Geheime Tochter (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
512 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30614-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geheime Tochter -  Shilpi Somaya Gowda
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»Fesselnd, sehr klug, lebendig und herzzerreißend« Minneapolis StarTribune Somers Leben ist genauso, wie sie es sich immer vorgestellt hat. Frisch verheiratet, mit einem neuen Job als Ärztin in San Francisco. Doch dann stellt sie fest, dass sie keine Kinder bekommen kann. Zur gleichen Zeit wird in einem abgelegenen indischen Dorf ein Mädchen geboren. Kavita, die Mutter, erkennt, dass sie das Leben ihrer Tochter nur retten kann, wenn sie sie weggibt. Als Somer und ihr Ehemann ein Foto des Mädchens in einem Waisenhaus in Mumbai sehen, entscheiden sie sich für eine Adoption. Somer ahnt, dass dieser Weg nicht leicht wird. Aber sie hofft, dass Liebe alle Probleme lösen kann. Shilpi Somaya Gowdas Debüt war in den USA und Kanada ein Sensationserfolg - es stand über viele Monate auf Platz eins der Bestsellerlisten. Der große Roman über eine Suche nach den Wurzeln und nach dem, was das Leben ausmacht, bewegt inzwischen Leserinnen auf der ganzen Welt. 

Shilpi Somaya Gowda ist in Toronto geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern sind aus Mumbai nach Kanada immigriert. Mit ihrem Debütroman »Geheime Tochter« (KiWi 1286), der in über 20 Sprachen übersetzt wurde, stand sie weltweit auf den Bestsellerlisten. Sie lebt mit ihrer Familie in Kalifornien.

Shilpi Somaya Gowda ist in Toronto geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern sind aus Mumbai nach Kanada immigriert. Mit ihrem Debütroman »Geheime Tochter« (KiWi 1286), der in über 20 Sprachen übersetzt wurde, stand sie weltweit auf den Bestsellerlisten. Sie lebt mit ihrer Familie in Kalifornien. Ulrike Wasel geb. 1955 in Bergneustadt. Magisterstudium: Anglistik, Amerikanistik, Romanistik.  Ulrike Wasel und Klaus Timmermann entdeckten noch während des Studiums die Freude am gemeinsamen Übersetzen und beschlossen nach dem Examen, den Sprung in das Leben als Literaturübersetzer zu wagen. Nach ersten nebenberuflichen Anfängen im Bereich der Kriminalliteratur arbeiten wir seit 1991 hauptberuflich als literarische Übersetzer und sind für zahlreiche namhafte Verlage tätig. Nach nunmehr fast fünfundzwanzigjähriger Berufserfahrung blicken wir auf ein breites und buntes Spektrum übersetzter Titel zurück, das sich vom erfolgreichen Bestseller bis zum "Nischensachbuch" erstreckt. 2012 wurden wir gemeinsam mit dem Autor Dave Eggers für unsere Übersetzung seines Roman Zeitoun mit dem internationalen Albatros-Literaturpreis der Günther-Grass-Stiftung Bremen ausgezeichnet. Klaus Timmermann geb. 1955 in Bocholt. Lehramtsstudium Sek. II: Englisch, Französisch. Klaus Timmermann und Ulrike Wasel entdeckten noch während des Studiums die Freude am gemeinsamen Übersetzen und beschlossen nach dem Examen, den Sprung in das Leben als Literaturübersetzer zu wagen. Nach ersten nebenberuflichen Anfängen im Bereich der Kriminalliteratur arbeiten wir seit 1991 hauptberuflich als literarische Übersetzer und sind für zahlreiche namhafte Verlage tätig. Nach nunmehr fast fünfundzwanzigjähriger Berufserfahrung blicken wir auf ein breites und buntes Spektrum übersetzter Titel zurück, das sich vom erfolgreichen Bestseller bis zum "Nischensachbuch" erstreckt. 2012 wurden wir gemeinsam mit dem Autor Dave Eggers für unsere Übersetzung seines Roman Zeitoun mit dem internationalen Albatros-Literaturpreis der Günther-Grass-Stiftung Bremen ausgezeichnet.

