Ripley Under Water (eBook)

Paul Ingendaay (Herausgeber)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2013 | 4. Auflage
448 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60102-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ripley Under Water -  Patricia Highsmith
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Der Amerikaner Tom Ripley liebt tadellose Manieren, den richtigen Burgunder zum Hummer und allmorgendlich die schönste Blume aus dem liebevoll gehegten Garten seines Landsitzes südlich von Paris. Niemand käme auf die Idee, im Keller eines solchen Herrn nach Blutspuren zu suchen. Niemand außer Ripleys neuem Nachbarn, der davon träumt, Tom Ripleys Leben zu führen.

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling ?Zwei Fremde im Zug?, dessen Verfilmung von Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte. Patricia Highsmith starb 1995 in Locarno.

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling ›Zwei Fremde im Zug‹, dessen Verfilmung von Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte. Patricia Highsmith starb 1995 in Locarno.

[9] 1

Tom stand in Georges’ und Maries bar-tabac mit einer fast vollen Espressotasse in der Hand. Er hatte schon gezahlt; die beiden Schachteln Marlboro für Héloïse beulten seine Jackettasche. Er beobachtete einen Mann vor einem Videospiel.

Auf dem Bildschirm raste ein Motorradfahrer, eine Figur wie aus dem Comic, geradeaus in den Hintergrund davon. Die Illusion der Geschwindigkeit entstand durch den Lattenzaun beiderseits der Straße, der nach vorne entschwand. Der Spieler bediente einen halbrunden Steuerknüppel und ließ den Fahrer ausscheren, um ein langsameres Auto zu überholen oder wie zu Pferd über einen Zaun zu springen, der plötzlich die Straße blockierte. Wenn Fahrer oder Spieler die Hürde zu spät nahmen, prallte das Motorrad lautlos dagegen, und ein schwarzgoldener Stern zeigte den Unfall an: Ende des Spiels, Ende des Fahrers. Tom hatte bei dem Spiel schon oft zugeschaut (es war beliebter als jeder andere Automat, den Georges und Marie je aufgestellt hatten), aber nie selber gespielt. Aus irgendeinem Grund wollte er das nicht.

»Non – non!« Marie hinter der Theke übertönte den üblichen Lärm; sie widersprach einem Gast, der sich wahrscheinlich politisch geäußert hatte. Ihr Mann und sie waren eingefleischte Linke. »Ecoutez, Mitterand…«

[10] Tom mußte denken, daß der Zustrom nordafrikanischer Einwanderer den beiden trotzdem nicht gefiel.

»Eh, Marie! Deux pastis!« Das war der dicke Georges, eine schmuddelige Schürze über Hemd und Hose, der an den wenigen Tischen bediente, wo die Gäste sitzen konnten, um etwas zu trinken und Chips oder hartgekochte Eier zu essen.

Die Musikbox spielte einen alten Cha-Cha-Cha.

Ein lautloser, schwarzgoldener Stern! Die Umstehenden seufzten mitfühlend. Tot, aus, Ende – alles vorbei. Beharrlich flackerte die stumme Aufforderung über den Bildschirm: GELD EINWERFEN GELD EINWERFEN GELD EINWERFEN, und gehorsam fischte der Arbeiter in der Hose seiner Bluejeans nach Münzen, warf Geld nach, und das Spiel begann von neuem: Der Motorradfahrer raste los, heil und wie neu, gegen alles gewappnet, wich elegant einem Faß auf der Fahrbahn aus und übersprang mühelos die erste Barriere. Der Mann am Steuer war hoch konzentriert, versessen darauf, seinen Mann ins Ziel zu bringen.

