Hollywood im Winter (eBook)

Roman
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2012 | 1. Auflage
224 Seiten
Haymon (Verlag)
978-3-85218-909-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hollywood im Winter -  Lydia Mischkulnig
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Das Leben ist Theater. Für Tauschitz, den reichen Salzburger Industriellen, bedeutet die Kunst Unsterblichkeit. Um sie für seine Familie zu erreichen, stattet er seinen Sohn Caesar mit 'Künstler-Genen' aus und lässt ihn als Schauspieler in 'Oedipus Rex' auftreten, dem Glanzpunkt der Salzburger Festspiele. Doch die Grenzen zwischen Bühne und Wirklichkeit beginnen zu verschwimmen, das Drama um Schuld und Unschuld findet hier wie dort statt. Lydia Mischkulnig entführt in ihrem witzigbösen Roman auf die Hinterbühne der Salzburger Festspiele, wo sie die Oberflächlichkeit und Verlogenheit des Kulturbetriebs genussvoll demaskiert.

Lydia Mischkulnig, geboren 1963 in Klagenfurt, lebt und arbeitet in Wien. Mehrfach ausgezeichnet, u.a. Bertelsmann-Literaturpreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (1996), Manuskripte-Preis(2002), Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien (2007), Österreichischer Förderpreis für Literatur (2009), Joseph-Roth-Stipendium (2009). Bei Haymon erschienen: 'Hollywood im Winter'. Roman (1996), 'Macht euch keine Sorgen'. Neun Heimsuchungen (2009) und 'Schwestern der Angst'. Roman (2010).

Lydia Mischkulnig, geboren 1963 in Klagenfurt, lebt und arbeitet in Wien. Mehrfach ausgezeichnet, u.a. Bertelsmann-Literaturpreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (1996), Manuskripte-Preis(2002), Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien (2007), Österreichischer Förderpreis für Literatur (2009), Joseph-Roth-Stipendium (2009). Bei Haymon erschienen: "Hollywood im Winter". Roman (1996), "Macht euch keine Sorgen". Neun Heimsuchungen (2009) und "Schwestern der Angst". Roman (2010).

Ein berühmter Germanist ist der Gastgeber, er kann vom Idiom des Jedermann auf seine Darsteller schließen und die Sprache der Schauspieler auf ihre Glaubwürdigkeit in bezug auf die persönliche Codierung überprüfen.

Caesar sagt: Hallo, kennen wir uns nicht?

Einander, einander, korrigiert der berühmte Germanist, zieht seine Hand zurück und mustert Caesar: Aus Fehlern lernt man, und aus vielen Fehlern viel.

Antonia stürzt sich in die Party. Die blonde Mähne verschlingt das zarte Gesicht einer Frau. Sie löst sich aus der Umarmung, und Antonia stellt sie vor. Die Frau ist nicht nur eine Malerin, sie ist auch die Tochter eines Pianisten. Ihr weißes Kleid ist unter der Brust gerafft, und wie eine kannelierte Säule streckt es die Figur der Malerin. Sie hält sich gerade, sie ist klein und trägt deshalb den Kopf hoch, als wäre ihr Nacken unter der Last der Raumhöhe steif und unbeweglich geworden. Antonia entdeckt in der Menge noch ein bekanntes Gesicht und rauscht davon.

Hier befindet sich kein Mensch, den ich portraitieren möchte, klagt die Malerin ihr Leid. Sie habe große Ideen, aber nur ein kleines Atelier. Sie stecke in einer Schaffenskrise, weil sie das Große in das Kleine transponieren müsse.

Caesars Problem ist proportional umgekehrt.

Wie meinst du das?

Caesar ist mit seinem Sisyphos nicht zufrieden, er ist ihm zu frisch, zu neu, zu fröhlich. Den Edithpreis erwähnt er nicht. Dafür betont er, daß er in New York studiert.

Bewegung kommt in die Malerin, die kleine Nase wittert die große weite Welt an Caesar.

