Das bisschen Hüfte, meine Güte (eBook)

Die Online-Omi muss in Reha
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
256 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-54681-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Guten Tag, hier schreibt Ihre Renate Bergmann. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch entsinnen können. Ich habe Ihnen schon mal geschrieben. Und jetzt eben wieder. Ich war nämlich zur Reha. Das ist wie früher Kur, nur Kur zahlt die Kasse nicht mehr. Du liebe Zeit! Als es erst hieß, ich soll zum Turnen und Wassertreten nach Wandlitz raus - nee, da wollte ich nicht. Das olle Bonzennest! Bestimmt schleicht da immer noch die Margot, das olle Kommunistenliebchen, rum. Aber es wurde eine so schöne Zeit. Was meinens, was ich da alles erlebt habe. Hihi. Es grüßt Sie herzlich Ihre Renate Berg mann. Himmel, wieso macht das Ding da eine neue Zeile? Hinfallen, Aufstehen, Körnchen trinken Renates Rollator rollt und rollt, aber nicht vollkommen rund: 82 Jahre, 4 Ehemänner und 3000 Flaschen Korn haben Spuren hinterlassen, jemand muss an die Hüfte ran - und Renate deshalb ins Krankenhaus. Und weil so ein Mensch ja kein Koyota ist, dem man einfach ein neues Ersatzteil einbaut, geht Renate im Anschluss an die Ohpee dahin, wo es weh tut, in die Reha zu den Bandscheiben und Raucherecken, zu den Kurschatten und höhenverstellbaren Betten. Nach sechs Wochen Wandlitz ist sie um viele Geschichten, einen pinkfarbenen Jockeyanzug, ein paar Schuhe mit Spannweite H, eine ganz besondere Halskette und eine Erkenntnis reicher: «Frau Köster hat neulich gesagt: ?Hauptsache, oben klar und unten dicht.? Da hat se recht.» «Freche Aktionen und witzige Sprüche, das Erfolgsrezept der rüstigen Rentnerin.» (Bild.de) «Renate Bergmann nimmt ihr Alter mit Humor - und die Jungen auf die Schippe.» (MDR Info)

Renate Bergmann, geb. Strelemann, wohnhaft in Berlin. Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwet: Seit Anfang 2013 erobert sie »das Interweb« mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten - und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt.Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buch-Veröffentlichung - und ein sensationeller Erfolg -, auf die zahlreiche weitere, nicht minder erfolgreiche Bände und ausverkaufte Tourneen folgten.

Renate Bergmann, geb. Strelemann, wohnhaft in Berlin. Trümmerfrau, Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwet: Seit Anfang 2013 erobert sie Twitter mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten – und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt. Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buch-Veröffentlichung – und ein sensationeller Erfolg –, auf die zahlreiche weitere, nicht minder erfolgreiche Bände und ausverkaufte Tourneen folgten.

Zu jeder Hochzeit gehört eine Brautmutter, die die ganze Zeit weint, und ein Brautvater, der die ganze Zeit Fotos knipst


Der Stefan ist ein lieber Junge. Er ist ein Neffe meines ersten Mannes Otto. Großneffe. Ich glaube, ein Großneffe? Ich weiß das nicht so genau, ich kenne mich mit Verwandtschaftsgraden nicht so aus. Mir ist nur wichtig, ob jemand ein gutes Herz hat, dann mag ich ihn auch. Ob das dann ein Großneffe oder eine Kusscousine ist, das ist mir egal. Meine Freundin Ilse weiß das viel besser, die muss ich mal fragen. Ilse ist eine geborene von Wuhlisch, alter preußischer Landadel. In ihrer Familie hat man auf solche Dinge viel Wert gelegt. Sie kann ihre Vorfahren bis ins 17. Jahrhundert aufsagen. Ich frage mich immer, wozu das gut ist, schließlich muss man die zum Essen am Geburtstag nicht mehr einplanen, höchstens bei der Grabbepflanzung.

Ganz anders ist es mit dem Stefan. Wie gern hätte ich für ihn schon vor Jahren zwei Gedecke aufgelegt beim Feiern, aber er kam immer allein. Er fand und fand einfach keine Freundin! Ilse und Gertrud haben ein paar Mal junge Damen aus ihrer Verwandtschaft geschickt, die ich dann als Tischdame eingeladen habe, aber Stefan hat das nicht gefallen. Er schimpfte und fluchte, nee, das war nicht der richtige Weg.

