Immer wenn es Sterne regnet (eBook)

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2014 | 1. Auflage
360 Seiten
Feelings (Verlag)
978-3-426-42769-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Immer wenn es Sterne regnet -  Susanna Ernst
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Als Mary auf einem Trödelmarkt einen alten Sekretär erwirbt und darin ein Bündel Briefe findet, stürzt sie Hals über Kopf in eine Geschichte, die ihr Leben für immer verändert. Es sind Liebesbriefe aus den 1920er Jahren, geschrieben von einem gewissen Adam an seine heimliche Angebetete Gracey. Die sehnsüchtigen Zeilen treffen Mary mitten ins Herz, und sie beschließt, mehr über das ungleiche Paar und ihre verbotene Liebe herauszufinden. Dabei entdeckt Mary etwas, womit sie nie gerechnet hätte; und als der Himmel plötzlich aufreißt und es mit einem Mal Sterne regnet, wird der Ausflug in die Vergangenheit zu einer Reise zu sich selbst.

Susanna Ernst wurde 1980 in Bonn geboren und schreibt schon seit ihrer Grundschulzeit Geschichten. Sie leitete siebzehn Jahre lang eine eigene Musicalgruppe, führte bei den Stücken Regie und gab Schauspielunterricht. Außerdem zeichnet die gelernte Bankkauffrau und zweifache Mutter gerne Portraits, malt und gestaltet Bühnenbilder für Theaterveranstaltungen. Das Schreiben ist jedoch ihre Lieblingsbeschäftigung für stille Stunden, wenn sie ihren Gedanken und Ideen freien Lauf lassen will. Ihr Credo: Schreiben befreit!

Susanna Ernst wurde 1980 in Bonn geboren und schreibt schon seit ihrer Grundschulzeit Geschichten. Sie leitete siebzehn Jahre lang eine eigene Musicalgruppe, führte bei den Stücken Regie und gab Schauspielunterricht. Außerdem zeichnet die gelernte Bankkauffrau und zweifache Mutter gerne Portraits, malt und gestaltet Bühnenbilder für Theaterveranstaltungen. Das Schreiben ist jedoch ihre Lieblingsbeschäftigung für stille Stunden, wenn sie ihren Gedanken und Ideen freien Lauf lassen will. Ihr Credo: Schreiben befreit!

Newcastle, 6. Oktober 1927

Sir, ich habe alles erledigt, wie Sie es sagten. Kann ich sonst noch etwas tun?«

Demütig, wie er sich in Anwesenheit seines Meisters fühlte, traute sich Adam Winterfield kaum, sein Kinn zu heben und zu dem Mann aufzuschauen, der sich seiner erst vor wenigen Wochen angenommen hatte. Einen vierundzwanzigjährigen Aushilfsarbeiter ohne nachweisbare Bildung aufzunehmen, ihn nicht nur mit dem Handwerk vertraut zu machen, sondern auch mit dem kaufmännischen Part und der Buchführung, ihm ein Dach über dem Kopf zu bieten und mindestens eine warme Mahlzeit am Tag, dazu all die Bücher, mit denen er sein Allgemeinwissen aufbessern sollte … Das zeugte von besonderer Gutherzigkeit. Nichtsdestotrotz misstraute Adam seinem Glück bis jetzt. Viel zu lange schon hatte ihm das Schicksal übel mitgespielt.

Nun erwartete er beinahe, jeden Moment zu scheitern. Einen Fehler so gravierenden Ausmaßes zu begehen, dass man ihn dafür in hohem Bogen vor die Tür setzen würde. Zurück auf die Straße – dorthin, wo er herkam.

Straßenköter, Gassenjunge, Bastard …

In Adams Kopf hallten die Beschimpfungen wider, die sein Leben so lange begleitet hatten. Doch auch in diesem Moment erwiderte der Meister seinen Blick mit reiner Sanftmut.

»Nein, sonst gibt es hier nichts mehr zu tun. Geh nur! Wasch dich, iss ordentlich und mach die Nacht nicht zum Tage. Denn morgen geht es weiter.«

»Ich danke Ihnen, Sir! Einen schönen Abend wünsche ich.«

»Den wünsche ich dir auch … Ach, und Adam?«

Die Schultern des jungen Mannes zuckten; reflexartig zog er den Kopf ein, als sein Name noch einmal fiel. Hatte er etwas vergessen, etwas Entscheidendes womöglich? Seine letzten Aufgaben schossen ihm noch einmal durch den Kopf; schnell wie Blitze durchzuckten sie ihn:

Kehren – erledigt.

Neues Holz in den Kamin legen, damit es über Nacht trocknen kann – erledigt.

