Lilien im Sommerwind (eBook)

Roman

(Autor)

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2013 | 1. Auflage
528 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-11163-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lilien im Sommerwind -  Nora Roberts
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Mit acht Jahren wird Tory Zeugin des gewaltsamen Todes ihrer besten Freundin. Achtzehn Jahre später kehrt sie in ihre Heimatstadt zurück, um den Mord an Hope aufzuklären. Mutig beginnt Tory mit ihren Nachforschungen. Dabei verliebt sie sich in Hopes Bruder Cade, der ihr bei der Suche nach dem Mörder zur Seite steht. Bald stellt sich jedoch heraus, dass dieser Fall nur der Anfang einer ganzen Serie ähnlicher Morde war. Und diese Serie ist noch nicht zu Ende.



Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.

Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.

1


Sie erwachte im Körper einer toten Freundin. Sie war acht, groß für ihr Alter, mit leichten Knochen und zarten Gesichtszügen. Ihr seidiges Haar hatte die Farbe von reifem Weizen und fiel anmutig über ihren schmalen Rücken. Ihre Mutter kämmte es jeden Abend voller Liebe, einhundert Striche mit der weichen, silbergefassten Bürste, die auf dem zierlichen Kirschholzfrisiertisch des Kindes lag.

Der Körper der Kleinen erinnerte sich daran, sie spürte jeden langen, liebevollen Bürstenstrich. Sie kam sich dann immer vor wie eine Katze, die gestreichelt wurde. Sie erinnerte sich auch daran, wie das Licht über die Schachteln mit den Haarnadeln und über die Kristall- und Kobaltflaschen glitt und sich im silbernen Rücken der Bürste fing.

Sie erinnerte sich an den Duft im Zimmer und konnte ihn sogar jetzt riechen. Gardenien. Bei Mama waren es immer Gardenien.

Und im Spiegel konnte sie im Lampenlicht das blasse Oval ihres eigenen Gesichts sehen, so jung, so hübsch, mit nachdenklichen blauen Augen und einer glatten Haut. So lebendig.

Ihr Name war Hope.

Die Fenster und die Terrassentüren waren geschlossen, weil es Hochsommer war. Die Hitze presste ihre feuchten Finger gegen das Glas, aber innen war die Luft kühl, und ihr Baumwollnachthemd so gestärkt, dass es knisterte, wenn sie sich bewegte.

Sie selbst hatte nichts gegen die Hitze, und sie ersehnte das Abenteuer, aber sie behielt diese Gedanken für sich, als sie Mama einen Gutenachtkuss gab. Ihre Lippen streiften die parfümierte Wange nur.

Mama ließ stets im Juni die Läufer im Flur zusammenrollen und auf den Speicher bringen. Die dicken Piniendielen mit ihrer Schicht aus Bohnerwachs fühlten sich unter den bloßen Füßen des Mädchens glatt und weich an. Hope ging den Flur mit den einfachen Zypressenpaneelen und den goldgerahmten Gemälden entlang und dann die Wendeltreppe hinauf in das Arbeitszimmer ihres Vaters.

Dort war der Duft des Vaters. Tabak, Leder, Old Spice und Bourbon.

Sie liebte diesen Raum mit den runden Wänden und den großen, schweren Ledersesseln, die die Farbe des Portweins hatten, den ihr Papa manchmal nach dem Abendessen trank. Die Regale an den Wänden waren mit Büchern und Schätzen voll gestopft. Sie liebte den Mann, der mit einer Zigarre und dem Whiskeyglas an seinem riesigen Schreibtisch über den Büchern saß.

Die Liebe verursachte der Frau in dem Kind Herzschmerzen, sehnsüchtige, neidische Stiche – wegen dieser unkomplizierten und allumfassenden Liebe.

Seine Stimme war laut, seine Arme waren stark und sein Bauch fühlte sich weich an, wenn er sie in eine Umarmung zog, die so ganz anders war als der sanfte, zurückhaltende Gutenachtkuss von Mama.

 

Da ist meine Prinzessin,
sie geht jetzt ins Königreich der Träume.
Wovon werde ich träumen, Papa?
Von Rittern und weißen Rössern und Abenteuern über dem Meer.

