Der Anwalt (eBook)
176 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-48491-7 (ISBN)
Cormac McCarthy wurde 1933 in Rhode Island geboren und wuchs in Knoxville, Tennessee auf. Für sein literarisches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzerpreis und dem National Book Award. Die amerikanische Kritik feierte seinen Roman «Die Straße» als «das dem Alten Testament am nächsten kommende Buch der Literaturgeschichte» (Publishers Weekly). Das Buch gelangte auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und verkaufte sich weltweit mehr als eine Million Mal. Mehrere von McCarthys Büchern wurden bereits aufsehenerregend verfilmt, «Kein Land für alte Männer» von den Coen-Brüdern, «Der Anwalt» von Ridley Scott und «Ein Kind Gottes» von James Franco. Cormac McCarthy starb im Juni 2023 in Santa Fe, New Mexico.
Cormac McCarthy wurde 1933 in Rhode Island geboren und wuchs in Knoxville, Tennessee auf. Für sein literarisches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzerpreis und dem National Book Award. Die amerikanische Kritik feierte seinen Roman «Die Straße» als «das dem Alten Testament am nächsten kommende Buch der Literaturgeschichte» (Publishers Weekly). Das Buch gelangte auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und verkaufte sich weltweit mehr als eine Million Mal. Mehrere von McCarthys Büchern wurden bereits aufsehenerregend verfilmt, «Kein Land für alte Männer» von den Coen-Brüdern, «Der Anwalt» von Ridley Scott und «Ein Kind Gottes» von James Franco. Cormac McCarthy starb im Juni 2023 in Santa Fe, New Mexico. Nikolaus Stingl, geb. 1952 in Baden-Baden, übersetzte unter anderem William Gaddis, William Gass, Graham Greene, Cormac McCarthy und Thomas Pynchon. Er wurde mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis, dem Literaturpreis der Landeshauptstadt Stuttgart, dem Paul- Celan-Preis und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW ausgezeichnet.
Ein kleines, kahles Besprechungszimmer für Anwälte und ihre Mandanten im Staatsgefängnis für Frauen in Texas. Keine Fenster. Ein Tisch und zwei Stühle. Der Anwalt steht mit seiner Aktentasche am Tisch und blättert seine Dokumente durch. Die Tür geht auf, eine Wärterin schiebt eine Frau in Gefängniskluft herein und schließt die Tür hinter ihr. Die Frau ist Anfang vierzig und attraktiv.
ANWALT
Hey.
RUTH
Haben Sie Zigaretten mitgebracht?
ANWALT
Ja.
Er kramt in seiner Aktentasche, zieht eine Stange Zigaretten hervor und schiebt sie ihr über den Tisch zu; sie setzt sich und beginnt die Stange zu öffnen.
ANWALT
(Rückt seine Akten auf dem Tisch zurecht) Ich weiß, Sie brauchen die Dinger, um damit zu handeln, aber ich verstehe immer noch nicht, wofür Sie sie eintauschen.
RUTH
(Öffnet ein Päckchen und klopft eine Zigarette heraus) Das wollen Sie nicht wissen.
ANWALT
Werden Sie gut behandelt?
RUTH
O ja. Ganz toll.
ANWALT
Am Siebzehnten haben Sie einen Voruntersuchungstermin. Was für eine Kleidergröße tragen Sie?
RUTH
Sieben.
ANWALT
Was ist mit Schuhen?
RUTH
Lo mismo.
ANWALT
Sieben?
RUTH
Ja.
ANWALT
Hut?
RUTH
Was?
ANWALT
Welche Hutgröße.
RUTH
Hutgröße? Ich weiß nicht, welche Hutgröße. Verdammt. Wozu brauche ich denn einen Hut? Einen Hut? Sie wollen mich wohl verarschen.
ANWALT
Ja.
RUTH
Klugscheißer. Einen Moment lang habe ich es fast geglaubt. (Mit einem Feuerzeug zündet sie eine Zigarette an, blickt auf und stößt Rauch aus) Besorgen Sie mir was, was sexy aussieht?
