Der Sommer der Blaubeeren (eBook)

Roman

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
416 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-11237-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Sommer der Blaubeeren -  Mary Simses
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Ein Geheimnis aus der Vergangenheit. Ein Weg in die Zukunft...
Kurz vor ihrer Hochzeit fährt die New Yorker Anwältin Ellen Branford in den abgelegenen Küstenort Beacon, um den letzten Wunsch ihrer Großmutter zu erfüllen. Sie soll einen Brief überbringen und hofft, die Angelegenheit schnell erledigen zu können. Doch schon bald ahnt sie, dass sich dahinter viel mehr verbirgt. Denn inmitten von Blaubeerfeldern wartet eine alte Geschichte von Liebe und verlorenen Träumen auf Ellen - die ihr zeigen wird, dass man manchmal all seine Pläne über den Haufen werfen muss, um das wahre Glück zu finden ...

Mary Simses studierte Journalismus und Jura. Sie arbeitete zunächst als Anwältin und gab sich nur nach Feierabend ihrer Leidenschaft für das Schreiben hin. Bevor sie mit 'Der Sommer der Blaubeeren' ihren ersten Roman schrieb, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wird, veröffentlichte sie bereits einige Kurzgeschichten. Gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrem Mann, mit dem sie auch eine Anwaltskanzlei betreibt, lebt Mary Simses im Süden Floridas.

1

Eine kalte Begrüßung

»Stehen bleiben, das ist gefährlich!«

Ich hörte jemanden schreien, aber es war zu spät. Die Holzplanken des Piers bogen sich erst unter mir und gaben dann nach. Bretter splitterten, morsches Holz brach, und ich stürzte drei Meter tief in den eisigen Golf von Maine.

Vielleicht hätte ich den Mann, der mir die Warnung zurief, auf den Kai laufen sehen können. Wenn ich mich bloß etwas nach rechts gedreht hätte, hätte ich bemerkt, wie er wild mit den Armen winkend über den Strand zum Pier gerannt kam. Aber ich hatte den Sucher meiner Nikon-Kamera ans Auge gepresst und zoomte gerade etwas jenseits des Wassers heran – die Statue einer Frau in einem vom Wind gebauschten Kleid, die einen Korb voller Trauben trug.

Noch während ich mich mit rudernden Armen, pochendem Herzen und vor Kälte klappernden Zähnen wieder nach oben kämpfte, merkte ich, dass ich abtrieb, und zwar ziemlich schnell. Eine starke, mächtige Strömung wirbelte mich herum und zog mich fort vom Kai. Ich kam hustend an die Oberfläche, das Meer um mich herum schäumte aufgewühlt und voller Sand. Ich trieb noch immer ab, bewegte mich weg vom Pier und dem Strand, Wellen schwappten über mir zusammen, füllten meinen Mund und meine Nase mit Salzwasser. Ich spürte, wie meine Arme und Beine allmählich taub wurden, ich konnte nicht aufhören zu zittern. Wie konnte das Meer Ende Juni bloß so kalt sein?

Ich versuchte, gegen die Strömung anzuschwimmen, legte meine besten Kraulkünste an den Tag, trat so fest ich konnte und schob das Wasser weg, bis meine Gliedmaßen schmerzten. Doch ich driftete weiter in tieferes Gewässer ab, die Strömung war noch immer zu stark.

Du warst eine gute Schwimmerin, als du noch in Exeter warst, versuchte ich, mir selbst Mut zuzureden. Du kannst es ans Ufer schaffen. Die kleine Stimme in meinem Kopf wollte zuversichtlich klingen, aber es gelang ihr nicht. Panik durchfuhr mich bis in meine Fingerspitzen und Zehen. Etwas hatte sich in den Jahren, die dazwischen lagen, verändert. Zu viel Zeit, die ich sitzend an einem Schreibtisch verbracht und mich um juristische Schriftstücke und Erwerbsverträge gekümmert hatte, Zeit, in der ich offenbar nicht den Schmetterlingsstil trainiert hatte.

