Mutter bemerkbar machte.

Später, nach der Geburt, können die Eltern dann in allen Äußerungen ihres Kindes spüren, wie sehr es sich darum bemüht, von ihnen gesehen, wahrgenommen und angenommen zu werden. Irgendwann gelingt dem Baby sein erstes Lächeln, und die Mutter lächelt zurück. So entsteht der erste Dialog zwischen den beiden. Das Baby merkt, dass ihm seine Mutter antwortet. Und wenn sie lächelt, lächelt es auch. Die beiden begegnen einander – als Subjekte.

Und je häufiger das Kind nun erlebt, dass es mit einer eigenen Regung in der Lage ist, eine Antwort in seinem Gegenüber auszulösen, desto glücklicher ist es. Es spürt, dass es etwas bewirken kann, dass es gesehen wird und dass ihm geantwortet wird. Genau dieses Gefühl ist der Treibstoff, mit dem sich jedes Kind als begeisterter Entdecker seiner eigenen Möglichkeiten – also seiner Potenziale – auf den Weg macht. Aber dieses wunderbare Gefühl verschwindet sofort und verwandelt sich in Verunsicherung oder gar Angst, sobald ein Kind erleben muss, dass es nicht mehr in dieser Weise gesehen wird, dass seine eigenen Regungen nicht mehr beantwortet werden. Und das ist eben immer dann der Fall, wenn es nicht mehr als Subjekt betrachtet, sondern als Objekt behandelt wird.

Die Zeit der Schwangerschaft ist deshalb so kostbar, weil sich den werdenden Eltern in dieser Phase das Geheimnis des Lebens offenbart. Sie erleben ihr Kind als ein eigenständiges lebendiges Wesen, das sich, wie alle Lebewesen, aus sich selbst heraus, also selbstorganisiert entwickelt. Alles geschieht von ganz allein, sie können und brauchen nichts weiter zu tun, als dafür zu sorgen, dass es ihrem ungeborenen Kind möglichst gut geht und dass es im Bauch der Mutter alles bekommt, was es braucht. Und auch das funktioniert normalerweise ganz von allein. Dafür sorgen der Körper und der...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2015
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
ISBN-10 3-407-22266-1 / 3407222661
ISBN-13 978-3-407-22266-4 / 9783407222664
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