Der Fluch des Lono (eBook)

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2012 | 1. Auflage
240 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-07135-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Fluch des Lono -  Hunter S. Thompson
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Endlich! Hunter S. Thompsons legendäres Meisterwerk jetzt in deutscher Sprache
Hunter S. Thompson erhält den Auftrag, über den Honolulu-Marathon zu berichten: für ihn in erster Linie ein bezahlter Urlaub. Doch wie immer bei Thompson entwickelt sich die Reise zu einem durchgeknallten Trip, in den neben dem Marathon-Wahnsinn auch Surfer, Orkane, ein Riesen-Marlin und natürlich der hawaiianische Gott Lono irgendwie verwickelt sind. Der König des Gonzo-Journalismus beweist einmal mehr seine Meisterschaft: ein halluzinogenes Vergnügen.

Hunter S. Thompson wurde 1937 in Louisville, Kentucky, geboren. Er begann seine Laufbahn als Sportjournalist, bevor er Reporter für den Rolling Stone und als Begründer des Gonzo-Journalismus zu einer Ikone der Hippiebewegung wurde. Zu seinen großen Büchern zählen neben Fear and Loathing in Las Vegas die journalistischen Romane Hells Angels, Königreich der Angst und Rum Diary. Thompson nahm sich am 20.02.2005 in seinem Wohnort Woody Creek, Colorado, das Leben.

DER BLAUE ARM


San Francisco lag ungefähr 40 Minuten hinter uns, als die Crew sich endlich entschloss, das Problem in Toilette 1B anzugehen. Seit wir abgehoben hatten, war die Tür ununterbrochen verriegelt gewesen, und jetzt hatte die Chefstewardess den Copiloten aus dem Cockpit herbeigerufen. Er stand plötzlich direkt neben mir im Gang und hielt ein merkwürdiges schwarzes Gerät in der Hand, das aussah wie eine Taschenlampe mit Propellerblättern oder eine Art Schlagbohrmaschine. Er nickte gelassen, während er dem eindringlichen Flüstern der Stewardess lauschte. »Ich kann zwar mit ihm sprechen«, sagte sie und wies mit einem langen roten Fingernagel auf das »Besetzt«-Zeichen an der geschlossenen Toilettentür. »Aber ich krieg ihn da nicht raus.«

Der Kopilot nickte nachdenklich und kehrte den Passagieren den Rücken zu, während er irgendwelche Einstellungen an seinem martialischen Werkzeug vornahm. »Weiß man, wer er ist?«, fragte er.

Sie warf einen Blick auf ihr Klemmbrett mit der Passagierliste. »Mister Ackerman«, sagte sie. »Adresse: Box 99, Kailua-Kona.«

»Die Große Insel«, sagte er.

Sie nickte, während sie immer noch ihr Klemmbrett studierte. »Mitglied im Red Carpet Club«, sagte sie. »Vielflieger, bisher völlig unauffällig … in San Francisco an Bord gegangen, Hinflug erster Klasse nach Honolulu. Ein perfekter Gentleman. Keine Anschlussflüge gebucht.« Sie fuhr fort: »Keine Hotelreservierungen, kein Mietwagen …« Sie zuckte die Achseln. »Sehr höflich, nüchtern, entspannt …«

»Tja«, sagte er. »Die Sorte kenne ich.« Der Pilot musterte kurz sein Werkzeug und hob dann die andere Hand, um laut an die Tür zu klopfen. »Mister Ackerman«, rief er. »Hören Sie mich?«

Es kam keine Antwort, aber ich saß dicht genug an der Tür, um von drinnen Geräusche zu hören: zuerst ein Toilettensitz, der aufs Becken schlug, dann Wasserrauschen …

Ich kannte Mr. Ackerman nicht, aber ich erinnerte mich, ihn gesehen zu haben, als er an Bord kam. Er sah aus wie ein Mann, der irgendwann in Hongkong Tennisprofi gewesen war und sich anschließend lukrativeren Geschäften zugewandt hatte. Die goldene Rolex, die Safarijacke aus weißem Leinen, die thailändische Goldkette um seinen Hals, der schwere lederne Aktenkoffer mit Kombinationsschlössern … das waren nicht die äußeren Attribute eines Mannes, der sich unmittelbar nach dem Start auf der Toilette einschließt und nach fast einer Stunde immer noch nicht herausrührt.

