Mandeljahre (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
448 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96794-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mandeljahre -  Katrin Tempel
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Als Katharina Nicklas die Jugendstilvilla ihrer Familie an der pfälzischen Weinstraße entrümpelt, findet sie im Keller Aufzeichnungen ihrer Urgroßmutter Marie. Die sensible Ehefrau eines gnadenlosen Großunternehmers schreibt darin über den Aufstieg und Fall einer Kaffeeröster-Dynastie in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts - und über ihre geheime Liebe zu einem naturverbundenen Mandelbauern ...

Katrin Tempel, geboren 1967 in Düsseldorf, studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Sie arbeitete als Journalistin und Chefredakteurin für mehrere Zeitschriften. Mit ihren Romanen gelangen ihr große Publikumserfolge. Sie lebt mit ihrer Familie in Bad Dürkheim an der Weinstraße.

Katrin Tempel wurde in Düsseldorf geboren und wuchs in München auf. Nach dem Studium war sie Journalistin und später Chefredakteurin verschiedener großer Magazine. 2003 machte sie sich selbstständig. Seither berät sie Zeitschriften, schreibt Drehbücher (unter anderem den historischen ZDF-Zweiteiler "Dr. Hope") und Romane. Zuletzt gelang ihr mit "Holunderlieb" ein wunderbarer Publikumserfolg. Sie lebt mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter in Bad Dürkheim.

1.

April 1907

Wie sehe ich aus?«

Nervös strich sich Marie ein weiteres Mal die Handschuhe über dem Handrücken glatt und blickte aus dem Fenster der Kutsche. Die Anreise mit dem Zug nach Mannheim war noch recht bequem gewesen, doch nun zog sich der Weg in die Kurstadt Bad Dürkheim erheblich.

»Und wann kommen wir endlich an? Ich habe das Gefühl, ich bin so dreckig wie noch nie in meinem Leben! Der Dampf der Lokomotive hat sicher alles beschmutzt!«

Beruhigend legte ihr Bruder ihr die Hand auf den Arm und sah sie ernsthaft von oben bis unten an. »Liebste Marie, du siehst wie immer fabelhaft aus. Niemand würde vermuten, dass du schon seit gestern unterwegs bist. Du wirst alle verzaubern, wie du es immer tust.«

»Ich muss nicht alle verzaubern, ich muss nur Carl Hauer verzaubern«, erklärte Marie und sah wieder aus dem Fenster. »Sonst war die ganze Fahrt vergeblich, und wir haben völlig umsonst die Familienersparnisse für die Reise ausgegeben.«

Otto musterte seine jüngere Schwester. Sie war so schmal, dass er ihre Taille problemlos mit seinen Händen umfangen konnte. Ihr blondes Haar trug sie hochgesteckt, allerdings hatten sich seit dem Vortag einige Nadeln aus der Frisur gelöst, wodurch sie jünger wirkte als die neunzehn Jahre, die sie tatsächlich zählte. Ihre großen blauen Augen sahen so neugierig hinaus auf die Weinberge wie immer. Es gab nichts, was Marie nicht interessierte. In diesem Augenblick aber war sie einfach nur nervös. Zu viel hing von dieser Reise in die Pfalz ab. Viel zu viel. Und sie war sich dessen bewusst.

»Er hätte dich doch nicht gebeten, zu ihm zu kommen, wenn er nicht ernsthafte Absichten verfolgen würde. Das weißt du. Carl ist ein Ehrenmann, wir kennen ihn doch schon seit unserer Kindheit. Unsere Eltern hätten sonst nie in diese Reise eingewilligt.«

Noch bevor ihm Marie auf seine beruhigenden Worte antworten konnte, bog die Kutsche um einen der sanften Hügel. Mit einem Mal eröffnete sich der Blick auf ein kleines Städtchen mit einem schlanken gotischen Kirchturm, der alles überragte.

»Sieh mal, eine Burg!«, rief Marie und deutete auf eine Ruine aus rotem Sandstein, die auf dem Höhenzug oberhalb der Stadt lag. Kein Wunder, dass der Ort vor wenigen Jahren zur Kurstadt erhoben worden war, dachte Otto bei sich. Er wirkte malerisch. Friedlich. Womöglich war ihnen ja das Glück hold, und sie waren wirklich im Paradies angekommen.

