Das unendliche Meer (eBook)

Die fünfte Welle 2 - Roman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
352 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-13668-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das unendliche Meer -  Rick Yancey
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Die erste Welle vernichtete eine halbe Million Menschen, die zweite noch viel mehr. Die dritte Welle dauerte ganze zwölf Wochen an, danach waren vier Milliarden tot. Nach der vierten Welle kann man niemandem mehr trauen. Cassie Sullivan hat überlebt, nur um sich jetzt in einer Welt wiederzufinden, die von Misstrauen, Verrat und Verzweiflung bestimmt wird. Und während die fünfte Welle ihren Verlauf nimmt, halten Cassie, Ben und Ringer ihre kleine Widerstandsgruppe zusammen, um gemeinsam gegen die Anderen zu kämpfen. Sie sind, was von der Menschheit übrig blieb, und sie werden sich so schnell nicht geschlagen geben. Und während Cassie immer noch hofft, dass ihr Retter Evan Walker lebt, wird der Kampf ums Überleben immer aussichtsloser. Bis eines Tages ein Fremder versucht, in ihr Versteck einzudringen...

Rick Yancey ist ein preisgekrönter Autor, der mit seiner Trilogie »Die fünfte Welle« die internationalen Bestsellerlisten stürmt. Wenn er nicht gerade schreibt, darüber nachdenkt, was er schreiben könnte, oder das Land bereist, um übers Schreiben zu reden, verbringt er seine Zeit am liebsten mit seiner Familie in seiner Heimat Florida.

II. TEIL

ZERRISSEN

11. Kapitel

Von dem Moment an, als ich gerade laufen konnte, fragte mich mein Vater immer: Cassie, möchtest du fliegen? Und meine Arme schossen in die Höhe. Machst du Witze, Dad? Klar möchte ich fliegen!

Und er packte mich dann immer an der Taille und warf mich in die Luft. Mein Kopf kippte nach hinten, und ich schoss wie eine Rakete in den Himmel. Für einen Augenblick, der tausend Jahre andauerte, fühlte es sich so an, als würde ich bis zu den Sternen fliegen. Ich schrie, mein Schreien eine Mischung aus Freude und Angst wie bei einer Achterbahnfahrt, während meine Hände versuchten, sich an Wolken zu klammern.

Flieg, Cassie, flieg!

Mein Bruder kannte dieses Gefühl ebenfalls. Besser als ich, weil die Erinnerung frischer war. Selbst nach der Ankunft schleuderte ihn Daddy noch in die Umlaufbahn. Ich habe ihn sogar noch in Camp Ashpit dabei beobachtet, nur wenige Tage bevor Vosch auftauchte und ihn im Dreck ermordete.

Sam, mein Junge, möchtest du fliegen? Dabei senkte sich seine Stimmlage von Bariton zu Bass wie bei einem Schausteller aus vergangenen Zeiten, wenngleich die Fahrt, die er anpries, umsonst war – und unbezahlbar. Dad, die Startrampe. Dad, die Landezone. Dad, das Halteseil, das Sams und mich davor bewahrte, ins Nichts der Tiefen des Alls geschleudert zu werden, inzwischen selbst ein Nichts.

Ich wartete darauf, dass Sam fragte. Das ist der einfachste Weg, um schreckliche Nachrichten zu überbringen. Und auch der armseligste. Er fragte allerdings nicht. Er sagte es mir.

»Daddy ist tot.«

Ein winziger Klumpen unter einem Berg von Decken, seine braunen Augen groß und leer wie die des Teddybären, den er sich an die Wange presste. Teddybären sind was für Babys, sagte er mir in der ersten Nacht im Höllenhotel. Ich bin jetzt ein Soldat.

Eingegraben im Bett neben seinem liegt noch ein winziger ernster Soldat und starrt mich an, eine Siebenjährige, die Teacup genannt wird. Diejenige mit dem bezaubernden Babypuppengesicht und den ruhelosen Augen, die sich ihr Bett nicht mit einem Stofftier teilt; sie schläft mit einem Gewehr.

Willkommen im nachmenschlichen Zeitalter.

»Oh, Sam.« Ich verließ meinen Posten am Fenster und setzte mich neben den Kokon aus Decken, in den er eingewickelt war. »Sammy, ich wusste nicht, wie …«

Er verpasste mir mit einer geballten, apfelgroßen Faust einen Schlag auf die Wange, den ich nicht kommen sah. Vor meinen Augen explodierten helle Sterne. Einen Moment lang befürchtete ich, er könnte meine Netzhaut gelöst haben.

