Darüber Reden (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30757-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Darüber Reden -  Julian Barnes
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»Das meine ich nicht. Ich meine, ich will nicht bloß eine Affäre mit dir haben. Affären - Affären sind - ich weiß auch nicht -, wie wenn man sich eine Ferienwohnung in Marbella zur Teilnutzung kauft oder so.« Oliver und Stuart sind Freunde seit Schultagen. Als Stuart Gillian kennenlernt, die Frau, die er heiraten will, ist er überglücklich. Alles klingt nach Happy End. Doch auch Oliver ist in Gillian verliebt, das merkt er am Tag nach der Hochzeit. Und er lässt nicht locker, sondern hofft, die Frau seines besten Freundes für sich zu gewinnen.Julian Barnes hat einen Roman geschrieben, in dem die Protagonisten einzeln zu Wort kommen und allzu menschliche Abgründe auf höchst amüsante Weise deutlich werden.

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.

1 Der, der oder die, die Pl.


Stuart Mein Name ist Stuart, und ich weiß noch alles. Stuart ist mein Vorname. Mein vollständiger Name ist Stuart Hughes. Mein vollständiger Name: Mehr ist da nicht. Kein zweiter Vorname. Hughes war der Name meiner Eltern, die fünfundzwanzig Jahre lang verheiratet waren. Sie haben mich Stuart genannt. Zuerst hat mir der Name nicht sonderlich gefallen – in der Schule wurde ich Stutzi und Stutzer und dergleichen genannt –, aber ich hab mich dran gewöhnt. Ich habe mich damit abgefunden. Abfindungen gehören nun mal zu meinem Beruf.

Tut mir leid, im Witzemachen bin ich nicht besonders gut. Das hab ich schon öfter gehört. Jedenfalls, Stuart Hughes, ich glaube, das reicht für mich aus. Ich will gar nicht St. John St. John de Vere Knatschbull heißen. Meine Eltern hießen Hughes. Sie sind gestorben, und jetzt trage ich ihren Namen. Und wenn ich sterbe, heiße ich immer noch Stuart Hughes. Es gibt nicht allzu viele Gewissheiten auf unserer großen weiten Welt, aber das ist eine.

Verstehen Sie, was ich damit sagen will? ’tschuldigung, wie sollten Sie auch. Ich hab ja grade erst angefangen. Sie kennen mich fast gar nicht. Fangen wir noch mal an. Hallo, ich bin Stuart Hughes, freut mich, Sie kennenzulernen. Sollen wir uns die Hand geben? Gut, okay. Nein, was ich sagen will, ist: Es gibt sonst niemand hier, die ihren Namen nicht geändert haben. Das ist doch ein Ding. Es ist sogar schon etwas unheimlich.

Na, haben Sie gemerkt, dass ich niemand mit die Plural zusammen gebraucht habe? »Es gibt niemand, die ihren Namen nicht geändert haben.« Ich hab das mit Absicht gemacht, womöglich bloß, um Oliver zu ärgern. Wir hatten da diesen fürchterlichen Krach mit Oliver. Na, jedenfalls eine Auseinandersetzung. Oder zumindest eine Meinungsverschiedenheit. Er ist ein großer Pedant, unser Oliver. Er ist mein ältester Freund, daher darf ich ihn einen großen Pedanten nennen. Als Gill – das ist meine Frau, Gillian – ihn kennenlernte, hat sie kurz darauf zu mir gesagt: »Dein Freund redet ja wie ein Wörterbuch.«

Wir waren damals an einem Strand nördlich von Frinton, und als Oliver hörte, was Gill sagte, hat er wieder so eine Nummer abgezogen. Er sagt break dazu, wie im Jazz, aber solche Wörter liegen mir nicht. Ich kann nicht wiedergeben, wie er redet – da müssen Sie ihn schon selber mal hören –, aber er hebt einfach irgendwie ab. Damals auch. »Was für ein Wörterbuch bin ich denn? Hab ich ein Daumenregister? Bin ich zweisprachig?« Und so weiter. Das ging eine ganze Weile so, und schließlich fragte er, wer ihn wohl kaufen würde. »Wenn mich nun keiner haben will? Ich bleibe unbeachtet. Mein Kopfschnitt verstaubt. Oh, nein, ich werde verramscht, das seh ich schon, ich werde verramscht.« Und er fing an, auf den Sand zu schlagen und die Möwen anzuheulen – als wären wir in so einem Kleinen Fernsehspiel –, und ein älteres Ehepaar, das hinter einem Windschutz Radio hörte, sah ziemlich verschreckt drein. Gillian hat bloß gelacht.