Tom dachte an Héloïse, an ihre Reise nach Marokko. Tanger wollte sie sehen, Casablanca, vielleicht auch Marrakesch. Und er hatte gesagt, er werde mitkommen. Schließlich war das nicht eine ihrer Abenteuerkreuzfahrten, die vor dem Auslaufen diverse Impfungen in Krankenhäusern erforderten, und es gehörte sich, daß er als ihr Gatte sie bei manchen ihrer Spritztouren begleitete. Héloïse hatte zwei oder drei dieser spontanen Eingebungen pro Jahr, die sie aber nicht immer in die Tat umsetzte. Tom war gerade nicht in Urlaubsstimmung: Es war Anfang August, der heißeste Monat in Marokko – zu dieser Zeit des Jahres gefielen ihm seine Rosen und Dahlien besonders gut, und er schnitt fast täglich [11] zwei, drei frische Blumen für das Wohnzimmer. Tom hing an seinem Garten, und er hatte auch nichts gegen Henri, der ihm gelegentlich bei größeren Arbeiten half – der war stark wie ein Riese, doch für gewisse Aufgaben nicht der richtige Mann.

Dann dachte er an dieses Paar, die »Seltsamen Zwei«, wie Tom sie inzwischen im stillen getauft hatte. Er wußte nicht, ob sie verheiratet waren, doch das war ja nicht wichtig. Er spürte, daß sie hier in der Gegend auf der Lauer lagen und ihn nicht aus den Augen ließen. Vielleicht waren sie harmlos, aber man konnte nie wissen. Tom waren die beiden erstmals vor rund vier Wochen aufgefallen, als Héloïse und er in Fontainebleau einkaufen gingen: ein Mann und eine Frau, Mitte Dreißig, dem Aussehen nach Amerikaner. Sie waren auf ihn zugekommen und hatten ihn mit diesem Blick gemustert, den er gut kannte – als wüßten sie, wer er sei, und kannten womöglich auch seinen Namen, Tom Ripley. Den gleichen Blick hatte er ein paarmal auf Flughäfen gespürt, wenn auch selten und zuletzt gar nicht mehr. Vermutlich passierte so etwas öfter, wenn eine Zeitung das Foto von jemandem brachte; aber seit Jahren war in den Blättern kein Bild von ihm mehr erschienen, da war Tom sicher. Nicht seit der Sache mit Murchison, und die lag rund fünf Jahre zurück: Der Blutfleck – Murchisons Blut – war im Keller nach wie vor zu sehen, und wenn er irgendwem auffiel, sagte Tom, es sei Rotwein.

Tatsächlich war es eine Mischung aus Wein und Blut, erinnerte sich Ripley, denn Murchison war von einer Weinflasche am Kopf getroffen worden – von einer Flasche Margaux, und er selber hatte zugeschlagen.

[12] Tja, die Seltsamen Zwei… Zack, der Fahrer schlug auf und war weg. Tom wandte sich widerwillig ab und ging mit der leeren Tasse zur Theke zurück.

Der Mann von den beiden hatte dunkles, glattes Haar und trug eine Nickelbrille mit runden Gläsern; die Frau hatte hellbraunes Haar, ein schmales Gesicht und graue oder graubraune Augen. Es war der Mann gewesen, der Tom angestarrt und dazu vage, nichtssagend gelächelt hatte. Tom meinte, ihn schon einmal gesehen zu haben – ein Flughafen, Heathrow oder Roissy, und dieser Ich-kenne-dich-Blick: Nicht direkt feindselig, aber unangenehm.

Und dann hatte Tom die beiden einmal gesehen, als sie langsam in ihrem Wagen mittags die Hauptstraße von Villeperce entlangrollten und er mit einer flûte aus der Bäckerei kam (es mußte wohl Madame Annettes freier Tag gewesen sein, oder sie hatte mit dem Mittagessen zu tun gehabt). Und wieder war ihm aufgefallen, daß sie ihn musterten. Villeperce war ein kleines Nest mehrere Kilometer außerhalb von Fontainebleau – was hatten die Seltsamen Zwei ausgerechnet hier verloren?

Marie mit ihrem breiten, roten Lächeln und Georges mit seiner beginnenden Glatze standen beide hinter der Theke, als Tom ihnen Tasse und Untertasse hinüberschob. »Merci et bonne nuit, Marie – Georges!« Er lächelte.

»Bonsoir, M’sieur Ripley!« rief Georges und winkte mit der freien Hand, während er mit der anderen Calvados einschenkte.

»Merci, M’sieur – à bientôt!« warf Marie hinterher.

Tom war fast an der Tür, als der Mann mit der Nickelbrille eintrat. Er war offenbar allein.