Das ist definitiv zu lange, egal, auf welchem Flug. Wer sich so aufführt, provoziert Fragen, die schließlich kaum mehr zu ignorieren sind – besonders im geräumigen Erste-Klasse-Abteil einer 747 auf einem fünfstündigen Flug nach Hawaii. Leute, die für ein Ticket derart viel Geld hinblättern, können sich keinesfalls mit dem Gedanken anfreunden, vor der einzigen benutzbaren Toilette Schlange zu stehen, während in der anderen etwas definitiv Unerquickliches vorgeht.

Zu diesen Leuten zählte auch ich … In meinen Augen berechtigte mich mein geschäftliches Übereinkommen mit United Airlines, jederzeit problemlos eine mit einem Türschloss ausgestattete Blechzelle zur persönlichen Hygiene nutzen zu können. Schließlich hatte ich sechs Stunden im Red Carpet Room im Flughafen von San Francisco verbracht, um dieses Ticket zu ergattern, hatte mich an Schaltern auf Streitgespräche einlassen müssen, eine ganze Menge getrunken und mich ständig seltsamer Erinnerungen erwehrt, die mich in Wellen heimsuchten …

So ungefähr auf halber Strecke zwischen Denver und San Francisco hatten wir beschlossen, umzusteigen und die nächste Etappe in einer 747 zurückzulegen. Die DC-10 ist ja ganz nett für kurze Strecken und kleine Schläfchen, aber bei Langstreckenflügen eignet sich die 747 für einen freischaffenden Profi weitaus besser: Sie bietet eine Lounge auf dem Oberdeck, die man nur über eine Wendeltreppe aus dem Erste-Klasse-Abteil erreicht  – eine Art Salon mit tiefen Sesseln, hölzernen Kartentischen und einer separaten Bar. Zwar geht man beim Umsteigen das Risiko ein, sein Gepäck zu verlieren und einen qualvollen Zwangsaufenthalt im Flughafen von San Francisco ertragen zu müssen … aber ich brauchte Platz zum Arbeiten, um mich ein wenig auszubreiten und vielleicht sogar langzumachen.

Ich plante, mir in dieser Nacht sämtliche Quellen über Hawaii anzusehen, die ich mir beschafft hatte. Da gab es Memos und Pamphlete, die ich lesen wollte  – und sogar Bücher. Ich hatte Houghs The Last Voyage of Captain James Cook dabei, The Journal of William Ellis und Mark Twains Post aus Hawaii  – dicke Wälzer und lange Traktate: »The Island of Hawaii«, »Kona Coast Story«, »Pu’uhonua o Honaunau«. Und noch jede Menge mehr.

»Du kannst nicht einfach hier rauskommen und nur über den Marathon schreiben«, hatte mir mein Freund John Wilbur vorgehalten. »An Hawaii ist verdammt viel mehr dran als die 10 000 Japse, die beim Marathon an Pearl Harbor vorbeiflitzen. Aber komm unbedingt«, sagte er. »Diese Inseln stecken voller Rätsel, vergiss einfach Don Ho und den ganzen Touristenhumbug  – hier gibt’s so viel zu entdecken, von dem die meisten Leute keine Ahnung haben.«

Wunderbar, dachte ich  – Wilbur ist wahrhaft weise. Jeder, der freiwillig die Washington Redskin hinter sich lässt und in ein Strandhaus auf Honolulu zieht, muss einen Lebenssinn entdeckt haben, der mir bisher verborgen geblieben ist.

Genau. Ran an die Rätsel. Und zwar sofort. Alles, was sich durch Eruptionen aus den Tiefen des Pazifiks selbst erschaffen kann, ist näherer Betrachtung wert.

Nach sechs Stunden verwirrten Scheiterns und alkoholisierter Kopflosigkeit war es mir schließlich doch gelungen, zwei Plätze für den letzten 747-Flug des Tages nach Honolulu zu ergattern.

Jetzt brauchte ich einen Ort, um mich zu rasieren, mir die Zähne zu putzen, um vielleicht auch nur einen Moment dazustehen, in den Spiegel zu sehen und zu überprüfen, wer mich wohl daraus anblicken würde.

Vermutlich ist ein rein privater Ort irgendeiner Art in einer Zehn-Millionen-Dollar-Flugmaschine weder ökonomisch noch sonst wie zu rechtfertigen. Das Risiko ist einfach zu groß.