ANWALT
Nein.
RUTH
Wenn’s nach Ihnen geht, sehe ich aus wie eine Scheißlehrerin.
ANWALT
Wie wäre es mit Geschäftsfrau?
RUTH
Ja. Schönes Geschäft.
Sie lehnt sich zurück und bläst Rauch über den Tisch; der Anwalt wedelt ihn mit der Hand weg. Er zieht den Stuhl zurück und setzt sich an den Tisch.
ANWALT
Na schön.
RUTH
Ich weiß, Sie glauben nicht, dass der Raum hier verwanzt ist, aber genau wissen Sie’s auch nicht, oder?
ANWALT
Nein. Wenn Sie es so formulieren, nicht.
RUTH
Ich weiß nicht, wie ich es sonst formulieren soll.
ANWALT
Was wollten Sie mir erzählen?
RUTH
Mein Junge ist im Knast.
ANWALT
Ach du meine Güte. Wo denn?
RUTH
In Fort Hancock.
ANWALT
Fort Hancock.
RUTH
Ja.
ANWALT
Was wollte er denn in Fort Hancock?
RUTH
Er wollte mich besuchen kommen.
ANWALT
Weswegen sitzt er im Gefängnis?
RUTH
Geschwindigkeitsüberschreitung.
ANWALT
Geschwindigkeitsüberschreitung?
RUTH
Ja.
ANWALT
Er hat die Strafe nicht bezahlen können?
RUTH
Ja. Er hatte zwölftausend Dollar bei sich, aber die haben sie ihm abgenommen.
ANWALT
Wo wollte er denn mit zwölftausend Dollar hin?
RUTH
Er wollte hierherkommen. Habe ich doch schon gesagt.
ANWALT
Wie haben Sie davon erfahren?
RUTH
Er hat angerufen.
ANWALT
Was wirft man ihm sonst noch vor?
RUTH
Ich weiß nicht. Irgendwelches andere Zeug. Grob fahrlässige Gefährdung oder irgend so was. Er hat gesagt, das hätten sie ihm zusätzlich aufgedrückt, weil er so schnell gefahren ist.
ANWALT
Wie schnell ist er denn gefahren?
RUTH
Drei dreißig.
ANWALT
Drei dreißig.
RUTH
Ja.
ANWALT
Was ist das? Drei dreißig? Das ist doch keine Geschwindigkeit.
RUTH
Das hat er gesagt. Er wollte es mir nicht sagen.
ANWALT
Das ist eine Tageszeit. Oder ein Körpergewicht. Drei dreißig? Wollen Sie mir weismachen, er wäre dreihundertdreißig Stundenkilometer gefahren? Womit denn?
RUTH
Mit seinem japanischen Motorrad.
ANWALT
Mein Gott.
RUTH
Wenn Sie ihm sein Geld wiederbeschaffen könnten, könnte er die Strafe bezahlen und käme da raus.
ANWALT
Woher hat er das Geld?
RUTH
Ich weiß nicht.
ANWALT
Tja. Das ist das Problem.
RUTH
Was ist das Problem?
ANWALT
Wenn man mehr als zehntausend Dollar bei sich hat, dann gehören sie dem amerikanischen Staat.
RUTH
Wieso das?
ANWALT
Weil er es sagt. Wenn man nicht erklären kann, woher man es hat, nimmt er es einem ab. Sie glauben vielleicht, man sollte alles bis zu einer Höhe von zehn Riesen behalten dürfen, und der Staat kriegt bloß, was darüber liegt, aber der Staat sieht das nicht so.
RUTH
Er kriegt sein Geld also nicht zurück.
ANWALT
Ja.
RUTH
Also, ich kapiere nicht, wie man jemandem einfach sein Geld abnehmen kann.
ANWALT
Tja. Willkommen in Amerika. Wie hoch ist denn die Strafe?
RUTH
Vierhundert Dollar.
ANWALT
Mein Gott.