4 Ohne große Mühe


San Francisco, Kalifornien – 1984
Somer

»Hallo, ich bin Dr. Whitman.« Somer betritt den kleinen Untersuchungsraum, in dem eine Frau versucht, ein strampelndes Kleinkind zu bändigen. »Was kann ich für Sie tun?«

»Er ist seit gestern so – weinerlich, gereizt. Ich kann ihn einfach nicht beruhigen, ich glaube, er hat Fieber.« Die Frau hat einen lockeren Pferdeschwanz und trägt ein schmuddeliges Sweatshirt über einer Jeans.

»Na, dann wollen wir uns den Kleinen mal ansehen.« Somer wirft einen Blick auf die Krankenkarte. »Michael? Willst du mal meine schicke Taschenlampe sehen?« Somer knipst die Ohrenleuchte an und aus, bis das Interesse des Jungen geweckt ist und er danach greift. Sie lächelt und öffnet weit den Mund. Als der Junge sie nachmacht, steckt sie einen Zungenspatel hinein. »Isst und trinkt er normal?«

»Ja. Das heißt, ich glaube es zumindest. Ich weiß noch nicht so genau, was normal ist, wir haben ihn nämlich erst seit ein paar Wochen. Wir haben ihn mit sechs Monaten adoptiert.« Das plötzliche und stolze Lächeln der Mutter lässt beinahe die Schatten unter ihren Augen verschwinden.

»Mmm-hmm. Na, wie wär’s, kleiner Mann? Willst du mal mit diesem tollen Stöckchen spielen?« Somer gibt dem Jungen den Zungenspatel, nimmt rasch die uninteressant gewordene Ohrenleuchte und schaut ihm in die Ohren. »Und wie läuft es so bisher?«

»Er hat schnell Vertrauen gefasst, und jetzt will er ständig herumgetragen werden. Wir sind schon ein richtig gutes Team, was, kleiner Mann? Obwohl du letzte Nacht dreimal wach geworden bist«, sagt die Mutter und stupst ihm mit dem Finger in den pummeligen Bauch. »Es stimmt, was man so sagt.«

»Was sagt man denn?« Somer tastet, um zu überprüfen, ob der Junge geschwollene Lymphdrüsen hat.

»Du weißt es erst, wenn es dir passiert. Es ist die stärkste Liebe, die man sich vorstellen kann.«

Somer spürt einen vertrauten Stich in der Brust. Sie blickt von dem Stethoskop auf, das sie dem Jungen auf den Rücken drückt, und lächelt seine Mutter an. »Er ist ein Glückspilz, dass er Sie hat.« Sie zieht einen Rezeptblock aus ihrer Tasche. »Also, er hat eine ziemlich starke Entzündung im rechten Ohr, aber das andere sieht gut aus, und Brust und Lunge sind auch in Ordnung. Dieses Antibiotikum müsste die Sache im Nu wieder beheben, und heute Nacht sollte er sich schon deutlich besser fühlen.« Sie streicht der Mutter über den Arm, als sie ihr das Rezept reicht.

Genau deshalb liebt Somer ihre Arbeit. Sie kann in ein Zimmer gehen, wo ein schreiendes Kind und eine ängstliche Mutter warten, und weiß, wenn sie wieder geht, werden sich beide besser fühlen. In ihrem Pädiatrie-Blockpraktikum hatte sie zum ersten Mal ein hysterisches Kind beruhigt, ein zuckerkrankes Mädchen mit kollabierten Venen, dem Blut abgenommen werden musste. Somer hielt der Kleinen die Hand und bat sie, die Schmetterlinge zu beschreiben, die sie sah, wenn sie die Augen schloss. Sie traf gleich beim allerersten Stich eine Vene und hatte das Pflaster aufgeklebt, ehe das Mädchen mit den Flügeln fertig war. Ihre Kommilitonen, die sich mit allen Mitteln vor »Schreiern« zu drücken versuchten, waren beeindruckt. Somer war Feuer und Flamme.

