Veronika beschließt zu sterben (eBook)

(Autor)

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2013 | 3. Auflage
224 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60265-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Veronika beschließt zu sterben -  Paulo Coelho
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Die Geschichte einer unglücklichen jungen Frau, die sterben will und erst angesichts des Todes entdeckt, wie schön das Leben sein kann, wenn man darum kämpft und etwas riskiert. Ein wunderbares Buch über die Prise Verrücktheit, die es braucht, um den eigenen Lebenstraum Wirklichkeit werden zu lassen, und eine große Liebeserklärung an das Glück in jedem von uns. '

Paulo Coelho, geboren 1947 in Rio de Janeiro, lebt mit seiner Frau Christina Oiticica in Genf. Alle seine Romane, insbesondere ?Der Alchimist?, ?Veronika beschließt zu sterben? und ?Elf Minuten?, wurden Weltbestseller, in 88 Sprachen u¨bersetzt und u¨ber 320 Millionen Mal verkauft. Die Themen seiner Bu¨cher regen zum Nachdenken an und dazu, den eigenen Weg zu suchen.

Paulo Coelho, geboren 1947 in Rio de Janeiro, lebt mit seiner Frau Christina Oiticica in Genf. Alle seine Romane, insbesondere ›Der Alchimist‹, ›Veronika beschließt zu sterben‹ und ›Elf Minuten‹, wurden Weltbestseller, in 88 Sprachen u¨bersetzt und u¨ber 320 Millionen Mal verkauft. Die Themen seiner Bu¨cher regen zum Nachdenken an und dazu, den eigenen Weg zu suchen.

[101] Veronika wußte nicht, ob es Tag oder Nacht war, bei Dr. Igor hatte das Licht gebrannt, doch das war morgens immer so. Dennoch sah sie, als sie auf den Flur trat, den Mond und stellte fest, daß sie länger als geglaubt geschlafen hatte.

Auf dem Weg zur Krankenstation bemerkte sie ein gerahmtes Foto an der Wand. Es war der Hauptplatz von Ljubljana – doch noch ohne die Statue des Dichters Presˇeren –, auf dem Paare spazierengingen, wahrscheinlich an einem Sonntag.

Sie schaute das Datum nach: Sommer 1910.

Sommer 1910. Da waren Menschen, deren Enkel inzwischen schon gestorben waren, in einem bestimmten Augenblick ihres Lebens festgehalten. Die Frauen trugen weite Röcke, die Männer hatten alle einen Hut auf, trugen einen Gehrock, Krawatte (oder ein buntes Stück Stoff, wie die Verrückten es nannten), Gamaschen und einen Regenschirm unter dem Arm.

Und die Hitze? Es mußte gleich heiß sein wie heutzutage im Sommer, 35° im Schatten. Was hätten damals die Leute gedacht, wenn ein Engländer in Bermudas und in Hemdsärmeln, einer für die Hitze passenden Kleidung, erschienen wäre?

›Ein Verrückter!‹

Sie hatte durchaus verstanden, was Dr. Igor sagen wollte. Ebensogut hatte sie verstanden, daß sie ihr ganzes Leben [102] lang zwar geliebt und behütet gewesen war, daß aber etwas fehlte, um diese Liebe zu einem Segen zu machen: Dazu hätte sie sich etwas mehr Verrücktheit zugestehen müssen.

Ihre Eltern würden sie irgendwie immer weiter lieben, doch sie würde nie wagen, den Preis für ihren Traum zu zahlen, weil sie fürchtete, sie zu verletzen. Dieser Traum war tief in ihrem Gedächtnis vergraben, obwohl ihn von Zeit zu Zeit ein Konzert oder eine schöne Platte wieder zum Leben erweckte. Doch jedesmal, wenn ihr Traum wiedererweckt wurde, war das Gefühl der Frustration so groß, daß sie ihn sofort wieder begrub.

Veronika wußte von Kindesbeinen an, welches ihre wahre Berufung war: Pianistin sein!