Den Müll entsorgen – erledigt.

»Ja, Sir?«, antwortete er dennoch mit banger Stimme.

»Du hast heute sehr gut gearbeitet. Weiter so!«

Erleichtert atmete er auf. Ein Lob. Ein echtes Lob.

»Vielen Dank. Gute Nacht!«

 

Leichten Herzens schloss er die Tür hinter sich und stieg über die hölzerne Treppe in das Obergeschoss des Hauses empor. Hier, am Ende des schmalen Korridors, lag sein Zimmer, direkt neben dem des Meisters. Gegen die zentraleren Bauten der Stadt wirkte das Haus nahezu veraltet. Dort, in Hafennähe, wo sich die Baukräne quasi aneinanderreihten und ein vielstöckiges Gebäude neben dem anderen entstand, sprachen die Menschen geringschätzig über die östlichen Vorstadthäuser, die durch den Lake Washington vom Rest der Stadt so gut wie abgetrennt waren und deren Wände teilweise nicht einmal fließendes Wasser und elektrischen Strom führten.

Adams Zimmer verfügte zwar über Strom, doch an ein eigenes Bad war nicht einmal zu denken.

Dennoch füllte er das Wasser mit einem Gefühl des Stolzes von dem rissigen Porzellankrug in die große Emailleschüssel. Immerhin konnte er sich waschen. Er besaß sogar ein Stück Seife. Dieses nahm er nun zur Hand, wusch sich damit den feinen Staub von den Armen, den Händen, dem Gesicht und seinen Haaren. Mit einem Handtuch rubbelte er über seine Locken und betrachtete sich im Spiegel über der Waschschüssel.

Zunächst seine spröden Lippen. Der Meister ermahnte ihn ständig, mehr Flüssigkeit zu sich zu nehmen, doch er war ja selbst kein gutes Vorbild, und Adam war das regelmäßige Trinken schlichtweg nicht gewohnt.

Sein Blick glitt weiter über die nach wie vor gerade Nase, die von dem Bruch vor drei Jahren lediglich eine leichte Verdickung der Nasenwurzel davongetragen hatte, und die tief liegenden grünen Augen mit den mittlerweile markanten dunklen Schatten darunter.

Adam war müde. Himmel, war er müde.

Aber er wollte vorbereitet sein, sollte der Moment des Wiedersehens tatsächlich so unverhofft kommen, wie er es sich in all seinen Träumen – und die ereilten ihn bei Gott nicht nur nachts – immer wieder ausmalte.

Jedes Mal war sie plötzlich da. Klopfte an seine Tür und stand vor ihm, wenn er öffnete. Einfach so, völlig unvermittelt. Sie sahen sich an, fielen einander in die Arme, küssten sich, hielten sich. Liebten sich. Am helllichten Tage, in dunkelster Nacht, immer wieder. Ein Leben lang.

Gedankenverloren glitten Adams Zeige- und Mittelfinger über seine Unterlippe – federleicht –, denn es war wie ein Zauber: Wann immer er an ihre Küsse dachte, spürte er tatsächlich ein Kribbeln in seinen Lippen, als säßen Schmetterlinge wie Boten des Vergangenen auf seinem Mund und kitzelten ihn mit ihren sanften Flügelschlägen. Dann hörte er noch einmal die Musik, die an diesem schicksalhaften Abend ihrer ersten Begegnung gespielt hatte, roch noch einmal Graceys Haar, das so verführerisch nach Vanille und Rosen geduftet hatte.

Natürlich war die Erinnerung nie mehr als ein vager Schatten des realen Erlebnisses. Dennoch reichte sie jedes Mal wieder aus, ihn in den leicht dümmlich vor sich hin lächelnden Jungen zu verwandeln, den er schon längst hatte hinter sich lassen wollen. Verärgert über sich selbst, schüttelte er so stark den Kopf, dass das Wasser von seinen Haaren spritzte und den Spiegel besprenkelte.

»Schluss mit der Träumerei!«, gebot er sich streng, während er die Tropfen von dem hinterlegten Glas wischte.

Nein, für Gracey wollte Adam nicht länger ein schwärmender Junge sein, für sie wollte er endlich zum Mann werden. Für sie wollte er lernen, lernen und noch mal lernen. Geld verdienen, ein besserer Mensch werden und schließlich ein ihr würdiger Ehemann. Handeln, anstatt zu träumen. Das war sein Plan.

Doch was so simpel klang, war leider ein ziemlich schwieriges Unterfangen. Wie auch nicht, wenn man direkt aus der Gosse kam und sich zum Ziel gesetzt hatte, eines Tages auf rechtmäßigem Wege und zumindest mit der vagen Hoffnung auf Erfolg um die Hand eines der reichsten und hübschesten Mädchen der Stadt anzuhalten.