Jedenfalls, Oliver ist ein Pedant. Ich weiß ja nicht, was Sie davon halten, wenn man niemand mit die Plural gebraucht. Womöglich nicht sehr viel, warum sollten Sie auch. Und ich weiß nicht mehr, wie wir eigentlich darauf gekommen sind, aber wir hatten da diese Auseinandersetzung. Oliver und Gillian und ich. Wir hatten jeder eine andere Meinung. Ich will mal versuchen, die gegensätzlichen Standpunkte darzulegen. Vielleicht mach ich ein Sitzungsprotokoll, wie in der Bank.

OLIVER sagte, dass Wörter wie jemand und jeder und niemand Pronomen im Singular seien und daher das Relativpronomen Singular nach sich zögen, nämlich der.

GILLIAN sagte, man könne nicht eine allgemeine Behauptung aufstellen und dann die Hälfte der Menschheit ausschließen, da dieser jemand sich in fünfzig Prozent aller Fälle als weiblich erweisen würde. Daher sollte man aus Gründen der Logik und der Fairness der oder die sagen.

OLIVER sagte, wir redeten über Grammatik und nicht über Sexualität und Herrschaft.

GILLIAN sagte, wie wir das wohl auseinanderhalten wollten, denn wo käme die Grammatik denn her, wenn nicht von Grammatikern, und fast alle Grammatiker – ja alle ohne Ausnahme, soweit sie wisse – seien Männer, was wir da denn erwarteten; aber vor allem vertrete sie den gesunden Menschenverstand.

OLIVER verdrehte die Augen, zündete sich eine Zigarette an und sagte, dass allein schon der Ausdruck gesunder Menschenverstand ein Widerspruch in sich sei, und wenn der Mensch – und an der Stelle tat er so, als sei ihm das äußerst peinlich, und verbesserte sich zu der-oder-die Mensch –, wenn der-oder-die Mensch sich in den vergangenen Jahrtausenden auf den gesunden Menschenverstand verlassen hätte, würden wir alle noch in Lehmhütten hausen und grauenvolle Nahrung zu uns nehmen und Del-Shannon-Platten hören.

STUART konnte dann eine Lösung anbieten. Da der entweder unzutreffend oder beleidigend oder womöglich gleich beides sei und der oder die diplomatisch, aber furchtbar umständlich, liege es auf der Hand, die Plural zu sagen. Stuart trug diesen Kompromissvorschlag voller Überzeugung vor und war über dessen Ablehnung seitens der übrigen stimmberechtigten Mitglieder verwundert.

OLIVER sagte, dass sich beispielsweise der Satz Da war jemand, die haben den Kopf zur Tür reingesteckt so anhöre, als wären da zwei Körper und ein Kopf, wie bei einem dieser grässlichen wissenschaftlichen Experimente in Russland. Er verwies auf die Monstrositätenkabinette, die es früher auf Jahrmärkten gab, wobei er Bärtige Damen, missgebildete Schafsföten und dergleichen Dinge mehr anführte, bis er vom Präsidium (= mir) zur Ordnung gerufen wurde.

GILLIAN sagte, ihrer Meinung nach sei die Plural genauso umständlich und genauso durchsichtig diplomatisch wie der oder die, aber warum sich die Versammelten denn überhaupt so anstellen würden, wo es darum ginge, einfach mal Stellung zu beziehen? Frauen seien jahrhundertelang angewiesen worden, männliche Pronomen zu gebrauchen, wenn sie von der gesamten Menschheit sprachen, warum sollte dies daher nicht, wenn auch mit Verspätung, ausgeglichen werden, selbst wenn manche (Männer) daran etwas zu knabbern hätten?

