Rhapsodie der Freundschaft (eBook)

(Autor)

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2013 | 1. Auflage
DXII, 100 Seiten
Francke-Buch (Verlag)
978-3-86827-964-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rhapsodie der Freundschaft -  Lynn Austin
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Kalifornien 1941: Bei der Arbeit lernen sich 4 Frauen kennen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Und das auf einer Werft mitten im Krieg. Bald wird ihnen klar, dass sie einander trotz aller Unterschiede Hoffnung schenken können. Sie lernen sich selbst, den Glauben und das Geschenk der Freundschaft richtig schätzen.

Prolog

Dezember 1941

Virginia

Virginia Mitchell beobachtete, wie ihr Mann den Sonntagsbraten aufschnitt, und fragte sich, ob er ein Verhältnis hatte. Er widmete dem Tranchieren des Bratens in diesem Moment mehr Aufmerksamkeit als ihr während der ganzen Woche. Harold verreiste beruflich sehr oft, sodass er reichlich Gelegenheit hatte, auf Abwege zu geraten. Morgen würde er wieder eine Reise antreten. Jetzt legte er das Messer fort und nickte beifällig.

„Der Rinderbraten sieht gut aus, Virginia. Gar nicht trocken oder zäh.“

Erleichtert seufzte sie auf. „Ich hatte schon Sorge, er wäre verdorben. Die Predigt war recht lang.“

„Der neue Pastor reitet gerne auf seinem Thema herum.“ Harold warf ihr sein charmantes Lächeln zu, bei dem ein liebenswertes Grübchen in seiner linken Wange erschien.

Virginia hätte nie einen so attraktiven und intelligenten Mann wie Harold Mitchell heiraten sollen. Ständig machte sie sich Sorgen, dass er eine andere Frau finden könnte, die anregender war als sie. Eine, im Vergleich zu der sie ihm fade und langweilig erschien. Virginia sah immer in seinen Taschen nach, wenn er von einer Reise nach Hause kam, und durchsuchte jedes Fach seines Koffers nach verräterischen Hinweisen darauf, dass er mit einer anderen Frau zusammen gewesen war. Sie roch sogar an seinen Hemdkragen und dem Revers seiner Anzüge, um eventuelle Spuren von Parfüm ausfindig zu machen. Ein- oder zweimal hatte sie geglaubt, einen ungewohnten Duft feststellen zu können.

Die Sorge fraß sie auf, so wie ihre Familie dieses Sonntagsessen auffraß: Harold häufte dicke Fleischscheiben auf seinen Teller, der neunjährige Allan schaufelte sich mit der Gabel Kartoffelpüree in den Mund und Herbert mit seinen sieben Jahren schlang das Aspik hinunter, als befände er sich in einem Wettlauf gegen die Zeit. Wenn sie nur sicher wüsste, dass Harold wirklich eine Affäre hatte.

Aber was würde sie dann tun? Ginny hatte unzählige Male darüber nachgedacht, während sie seine Taschen durchsucht hatte. Sie konnte ihn nicht verlassen. Wie sollte sie sich und ihre beiden Söhne ernähren? Sie müsste eine Arbeit finden, und sie hatte keinerlei Ausbildung oder Berufserfahrung, außer als Hausfrau.

Sie beobachtete, wie Harold Soße über seine Stampfkartoffeln goss, und dachte, dass es vielleicht besser war, wenn sie es nicht wusste. So war sie nicht gezwungen zu entscheiden, ob sie stillschweigend mit dem Wissen leben und ihm verzeihen oder ihn verlassen sollte. Sie hatte genug Mühe zu entscheiden, was es zu Mittag geben sollte, wie könnte sie da eine derart schwerwiegende Entscheidung treffen? Ginny machte sich nichts vor – wenn ein Mann erst einmal ein Schwerenöter war, konnte man ihm niemals mehr trauen.