Zuvor hatte er es auf die einzige ihm vertraute Art und Weise versucht und seinen Stand damit so sehr verschlechtert, dass er nach dem Scheitern dieser erbärmlichen Taktik beschlossen hatte, sich zunächst auf unbestimmte Zeit zurückzuziehen und Gras über die Angelegenheit wachsen zu lassen. Er hatte sie alle getäuscht. Die kluge Mutter, den von Natur aus gutmütigen Vater und selbst Graceys alte Anstandsdame.

Alle, außer sie selbst. Sie hatte er nicht zu täuschen brauchen, war sie doch von sich aus eine kleine Rebellin, die eher ihrem übermütigen Herzen gehorchte als den vernünftigen Worten ihrer verstockt wirkenden Mutter. Nein, Gracey war nicht wie sie. Nicht so ernst und zugeknöpft.

»Pffff«, machte Adam und raufte sich die feuchten Haare, als ihn der letzte Begriff buchstäblich durchzuckte. »Zugeknöpft«, das erinnerte ihn an »aufgeknöpft« … und dieser Gedanke war … nun ja, nicht gerade förderlich, wenn man in seiner Situation steckte und verzweifelt um einen klaren Kopf rang. Aber es stimmte: Gracey war wunderbar temperamentvoll und ungehorsam. Sonst hätten die Bilder, die sich nun wieder in seinem Kopf ausbreiteten, nicht realen Begebenheiten entspringen und niemals Erinnerungen sein können.

Gracey merkte man an, dass ihr alter Herr aus Oklahoma stammte; durch ihre Adern floss unverkennbar das Blut einer Südstaatlerin.

Ein stolzes Lächeln eroberte Adams Gesicht, als er daran zurückdachte, wie sie ihn in den kleinen Raum neben der Küche gezerrt und zwischen Besen, Leitern und Putzeimern stürmisch geküsst hatte. Vollkommen überrumpelt hatte sie ihn damit, auf so wunderbare Art.

Doch das war lange her. Viel zu lange, wenn es nach Adam ging. Wie zur Bestätigung löste sich das Kribbeln seiner Lippen auf, wie Brausepulver in Wasser. Plötzlich war es ausgelöscht und hinterließ nur ein furchtbar bitteres Gefühl tiefster Einsamkeit. Adam war es nicht fremd, auf sich allein gestellt zu sein, dennoch verabscheute er dieses Gefühl.

Gracey hingegen war noch nie zuvor in ihrem Leben mit wahrem Verlust konfrontiert gewesen, das hatte sie ihm selbst erzählt. Umso mehr wunderte es ihn, schon seit Wochen nichts mehr von ihr gehört zu haben. Sehnte sie sich denn nicht ebenso nach ihm, wie er sich nach ihr verzehrte?

Bei ihrer letzten heimlichen Begegnung hatte sie noch hoch und heilig versprochen, einen Weg zu ihm zu finden – Verbot hin oder her.

Dieses Treffen lag beinahe zwei Monate zurück.

Adam wusste, dass sein Freund David ihr die Nachricht über seinen momentanen Aufenthaltsort erfolgreich übermittelt hatte. Ihm konnte er vertrauen. Gracey hatte also Kenntnis darüber, wo er lebte und dass er dabei war, seinen Plan für ihre gemeinsame Zukunft, einen neuen Anfang, in die Tat umzusetzen. Für sie!

Was war also geschehen? Warum meldete sie sich nicht mehr?

Seufzend legte Adam die Seife in die kleine Schale und hängte das Handtuch zurück an seinen Haken. Dann schnitt er sich eine dicke Scheibe Brot ab, sammelte mit angefeuchteter Fingerspitze akribisch die Krumen vom Brett, wickelte den Rest des Laibs zurück in das Tuch und trat vor das einzige, winzige Fenster seines Zimmers. Trotz der Kälte und des rauen Windes, der um das Haus pfiff, öffnete er das Fenster und beugte sich mit freiem Oberkörper in unfassbarer Sehnsucht den letzten Strahlen der untergehenden Sonne entgegen, als wollte er einen davon erfassen und den glühenden Stern daran zurück an den höchsten Punkt des Himmels ziehen.

Wieder ein Tag, der sich viel zu schnell dem Ende neigte. Wieder ein Tag, der ohne eine...

Erscheint lt. Verlag 9.7.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Briefe • Große Gefühle • Liebe • Schicksal
ISBN-10 3-426-42769-9 / 3426427699
ISBN-13 978-3-426-42769-9 / 9783426427699
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