Aber es ließ mir einfach keine Ruhe. Es war ein Jammer und nicht mehr mit anzuschauen. Der Junge ging auf die 30 zu und wurde immer blasser und ungnädiger. Die Nächte durch saß er nur an seinen Computern – er hat mehrere davon, die ganze Wohnstube voll, überall Kabel und Staub und alte Kartons vom Pizza – Sie machen sich kein Bild! Ab und an bin ich hingegangen und habe mal sauber gemacht. Aber wissense, ich bin nun über 80, und es fällt mir zunehmend schwer, in alle Ecken zu kommen. Der Junge hat ja auch keinen Staubsauger und auch sonst kein Putzgerät, also muss ich immer mit meinem RT50 mit der U-Bahn fahren. Kurt will ich darum nicht bitten, man will ja schließlich keine Umstände machen. Und wenn was drankäme an den Koyota, weil der Staubsauger in der Kurve umfällt und eine Schramme macht – nee, da will ich nicht schuld sein. Und es geht ja nicht nur darum, dass man der Wohnung ansieht, dass eine weibliche Hand fehlt – mal unter uns gesprochen: Der Junge kann doch auch nicht alles ausschwitzen. Wenn Sie verstehen, was ich meine.

Dabei ist der Stefan so gefällig und freundlich. Wenn mal was ist – auf Stefan kann ich mich immer verlassen. Wenn der Computer oder das Händi verrücktspielen – ich muss Stefan nur anrufen, und schon ist er da. Auch bei Ilse und Kurt ist er behilflich. Vor ein paar Wochen haben die beiden einen neuen Fernseher gekauft. Der alte war wirklich nicht mehr schön, auf dem einen Sender waren Streifen, auf dem anderen Schnee, und manche waren sogar nur schwarz-weiß. Er hatte noch Knöpfe, die schon wackelten. MDR konnten sie nur gucken, wenn Kurt drei und fünf zusammen gedrückt und mit einem Zahnstocher die Knöpfe festgeklemmt hat. Wenn der Zahnstocher rausfiel, war MDR weg und der RTL da. Das ging nun wirklich nicht mehr. Die beiden haben eine gute Rente und keine Verpflichtungen, da habe ich ihnen gut zugeredet zu einem neuen Gerät. Stefan hat beim Aussuchen geholfen, den Apparat angefahren, alles aufgestellt und den beiden erklärt. Wir haben eine Liste gemacht, welcher Sender wo ist und was sie auf gar keinen Fall anfassen und verstellen dürfen. Auf der Fernbedienung wurde mit Isolierband markiert, wo AN und AUS und LAUT und LEISE ist, und erst ging auch alles gut. Ach, es war ein klares, großes, wunderschönes Bild, und der Ton war auch prima! Kein Vergleich mit der alten Flimmerkiste. Zwei Tage lang hörte ich nichts, aber am Dienstag – ich saß gerade beim Abendbrot – rief Ilse an. Im Hintergrund dröhnte es so laut, ich verstand sie kaum. Sie schrie, dass Stefan kommen müsse, der Apparat würde verrücktspielen. Denken Sie nur, sie hatte Tränen in der Stimme!

Stefan kam nach dem Notfall noch kurz bei mir vorbei, ich musste schließlich wissen, was los war, nich? Ich muss ehrlich sein, ich komme mit meinem Apparat auch nicht immer so zurecht. Da war doch letzthin dieses Olympia im Fernsehen. Ich mache mir nicht viel aus Sport, aber Eiskunstlauf gucke ich gern. Da wird getanzt, und meist ist schöne Musik, ach, und dann die Kostüme! Wobei man oft auch den Kopf schütteln muss, die werden ja auch immer kürzer. Nee, Eiskunstlauf habe ich immer schon gern geguckt, schon seit Marika Kilius. Damals hat der Reporter immer noch gesagt: «Für die Schwarz-Weiß-Zuschauer: Die Läuferin trägt ein rotes Kleid, und die Ärmel sind gelb abgesetzt.» Das ist ja heute nicht mehr nötig; außer bis vor kurzem für Ilse und Kurt. Und die Katarina Witt, die mochte ich sowieso, nein, was habe ich mitgefiebert! In Collgrio damals, ich sage Ihnen! Bis morgens um fünf habe ich geguckt mit einer großen Kanne Mokka. Als Franz aufstand, um zur Arbeit zu gehen, war gerade Schluss. Meine Fingernägel waren kurzgekaut vor Aufregung, aber wir hatten die Goldmedaille. Das werde ich nie vergessen, so schön war das.

Dieses Mal hatte ich mir extra eine Fernsehzeitung gekauft, da war ein großer Plan drin mit allen Zeiten. Aber man soll nicht glauben, dass das Fernsehen sich daran hält! Da stand «19 Uhr Kür der Damen», aber um 19 Uhr zeigten sie Buckelpiste. Ich dachte erst, das ist was für alte Damen mit Ossiporose im Nacken, aber das hätten Se mal sehen sollen. Die sind mit Ski über Berg und Tal und haben sich durchschütteln lassen, und dann Salto und Überschlag – du liebe Güte, ich konnte gar nicht hingucken! So ein Quatsch. Die nehmen doch alle Drogen. Ich habe dann beim ZDF angerufen und gefragt, wo Eiskunstlauf kommt. Sie sagten, in ZDF Leifstriem. Bis Kanal 990 habe ich auf dem Apparat durchgeschaltet, aber kein Eiskunstlauf. Nackte Frauen überall, ja, aber nirgends Eiskunstlauf. Stefan hat mir dann den Computer angestellt, und ich konnte es im Onlein sehen, aber es ist ja nicht dasselbe. Auf dem großen Fernseher ist es schöner. Und vor allem ohne Stefan, der wuselt einem dann nur vor den Füßen rum, und man kann gar nicht richtig mitfiebern.