[13] »Mr. Ripley?« Wieder lag ein Lächeln auf seinen blaßrosa Lippen. »Guten Abend.«

»Bonsoir«, erwiderte Tom und ging weiter.

»Wir, das heißt, meine Frau und ich, würden Sie gern auf einen Drink einladen.«

»Danke, aber ich gehe gerade.«

»Ein andermal vielleicht. Wir haben ein Haus in Ville-perce gemietet. Dort drüben.« Er wies vage in Richtung Norden, lächelte breiter und zeigte kleine, ebenmäßige Zähne. »Sieht aus, als würden wir Nachbarn.«

Tom stand zwei Leuten im Weg, die hineinwollten, und mußte in die Bar zurückweichen.

»Ich heiße Pritchard – David. Habe Kurse am INSEAD belegt, dem großen Managementinstitut in Fontainebleau. Sie kennen es sicher. Na jedenfalls, mein Haus hier ist weiß, zweistöckig, hat einen Garten. Und einen kleinen Teich. Deswegen haben wir uns in das Haus verliebt – die Spiegelungen an der Decke, vom Wasser.« Er lachte leise.

»Aha.« Tom gab sich Mühe, einigermaßen freundlich zu bleiben. Er stand nun draußen vor der Tür.

»Ich rufe Sie an. Meine Frau heißt Janice.«

Tom nickte knapp und lächelte gezwungen. »Ja, gut, tun Sie das. Guten Abend.«

»Gibt nicht so viele Amerikaner hier!« rief ihm David Pritchard unbeirrt nach.

Mr. Pritchard dürfte es schwer haben, seine Nummer herauszufinden, weil Héloïse und er darauf bestanden hatten, nicht eingetragen zu werden. Der eher bieder wirkende Mann, fast so groß wie Tom und ein bißchen schwerer, würde Ärger bringen, dachte Tom auf dem Weg nach [14] Hause. Ein Polizist, der alte Akten ausgrub? Ein Privatdetektiv, der für – ja, wen eigentlich arbeitete? Feinde, die noch aktiv waren, fielen ihm nicht ein. »Falsch«, das war das Wort, das Tom bei David Pritchard in den Sinn kam: falsches Lächeln, falsche Bonhomie, und die Geschichte mit dem Studium am INSEAD war vielleicht auch falsch. Das INSEAD in Fontainebleau war möglicherweise nur eine Tarnung, doch eine so durchsichtige, daß er nicht ausschloß, Pritchard könne dort tatsächlich Kurse belegt haben. Vielleicht waren die beiden aber auch gar nicht Mann und Frau, sondern arbeiteten gemeinsam für die CIA. Doch weshalb sollten die USA hinter ihm her sein? Nicht wegen der Einkommenssteuer, die war in Ordnung. Murchison? Nein, der Fall war abgeschlossen. Zumindest hatte man die Ermittlungen eingestellt. Murchison und seine Leiche waren verschwunden. Dickie Greenleaf? Wohl kaum. Selbst Christopher Greenleaf, Dickies Cousin, schrieb Tom dann und wann eine freundliche Postkarte, so wie etwa letztes Jahr aus Alice Springs. Christopher war Bauingenieur geworden, hatte geheiratet und arbeitete in Rochester, New York, wenn Tom nicht irrte. Sogar mit Dickies Vater Herbert stand er sich gut; wenigstens schickten sie sich Weihnachtskarten.

Als der große Baum gegenüber von Belle Ombre in Sicht kam, dessen Äste ein Stück weit über die Straße ragten, stieg Toms Stimmung. Warum sich Sorgen machen? Er stieß den einen Torflügel gerade weit genug auf, um durchzuschlüpfen, schloß das Tor so sachte er konnte, ließ das Vorhängeschloß sanft klickend einrasten und schob den langen Bolzen vor.

Reeves Minot: Abrupt...

Erscheint lt. Verlag 25.6.2013
Reihe/Serie Ripley
Übersetzer Matthias Jendis
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • Fontainebleau • Frankreich • Hochstapler • Krimi • Krimiserie • Leiche in Teich • Ripley-Serie
ISBN-10 3-257-60102-6 / 3257601026
ISBN-13 978-3-257-60102-2 / 9783257601022
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