Das Sonntagsmädchen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
464 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96493-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Sonntagsmädchen -  Kate Lord Brown
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Immer sonntags öffnet die herrschaftliche Villa in Marseille ihre schmiedeeisernen Tore und wird zum Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle, die aus allen Ecken des Landes herbeiströmen. Auch der junge Maler Gabriel Lambert macht sich auf den Weg nach Südfrankreich. Doch es ist das Nachbarhaus, das ihn schon bald in seinen Bann zieht. Denn dort wohnt ein Mädchen, dessen Schönheit ihn vom ersten Augenblick an fesselt. Ein Mädchen, für das er alles zu tun bereit ist - koste es, was es wolle ...

Kate Lord Brown wuchs in der englischen Grafschaft Devon auf. Nach ihrem Studium am Courtauld Institute of Art war sie zunächst als internationale Kunstberaterin tätig. Später zog sie mit ihrer Familie nach Valencia und widmete sich dort dem Schreiben. »Das Haus der Tänzerin«, ihr erster auf Deutsch erschienener Roman, stand mehrere Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde in sieben Sprachen übersetzt. Heute lebt sie in Großbritannien.

Kate Lord Brown wuchs in der malerischen englischen Grafschaft Devon auf. Nach ihrem Studium an der Universität Durham und am Courtauld Institute of Art war sie zunächst als internationale Kunstberaterin tätig. Später zog sie mit ihrer Familie nach Valencia und widmete sich dort dem Schreiben. Im Jahr 2009 war sie eine der Finalistinnen der "People´s Author Competition", die vom britischen TV-Netzwerk ITV ausgerichtet wird. Heute lebt sie im Mittleren Osten und arbeitet als Kolumnistin. "Das Haus der Tänzerin", ihr erster auf Deutsch erschienener Roman, war auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde in sieben Sprachen übersetzt.

2

Williamsburg, Brooklyn – Mittwoch, 6. September 2000

Sie wird vom Flattern weißer Flügel geweckt, ein Wirbel, dessen Silhouette sich vor dem hellen Morgenlicht abzeichnet, das durch das vorhanglose Loftfenster dringt. Sophie schreckt aus ihrem tiefen Schlaf auf, schützt das Gesicht mit dem Arm vor dem Licht, vor dem Vogel. Sie kneift die Augen zusammen, der Vogel sucht verzweifelt den schmalen Spalt, durch den er geschlüpft ist, die Flügel schlagen hilflos gegen die hohen Glasscheiben.

»Wie bist du denn hier reingekommen?« Sophie öffnet das Fenster weit. Die Geräusche der aufwachenden Stadt dringen mit dem leichten, warmen Wind ins Studio: unten Verkehrshupen, das Brummen von Klimaanlagen auf dem Dach über ihr, irgendwo ein blechernes Radio, auf dem Said I Loved You spielt …

Jess’ Lieblingslied, denkt sie sofort. Pawlowartig rauscht ihr ein Cocktail von Erinnerungen durch den Kopf. Sie erinnert sich, wie sie ihn wegen seines Musikgeschmacks geneckt hat, als sie sich kennenlernten, wie seine seltsame Vorliebe für Powerballaden zu einem Dauerscherz wurde: Allen Ernstes? Unter diesem Brooks-Brothers-Anzug trägst du Mähne und ausgewaschene Jeans? Sophie denkt an den Abend, als sie bei irgendeiner Party auf einer Veranda in East Hampton langsam zu dem Lied tanzten – ein Wunsch von ihm. Alle hatten gelacht und gestöhnt, als der DJ das Stück spielte, aber das verlieh dem Augenblick, der Art, wie Jess mit ausgestreckter Hand auf sie zukam, eine vollkommene Leichtigkeit. Sie erinnert sich an seine Sicherheit, wie er sich allein auf sie konzentrierte, an das Rauschen der Brandung und den süßen Erdbeergeschmack, den sie noch auf den Lippen hatte, als er sie küsste. Sie dreht die Hand, da sie daran denkt, wie ihr der Ring über den Finger rutschte, wie der Stein im Mondlicht glitzerte. Sophie hebt die weiße Bettdecke hoch. Von allen Liedern. Unser Lied … Sie korrigiert sich. Sein Lied. Die Melodie treibt von einem offenen Eingang in der Grand Street nach oben, hinauf in den Morgenhimmel, und trägt ihre Gedanken mit sich.