Nun, da er bei Ilse und Kurt geholfen hatte, erzählte er kopfschüttelnd, dass Kurt umschalten wollte, dabei den falschen Knubbel auf der Fernbedienung erwischt und LAUT gemacht hat. Der Lautstärkebalken auf dem Bildschirm wanderte immer weiter nach rechts, bis er fast in den Gummibaum reichte, der neben dem Fernsehgerät steht. Dann hat Kurt das Ding fallen lassen – und dabei ist die Batterie rausgeplumpst. Ilse hat nach einer Weile die Nerven verloren und den Stecker rausgezogen, bloß gut – da war der Stefan schon auf dem Weg. Stecker rausziehen mache ich auch manchmal, wenn es bei «Aktenstapel XY» zu gruselig wird, dann presse ich mir ein Sofakissen vor die Augen und ziehe, nee, das machen meine Nerven sonst nicht mit.

 

So ein guter Junge ist der Stefan, aber was die Frauen betraf, tat er sich immer schwer. Aber eine Renate Bergmann ist eine Frau der Tat. Kurz und gut, mir langte es, und ich nahm die Dinge in die Hand und schrieb einen Brief an den RTL zu «Schwiegertochter gesucht». Ich erklärte kurz, wer ich bin. Schließlich ist Stefan nicht mein Sohn, sondern Verwandtschaft meines verstorbenen ersten Mannes, aber so genau nehmen die es beim Fernsehen ja nicht. Alles Betrug und Schummelei. Ich beschrieb ihnen den Stefan ganz genau und legte auch ein Foto bei. Die Aufnahme, die wir an seinem Geburtstag gemacht hatten, wo er den hübschen Strickpulli mit dem Pandabären auf der Brust trägt, den ich für ihn gearbeitet habe. Was hat sich der Junge gefreut. Auf dem Foto guckt er zwar ein bisschen mitgenommen, aber das lag wohl daran, dass der Blitz ihn geblendet hat. Kurt fotografiert ja so gern. Er macht Bilder aber nicht mit dem Tomatentelefon wie ich, sondern mit einem altmodischen Apparat, in den man Filme einlegen muss. Aber nur noch bunt, schwarz-weiß gibt es nicht mehr, hat die Frau in der Drogerie gesagt. Kurt knipst wirklich für sein Leben gern. Es gibt nur drei Probleme dabei: Erstens sieht er so schlecht, dass er im falschen Moment abdrückt und die Bilder deswegen verschwommen sind, zweitens fehlen meist die Köpfe auf seinen Bildern, weil er den Fotoapparat schon weglegt, während er noch knipst, und drittens wird der Film ein halbes Jahr lang nicht voll. Wenn die Bilder dann entwickelt werden, gibt es immer eine große Überraschung, weil keiner mehr weiß, wer das auf den Fotos ist. So ohne Kopf und verwackelt, Sie verstehen sicher, was ich meine. Ilse hat ein gutes Gedächtnis und kann sich manchmal anhand des Musters der Bluse noch entsinnen, wer es sein müsste. Ach, ich sage Ihnen …

Aber ich verschwatze mich. Vom Stefan wollte ich Ihnen erzählen. Den Stefan hatte der Kurt gut erwischt, der Kopf war mit drauf, und gewackelt war auch nichts. Tipptopp Heiratsmaterial, der Junge. Gutaussehend, und Arbeit hat er auch, und er duscht regelmäßig und hat gesunde Zähne. Ach, wenn ich noch mal jung wäre, ich hätte mich gemeldet und ihm geschrieben.

Der RTL hat das aber kompliziert gemacht. Die haben es nicht einfach gesendet, wie bei «Aktendeckel XY» auch, sondern hier rief eine Dame an von der Redaktion und wollte mit Stefan sprechen. Ich sagte ihr, dass das nicht ginge, schließlich sollte es eine Überraschung für ihn werden. Sie wollte aber keine Schwiegertöchter schicken, nicht mal das...

Erscheint lt. Verlag 31.7.2015
Zusatzinfo Mit 4 s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Berlin-Spandau • DDR • Fake • fun-fake • Händi • Handy • Hüft-OP • Internet • Internetz • Korn • Krankenhaus • Kur • Kurschatten • Omi • Parodie • Reha • Rentnerin • Rollator • Spandau • Twitter • Twitter-Omi
ISBN-10 3-644-54681-9 / 3644546819
ISBN-13 978-3-644-54681-3 / 9783644546813
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,6 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99