Okay. Ich rieb mir die Wange. Das habe ich verdient.

»Warum hast du ihn sterben lassen?«, wollte er von mir wissen. Er weinte nicht, und er schrie nicht. Seine Stimme war tief und grimmig und kochte vor Wut. »Du hättest doch auf ihn aufpassen sollen.«

»Ich habe ihn nicht sterben lassen, Sams.«

Mein Vater, der blutend durch den Dreck kroch – Wohin willst du, Dad? –, und Vosch, der vor ihm stand und ihm voller Genugtuung dabei zusah wie ein sadistisches Kind einer Fliege, nachdem es ihr die Flügel ausgerissen hat.

Teacup von ihrem Bett: »Schlag sie noch mal.«

Sam fauchte sie an: »Du hältst den Mund.«

»Es war nicht meine Schuld«, flüsterte ich, den Arm um den Teddybären geschlungen.

»Er war weich«, sagte Teacup. »Das passiert eben, wenn man …«

Binnen zwei Sekunden befand sich Sam auf ihr. Dann flogen Fäuste und Knie und Füße, und Staub wirbelte von den Bettdecken auf, und Mein Gott, in dem Bett liegt ein Gewehr!, und ich stieß Teacup weg, schloss die Arme um Sam und drückte ihn fest an meine Brust, während er um sich schlug und strampelte, spuckte und mit den Zähnen knirschte, während Teacup ihn lautstark beschimpfte und versprach, ihn zu töten wie einen Hund, wenn er sie jemals wieder anfassen sollte. Dann flog die Tür auf, und Ben stürmte in seinem lächerlichen gelben Kapuzensweatshirt in den Raum.

»Schon okay!«, rief ich über das Geschrei hinweg. »Alles unter Kontrolle!«

»Cup! Nugget! Haltet euch zurück!«

Beide Kinder verstummten in dem Augenblick, in dem Ben den Befehl brüllte, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Sam erschlaffte. Teacup ließ sich gegen das Kopfende fallen und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Sie hat angefangen.« Sam zog einen Schmollmund.

»Ich hatte mir gerade überlegt, ob ich nicht ein großes rotes X aufs Dach malen soll«, sagte Ben. Er steckte seine Pistole ins Halfter. »Danke, dass ihr mir die Arbeit erspart habt, Leute.« Er grinste mich an. »Vielleicht sollte sich Teacup in meinem Zimmer einquartieren, bis Ringer zurückkommt.«

»Gut!«, sagte Teacup. Sie sprang aus dem Bett, marschierte zur Tür, machte auf dem Absatz kehrt, ging zurück zum Bett, schnappte sich das Gewehr und riss an Bens Handgelenk. »Gehen wir, Zombie.«

»Gleich«, sagte er sanft. »Dumbo schiebt gerade Wache. Nimm sein Bett.«

»Ab jetzt mein Bett.« Sie konnte sich eine letzte spitze Bemerkung nicht verkneifen: »A-Löcher.«

»Du bist das A-Loch!«, schrie ihr Sammy hinterher. Die Tür schlug auf die schnelle, heftige Art und Weise zu, die Hoteltüren eigen ist. »A-Loch!«

Ben sah mich an, die rechte Augenbraue hochgezogen. »Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«

»Nichts.«

»Ich habe sie geschlagen«, sagte Sammy.

»Du hast sie geschlagen?«

»Weil sie meinen Daddy hat sterben lassen.«

Jetzt gingen Sams Nerven mit ihm durch. Er ließ nicht die Fäuste fliegen, sondern seinen Tränen freien Lauf, und ehe ich michs versah, kniete Ben, und mein kleiner Bruder weinte in seinen Armen, und Ben sagte: »Hey, schon okay, Soldat. Alles wird gut.« Streichelte den Bürstenhaarschnitt, an den ich mich immer noch nicht gewöhnt hatte – ohne seinen Haarschopf war Sammy einfach nicht Sammy –, und wiederholte immer wieder den bescheuerten Camp-Namen: Nugget, Nugget. Ich wusste, es hätte mich nicht stören sollen, aber es störte mich, dass alle einen Spitznamen hatten außer mir. Mir hätte Defiance, »Trotz«, gefallen.