Sie hatte dies mit zwölf in der ersten Musikstunde gefühlt. Ihre Lehrerin erkannte ihr Talent und ermunterte sie, das Klavierspielen zu ihrem Beruf zu machen. Doch als Veronika glücklich über einen gewonnenen Wettbewerb meinte, daß sie alles andere aufgeben wolle, um nur noch Klavier zu spielen, hatte die Mutter ihr mit einem liebevollen Blick erklärt: »Niemand lebt nur vom Klavierspielen, mein Herz.«

»Aber du hast mich doch Unterricht nehmen lassen!«

»Damit du deine künstlerische Begabung entwickelst, nur deshalb. Ehemänner schätzen klavierspielende Frauen, und du könntest dich bei einer Feier hervortun. Vergiß diese Geschichte mit der Pianistenkarriere, daß du Pianistin werden willst. Studiere Jura. Rechtsanwältin, das ist ein Beruf mit Zukunft.«

Veronika folgte dem Rat ihrer Mutter, weil sie darauf [103] vertraute, daß diese genug Lebenserfahrung hatte, um die Realität richtig einzuschätzen. Sie beendete ihre Schule, ging an die Universität, verließ die Universität mit einem Diplom und ausgezeichneten Noten, doch am Ende bekam sie nur eine Anstellung als Bibliothekarin.

›Ich hätte verrückter sein sollen.‹ Doch wie die meisten Menschen entdeckte sie das zu spät.

Sie hatte sich gerade umgewandt, um ihren Weg fortzusetzen, als jemand sie am Arm festhielt. Das starke Beruhigungsmittel, das man ihr gegeben hatte, rann noch durch ihre Adern; deshalb reagierte sie nicht, als Eduard, der Schizophrene, sie sanft in eine andere Richtung führte – zum Aufenthaltsraum.

Der Mond stand immer noch im ersten Viertel, und Veronika hatte sich auf Eduards stumme Bitte hin schon ans Klavier gesetzt, als sie eine Stimme aus dem Speisesaal hörte. Jemand sprach mit ausländischem Akzent, und Veronika konnte sich nicht daran erinnern, diesen Akzent schon einmal in Villete gehört zu haben.

»Ich möchte jetzt nicht Klavier spielen, Eduard. Ich will wissen, was in der Welt geschieht, was nebenan geredet wird, wer dieser Fremde ist.«

Eduard lächelte. Vielleicht hatte er kein Wort von dem verstanden, was sie gesagt hatte. Doch sie erinnerte sich an Dr. Igor: Schizophrene können in zwei unterschiedlichen Realitäten aus und ein gehen.

»Ich werde sterben«, fuhr sie fort und hoffte, ihre Worte würden zu ihm durchdringen. »Der Tod hat heute mein [104] Gesicht mit seinem Flügel berührt. Und wird morgen oder bald schon an meine Tür klopfen. Du darfst dich nicht daran gewöhnen, jeden Abend dem Klavierspiel zuzuhören.

Niemand darf sich an etwas gewöhnen, Eduard. Sieh mal: Ich fand schon wieder Gefallen an der Sonne, an den Bergen, an den Problemen. Ich habe sogar schon akzeptiert, daß am fehlenden Sinn in meinem Leben niemand Schuld hatte außer ich selbst. Ich wollte wieder auf den Platz von Ljubljana zurück, Haß und Liebe fühlen, Verzweiflung und Langeweile, all diese einfachen, närrischen Dinge, die Teil des Alltags sind, einem aber das Leben schmackhaft machen. Wenn ich eines Tages hier herauskommen könnte, würde ich mir zugestehen, verrückt zu sein, weil alle Welt es ist, wobei die Schlimmsten die sind, die nicht wissen, daß sie es sind, weil sie nur wiederholen, was die anderen ihnen auftragen.

Doch all dies ist unmöglich, verstehst du? Genauso wenig kannst du den ganzen Tag darauf warten, daß es Nacht wird und eine der Anstaltsinsassinnen Klavier spielt – denn das wird schon bald aufhören. Meine Welt und deine Welt gehen ihrem Ende zu.«

Sie erhob sich, berührte zärtlich das Gesicht des jungen Mannes und ging in den Speisesaal.

Als sie die Tür öffnete, stand sie vor einem ungewöhnlichen Szenario: Tische und Stühle waren an die Wand gerückt, und dadurch wurde eine große leere Fläche in der Mitte gebildet. Dort saßen die Mitglieder der Bruderschaft auf dem Boden und hörten einem Mann zu, der Anzug und Krawatte trug.

[105] »…und dann haben sie den großen Sufi-Meister Nasrudin eingeladen, einen Vortrag zu halten«, sagte er.

Als die Tür aufging, sahen alle Veronika an. Der Mann im Anzug sagte zu ihr:

»Setzen Sie sich!«

Sie setzte sich auf den Boden neben die weißhaarige Frau, Mari, die bei ihrem ersten Treffen so aggressiv gewesen war. Zu ihrer Überraschung lächelte ihr Mari einladend zu.