»Danke, Doctor«, sagt die Mutter sichtlich erleichtert. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Ich halte das kaum aus, wenn ich nicht weiß, was ihm fehlt. Für mich ist er ein kleines Bündel voller Geheimnisse, und ich lerne ihn jeden Tag ein bisschen mehr kennen.«

»Keine Sorge«, sagt Somer, die Hand schon am Türknauf. »Das geht allen Eltern so, egal, wie die Kinder zu ihnen kommen. Mach’s gut, Michael.«

Somer geht zurück in ihr Büro und schließt die Tür, obwohl sie schon zwanzig Minuten zu spät dran ist. Sie legt erst ihre Instrumente auf den Schreibtisch und dann den Kopf. Als sie zur Seite blickt, sieht sie das Plastikmodell eines menschlichen Herzens, das Krishnan ihr geschenkt hat, als sie beide Examen machten.

»Ich schenke dir mein Herz«, sagte er, aber so, dass es sich nicht so kitschig anhörte, wie es aus dem Mund von jemand anderem geklungen hätte. »Pass gut drauf auf.«

 

Es war fast zehn Jahre her, dass sie im mattgelben Licht der Lane Library der medizinischen Fakultät von Stanford zum ersten Mal voneinander Notiz nahmen. Sie waren Abend für Abend dort, und nicht bloß unter der Woche, wenn die Bibliothek in der Regel voll war, sondern auch an Freitagabenden, statt wie andere auszugehen, und tagsüber an den Wochenenden, wenn andere ihre Freizeit genossen. Es gab nur etwa ein Dutzend Lane-Stammgäste: die Fleißigsten, die Lerneifrigsten. Im Rückblick, so wird Somer klar, waren sie diejenigen, die irgendetwas zu beweisen hatten. Alle hielten Somer für eine Außenseiterin. Mit ihrem hippiemäßig übergeschnappten Namen und dem dunkelblonden Haar war es für ihre Kommilitonen einfach, sie als Leichtgewicht abzutun. Diese Art des Vorurteils ärgerte sie. Aber im Laufe der Jahre hatte sie gelernt, damit klarzukommen. Sie hatte drüber hinweggesehen, wenn ihr Chemielehrer in der Highschool sich bei Versuchen lieber an den Jungen wandte, mit dem sie ein Arbeitsteam bildete. Sie hatte die Sticheleien erduldet, denen sie sich als einziges Mädchen im Mathe-Leistungskurs ausgesetzt sah. Sie war es gewohnt, von anderen unterschätzt zu werden: Sie verwandelte die niedrigen Erwartungen anderer in Energie.

»Summer, wie der Sommer auf Englisch?«, fragte Krishnan, als sie sich vorstellte.

»Nur von der Aussprache her.« Sie lächelte. »Es schreibt sich S-o-m-e-r.« Sie wartete, während er darüber nachdachte. Es gefiel ihr, ein bisschen anders zu sein. »Es ist eigentlich ein Nachname. Und du bist … Chris?«

»Ja. Das heißt, Kris mit K. Das ist die Kurzform von Krishnan, aber du kannst mich Kris nennen.«

Sie war auf Anhieb hingerissen von seinem britisch klingenden Akzent, der im Vergleich zu ihrem langweiligen kalifornischen Einschlag so weltgewandt klang. Sie hörte es gern, wenn er im Seminar Fragen beantwortete, nicht nur wegen seiner charmanten Aussprache, sondern auch weil seine Antworten ausnahmslos, wunderbar korrekt waren. Manche Kommilitonen hielten ihn für arrogant, aber Somer hatte Intelligenz schon immer verführerisch gefunden. Erst später bemerkte sie seine Grübchen, auf der Party bei Gabi im Frühjahr. Somer nippte vorsichtig an ihrem tropischen Rumpunsch. Sie wusste, wie tückisch so ein Drink sein konnte. Kris dagegen hatte offenbar schon etliche Gläser intus, als er sie ansprach.