RUTH
Sie würden das wohl nicht spendieren, oder?
ANWALT
Meine Güte. Vierhundert Dollar?
RUTH
Ja.
ANWALT
Na gut.
RUTH
Na gut was?
ANWALT
Na gut, ich hole ihn raus.
RUTH
Ja?
ANWALT
Ja.
RUTH
Wirklich?
ANWALT
Ja, wirklich.
RUTH
Danke. Ich schulde Ihnen was.
ANWALT
Ja, das tun Sie.
RUTH
Wie wär’s, wenn ich Ihnen einen blase?
ANWALT
Dann würden Sie mir immer noch dreihundertachtzig schulden.
RUTH
Verdammt, was sind Sie für ein Klugscheißer.
ANWALT
Ich weiß. Den bringen Sie zum Vorschein. Kopf hoch, Ruthie.
RUTH
Nennen Sie mich nicht so. Ich hasse diesen Namen. Ich mag nicht mal Ruth.
Eine Prüfstation an der Interstate 10. Fahrzeuge unterschiedlicher Art schieben sich im Schritttempo vorwärts. Der Grenzschutzbeamte winkt mehrere Fahrzeuge weiter, hält einen Lkw an, spricht mit dem Fahrer und winkt ihn dann weiter. Der Fäkalienwagen hält an, der Fahrer nickt und lächelt.
FAHRER
Wie geht’s?
BEAMTER
(Macht ein angewidertes Gesicht) Gut. Fahren Sie bloß das Ding hier weg.
FAHRER
Wird gemacht.
Der Wagen fährt los und auf den Highway. Der Fahrer schaltet hoch. Er sieht plötzlich ganz ernst aus.
Die Wohnung des Anwalts. Nacht. Er sitzt mit einem Drink in seinem Ledersessel und telefoniert.
ANWALT
Ich weiß. Ich wollte bloß deine Stimme hören.
Ja. Du fehlst mir wirklich.
Geh da nicht hin.
(Schmunzelt) Du strotzt förmlich vor sexueller Vitalität?
Nein. Mir gefällt das.
Ja. Und wie.
Du hast dir doch keine Freiheiten gegenüber deiner Person herausgenommen, oder?
(Lächelt, lacht beinahe) Du hast sie nicht mit einer Puderquaste berühren können?
Das ist zu langweilig.
Ich bin ständig aufgewacht und habe gedacht, du wärst da. Ich konnte dein Parfüm im Bettzeug riechen. Ich hatte so eine mordsmäßige Erektion, dass ich aufstehen musste, um mich umzudrehen.
Ja.
Auf dem Flughafen-Parkplatz.
Natürlich.
Ob ich gewusst habe, dass du es mit mir machst? Natürlich.
Ich weiß nicht. Ich dachte, es wäre aufregend.
Wie in der Highschool. Ja.
Ich weiß noch, wie ich dich gefragt habe, ob alles in Ordnung ist. Weil du gekeucht hast wie eine Asthmatikerin.
Natürlich weiß ich das noch. Und gesagt habe ich: Moment, ich helfe Ihnen eben aus Ihren feuchten Sachen. Und dann habe ich dir den Slip heruntergezogen.
Ja.
Ooh.
O Mann.
Ist das Telefonsex?
Ich weiß.
Leben heißt mit dir im Bett sein. Alles andere ist bloß Warterei.
Ja.
Ich liebe dich sehr.
Ja.
Du auch.
Gute Nacht.
Er lässt das Telefon in seinen Schoß sinken und lehnt sich mit geschlossenen Augen im Sessel zurück.
Reiner und der Anwalt in einem menschenleeren Nachtclub. Später Nachmittag.
REINER
Ein...
Erscheint lt. Verlag | 2.12.2013 |
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Übersetzer | Nikolaus Stingl |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Drehbuch • Drogenhandel • Javier Bardem • Ridley Scott • The Counselor |
ISBN-10 | 3-644-48491-0 / 3644484910 |
ISBN-13 | 978-3-644-48491-7 / 9783644484917 |
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