Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne (eBook)

Lebensstufen
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
191 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-73075-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne -  Hermann Hesse
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Am Beispiel von Hermann Hesses eigener Lebensgeschichte versammelt dieses Lesebuch autobiographische Texte, welche die ?Stufen der Menschwerdung? von den frühesten bis zu den letzten Lebensjahren auf eine Weise schildern und reflektieren, daß man sich darin wiederzuerkennen vermag.



<p>Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/W&uuml;rttemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines w&uuml;rttembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.</p> <p>Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis f&uuml;r Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchh&auml;ndlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zun&auml;chst in Gaienhofen am Bodensee, sp&auml;ter im Tessin.</p> <p>Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts. </p>

Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts. Volker Michels, 1943 geboren, studierte Medizin und Psychologie in Freiburg/Breisgau und Mainz. Zwischen 1969 und 2008 arbeitete er als Lektor im Suhrkamp- und Insel-Verlag. Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag hier auf der Betreuung des Werkes Hermann Hesses, dessen literarischen, brieflichen und bildnerischen Nachlass er in über hundert Themen- sowie Materialbänden zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte erschloss. Überdies edierte er die erste Hesse-Gesamtausgabe in 21 Bänden.

Cover 1
Informationen zum Buch/Inhalt 2
Impressum 6
»Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.« 7
Aus Kinderzeiten 12
Kind im Frühling 34
Ein Augenblick des Erwachens 35
Zwei Welten 44
Aus meiner Schülerzeit 67
Das erste Abenteuer 78
Wandlung 83
»Was du im Leben leistest . . .« 88
Eine Sonate 91
Valse brillante 99
Von der Seele 101
Bhagavad Gita 109
Ich weiß von solchen . . . 110
Zum Gedächtnis 111
Keine Rast 124
Vergänglichkeit 125
Voll Blüten 131
Sommers Ende 132
Der Mann von fünfzig Jahren 138
Beim Einzug in ein neues Haus 139
Spätsommer 161
Weihnacht mit zwei Kindergeschichten 163
Welkes Blatt 169
Über das Alter 169
Ende August 173
Im Altwerden 176
Einklang von Bewegung und Ruhe 176
Verfrühter Herbst 182
Stufen 184
Chinesische Parabel 185
Der alte Mann und seine Hände 186
Bruder Tod 188
Quellennachweis 190
Zu dieser Ausgabe 193

Es ist immer schwer, geboren zu werden ... der Vogel hat Mühe, aus dem Ei zu kommen ... man muß seinen Traum finden, dann wird der Weg leicht. Aber es gibt keinen immerwährenden Traum, jeden löst ein neuer ab, und keinen darf man festhalten wollen.

Die Not der Jugend ... hört mit der Jugend nicht auf, geht sie aber doch am meisten an. Es ist der Kampf um die Individualisierung, um das Entstehen einer Persönlichkeit.

Nicht jedem Menschen ist es gegeben, eine Persönlichkeit zu werden, die meisten bleiben Exemplare und kennen die Nöte der Individualisierung gar nicht. Wer sie aber kennt und erlebt, der erfährt auch unfehlbar, daß diese Kämpfe ihm mit dem Durchschnitt, dem normalen Leben, dem Hergebrachten und Bürgerlichen in Konflikt bringen. Aus den zwei entgegengesetzten Kräften, dem Drang nach einem persönlichen Leben und der Forderung der Umwelt nach Anpassung, entsteht die Persönlichkeit. Keine entsteht ohne revolutionäre Erlebnisse, aber der Grad ist natürlich bei allen Menschen verschieden, wie auch die Fähigkeit, ein wirklich persönliches und einmaliges Leben (also kein Durchschnittsleben) zu führen ...

Der werdende junge Mensch, wenn er den Drang zu starker Individualisierung hat, wenn er vom Durchschnittsund Allerwelts-Typ stark abweicht, kommt notwendig in Lagen, die den Anschein des Verrückten haben ... Es gilt nun nicht, seine »Verrücktheiten« der Welt aufzuzwingen und die Welt zu revolutionieren, sondern es gilt, sich für die Ideale und Träume der eigenen Seele gegen die Welt so viel zu wehren, daß sie nicht verdorren. Die dunkle Innenwelt, wo diese Träume zu Hause sind, ist beständig bedroht, sie wird von den Kameraden verspottet, von den Erziehern gemieden, sie ist kein fester Zustand, sondern ein beständiges Werden.

