Nachtblauer Tod (eBook)

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2012 | 1. Auflage
384 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401448-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nachtblauer Tod -  Klaus-Peter Wolf
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Ein Siebzehnjähriger begibt sich auf die Suche nach dem Mörder seiner Mutter Für Leon Schwarz bricht eine Welt zusammen, als seine Mutter in der Nacht zu Hause ermordet wird. Genau zu der Zeit knutscht er auf einer Party mit Vivien und gießt nebenbei die Erdbeerbowle mit Weinbrand auf. Als Hauptkommissar Büscher und seine Kollegin Schiller zunächst seinen Vater und dann auch ihn verdächtigen, weiß Leon, dass er die Sache selbst in die Hand nehmen muss: Er wird den Mörder seiner Mutter finden, koste es, was es wolle.

Klaus-Peter Wolf, 1954 in Gelsenkirchen geboren, lebt als freier Schriftsteller in der ostfriesischen Stadt Norden, im selben Viertel wie seine Kommissarin Ann Kathrin Klaasen. Wie sie ist er nach langen Jahren im Ruhrgebiet, im Westerwald und in Köln an die Küste gezogen und Wahl-Ostfriese geworden. Seine Bücher und Filme wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Bislang sind seine Bücher in 26 Sprachen übersetzt und über fünfzehn Millionen Mal verkauft worden. Mehr als 60 seiner Drehbücher wurden verfilmt, darunter viele für »Tatort« und »Polizeiruf 110«. Der Autor ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.Die Romane seiner Serie mit Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen stehen regelmäßig mehrere Wochen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste, derzeit werden mehrere Bücher der Serie prominent fürs ZDF verfilmt und begeistern Millionen von Zuschauern.

Klaus-Peter Wolf, 1954 in Gelsenkirchen geboren, lebt als freier Schriftsteller in der ostfriesischen Stadt Norden, im selben Viertel wie seine Kommissarin Ann Kathrin Klaasen. Wie sie ist er nach langen Jahren im Ruhrgebiet, im Westerwald und in Köln an die Küste gezogen und Wahl-Ostfriese geworden. Seine Bücher und Filme wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Bislang sind seine Bücher in 26 Sprachen übersetzt und über fünfzehn Millionen Mal verkauft worden. Mehr als 60 seiner Drehbücher wurden verfilmt, darunter viele für »Tatort« und »Polizeiruf 110«. Der Autor ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Die Romane seiner Serie mit Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen stehen regelmäßig mehrere Wochen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste, derzeit werden mehrere Bücher der Serie prominent fürs ZDF verfilmt und begeistern Millionen von Zuschauern.

1


Wenn er gewusst hätte, dass seine Mutter in die Augen ihres Mörders blickte, während er auf dieser Party bei seinem Freund Ben heimlich Weinbrand in die Erdbeerbowle goss, wäre er garantiert um Hilfe schreiend nach Hause gelaufen. Aber Leon Schwarz hatte keine Ahnung. Er glaubte, seine Welt sei in Ordnung.

Die kleinen Risse im Eis deuteten nicht darauf hin, dass die Decke bald einbrechen würde. Aber es knirschte bereits, und das Eis war dünn geworden, so dünn, dass alle, die sich auf ihm befanden, in Lebensgefahr schwebten. Wie damals, als er beim Schlittschuhlaufen auf dem Teich plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen hatte und die Kälte des Wassers ihn wie ein Faustschlag traf.

Er musste für ein paar Schrecksekunden lang ohnmächtig geworden sein. Auf jeden Fall hatte er die Orientierung verloren.

Er wollte auftauchen. Er brauchte Luft, aber er stieß gegen eine geschlossene Eisdecke. Er fand das verdammte Loch nicht. Die Einbruchstelle konnte jetzt seine Rettung werden. Aber wo war sie?

Er versuchte, das Eis zu durchbrechen, aber es gelang ihm nicht. Die Kälte begann schon seinen Bewegungen die Kraft zu nehmen. Seine Muskeln wurden schwer und irgendwie lahm.

Es war unglaublich laut unter Wasser. Die Läufer auf dem Eis ließen die gefrorene Decke stöhnen und ächzen wie ein leidendes Lebewesen, auf dem alle herumtrampelten. 

Immer wieder träumte er von dieser Szene, wie er über sich die geschlossene Eisdecke sah. Manchmal überfielen ihn diese Bilder am hellen Tag. Es gab keine Ankündigung. Es konnte mitten im Matheunterricht passieren, oder wenn er zur Toilette ging und die Tür hinter sich schloss.

Jetzt geschah es gerade wieder. Jetzt, da Jessy ihn ansah und ihm mit ihrem Silberblick zu verstehen gab, wie sehr sie auf ihn abfuhr.