Ben hob ihn hoch und setzte ihn auf dem Bett ab. Dann hob er Bär vom Fußboden auf und legte ihn aufs Kopfkissen. Sam stieß ihn hinunter. Ben hob ihn wieder auf.

»Möchtest du Teddy wirklich ausmustern?«, fragte er.

»Er heißt nicht Teddy.«

»Gefreiter Bär«, versuchte es Ben.

»Nur Bär, und ich will ihn nie wieder sehen!« Sam zog sich ruckartig die Bettdecke über den Kopf. »Und jetzt haut ab! Alle. Haut. Einfach. Ab!«

Ich ging einen Schritt auf ihn zu. Ben schüttelte den Kopf und deutete mit einem Nicken auf die Tür. Ich folgte ihm aus dem Zimmer. Beim Fenster am Ende des Korridors türmte sich ein großer Schatten auf: der korpulente, stille Junge namens Poundcake, dessen Schweigsamkeit nicht in die unheimliche Kategorie fiel, sondern eher an die tiefe Stille eines Bergsees erinnerte. Ben lehnte sich an die Wand und drückte Bär an seine Brust. Er schwitzte trotz der eisigen Temperaturen. Wenn Ben nach einer Rangelei mit zwei Kindern erschöpft war, hatte er ein Problem, was bedeutete, dass wir alle ein Problem hatten.

»Er wusste nicht, dass euer Dad tot ist?«, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf. »Er wusste es, und er wusste es nicht. Eins von diesen Dingen.«

»Ja.« Ben seufzte. »Diese Dinge.«

Zwischen uns kehrte eine bleierne Stille von der Größe von Newark ein. Ben streichelte geistesabwesend Bärs Kopf wie ein alter Mann beim Zeitunglesen seine Katze.

»Ich sollte zu ihm gehen«, sagte ich.

Ben machte einen Schritt zur Seite, vor die Tür, und versperrte mir den Weg. »Vielleicht solltest du das lieber nicht tun.«

»Vielleicht solltest du deine Nase nicht …«

»Es ist nicht der erste Mensch in seinem Leben, der gestorben ist. Er wird schon damit fertig.«

»Wow. Das war krass.« Wir sprechen hier von jemandem, der auch mein Vater war, Zombie-Boy.

»Du weißt schon, wie ich es gemeint habe.«

»Warum sagen das eigentlich alle, nachdem sie irgendwas total Grausames gesagt haben?« Ich schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »Ich weiß zufällig, wie es ist, ganz allein mit dem Tod ›fertigwerden‹ zu müssen. Nur man selbst und die große Leere, wo früher mal alles war. Es wäre schön gewesen, wirklich, wirklich schön, jemanden bei mir gehabt zu haben …«

»Hey«, sagte Ben sanft. »Hey, Cassie, ich habe nicht …«

»Nein, du hast nicht. Du hast wirklich nicht.« Zombie. Weil er keine Gefühle hatte? Weil er in seinem Inneren tot war wie ein Zombie? In Camp Ashpit gab es auch solche Leute. Schlurfer nannte ich sie, Säcke voller Staub in Menschengestalt. In ihnen war irgendetwas Unersetzliches zerbröckelt. Zu viel Verlust. Zu viel Schmerz. Schlurfende Murmler mit leerem Blick und offenem Mund. War Ben das? War Ben ein Schlurfer? Warum hatte er dann alles riskiert, um Sam zu retten?

»Wo auch immer du warst«, sagte Ben langsam, »waren wir auch.«

Die Worte schmerzten. Weil sie wahr waren und weil jemand anders praktisch dasselbe zu mir gesagt hatte: Du bist nicht die Einzige, die alles verloren hat. Dieser Jemand hatte den ultimativen Verlust hinnehmen müssen. Und...

Erscheint lt. Verlag 30.3.2015
Übersetzer Thomas Bauer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Infinite Sea
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aliens • Apokalypse • Außerirdische • dystopie fantasy • eBooks • Fantasy • New York Times Bestseller • tribute von panem • Weltuntergang • Weltuntergang, Apokalypse, Tribute von Panem, Außerirdische, Aliens, new york times bestseller
ISBN-10 3-641-13668-7 / 3641136687
ISBN-13 978-3-641-13668-0 / 9783641136680
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