 

Sie kicherte, ließ aber ihren Kopf noch ein bisschen länger als sonst an seiner Schulter liegen und schnurrte tief in der Kehle wie ein Kätzchen.

Wusste sie es? Wusste sie, dass sie niemals wieder sicher und geborgen auf seinem Schoß sitzen würde?

Dann wieder die Treppe hinunter, vorbei an Cades Zimmer. Für ihn war noch nicht Schlafenszeit, weil er vier Jahre älter und ein Junge war, der an Sommerabenden lange aufbleiben und fernsehen oder Bücher lesen durfte, solange er morgens pünktlich aufstand und seine Pflichten erledigte.

Eines Tages würde Cade der Herr von Beaux Reves sein und selbst an dem großen Schreibtisch im Turmzimmer mit den Büchern sitzen. Er würde der Herr über die Angestellten sein, die Plantage und die Ernte überwachen und auf Sitzungen Zigarren rauchen und sich über die Regierung und den Preis für die Baumwolle beklagen.

Weil er der Sohn war.

Für Hope war das in Ordnung. Sie wollte nicht an einem Schreibtisch sitzen und Zahlen addieren müssen.

Vor der Tür ihrer Schwester blieb sie stehen und zögerte. Für Faith war es nicht in Ordnung. Für Faith schien nie etwas in Ordnung zu sein. Lilah, die Haushälterin, sagte immer, Faith würde sich sogar mit Gott dem Allmächtigen streiten, einfach nur, um ihn zu erzürnen.

Hope vermutete, dass das stimmte, und obwohl Faith ihre Zwillingsschwester war, verstand sie nicht, warum sie ständig an allem herumnörgelte. Gerade erst heute Abend war sie in ihr Zimmer geschickt worden, weil sie eine freche Antwort gegeben hatte. Jetzt war die Tür fest verschlossen, und es schimmerte auch kein Licht unter dem Türspalt durch. Hope stellte sich vor, dass Faith schmollend zur Decke starrte und die Fäuste so fest geballt hatte, als wolle sie mit den Schatten boxen.

Hope berührte den Türgriff. Meistens gelang es ihr, Faith aus ihren düsteren Stimmungen herauszuschmeicheln. Sie konnte mit ihr im Dunkeln im Bett kuscheln und Geschichten erfinden, bis Faith lachen musste und ihre Augen wieder trocken waren.

Aber heute Abend ging es um andere Dinge. Heute Abend ging es um Abenteuer.

Es war alles geplant, aber Hope ließ die Erregung erst zu, als sie in ihrem Zimmer war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Sie machte das Licht erst gar nicht an und bewegte sich leise in der vom Mondlicht silbern schimmernden Dunkelheit. Sie zog ihr Baumwollnachthemd aus und schlüpfte in Shorts und T-Shirt. Als sie die Kissen auf dem Bett so hinlegte, dass sie für ihre Kinderaugen aussahen wie ein schlafender Körper, klopfte ihr Herz angenehm heftig.

Dann zog sie unter dem Bett ihre Abenteuerkiste hervor. Die alte Frühstücksdose mit dem gewölbten Deckel enthielt eine warm gewordene Flasche Coca-Cola, eine Packung Plätzchen, die sie aus dem Küchenschrank stiebitzt hatte, ein kleines, verrostetes Taschenmesser, Streichhölzer, einen Kompass, eine Wasserpistole – geladen – und eine rote Plastiktaschenlampe.

Hope setzte sich einen Moment lang auf den Fußboden. Sie konnte ihre Buntstifte riechen und das Puder, mit dem sie nach dem Baden eingepudert worden war. Sie konnte, ganz leise, die Musik aus dem Wohnzimmer ihrer Mutter hören.

Als sie ihr Fenster aufzog und vorsichtig das Mückengitter herausnahm, lächelte sie.

Geschickt und gelenkig schwang sie ein Bein über das Fensterbrett und fand Halt in der Pergola, an der sich die Glyzinie emporrankte.

Die Luft war dick wie Sirup, und ihr heißer, süßer Duft füllte Hopes Lungen. Sie kletterte die Pergola hinunter, zog sich dabei einen Splitter in den Finger und sog zischend die Luft ein. Aber sie kletterte unbeirrt weiter, die Augen fest auf die erleuchteten Fenster im Erdgeschoss gerichtet. Ich bin nur ein Schatten, dachte sie, und niemand wird mich sehen.