Sie hatte Schwerenöter als neueste Vokabel in ihren Wortschatz aufgenommen. Ein Schwerenöter war jemand, der anderen Frauen nachstellte. Seit über einem Jahr benutzte Ginny jetzt schon ein Synonymlexikon und ein Wörterbuch, um ihren Wortschatz zu verbessern. Einerseits um Harolds willen, da sie hoffte, dadurch Gespräche führen zu können, und andererseits um ihrer selbst willen, damit sie sich weniger minderwertig fühlte. Sie hatte die beiden Bücher während ihres ersten und einzigen Jahres im College gekauft, und seither hatten sie nur im Regal gestanden – abgesehen von den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie damit Blumen gepresst hatte. Sie hatte im Synonymlexikon das Wort Playboy nachgeschlagen, weil sie sich daran erinnerte, dass Harold vor ihrer Heirat diesen Ruf gehabt hatte. Das Wort Playboy hatte zu Schwerenöter geführt.

War er einer? Und wollte sie das wirklich wissen? Sie beobachtete, wie er mit der Gabel die grünen Bohnen aufspießte, und das Herz tat ihr weh vor Liebe zu ihm. Wenn er sie doch nur halb so sehr lieben würde, wie sie ihn liebte.

Harold hatte wie üblich die Unterhaltung bei Tisch in die Hand genommen und fragte die Jungen nach ihren Hausaufgaben und Pfadfinderprojekten. Ginny hatte nichts Neues zu berichten. Sie kam sich dumm, langweilig, geistlos vor – noch so eine Vokabel. Ihr Leben war uninteressant und öde, tagein, tagaus. Wenn sie nur aufregende, anspruchsvolle Dinge tun könnte und eine Frau mit Zielen und festen Vorstellungen wie Eleanor Roosevelt wäre. Dann hätte Harold keinen Grund, ein Schwerenöter zu sein.

Die Flammen der Kerzen verschwammen vor ihren Augen, als ihr die Tränen kamen. Bemerkte überhaupt irgendjemand, was für eine Mühe sie sich gab, das sonntägliche Mittagessen zu einem besonderen Ereignis zu machen? Sie hatte Kerzen angezündet, ihr gutes Porzellan und Tafelsilber aufgelegt, den Tisch mit einer weißen Damastdecke und Servietten gedeckt. Sonntag war der einzige Tag, an dem ihre kleine Familie den ganzen Tag zusammen war, und sie wollte das würdigen. Sie gingen immer in die Kirche und zogen ihre Sonntagskleidung an. Die Jungen sahen in ihren Anzügen und Krawatten wie kleine Männer aus, doch Ginny hatte keine Eile damit, dass Allan und Herbert erwachsen wurden. Sie wünschte, die beiden wären noch Babys oder zumindest Kleinkinder in kurzen Hosen. Harold schimpfte ständig mit ihr, weil sie die Jungen zu sehr verwöhnte.

Virginia sah zu, wie die Stampfkartoffeln und der Pudding in den hungrigen Mäulern ihrer Familie verschwanden und der Braten zu ein paar wenigen Fetzen zusammenschrumpfte. Kurz darauf hatten Harold und die Jungs auch den Apfelkuchen verzehrt, den sie gebacken hatte. Dann standen sie vom Tisch auf und verschwanden im Wohnzimmer. Harold seufzte, während er es sich mit der Sunday Times im Sessel bequem machte. Die Jungen streckten sich zusammen mit dem Hund und ihren Comicheften auf dem Boden aus. Vielleicht sollte Ginny mehr als nur die Überschriften lesen. Vielleicht sollte sie sich für die Ereignisse in Europa interessieren, so wie Harold es tat. Vielleicht würden andere Frauen keine so große Versuchung darstellen, wenn sie mit ihm über Politik diskutieren könnte.