Stuart behauptete weiterhin, dass die Plural die beste Lösung sei, da sie den goldenen Mittelweg darstelle.

Die SITZUNG wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

Ich hab hinterher noch ziemlich lange über dieses Gespräch nachgedacht. Da waren wir nun, drei einigermaßen intelligente Leute, und diskutierten über die Vorzüge von der und der oder die und die Plural. Winzig kleine Wörter, und doch konnten wir uns nicht einigen. Dabei waren wir Freunde. Und doch konnten wir uns nicht einigen. Irgendwie hat mir das zu schaffen gemacht.

Wie bin ich jetzt da drauf gekommen? Ach ja, es gibt sonst niemand hier, die ihren Namen nicht geändert haben. Es stimmt, und das ist doch ein Ding, nicht? Gillian zum Beispiel, die hat ihren Namen geändert, als sie mich heiratete. Ihr Mädchenname war Wyatt, aber jetzt heißt sie Hughes. Ich will mir nicht schmeicheln, dass sie darauf brannte, meinen Namen anzunehmen. Ich glaube, es war eher so, dass sie Wyatt loswerden wollte. Weil, das war nämlich der Name ihres Vaters, und mit ihrem Vater hat sie sich nicht verstanden. Er hat ihre Mutter sitzen lassen, und die musste dann jahrelang mit dem Namen von einem Menschen rumlaufen, der sie verlassen hatte. Nicht sehr schön für Mrs Wyatt, oder Mme Wyatt, wie manche sie nennen, weil sie ursprünglich aus Frankreich kommt. Ich hatte den Verdacht, dass Gillian Wyatt loswerden wollte, um auf diese Weise mit ihrem Vater zu brechen (der im Übrigen noch nicht einmal zur Hochzeit kam) und ihrer Mami zu zeigen, was die schon vor Jahren hätte tun sollen. Nicht, dass Mme Wyatt den Wink verstanden hätte, falls es einer war.

Es war typisch Oliver, dass er sagte, nach der Hochzeit müsste sich Gillian eigentlich Mrs Gillian Wyatt-oder-Hughes nennen, das heißt, wenn sie logisch und grammatisch und gesunden-menschenverständlich und diplomatisch und umständlich sein wollte. So ist er nun mal, unser Oliver.

Oliver. Das war nicht sein Name, als ich ihn kennenlernte. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. In der Schule hieß er Nigel, manchmal auch »N. O.«, gelegentlich auch »Russ«, aber »Oliver« wurde Nigel Oliver Russell nie genannt. Ich glaube nicht einmal, dass wir wussten, wofür das O stand; vielleicht hat er da gelogen. Jedenfalls, die Sache ist die: Ich bin nicht auf die Uni gegangen, Nigel schon. Nigel rückte zu seinem ersten Semester ein, und als er wiederkam, war er Oliver. Oliver Russell. Das N hatte er fallen lassen, selbst bei dem Namen, der auf seinen Schecks gedruckt stand.

Sie sehen, ich weiß alles noch. Er ist zu seiner Bank gegangen und hat die Leute dazu gebracht, dass sie ihm neue Schecks drucken, und statt mit »N. O. Russell« hat er jetzt mit »Oliver Russell« unterschrieben. Ich hab gestaunt, dass die das durchgehen ließen. Ich hätte gedacht, er müsste seinen Namen durch notariell beglaubigte Willenserklärung oder so ändern. Ich hab ihn gefragt, wie er das gemacht hat, aber er wollte es mir nicht erzählen. Er hat nur gesagt: »Ich hab denen gedroht, ich würde mein Konto woanders...

Erscheint lt. Verlag 10.9.2013
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Beziehung • Dreiecksbeziehung • Ehe • Einzelsicht • Freundschaft • Gefühle • Julian Barnes • Konflikt • Liebe • Taking it over
ISBN-10 3-462-30757-6 / 3462307576
ISBN-13 978-3-462-30757-3 / 9783462307573
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