Sophie spricht langsam mit dem Vogel, beruhigt ihn in seiner hektischen Suche nach Freiheit. »Na komm schon«, sagt sie und wirft das Betttuch in dem Moment über ihn, als er in der Ecke des Studios landet. Sanft umfasst sie den Vogel mit beiden Händen, spürt das Stakkato seines Herzschlags an den Fingern, den feinen, kuppelförmigen Bogen seines Brustkorbs.

Am Fenster lässt sie ihn frei, sieht zu, wie er in dem dunstigen Morgenhimmel über Brooklyn aufsteigt. Die Luft ist heiß, greifbar, durchsetzt von den Gerüchen der Straßen – Benzin, Kaffee, die Schalen reifer Melonen in den Müllcontainern hinter dem Laden. Die Taube gesellt sich zu ihren mit faden Federn geschmückten Freunden, die auf dem Giebel des gegenüberliegenden Gebäudes hocken, ein bleiches Satzzeichen in dem Morsecode aus gurrenden Vögeln, die sich die Nacht aus den Federn schütteln.

Sophie setzt sich in die Sonne aufs Fensterbrett, die Ziegel wärmen ihr durch ihr dünnes weißes Baumwollhemdchen den schmerzenden Rücken. Sie schließt die Augen, hält das Gesicht in die Morgensonne und dreht den Kopf von einer Seite zur anderen, um die Verspannungen im Nacken zu lösen. Ihr goldblondes Haar fällt ihr über die Schultern, ein glänzender Kranz, den sie nimmt und mit geübter Leichtigkeit zu einem lockeren Knoten dreht. Auf dem durchhängenden, mit rotem Samt bezogenen Sofa und dem einzelnen Kissen ist noch der Abdruck ihres ruhelosen Schlafs zu sehen. Das Lied ist zu Ende, und als der Jingle des Radiosenders sie von den Gedanken an Jess erlöst, geht ihr der Brief wieder durch den Kopf, die Endlosschleife, seit sie morgens um vier Uhr aufgewacht war. War ich zu hart?, denkt sie. Was ist, wenn Lambert mich nicht sprechen will? Sie hat den Brief so oft gelesen, dass sie ihn auswendig kann. »Ich bin Berufsjournalistin und arbeite investigativ.« Sie zuckt innerlich zusammen. Was für einen Eindruck hätte wohl »Feuilletonmitarbeiterin mit frischem Abschluss und null beruflicher Erfahrung« auf seine Superanwälte gemacht?

Als sie Pfoten über den bloßen Betonboden trapsen hört, dreht Sophie sich lächelnd um. »Hey, Mutt.« Der Dackel gähnt und dehnt sich, die Vorderbeine ausgestreckt, den wackelnden Schwanz aufgestellt. »Na komm«, sagt Sophie und schwingt sich vom Fensterbrett herunter. Sie macht sich frisch, nimmt ein sauberes weißes Hemd und schlüpft hinein. Dann greift sie nach der Leine, die zusammengerollt auf ihrem Koffer liegt, und tappt durch das Studio. Das Sonnenlicht fällt in breiten Parallelogrammen in den offenen Raum und heizt ihn auf. Sie schaltet die Kaffeemaschine ein, nimmt eine frische Packung Kaffee von Zabar’s aus dem Lebensmittelpaket, das ihre Mutter ihr aufgedrängt hatte, reißt die Versiegelung auf und atmet den intensiven Duft des gerösteten Kaffees ein, während sie ihn in den Filter schüttet. Sie wirft einen Blick in die Einkaufstüte, entdeckt die vertraute geschwungene Handschrift ihrer Mutter auf einem Zettel unter ein paar Bagels. Sophie streicht ihn glatt. Halte durch. Ich hab dich lieb. Kuss, Mama. Er steckt an einem Essay von Henry James, sie hat einen Absatz unterstrichen.

Sophie bleibt kurz an der Tür stehen, um mit ihren gebräunten Füßen in weiße Converse-Sportschuhe zu schlüpfen, knöpft sich das Hemd locker zu, krempelt die Ärmel hoch und knotet es in der Taille über ihren Chinos zusammen. Mutt scharrt ungeduldig mit den Pfoten über den Boden und stupst ihr Bein mit dem Kopf an.