Aber die Politik musste warten, bis sie das Geschirr gespült und abgetrocknet hatte. Virginia ließ den Blick über den verwaisten Tisch schweifen und ihr war zum Weinen zumute. All die Arbeit: die Tischdecke und die Servietten zu bügeln, die Kartoffeln zu schälen, die grünen Bohnen zu putzen, dafür zu sorgen, dass das Fleisch genau richtig gewürzt war und die Bratensoße keine Klümpchen hatte, den Kuchenteig auszurollen, die Äpfel zu schälen und in gleichmäßig dicke Schnitze zu teilen – eineinhalb Stunden Arbeit in einer stickigen Küche, und die Mahlzeit war in einundzwanzig Minuten vorüber. Es würde eine weitere Stunde dauern, bis sie alles aufgeräumt hatte. Und es war eine so geistlose Arbeit. Kein Wunder, dass Harold sich mit ihr langweilte … sie fand sich ja selbst langweilig. Sie wünschte, sie wäre mutiger, klüger, selbstbewusster – wie Eleanor Roosevelt.

Virginia trocknete gerade die letzten Töpfe und Pfannen ab, als das Telefon klingelte. „Hallo Ginny! Hörst du Radio?“, fragte ihre Nachbarin von nebenan ganz atemlos.

„Nein, warum?“

„Stell es besser an. Wir sind angegriffen worden.“

„Angegriffen? Wie meinst du das?“ Aber Betty hatte schon wieder aufgelegt. Ginny eilte ins Wohnzimmer und stieg über Harolds ausgestreckte Beine und Allans überall verstreut liegende Comics, um das Radio einzuschalten. Es sprang mit einem hohlen Knackgeräusch an.

„Wer war das am Telefon?“, fragte Harold, während die Röhren des Radios sich aufwärmten.

„Betty Parker. Sie sagte, wir sollten das Radio anmachen. Außerdem erwähnte sie etwas von einem Angriff.“ Atmosphärische Störungen quietschten, als Ginny den Drehknopf betätigte und schließlich einen Sender fand. Es dauerte eine Weile, bis ihnen die Bedeutung der Worte, die der Sprecher in ernstem Tonfall vortrug, bewusst wurde.

„Noch immer steigt dichter Qualm vom Marinestützpunkt in Pearl Harbor auf, wo die Pazifikflotte der USA vor Anker liegt, und von Hickham Field, wo den Berichten zufolge mehr als einhundert US-Flugzeuge am Boden zerstört wurden. Es gibt noch keine Informationen darüber, wie viele Schiffe beschädigt wurden. Bis jetzt wurde bestätigt, dass zweihundert Soldaten getötet wurden, aber man geht davon aus, dass die Zahl der Opfer weiter steigt.“

Harold ließ die Zeitung sinken und rutschte auf seinem Sessel nach vorne. Allan sah mit großen Augen von seiner Lektüre auf. „Was ist passiert, Papa?“

„Schhh … hör zu.“

„Es gibt Augenzeugenberichte, die besagen, dass das Wappen der aufgehenden Sonne auf den Tragflächen der angreifenden Flugzeuge zu sehen gewesen sei. Bislang unbestätigt ist die Meldung, dass die Japaner Flugzeugträger benutzten, um die Flugzeuge in Angriffsdistanz zu bringen. Wir wiederholen noch einmal: Heute Morgen gegen 7.55 Uhr Ortszeit hat Japan einen Überraschungsangriff auf unsere amerikanischen Militärstützpunkte in Hawaii geflogen und weitreichende Schäden verursacht. Präsident Roosevelt ist offenbar mit hochrangigen Persönlichkeiten in Washington zusammengetroffen und es wird erwartet, dass er den Kongress auffordern wird, den Krieg zu erklären.“

Krieg! Das Wort jagte Ginny einen Schauer der Angst über den Rücken. Was würde mit ihren Kindern geschehen, mit ihrem Zuhause? Musste Harold in den Krieg ziehen und kämpfen? Mit seinen fünfunddreißig Jahren war er im wehrpflichtigen Alter. Sie blickte sich...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2013
Übersetzer Dorothee Dziewas
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2. Weltkrieg • Amerika im 2. Weltkrieg • •Amerika im 2. Weltkrieg, Liebesgeschichte, Emanzipation • Emanzipation • Liebe • Liebesgeschichte
ISBN-10 3-86827-964-4 / 3868279644
ISBN-13 978-3-86827-964-1 / 9783868279641
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