Genau so hatte Carl seine neue Heimat geschildert. Von dem umgänglichen Menschenschlag in der Pfalz hatte er geschwärmt und auch von den Verdienstmöglichkeiten, die sich ihm dort boten. Eine leuchtende Zukunft, die er mit der Familie von Rabenhorst zu teilen gedachte. Ganz besonders natürlich mit Marie, die er an seiner Seite sehen wollte. Aber auch mit Otto, der Carl bei seinen Geschäften in der neu erworbenen Drogerie zur Hand gehen würde.

Ein wunderbarer Plan, doch alles hing davon ab, ob Carl auch ein verlässlicher Partner war. Ein Mann, dem Otto seine Schwester zur Braut geben konnte und der darüber hinaus bereit war, seine neue Familie in Lohn und Brot zu setzen. Otto konnte nur hoffen, dass sich diese lange Fahrt quer durch das Deutsche Reich auszahlen würde. Der Reichtum der Familie von Rabenhorst war schon seit einigen Jahrzehnten dahin. Der Verkauf von Ländereien und wertvollem Schmuck hatte zwar noch eine ganze Weile für ein gutes Auskommen gesorgt, aber inzwischen waren sie arm wie Kirchenmäuse. Sie hausten zwar in einer großen Villa und trugen seidene Kleider, um den Schein noch irgendwie zu wahren, aber der Name seiner Familie weckte nur noch Erinnerungen an bessere Zeiten, sonst nichts.

Carl Hauer war seit seiner Kindheit bei der Familie von Rabenhorst ein und aus gegangen. Otto hatte in ihm seit jeher etwas wie einen kleinen Bruder gesehen. Einen Bruder, der ihn allerdings schnell überflügelt hatte. Der ständig neue Ideen entwickelte, wie man sein Leben angenehmer gestalten und womit man ein Vermögen machen könnte. Und der – wie es aussah – irgendwann in Zuneigung zu der schönen Marie entbrannt war.

Anfangs hatte Carl in Wien den Beruf des Drogisten gelernt, aber auch dort hatte er keine Möglichkeiten für eine leuchtende Zukunft gesehen. Dann war er in die Pfalz gezogen. Seine Briefe hatten die Kurstadt Bad Dürkheim als wunderbaren Ort geschildert. Hier, so versicherte Carl, werde er mit seinen Erfindungen ganz bestimmt auf Gegenliebe stoßen und zu Reichtum kommen. Und wenn Marie sich nicht wehrte, dann könne die Familie von Rabenhorst vielleicht endlich die dunkle Zeit der Armut hinter sich lassen und wieder auf einen grünen Zweig kommen.

Otto hatte noch immer die mahnende Stimme seines Vaters zum Abschied im Ohr. »Behalte Marie im Auge, dass sie keine Dummheiten macht. Die größte Dummheit wäre es, wenn sie Carl Hauers Avancen leichtfertig in den Wind schlüge. Das musst du ihr immer wieder deutlich machen. Dabei solltest du stets im Blick behalten, ob dieser Carl Hauer nicht vielleicht nur bloß Windei ist, dessen Ideen niemals auch nur einen Groschen einbringen werden.«

Otto hatte die Aufgabe angenommen. Er liebte seine Schwester, vor allem aber wollte er wieder ein gutes Leben führen. Eines, bei dem er nicht über jede Mark, die er ausgeben wollte, nachdenken musste.

Marie sah weiter gebannt aus dem Fenster. Zu ihrer Rechten tauchte ein langgestreckter, hoher Bau auf.

»Das muss dieser Gradierbau sein, von dem Carl berichtet hat«, erklärte Marie. »Er hat geschrieben, dass man hier das Wasser für die Salzgewinnung zu einer größeren Konzentration bringt. Aber vor allem ist die Luft an diesem Bau wohl besonders gut für die Atmung.«

»Du hast seine Briefe aufmerksam gelesen«, bemerkte Otto.

»Sicher. Was hätte ich sonst tun können in den letzten Monaten? Jeder sieht in ihm schon meinen künftigen Mann, da sollte ich wohl seine Worte mehr als einmal lesen.«

Holpernd kam die Kutsche zum Stehen. Einen winzigen Moment lang herrschte Ruhe. Dann öffnete der Kutscher den Schlag und verkündete im Dialekt der Gegend, dass sie nun in Bad Dürkheim angekommen waren: »Derkem, die Herrschaften!«

Entschlossen drängte Marie sich nach vorne und sprang mit einem großen Schritt auf das Kopfsteinpflaster. Sie blinzelte einen Moment in die Sonne und sah sich dann neugierig um. Enge Gassen, gepflegte Häuser, kein einziges bekanntes Gesicht. Natürlich nicht.