Unsre Zeit macht es da den Feineren in der Jugend besonders schwer. Es besteht überall das Streben, die Menschen gleichförmig zu machen und ihr Persönliches möglichst zu beschneiden. Dagegen wehrt sich unsre Seele, mit Recht.

Ein Lebensweg mag von gewissen Situationen aus noch so sehr determiniert erscheinen, er trägt doch stets alle Lebensund Wandlungsmöglichkeiten in sich, deren der Mensch selbst irgend fähig ist. Und die sind desto größer, je mehr Kindheit, Dankbarkeit, Liebefähigkeit wir haben.

Mit der Selbstbeschränkung des Berufes und des Mannesalters muß man seine Jugend nicht begraben. »Jugend« ist das in uns, was Kind bleibt, und je mehr dessen ist, desto reicher können wir auch im kühlbewußten Leben sein.

Welchen Beruf ein junger Mann auch wähle, und wie seine Auffassung vom Beruf und sein Eifer für ihn auch sei – immer tritt er damit in eine organisierte, erstarrte Welt aus dem blühenden Chaos des Jugendtraumes, und immer wird er enttäuscht sein. Diese Enttäuschung mag an sich kein Schade sein, Ernüchterung kann auch Sieg bedeuten. Aber die meisten Berufe, und zwar gerade die »höheren«, spekulieren in ihrer jetzigen Organisation auf die egoistischen, feigen, bequemen Instinkte des Menschen. Er hat es leicht, wenn er fünfe grade sein läßt, wenn er sich duckt, wenn er den Herrn Vorgesetzten nachahmt; und er hat es unendlich schwer, wenn er Arbeit und Verantwortlichkeit sucht und liebt.

Wie die Herden-Jünglinge sich mit diesen Dingen abfinden, geht mich nichts an. Die Geistigen finden hier eine gefährliche Klippe. Sie sollen die Berufe, gerade auch die staatlich organisierten Berufe, nicht fliehen, sie sollen sie probieren! Aber sie sollen sich nicht vom Beruf abhängig machen.

Was Du im Leben leistest, und zwar nicht nur als Künstler, sondern ebenso als Mensch, als Mann und Vater, Freund und Nachbar etc., das wird vom ewigen »Sinn« der Welt, von der ewigen Gerechtigkeit nicht nach irgendeinem festen Maß gemessen, sondern nach deinem einmaligen und persönlichen. Gott wird dich, wenn er dich richtet, nicht fragen: »Bist du ein Hodler geworden, oder ein Picasso, oder ein Pestalozzi oder Gotthelf?« Sondern er wird fragen: »Bist du auch wirklich der gewesen und geworden, zu dem du die Anlagen und Erbschaften mitbekommen hast?« Und da wird niemals ein Mensch ohne Scham oder Schrecken seines Lebens und seiner Irrwege gedenken, er wird höchstens sagen können: »Nein, ich bin es nicht geworden, aber ich habe es wenigstens nach Kräften versucht.« Und wenn er das aufrichtig sagen kann, dann ist er gerechtfertigt und hat die Probe bestanden.

Wenn solche Vorstellungen wie »Gott« oder »ewiger Richter« etc., dich stören, so kannst du sie ruhig weglassen, auf sie kommt es nicht an. Es kommt einzig darauf an, daß jedem von uns ein Erbe und eine Aufgabe mitgegeben ist, er hat von Vater und Mutterseite, von vielen Ahnen her, von seinem Volk, seiner Sprache her gewisse Eigenschaften, gute und böse, angenehme und schwierige geerbt, Talente und Mängel, und all dies zusammen ist er, und dies Einmalige ... hat er zu verwalten und zu Ende zu leben, reif werden zu lassen und schließlich mehr oder weniger vollkommen zurückzugeben. Es gibt da Beispiele von unvergeßlichem Eindruck, die Weltgeschichte und Kunstgeschichte ist voll davon: daß zum Beispiel einer, so wie in vielen Märchen, der Dumme und Unnütze in einer Familie ist, und daß gerade ihm eine Hauptrolle zufällt, und daß grade dadurch, daß er seinem Wesen so treu bleibt, alle Begabteren und Erfolgreichen neben ihm klein werden.