Klar. Kann man ja verstehen. Zu viele Leute  – wie zum Beispiel frühzeitig in den Ruhestand versetzte Stabsfeldwebel  – haben versucht, sich in diesen kleinen Blechzellen in Brand zu stecken … zu viele Psychotiker und halbirre Drogensüchtige haben sich darin eingeschlossen, einen Haufen Pillen runtergewürgt und dann versucht, sich durch die lange blaue Röhre wegzuspülen.

Der Copilot klopfte mit der Faust energisch an die WC- Tür. »Mister Ackerman! Ist alles in Ordnung?«

Er zögerte und rief dann nochmals. Diesmal wesentlich lauter. »Mister Ackerman! Hier spricht Ihr Kapitän. Fühlen Sie sich nicht wohl?«

»Was?«, fragte eine Stimme von drinnen.

Die Stewardess beugte sich näher zur Tür. »Wir können das ohne weiteres zu einem medizinischen Notfall erklären, Mister Ackerman  – dann sind wir befugt, Sie innerhalb von 30 Sekunden da herauszuholen.« Sie lächelte Captain Goodwrench triumphierend zu, als die Stimme sich unmittelbar darauf wieder meldete.

»Mir geht es gut«, erklärte der Mann. »In einer Minute bin ich draußen.«

Der Copilot trat zurück und beobachtete die Tür. Drinnen bewegte sich etwas  – doch sonst geschah nichts, bis auf das Geräusch fließenden Wassers.

Inzwischen reagierten sämtliche Passagiere der ersten Klasse alarmiert auf die Krisensituation. »Holt den Irren da raus!«, rief ein alter Mann. »Vielleicht hat er eine Bombe!«

»O mein Gott!«, schrie eine Frau. »Womöglich ist er bewaffnet!«

Der Copilot zuckte zusammen und wandte sich den Passagieren zu. Er deutete mit seinem Werkzeug auf den alten Mann, der immer hysterischer wurde. »Sie da!«, fauchte er. »Halten Sie die Klappe! Ich regle das hier.«

Plötzlich öffnete sich die Tür, und Mr. Ackerman trat heraus. Er schlüpfte schnell in den Gang und lächelte die Stewardess an. »Tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten«, sagte er. »Jetzt ist frei.« Er zog sich durch den Gang zurück, die Safarijacke lässig über dem Arm, den sie jedoch nicht ganz verbarg.

Von meinem Platz aus konnte ich erkennen, dass der Arm, den er vor der Stewardess zu verstecken suchte, bis hinauf zur Schulter knallblau war. Bei diesem Anblick kauerte ich mich nervös in den Sitz. Auf den ersten Blick hatte ich Mr. Ackerman gemocht, denn er wirkte wie ein Mann, der eventuell meine Vorlieben teilte … aber jetzt sah er nach Ärger aus, und ich war bereit, ihn bereits aus dem nichtigsten aller Anlässe wie ein Maultier in die Eier zu treten. Mein ursprünglicher Eindruck hatte sich total verflüchtigt. Dieser Gimpel, der sich so lange auf der Toilette eingeschlossen hatte, bis einer seiner Arme blau angelaufen war, konnte nicht derselbe kultivierte und in Leinen gekleidete pazifische Segler sein, der in San Francisco unser Flugzeug bestiegen hatte.

Die meisten Passagiere waren glücklich und zufrieden, weil der problematische Toilettenbesetzer friedlich herausgekommen war: keine Spur von einer Waffe, keine mit Klebeband an die Brust gehefteten Dynamitstangen, keine unverständlichen Terroristenslogans und auch keine Drohungen, den Leuten die Kehle aufzuschlitzen … Der alte Mann grummelte immer noch leise und vermied es, Ackerman nachzusehen, der weiter den Gang zu seinem Sitz entlanglief. Sonst schien sich niemand größere Gedanken zu machen.

Der Copilot jedoch musterte Ackerman mit einer Miene puren Entsetzens. Er hatte den blauen Arm gesehen  – ebenso wie die Stewardess, die keinen Ton...

Erscheint lt. Verlag 31.7.2012
Mitarbeit Mitglied der Redaktion: Alexander Wagner
Übersetzer Teja Schwaner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Curse of Lono
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Bericht • eBooks • Gonzo • Hawaii • Honolulu • Kult • Marathon • NewJournalism • Reportage • Roman • Romane • surfer • TRIP • USA
ISBN-10 3-641-07135-6 / 3641071356
ISBN-13 978-3-641-07135-6 / 9783641071356
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