Sie konnte junge Männer angucken, dass es denen durch und durch ging. Andere Typen stellten sich dann vielleicht vor, wie es wäre, sie zu küssen oder ihre nackte Haut zu berühren. Er brach stattdessen ins Eis ein und stand ein bisschen hilflos, ja linkisch, herum, bekam feuchte Hände und wusste nicht, wohin mit ihnen.

Jessy müsste ihn eigentlich für einen Idioten halten, dachte er. Trotzdem legte sie eine Hand auf seinen Arm und fragte ihn, ob er ihr ein paar Erdbeeren aus der Bowle fischen könnte. Er hätte das nur zu gern für sie getan, doch er steckte mal wieder unter der Eisdecke fest und bekam keine Luft.

Dann retteten ihn die Bilder von seinem Vater. Wie eine Erscheinung, geboren aus Trillionen von Luftbläschen, tauchte er plötzlich unter Wasser auf. Ein Engel! Ja, wie ein Engel wirkte er und verstärkte das Gefühl in Leon, zu sterben. Immerhin wurde er nicht vom Teufel geholt, sondern von einem Engel.

Dann hatte sein Vater ihn unsanft gepackt und mit sich gerissen. Immer wenn er seinen Vater umhüllt von Luftbläschen sah, ging es ihm besser.

Er bekam wieder Luft, lächelte Jessy an, angelte für sie ein paar Früchte aus der Bowle und hielt ihr eine saftige Erdbeere, die sich mit Alkohol vollgesogen hatte, auf einem Picker hin.

Sie stülpte ihre Lippen über die Frucht und schloss dabei demonstrativ die Augen.

Er kannte kein anderes Mädchen, das so war wie sie.

Wahrscheinlich übte sie so etwas heimlich zu Hause vor dem Spiegel. Sie liebte Hollywoodfilme. Sie konnte Julia Roberts nachmachen, Meg Ryan, Kristen Stewart und Sarah Jessica Parker.

Sie waren allein in der Küche, und als Leon Jessy küsste, starb seine Mutter.

Ihr letzter Gedanke galt ihm, ihrem geliebten Sohn.

Seine Lippen brannten, und Jessy ließ es zu, dass seine Finger unter ihr T-Shirt glitten. Dann öffnete er die Augen, weil ihn das komische Gefühl beschlich, angestarrt zu werden.

Tatsächlich, im Türrahmen, wo die Einbauküchenzeile mit einem Kühlschrank endete, stand die fünfzehnjährige Johanna.

Ben hatte versucht, seine jüngere Schwester für die Dauer der Party loszuwerden, aber die Spaßbremse hatte so lange Theater gemacht, bis Bens Mutter ein Machtwort gesprochen hatte.

Leon konnte nicht küssen, wenn er so angeglotzt wurde, außerdem äffte Johanna jetzt Jessy nach, als ob sie gerade einen unsichtbaren Liebhaber knutschen würde.

Leon fühlte sich peinlich berührt und verspottet. Er schob Jessy von sich weg.

Johanna drängte sich an den beiden vorbei zur Erdbeerbowle. Sie stieß Leon dabei versehentlich heftig an.

»Oh, Entschuldigung – stör ich?«

»Nee«, konterte Jessy patzig, »wir haben alle nur auf dich gewartet. Schön, dass du doch noch gekommen bist. Ist nix im Fernsehen?«

Jessy glaubte, Johanna damit echt eins verpasst zu haben und stolzierte, mit Hintern und Hüften provokativ wackelnd, zur Tür. Sie ging ganz sicher davon aus, dass Leon ihr folgen würde, aber der blieb bei der Bowle und bei Johanna. Er schenkte sich ein Glas ein.

»Versuch das ja nie mit mir, du Vollhorst. Da bleibst du nämlich mit der Zunge an der Zahnspange hängen!«, giftete Johanna und grinste ihn provozierend an, dabei ließ sie das Silber auf ihrer Kauleiste blitzen. Sie war genauso nervig, wie Ben immer erzählte.

Leon suchte Jessy. Die tanzte inzwischen Klammerblues mit Ben und sah konsequent an Leon vorbei oder durch ihn hindurch, als ob er nicht da wäre.

Sie machte einen beleidigten Eindruck auf Leon. Vermutlich war sie sauer, weil er nicht sofort hinter ihr her gedackelt war.

Dafür fixierte Johanna ihn jetzt. Sie hielt sich jeweils in der von ihm am weitesten entfernten Ecke des Raums auf, ließ ihn aber nicht aus den Augen. Wenn er zu ihr sah, zog sie Grimassen.

Wenn alle Mädchen so wären, würde ich schwul, dachte er und holte sich noch ein Glas Bowle.

Wie affektiert Jessy jetzt mit Ben turtelte … Dabei achtete sie genau darauf, dass Leon alles mitbekam.

Sie will mich echt eifersüchtig machen, dachte er.