»Wie ich höre, hat Meyer dich also auch gefragt, ob du in den Semesterferien bei ihm im Labor arbeiten willst?«, sagte er leicht nuschelnd und beugte sich näher zu ihr, die mit gekreuzten Beinen auf einem weißen Gartenstuhl saß.

Ihn auch? Somers Herz machte einen kleinen Sprung. Ein Angebot von Professor Meyer war eine der begehrtesten Trophäen im ersten Studienjahr. »Ja, dich auch?«, fragte sie und versuchte, möglichst gleichgültig zu klingen. Sie spürte förmlich, wie Krishnans Augen auf den winzigen Glöckchen am Ausschnitt ihrer Bauernbluse verharrten, und war froh, dass sie sich noch umgezogen hatte.

Er schüttelte den Kopf und nahm wieder einen großen Schluck von seinem pinkfarbenen Drink. »Nein, ich bin den Sommer über in Indien. Meine letzte Chance vor dem Blockpraktikum. Meine Mutter reißt mir sonst den Kopf ab.« Als er lächelte, zeigten sich seine Grübchen. Sie spürte ein Prickeln von ihrer Magengrube aus in den Kopf aufsteigen und fragte sich, ob sie schon zu viel Punsch getrunken hatte. Sie unterdrückte den Impuls, die Hand auszustrecken und ihm das zerzauste schwarze Haar glatt zu streichen, das ihm in die Augen fiel und ihn aussehen ließ wie einen kleinen Jungen. Wie er ihr später erzählte, hatten ihn ihre grünen Augen bezaubert, die im Licht der Petroleumfackeln funkelten, und die Art, wie sie über alles lachte, was er an diesem Abend sagte.

Sie begannen, jeden Abend zusammen zu lernen, fragten sich vor Prüfungen gegenseitig ab, spornten einander an, besser zu werden. Kris genoss es, sich intellektuell mit ihr zu messen, und es schien ihm nichts auszumachen, wenn sie ihn gelegentlich übertraf. Er war eine wohltuende Abwechslung von ihrem letzten Freund, mit dem sie zwei Jahre lang erst für den Bachelor und dann für die Aufnahmeprüfung fürs Medizinstudium gebüffelt hatte. Als sie dann die Zulassung für Stanford erhielt und er nicht, hatte er sie postwendend abserviert. Somer hatte Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass nicht sie deshalb ein schlechtes Gewissen haben musste.

Sosehr sie die intensive gemeinsame Studienzeit mit Kris genoss, liebte sie doch am meisten seine sanfte Seite: wenn sie nachts zusammen im Bett lagen und er ihr von seinen Brüdern daheim erzählte, die er vermisste, oder von den Spaziergängen mit seinem Vater am Meer. »Wie ist es da?«, fragte sie ihn oft. Indien klang faszinierend. Sie stellte sich hohe schwankende Kokospalmen vor, warme tropische Winde und exotische Früchte. Sie war nur einmal im Ausland gewesen, in Kanada, zu Besuch bei ihren Großeltern. Sie hatte sich immer so eine große Familie gewünscht wie die, von der Krishnan erzählte: die beiden Brüder, zu denen er ein enges Verhältnis hatte, die zahllosen Cousins, die auf Familientreffen spontan zusammen Cricket spielten. Als Einzelkind hatte Somer zu ihren Eltern zwar eine besondere Bindung, aber sie wurde trotzdem das Gefühl nicht los, dass ihr...

Erscheint lt. Verlag 16.8.2012
Übersetzer Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adoption • Amerika • Amerika-Kalifornien • Bestseller • Debüt • Herkunft • Indien • Kalifornien • Liebe • Secret Daughter • Shilpi Somaya Gowda • Suche • Tochter • Waisenhaus
ISBN-10 3-462-30614-6 / 3462306146
ISBN-13 978-3-462-30614-9 / 9783462306149
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