Antonia entdeckt Berg im Getümmel, sie schleicht sich heran und legt ihm von hinten die Hände auf die Augen. Er dreht sich nicht um, soll erraten, wem die großen Hände gehören, und dabei weiß er es ganz genau, denn die großen Teller gehören einer großen Frau, und während die Malerin vom Menschenbad spricht, das sie nimmt, schaut Caesar hinüber und sieht die Annäherung der Schwester und das genußvolle Lächeln des Regisseurs, der ein guter Spieler ist und völlig ins Blaue rät, bis er Antonia erwischt. Er verwechselt sie nur mit berühmten Frauen, schnuppert an ihren Händen, der Duft, das ist, laß mich raten, Catherine, Greta oder Jeanne, nein, doch Catherine.

Die Malerin geht nur auf Feste zu berühmten Leuten, um dort die Gesichter zu sehen, die sie in Klein­formate packen möchte. Sie zündet sich eine Zigarette an, qualmt aus dem Mund und wirft das Streichholz weg.

Ist das nicht der ausgebrannte Berg?

Berg hat endlich das Rätsel geknackt und Antonia erkannt. Er küßt charmant ihre Hände: Marc Antonia, Tauschitz ist ein Shakespeare-Liebhaber.

Berg schwärmt von der Rede des Marc Anton, und der Germanist möchte wissen, wie er den Marc Anton besetzen würde. Berg schaut sich um und sucht unter den Gästen nach einem Beispiel. Sein Blick bleibt auf der Malerin hängen, ihre Gier nach seinem Gesicht entgeht ihm nicht. Ich würde ihn mehr durch Kleopatra zeichnen, sagt Berg und schaut weg.

Caesar tippt der Malerin auf die Schulter, will auf ihrer Bildfläche sein.

Wenn du willst, kannst du mit zu mir kommen, beim Frühstück stell’ ich dich dann vor.

Ich habe das Modell schon hier, sagt sie leise und geht auf Berg zu.

Caesar bleibt ihr auf den Fersen.

Berg dreht sich weg, die will was von mir, sagt er kokett. Antonia flüstert, ich rette dich, und er schlüpft in das Hufeisen aus Antonias Armen. Küß mich, sagt Berg mit hinreißender Stimme und meint einen Theaterkuß. Antonia nimmt ihn, wie sie es versteht, schnappt Berg der Malerin weg. Er hat Antonias Zunge im Mund.

Widerlich, sagt die Malerin und drückt ihre Zigarette aus. Caesar quetscht den faden Geschmack seines Speichels an den Gaumen. Er will sich wieder ins Gespräch bringen. New York dampft im Winter, sagt er, und daß New York eine sterbende Stadt sei, daß er nächstes Jahr lieber nach Los Angeles wolle.

Die Malerin kann dieser Ansicht nichts abgewinnen, sie wird eines Tages ganz bestimmt nach New York ziehen. Einige Galerien dort interessieren sie schon. Dann will sie gehen.

Draußen erzählt Caesar von der Festung, dort gingen die berühmtesten Leute ein und aus, auch Galeristen. Wenn die Malerin Kontakte brauche, er könne sie ohne weiteres vermitteln. Die Malerin wird geschmeidig, ihr Kleid bewegt sich im Wind. Ihr schwarzes Haar federt beim Gehen.

Plötzlich dreht sie sich um, hebt elegant ihr Kinn und fragt: Wohin?

Was?

Willst du gehen?

Zu mir? fragt Caesar verdutzt.

Caesar hat weite Augen und eine warme Stimme, er möchte seinen Arm um die Malerin legen. Er redet in Eile vom Mond und den Sternen, dann keuchend von ihrem schönen Haaransatz und den schönen Nasen­flügeln. Seine unbeholfenen Versuche tun ihr leid.

Sie zeigt ihm ihr Atelier. Caesars Augen triefen wie feuchte Farbe. Er stellt sich Liebe in Tropfen vor. Die Malerin kann seine dicken Pupillen nicht ertragen. Sie beginnt aufzuräumen und über Freundschaft zu sprechen, ob er sich mit seiner Schwester gut verstehe?

Caesar nimmt ihr den Aschenbecher aus der Hand. Sie ist erstaunt über seine Nähe, zündet ihre Zigarette an, stellt die Glut in den Weg. Caesar bleibt dran und macht einen Küssermund.

Willst du dich verbrennen? fragt sie.

Er schiebt seine Zunge heraus und lispelt, ich kann löschen.

Sei nicht dumm, sagt sie einfach.