Plötzlich ließ die Strömung, die mich erfasst hatte, abrupt nach. Ich war umgeben von schwarzen Wassermassen mit weißen Schaumkämmen. Vor mir erstreckte sich das offene Meer, dunkel und unendlich. Ich drehte mich um, und zuerst konnte ich nichts anderes als noch mehr Wasserhügel erkennen. Dann schaukelte ich auf einem Wellenkamm hoch, und der Strand mit dem Pier tauchte auf, weit weg und winzig. Ich fing wieder an zu kraulen, nahm Kurs Richtung Ufer – schnaufte, ruderte, schnaufte, ruderte. Es war schrecklich anstrengend und meine Beine fühlten sich so schwer an. Sie wollten nicht mehr weiterstrampeln. Sie waren einfach zu müde.

Ich hörte auf und trieb auf der Stelle, meine Arme waren so erschöpft, ich hätte weinen können. Ich spürte einen brennenden Schmerz am Kinn, und als ich mein Gesicht berührte, hatte ich Blut am Finger. Ich hatte mich an irgendetwas geschnitten, vermutlich beim Sturz.

Der Sturz. Ich wusste nicht einmal, wie es hatte passieren können. Ich wollte bloß die Stadt vom Wasser aus sehen, so wie Gran, meine Großmutter, sie gesehen haben musste, als sie hier in den 40er-Jahren aufgewachsen war. Also war ich über den Strand gelaufen, hatte ein Gatter geöffnet und den alten Bootsanlegesteg betreten. Einige Planken fehlten, und Teile des Geländers waren weggebrochen, aber alles schien in Ordnung, bis ich auf ein Brett trat, das sich etwas zu weich anfühlte. Ich konnte den freien Fall fast noch einmal spüren.

Eine Welle schwappte mir ins Gesicht und ich bekam den Mund voll Wasser. Ich spürte, wie sich die Nikon verdrehte und gegen meine Brust stieß, und mir wurde bewusst, dass sie noch immer an meinem Hals hing, wie ein Stein, der mich hinunterzog. Die Kamera würde nie mehr funktionieren. Das wusste ich. Mit zitternden Händen zog ich mir den Riemen des Fotoapparats über den Kopf.

Ich musste an meinen letzten Geburtstag denken – Abendessen im May Fair Hotel in London, mein Verlobter, Hayden, wie er mir eine in Silberpapier verpackte Schachtel und eine Karte reicht. »Glückwunsch zum fünfunddreißigsten, Ellen – ich hoffe, das wird deinem Wahnsinnstalent gerecht.« In der Schachtel befand sich die Nikon.

Ich öffnete die Hand und ließ den Riemen durch meine Finger gleiten. Ich sah zu, wie die Kamera in die Finsternis hinabsank, und spürte, wie es mir das Herz brach, wenn ich mir nur vorstellte, wie sie am Meeresgrund lag.

Und dann kam mir der Gedanke, dass ich es nicht zurück schaffen würde. Dass es einfach zu kalt und ich zu müde war. Ich schloss die Augen und ließ mich von der Dunkelheit einhüllen. Um mich herum hörte ich nichts als das Rauschen des Meeres. Ich dachte an meine Mutter und wie schrecklich es wäre, sie nie wiederzusehen. Wie würde sie zwei Todesfälle in knapp einer Woche verkraften – erst meine Großmutter und dann ich?

Ich dachte an Hayden und wie ich ihm noch heute Morgen, bevor ich aufbrach, versichert hatte, dass ich bloß eine, höchstens zwei Nächte in Beacon bleiben würde. Und wie er mich gebeten hatte, eine Woche zu warten, damit er mich begleiten könne. Ich hatte Nein gesagt, es sei bloß ein Kurztrip. Keine große Sache. Heute ist Dienstag, rief ich mir meine Worte in Erinnerung, ich bin morgen wieder in Manhattan. Und jetzt, nur drei Monate vor unserer Hochzeit, würde er erfahren, dass ich nicht mehr zurückkomme.

Ich spürte, wie ich mich aufgab, ich überließ mich dem Wasser, und es fühlte sich ruhig an, so friedlich. Ein Bild meiner Großmutter in ihrem Rosengarten huschte mir durch den Kopf. Sie lächelte mich an.

Erschrocken öffnete ich die Augen. Durch die dunklen Berge des sich auftürmenden Wassers konnte ich den Pier sehen und an dessen Ende war etwas – nein, jemand. Ich sah zu, wie ein Mann ins Wasser sprang. Er tauchte wieder auf und fing in beachtlichem Tempo an, in meine Richtung zu kraulen. Ich konnte seine Arme aus dem Wasser schnellen sehen.