»Ich weiß, ich weiß«, sagt sie, »nur noch eine Sekunde, ja?« Sie steckt sich eine Ray Ban in die Haare, überprüft ihr Bild im Spiegel, reibt einen Wimperntuschefleck unter ihren meergrünen Augen weg, wischt mit dem Daumen ein wenig Zahnpasta aus der Vertiefung in ihrer Unterlippe ab. Du kannst das, sagt sie sich, und in Gedanken ist sie schon bei dem Treffen mit Lambert. Ihr Magen zieht sich vor Nervosität und Anspannung zusammen. Sie hat sich schon tausendmal vorgestellt, wie es sein wird, ihn endlich zu treffen. »Sei großzügig, sei feinfühlig, und verliere niemals dein Ziel aus den Augen«, zitiert sie murmelnd aus dem Essay von James. Sie steckt die Papiere in ihren abgenutzten Lederbeutel, nimmt sich ihre Schlüssel und ein paar Dollarscheine, dann schiebt sie die Riegel an der schweren Metalltür zurück. »Gehen wir.«

Auf der Straße löst sich ihre Anspannung, während sie um den Block zur Bedford Avenue laufen, der Puls einer Basslinie, der aus einem aufgemotzten Chevy in einer Seitenstraße zu ihr dringt, schlägt im Rhythmus ihres Herzens, während sie darauf wartet, dass Mutt seinen Lieblingslaternenmast in der Nähe des Restaurants Kam Sing tauft. Die metallene Kellertür steht offen, und der Geruch von Bratöl und Gewürzen vom gestrigen Abend weht herauf. Sophie holt ihr Handy aus der Tasche, wählt die Nummer ihrer Mutter und weicht einer Gruppe graugesichtiger Pendler aus, die auf dem Weg zur Linie L sind. Während sie wartet, bis die Leute vorbeigegangen sind, erblickt sie kurz ihr Spiegelbild im Fenster, eine weiße Glückskatze aus Keramik winkt ihr von der Theke aus zu. Es ist besetzt. Mit gerunzelter Stirn steckt Sophie das Telefon wieder ein.

»Fertig? Ganz sicher?«, fragt sie, als der Hund weiterläuft. Sie bindet ihn vor dem Lebensmittelladen an einer mit Graffiti bekritzelten Wand fest. Sie kauft frischen Orangensaft, währenddessen hält er den Blick starr auf sie gerichtet. Sophie nimmt eine New York Times aus dem Zeitungskasten. Sofort erspäht sie seinen Namen, gleich unter der Schlagzeile. Alle Buchstaben verschwimmen, und nur noch zwei Wörter bleiben stehen: Jess Wallace, verblüffend deutlich. Mutt bellt ungeduldig, und Sophie muss unwillkürlich lächeln, als sie zu ihm geht und ihn losbindet. »Na, das ging doch ganz fix.« Die gute Laune des Hundes ist ansteckend, das freudige Wackeln mit dem Schwanz überträgt sich auf seinen ganzen Körper – sie sind wieder zusammen, so einfach ist das. Sophie hängt sich die Leine und die Tüte über das Handgelenk und blättert beim Gehen die Zeitung durch. Den Artikel auf der ersten Seite liest sie absichtlich nicht, sondern sucht ihre aktuelle Kolumne über eine neue Ausstellung, die gerade eröffnet worden war. Sie findet sie ganz hinten im Feuilleton, irgendwo zwischen den Anzeigen. Wie ein Nachgedanke.

Im Studio läuft die Dusche. Mica singt aus voller Kehle zu Macy Gray im Radio. Sophie schenkt sich eine Tasse Kaffee ein und schafft Platz zwischen den Skizzen und den Stoffrollen auf dem Esstisch. Sie breitet die Fotos und Dokumente aus ihrem Beutel aus, als würde sie Spielkarten austeilen. Auf jedem Bild klebt ein gelber Post-it-Zettel, auf dem in schwarzer Tinte deutlich geschrieben steht: Gabriel Lambert 1970? Letztes bekanntes Bild. Varian Fry, André Breton 1940. JC: Gabriel und Annie Lambert, Party, Long Island, 1960er. Sophie nimmt dieses letzte Bild in die Hand, betrachtet es genau. Die junge Frau trägt ihre blonden Haare modisch offen, ein schwerer, gerade geschnittener Pony hängt über den mit Kajal dunkel geschminkten Augen, die den schlanken, sonnengebräunten Mann neben ihr voller...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2014
Übersetzer Elke Link
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Kate Morton • Katherine Web • Liebe • Lucinda Riley • Maler • New York • Südfrankreich • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-492-96493-1 / 3492964931
ISBN-13 978-3-492-96493-7 / 9783492964937
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