Sie war Hope Lavelle, die junge Spionin, und um Punkt zweiundzwanzig Uhr fünfunddreißig hatte sie ein Treffen mit ihrer Kontaktperson, ihrer Partnerin.

Sie musste ein Kichern unterdrücken. Atemlos sprang sie zu Boden.

Um ihre Erregung noch zu steigern schoss sie wie ein Pfeil hinter die dicken Stämme der großen alten Bäume, die das Haus beschatteten, und spähte von dort zu dem schwachen blauen Licht, das aus dem Fenster drang, wo ihr Bruder fernsah, und zu dem hellen gelben Schein der Fenster, hinter denen ihre Eltern den Abend verbrachten.

Wenn man mich jetzt entdeckt, ist das eine Katastrophe für meinen Auftrag, dachte sie, während sie gebückt durch den Garten lief, durch den süßen Duft der Rosen und des nachtblühenden Jasmins. Das musste sie um jeden Preis verhindern – schließlich ruhte das Schicksal der Welt auf ihren Schultern und denen ihrer tapferen Partnerin.

Die Frau in dem Kind schrie auf: Geh zurück, o bitte, geh zurück! Aber das Kind hörte sie nicht.

Hope holte ihr pinkfarbenes Fahrrad hinter den Kamelien hervor, wo sie es am Nachmittag versteckt hatte, legte ihre Kiste in den weißen Korb und schob das Rad über den Rasen neben der kiesbedeckten Auffahrt, bis das Haus und die Lichter verschwunden waren.

Dann radelte sie wie der Wind und stellte sich dabei vor, das hübsche kleine Fahrrad sei ein schnelles Motorrad. Die weißen Plastikwimpel an der Stange flatterten im Wind und schlugen fröhlich aneinander.

Sie flog durch die schwüle Luft, und der Chor der Grillen und Zikaden wurde zum brummenden Motorgeräusch ihrer schnellen Maschine.

An der Straßengabelung bog sie links ab und sprang dann vom Rad, um es von der Straße in den schmalen Graben zu schieben, wo die Büsche es verdeckten. Obwohl das Mondlicht hell genug war, nahm sie die Taschenlampe aus ihrer Kiste. Die lächelnde Prinzessin Leia auf ihrer Armbanduhr sagte ihr, dass sie eine Viertelstunde zu früh war. Ohne Angst und ohne nachzudenken bog sie auf den schmalen Pfad in den Sumpf ein.

Ins Ende des Sommers, ins Ende der Kindheit. Des Lebens.

Hier war alles voller Geräusche – von Wasser, Insekten und kleinen Nachttieren. Das Licht drang in schmalen Streifen durch das Dach der Schirmakazien und der Zypressen mit den tropfenden Moosflechten. Hier wurden die Magnolienblüten dick und fett und verströmten einen betörenden Duft. Der Weg zur Lichtung war ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Dieser Treffpunkt, dieser geheime Ort, wurde gut gepflegt, behütet und geliebt.

Da Hope als Erste da war, nahm sie Zweige und knorrige Äste vom Holzstapel und entzündete ein Feuer. Der Rauch sollte die Moskitos fern halten, aber sie kratzte bereits an den Stichen, mit denen ihre Arme und Beine übersät waren.

Sie nahm sich ein Plätzchen und ihre Cola und setzte sich hin.

Nach einer Weile fielen ihr die Augen zu, und die Musik des Sumpfes lullte sie ein. Das Feuer fraß sich durch das Holz und wurde...

Erscheint lt. Verlag 10.5.2013
Übersetzer Margarethe Pée
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Carolina Moon
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller-Autor • eBooks • FrauenbeiRandomHouse • Frauenromane • Hochspannung • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Liebe • Liebesroman • Liebesromane • Mord • Romane für Frauen • Romantik • Romantik, Spannung/Gefahr, Liebe, FrauenbeiRandomHouse • South Carolina • Spannung/Gefahr • Thriller
ISBN-10 3-641-11163-3 / 3641111633
ISBN-13 978-3-641-11163-2 / 9783641111632
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