Rat suchend sah Marie ihren großen Bruder an, der mit seiner eher fülligen Gestalt etwas mühsamer aus der Kutsche stieg. »Wo mag Carl nur sein? Hat er uns vergessen?«

»Sicher nicht. Aber vielleicht hat er auch noch nicht mit unserem Kommen gerechnet.« Otto dachte einen Moment nach und wandte sich dann an den Kutscher. »Können Sie uns noch den Weg zur Drogerie Stutzmann weisen? Sie kann nicht weit sein.«

Der Mann deutete in eine Gasse. »Gleich da vorne, Sie können sie gar nicht verfehlen.«

Wenig später stieß Marie die Ladentür zur Drogerie auf. Einen Moment lang mussten sich ihre Augen nach dem Sonnenlicht auf dem Platz an das Halbdunkel gewöhnen, dann erkannte sie unzählige Fläschchen, Kästchen, Schubladen und Fächer. Ein junger Mann lächelte sie diensteifrig an. »Was kann ich für Sie tun?«

»Ich bin auf der Suche nach Carl Hauer. Ist er hier im Haus?«

Sollte ihn das Ansinnen der jungen Frau befremden, dann ließ sich dieser Angestellte wenigstens nichts anmerken. Stattdessen deutete er nach oben.

»Er befindet sich in den Geschäftsräumen. Wen darf ich melden?«

»Marie von Rabenhorst«, erklärte sie und bemühte sich dabei um einen möglichst würdevollen Auftritt.

Der Angestellte ließ sie alleine im Laden zurück. Sie hörte seine Schritte auf der Treppe, und nur Augenblicke später kam Carl mit einem breiten Lächeln auf sie zu. Sie hatte ihn fast ein Jahr nicht gesehen, aber er hatte sich wenig verändert: Der Schnurrbart und die Koteletten ganz nach der Mode, die schlanke Figur durch den Gehrock noch betont, die Augen blitzten hellwach. Keine schlechte Partie, wirklich nicht.

»Fräulein Marie, ich kann gar nicht sagen, wie entzückt ich bin, dass Sie diesen weiten Weg auf sich genommen haben und zu mir gekommen sind.« Er nahm ihre Hände in die seinen und sah suchend über ihre Schulter. »Aber wollte nicht Otto mit Ihnen reisen? Ich hoffe doch, dass Sie den langen Weg von Dresden hierher nicht allein zurückgelegt haben?«

»Nein, nein«, wehrte Marie ab. »Mein Bruder ist bei unserem Gepäck geblieben, das ist alles. Wir wussten nicht, wohin wir gehen sollten, deswegen bin ich hierhergekommen.«

Er zog ihre Hand an seine Lippen und deutete einen Handkuss an. »Ich habe ein Zimmer für Sie und Ihren Bruder im Parkhotel reserviert. Dort soll man sehr schön unterkommen. Ich schicke gleich einen Angestellten, der sich um das Gepäck kümmern und es in Ihre Zimmer bringen soll.«

Er winkte mit einer knappen Bewegung den jungen Mann, den Marie bereits kennengelernt hatte, zu sich und gab ihm die entsprechenden Anweisungen. Fast im Laufschritt verließ er die Drogerie. Zufrieden sah Carl ihm hinterher.

»Ich bringe Sie direkt ins Parkhotel, liebe Marie. Dann können Sie sich frisch machen nach der langen Reise. Und heute Abend sind Sie und Ihr Bruder meine Gäste. Ich bestehe darauf!«

Marie lächelte. Sein Eifer erschien ihr in diesem Augenblick bezaubernd.

»Und wir müssen eine Fotografie von Ihrer Ankunft machen«, fuhr er fort. »Das ist ein ganz besonderer Tag in meinem Leben, den Gefallen müssen Sie mir erweisen!«

Er griff nach einem unhandlichen...

Erscheint lt. Verlag 16.2.2015
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestsellerautorin • Buch • Bücher • bücher für frauen • Eifersucht • Fabrikant • Familiengeheimnis • Familienroman • Familiensaga • Franzose • Gefährte • Gefühl • Generationenromane • Gespür • historische Romanzen • Holunderliebe • Kaffeeröster • Liebesabenteuer • Liebesgeschichte • Liebschaft • Maloche • Mandel • Pflegerin • Roman • Romanautor • Roman für Frauen • Saga • Schicksal • Schwester • Sippe • Soldat • Spezi • Taschenbuch • Urlaubslektüre • verbotene Leidenschaft • Vergessen • Vertrauter
ISBN-10 3-492-96794-9 / 3492967949
ISBN-13 978-3-492-96794-5 / 9783492967945
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