Caesar will glühen. Er preßt sich an die Malerin, quetscht sie zwischen seinen Körper und die Lehne des Stuhls. Die Malerin lächelt über seine hölzerne Art, und Caesar öffnet die Augen und sieht, daß sie neugierig ist auf einen jungfräulichen Mann. Er zieht seine Hände zurück und fragt, warum machst du die Augen nicht zu?

Ich will nicht ... Vorsicht, die Glut. Die Malerin klopft der Zigarette die Asche ab.

Ohne ein weiteres Wort steht er auf und will gehen. Sie fragt, was ist jetzt mit morgen?

Ich weiß nicht, soll ich dich anrufen?

Warum nicht.

Seine Enttäuschung vergeht bis zur Festung. In Antonias Zimmer brennt Licht, im Turm geht es gerade an. Caesar sieht Bergs Schatten.

In Antonias Zimmer riecht es nach Haut. Ihr Bett ist gebraucht, Caesar hört ihre Dusche. Er setzt sich aufs Bett und saugt die Luft ein. Antonia ist sauber und rein, das Haar naß.

Und wie war’s? fragt er.

Und bei dir?

Ein Brett! Hart, unbeweglich, und wenn du mich fragst, wurmstichig.

Wieso? lacht Antonia.

Ein einziger Krampf und nichts dagegen zu tun, die Malerin schaut nur.

Antonia kichert: Dabei soll der Mensch empfinden.

Sag das so einer, die die Augen offen läßt beim Küssen.

Das ist nicht schlimm.

Ich hab sie nicht einmal geküßt.

Das ist schlimm.

Antonia reibt ihren Körper ab. Das Handtuch ist hart und rötet die Haut unter ihren Strichen.

Du sollst morgen ins Personalbüro gehen.

Antonia sucht ihren Leib ab, findet ein Haar über dem Nabel. Sie spannt es und zieht die Haut hoch, ein kleines Zelt errichtet sich. Sie angelt die Schere aus dem Nageletui und schneidet das Haar knapp an der Haut ab, das Zelt fällt zusammen und bettet sich.

Berg hat schon vorgefühlt.

Für mich?

Ich glaube, er ist ein guter Mann.

So, grinst Caesar, du glaubst nur?

Sie streckt die Arme und läßt das weiße Nachthemd über sich rutschen. Sie schüttelt sich, damit das Nachthemd die ganze Länge hinabfallen kann.

Ich bin müde, sagt sie und schlüpft ins Bett.

Früher hielten die Pförtner die Türen auf, und klein Caesar schritt mit großem Schritt hindurch, der Generalsponsorensohn, dem man gern einen Gefallen tat, damit er eines Tages vielleicht den Pförtnerkindern die Türen öffnete. Heute kennt ihn keiner mehr. Die alten Pförtner sind weg, und die neuen, jungen sind frech, und Caesar muß durch den Hintereingang des Theaters.

Caesar ist früh dran, der Himmel ist grau, es wird regnen, ein farbloser Tag. Er richtet sich auf, Rückgrat muß sein, und los geht es. Er steigt die Treppen auf und läßt sich Zeit. Er will nicht atemlos in das Personal­büro treten, sondern leicht und beschwingt. Keine Anstrengung ist das Leben, sondern ein fröhlicher Flug. Man sieht am besten von oben und schafft es aus dem Nichts heraus, die buntesten Welten zu zaubern, die auf die Bühne kommen. Nichts ist umsonst, es kostet ihn Kraft hinaufzusteigen.

Im dritten Stock bleibt er stehen. Wischt sich die Stirn mit dem Sacktuch ab. Caesar will nicht vor Aufregung glänzen. Er zählt bis dreißig, die Tür springt schon bei zwanzig auf. Eine Frau in dunkelblauem Kostüm kommt heraus auf den Gang, sachlich steckt ein Namensschild an der...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2012
Verlagsort Innsbruck
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Belletristische Darstellung • bissiger Humor • Familiengeschichte • Kritik • Kulturbetrieb • Oedipus Rex • Salzburg • Salzburger Festspiele • Theater • theaterbetrieb • Witz
ISBN-10 3-85218-909-8 / 3852189098
ISBN-13 978-3-85218-909-3 / 9783852189093
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