Der Mann im Anzug fuhr fort:

»Nasrudin beraumte den Vortrag für zwei Uhr nachmittags an, und es war ein Erfolg: Die zweitausend Karten wurden alle verkauft, und mehr als sechshundert Menschen mußten draußen bleiben, wo sie den Vortrag in einer Fernsehübertragung verfolgen konnten.

Um Punkt vier Uhr kam ein Assistent von Nasrudin herein, um zu sagen, daß sich der Vortrag aufgrund höherer Gewalt etwas verzögern würde. Einige erhoben sich empört, wollten ihr Geld zurück und verließen den Saal. Doch es blieben trotzdem viele Menschen im und vor dem Saal zurück.

Ab vier Uhr gingen, da der Sufi-Meister immer noch nicht gekommen war, allmählich immer mehr Leute und ließen sich ihr Geld zurückgeben: Es war Büroschluß und Zeit, nach Hause zu gehen. Um sechs Uhr waren von den zweitausend Zuhörern nur noch einhundert übrig.

In diesem Augenblick trat Nasrudin ein. Er wirkte vollkommen betrunken und fing an, mit einer hübschen jungen Frau zu flirten, die in der ersten Reihe saß.

Nachdem die erste Überraschung verflogen war, wurden die Leute ärgerlich: Wie konnte sich dieser Mann, nachdem [106] sie vier Stunden auf ihn gewartet hatten, jetzt so aufführen? Empörtes Gemurmel wurde laut, doch der Sufi-Meister scherte sich nicht darum. Er erklärte weiterhin laut brüllend, wie sexy das junge Mädchen doch sei, und lud sie ein, ihn nach Frankreich zu begleiten.«

›Was für ein Meister‹, dachte Veronika. ›Wie gut, daß ich nie an so etwas geglaubt habe.‹

»Nachdem er die Leute, die sich empörten, beschimpft hatte, versuchte Nasrudin aufzustehen, doch er fiel schwer zu Boden. Entsetzt beschlossen die Leute wegzugehen und meinten, daß dies nichts weiter als Scharlatanerei sei und sie dieses erniedrigende Schauspiel den Zeitungen berichten wollten.

Neun Leute blieben im Saal. Und kaum hatte die Gruppe der Empörten den Saal verlassen, da erhob sich Nasrudin. Er war nüchtern, seine Augen verströmten Licht, und ihn umgab eine Aura von Würde und Weisheit. ›Ihr, die noch hier seid, seid die, die mich hören sollen‹, sagte er. ›Ihr habt die zwei härtesten Prüfungen auf dem spirituellen Weg bestanden: die Geduld, auf den richtigen Augenblick zu warten, und den Mut, euch nicht von dem enttäuschen zu lassen, was ihr vorgefunden habt. Euer Lehrer werde ich sein.‹

Und Nasrudin brachte ihnen einige der Sufi-Techniken bei.«

Der Mann machte eine Pause und zog eine fremdartige Flöte aus der Tasche.

»Wir wollen jetzt etwas ausruhen, und dann machen wir unsere Meditation.«

Die Gruppe erhob sich. Veronika wußte nicht, was sie machen sollte.

[107] »Steh auch auf!« sagte Mari, die sie bei der Hand nahm. »Wir haben fünf Minuten Pause.«

»Ich gehe lieber, ich möchte nicht stören.«

Mari zog sie in eine Ecke.

»Hast du denn überhaupt nichts gelernt, nicht einmal angesichts der Nähe des Todes? Hör auf, ständig zu glauben, daß du jemanden störst! Wenn die Leute sich gestört fühlen, werden sie es schon sagen! Und wenn sie nicht den Mut dazu haben, ist das ihr Problem!«

»An dem Tag, als ich mich euch genähert habe, tat ich etwas, was ich noch nie zuvor gewagt hatte.«

»Und dann hast du dich von einem einfachen Verrücktenscherz abschrecken lassen! Warum bist du nicht...

Erscheint lt. Verlag 22.1.2013
Übersetzer Maralde Meyer-Minnemann
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • Brasilianischer Bestsellerautor • Lebenslust • Lebensmut • Lebenstraum • Liebesgeschichte • Ljubliana • Longseller • Mondschein • Mut • Psychiatrie • Selbstmordversuch • Slowenien
ISBN-10 3-257-60265-0 / 3257602650
ISBN-13 978-3-257-60265-4 / 9783257602654
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