Er kommt, um mich zu holen, dachte ich. Gott sei Dank, er kommt mich holen. Noch jemand ist hier draußen, und er wird mir helfen. In meiner Brust fühlte ich plötzlich eine Wärme aufsteigen. Ich zwang meine Beine, stärker zu strampeln, und es kam wieder Leben in meine Muskeln. Ich streckte den Arm hoch und versuchte, meinem Retter ein Zeichen zu geben, damit er mich besser sehen konnte.

Ich sah zu, wie er näher kam, und meine Zähne klapperten so heftig, dass ich kaum noch atmen konnte. Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor so einen starken Schwimmer gesehen hatte. Die Wellen schienen ihm eher lästig. Endlich war er nah genug, damit ich ihn hören konnte. »Halt durch!«, schrie er, sein Atem ging heftig, sein Gesicht war gerötet, seine dunklen Haare klebten ihm nass am Kopf. Als er mich erreichte, hatten meine Beine bereits versagt, und ich trieb auf dem Rücken.

»Ich bring dich zurück!«, rief er. Er holte ein paarmal Luft. »Tu einfach, was ich dir sage, und klammer dich nicht an mich, sonst gehen wir beide unter.«

Ich war nicht so dumm, mich an ihn zu hängen, obwohl mir nie bewusst gewesen war, wie leicht ein ertrinkender Mensch diesen Fehler machen konnte. Ich nickte, um ihn wissen zu lassen, dass ich verstanden hatte, und wir blickten einander, auf der Stelle treibend, an. Alles, was ich sah, waren seine Augen. Er hatte unglaublich blaue Augen – hellblau, fast eisblau wie Aquamarine.

Und dann war mir das alles trotz meiner Erschöpfung ganz plötzlich unangenehm. Ich war noch nie gut darin gewesen, Hilfe von anderen anzunehmen, und einer seltsamen Regel der umgekehrten Proportionalität folgend, war es für mich umso unangenehmer, Hilfe anzunehmen, je extremer die Situation war. Meine Mutter würde sagen, es liege an unserer guten alten Yankee-Abstammung. Hayden würde sagen, es sei bloß törichter Stolz.

Alles, was ich wusste, war, dass ich mich in diesem Moment wie eine Idiotin fühlte. Eine Jungfrau in Nöten, die auf einem Steg einbricht, abtreibt und es nicht mehr ans Ufer schafft, nicht in der Lage ist, auf sich selbst aufzupassen.

»Ich kann selber … zurückschwimmen!«, rief ich mit zitternden Lippen. »Neben dir schwimmen«, fügte ich hinzu, meine Beine fühlten sich an wie Betonklötze.

Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein. Keine gute Idee. Brandungsrückströme.«

»Ich war … im Schwimmteam«, bekam ich heraus, während wir von einer Woge angehoben wurden. Meine Stimme klang krächzend. »Privatschule.« Ich hustete. »Exeter. Wir haben es … bis zu den Landesmeisterschaften geschafft.«

Er war jetzt so nah, dass sein Arm meine Beine streifte. »Ich übernehm jetzt das Schwimmen.« Er atmete tief durch. »Du machst, was ich sage. Mein Name ist Roy.«

»Ich bin Ellen«, stieß ich atemlos hervor.

»Ellen, du legst deine Hände an meine Schultern.«

Er hatte breite Schultern. Die Art von Schultern, die aussahen, als kämen sie von echter Arbeit, nicht vom Fitnesstraining. Er blinzelte, als er mich ansah.

Nein, das mache ich nicht, dachte ich, als ich mit meinen tauben Händen weiter durchs Wasser pflügte. Ich schwimme selbst an Land. Jetzt, wo ich weiß, dass jemand bei mir ist, kann ich es schaffen. »Danke, aber ich komm klar, wenn ich nur …«

»Hände auf meine Schultern«, sagte er mit erhobener Stimme. Diesmal war es keine Option.

Ich...

Erscheint lt. Verlag 21.4.2014
Übersetzer Carolin Müller
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Irresistible Blueberry Bakeshop and Café
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Backen • eBooks • Frauenromane • Geheimnis • Geheimnis, Vergangenheit, Muffin, Großmutter, Backen, Maine • Großmutter • kleine geschenke für frauen • Liebesromane • Maine • Muffin • Romane für Frauen • spiegel besteller • spiegel-besteller • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Vergangenheit
ISBN-10 3-641-11237-0 / 3641112370
ISBN-13 978-3-641-11237-0 / 9783641112370
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