Die Bowle kam ihm plötzlich ungenießbar vor. Zu süß. Er ging zu süffigeren Drinks über. Ben hatte zwei Kästen Flens besorgt und dann noch Altbier. Aber das Düsseldorfer schmeckte Leon auch nicht. Da ploppte er lieber ein Flens. Er mochte das Geräusch, wenn der Bügelverschluss aufsprang. Bier spritzte hoch, und ein paar Schaumflocken landeten auf seinem weinroten Seidenhemd.

Inzwischen war er eigentlich zu betrunken, um nach Hause zu gehen, aber zu nüchtern, um zu bleiben.

Leon ließ sein Fahrrad stehen und wankte durch die kalte Luft. Die lila Finsternis umfing ihn wie eine schützende Hand. Als er an der Geeste ankam, war ihm schlecht, so als hätte ein Teil von ihm bereits Ahnung von dem, was ihn zu Hause erwartete.

Er hatte Seitenstechen und war außer Atem. Erst jetzt merkte er, dass er völlig sinnlos gerannt war und eine kurze Pause brauchte.

Eine Wolke schob sich vor den Vollmond. Der Himmel war nachtblau. Leon sah sich die Sterne an. Er liebte solche Nächte. Der Wind wühlte in seinem Haar. Die Luft schmeckte nach Meer.

Sein Handy furzte. Jessy.

Warum er denn schon gegangen sei. Jetzt ginge es doch eigentlich erst richtig los.

Er verstand sich selbst nicht. Statt zurückzulaufen ging er weiter in Richtung Prager Straße. Etwas trieb ihn nach Hause. Er wusste nicht, was es war, aber es war sehr stark. Auf eine irre Art stärker als er selbst.

Nein, er hatte keine Angst davor, Ärger mit seinen Eltern zu kriegen. So waren sie nicht. Sie waren zwar nicht so cool wie Bens Mutter, aber sie hatten genug mit sich selbst zu tun und gar nicht viel Zeit, um ihn an der Leine zu führen.

Eine Straßenlaterne flackerte. Es sah aus wie kleine Blitze, die durch die Nacht zuckten. Vor dem Columbus-Center knutschte ein Pärchen. Im ersten Moment glaubte Leon, dort seinen Mathelehrer zu erkennen, aber dann war es doch ein völlig Unbekannter. Die rothaarige Frau hatte das Gesicht mit Lippenstift verschmiert. In der Spiegelung des Schaufensters sah es aus wie Blut, als hätte sie einen Vampir geknutscht und der ihr das Gesicht zerfetzt.

Leon fand die Idee, jetzt so angetrunken zu Hause aufzutauchen, plötzlich gar nicht mehr gut.

Es war kurz vor zwölf. Er stellte sich vor, dass seine Mutter, wie meistens um die Zeit, mit einem dicken Kissen im Rücken im Bett lag und mit einer Tafel Schokolade neben sich einen Krimi las. Sie war keine Leseratte. Eher schon ein Lesehai. Sie verschlang Bücher. Sie brauchte Krimis zum Leben wie andere Leute Bratwürstchen, Filetsteaks oder Pizza. Dabei betonte sie – auf ihre Leidenschaft angesprochen – gern, dass Lesen weder dick noch doof mache.

An ihren Rändern unter den Augen erkannte Leon, ob sie gerade einen guten Kriminalroman erwischt hatte oder nicht. Die richtig aufregenden Krimis hielten sie bis zur Erschöpfung wach. Dann hatte sie am nächsten Morgen Rückenschmerzen, schwarze Ränder unter den Augen und war unkonzentriert. Innerlich jagte sie den Täter, wog Zeugenaussagen ab und überprüfte Alibis auf ihre Glaubwürdigkeit. Im Moment las sie den dritten Teil von Stieg Larssons Trilogie. Das Buch hatte sie völlig in den Bann gezogen.

Sie war also garantiert noch wach, wenn er jetzt nach Hause kam. Sie würde aufstehen. Sie stand immer auf, wenn er abends spät nach Hause kam. Sie würde ihm Fragen stellen und versuchen, sich für ihn zu interessieren. Dabei hätte sie vermutlich Mühe zuzuhören, denn der Mörder in ihrem Krimi war bestimmt mal wieder viel interessanter als alles, was ihr Sohn zu erzählen hatte. Normalerweise einigten sie sich dann rasch darauf, dass es Zeit sei, ins Bett zu gehen. So konnte sie sich wieder ihrem Roman widmen und er seinen Träumen.

Aber heute würde es anders laufen,...

Erscheint lt. Verlag 23.8.2012
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bremerhaven • Containerhafen • Erdbeerbowle • Frauenmord • Krimi • Mutter • Thriller
ISBN-10 3-10-401448-5 / 3104014485
ISBN-13 978-3-10-401448-7 / 9783104014487
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