Da gab es zum Beispiel im Anfang des vorigen Jahrhunderts in Frankfurt die hochbegabte Familie Brentano, von deren fast zwanzig Kindern zwei noch heute berühmt sind, die Dichter Clemens und Bettina. Nun, alle diese vielen Geschwister waren hochbegabte, interessante, überdurchschnittliche Leute, sprühende Geister, glänzende Talente; nur der Älteste war und blieb einfältig, er lebte sein ganzes Leben lang wie ein stiller Hausgeist im Vaterhaus, zu nichts zu brauchen, er war fromm als Katholik, geduldig und gutmütig als Bruder und Sohn, und wurde inmitten der witzigen und lustigen Geschwisterschar, bei der es oft exzentrisch zuging, immer mehr zu einem schweigenden Mittel- und Ruhepunkt, einem wunderlichen Haus-Kleinod, von dem Frieden und Güte ausstrahlte. Von diesem Einfältigen, diesem Kindgebliebenen, sprechen die Geschwister mit einer Ehrfurcht und Liebe wie von keinem anderen Menschen. So war also auch ihm, dem Trottel, dem Blöden, sein Sinn und sein Auftrag mitgegeben, und er hat ihn vollkommener erfüllt als alle die glänzenden Geschwister.

Kurz, es kommt, wenn ein Mensch das Bedürfnis hat, sein Leben zu rechtfertigen, nicht auf eine objektive, allgemeine Höhe der Leistung an, sondern eben darauf, daß er sein Wesen, das ihm Mitgegebene, so völlig und rein wie möglich in seinem Leben und Tun zur Darstellung bringe.

Tausend Verführungen bringen uns beständig von diesem Wege ab, aber die stärkste aller Verführungen ist die, daß man im Grunde ein ganz andrer sein möchte als man ist, daß man Vorbildern und Idealen folgt, die man nicht erreichen kann und auch gar nicht erreichen soll. Diese Verführung ist darum für höher veranlagte Menschen besonders stark und gefährlicher als die vulgären Gefahren des bloßen Egoismus, weil sie den Anschein des Edlen und Moralischen hat.

Jeder Bub hat in einem gewissen Alter einmal Fuhrmann oder Lokomotivführer, dann Jäger oder General, dann ein Goethe oder ein Don Juan werden wollen, das ist natürlich und gehört mit zur natürlichen Entwicklung und Selbsterziehung: Die Phantasie tastet gewissermaßen die Möglichkeiten für die Zukunft ab. Aber das Leben erfüllt diese Wünsche nicht, und die kindlichen und jugendlichen Ideale sterben von selber ab. Und doch wünscht man sich immer wieder etwas, was einem nicht zusteht, und quält sich mit Forderungen an die eigene Natur, die ihr Gewalt antun. Es geht uns allen so. Aber zwischenein, in Stunden des inneren Wachseins, spüren wir immer wieder, daß es keinen Weg aus uns heraus und in etwas anderes hinein gibt, daß wir mit unsern eigenen, ganz persönlichen Gaben und Mängeln durchs Leben hindurch müssen, und dann geschieht es wohl zuweilen auch, daß wir ein Stückchen weiterkommen, daß uns etwas glückt, was wir vorher nicht konnten, und daß wir für einen Augenblick uns selber ohne Zweifel bejahen und mit uns zufrieden sein können. Auf die Dauer gibt es das natürlich nicht, aber doch strebt das Innerste in uns nach nichts andrem als danach, sich selber natürlich wachsen und reifen zu spüren. Nur dann ist man in Harmonie mit der Welt, und unsereinem wird das selten zuteil, aber desto tiefer ist dann das Erlebnis.

Wo ein Werk geschaffen, wo ein Traum weitergeträumt, ein Baum gepflanzt, ein Kind geboren wird, da ist das Leben am Werk und eine Bresche ins Dunkel der Zeit geschlagen.

Frau Hedwig Dillenius kam aus der Küche, legte die Schürze ab, wusch und kämmte sich und ging dann in den Salon, um auf ihren Mann zu warten.

Sie betrachtete drei, vier Blätter aus einer Dürermappe, spielte ein wenig mit einer Kopenhagener Porzellanfigur, hörte vom nächsten Turme Mittag schlagen und öffnete schließlich den Flügel. Sie schlug ein paar Töne an, eine halbvergessene Melodie suchend, und horchte eine Weile auf das harmonische Ausklingen der Saiten. Feine, verhauchende Schwingungen, die immer zarter und unwirklicher wurden, und dann kamen Augenblicke, in denen sie nicht wußte, klangen die paar Töne noch nach oder war der feine Reiz im Gehör nur noch Erinnerung.

Sie spielte nicht weiter, sie legte die Hände in den Schoß und dachte. Aber sie dachte nicht mehr wie früher, nicht mehr wie in der Mädchenzeit daheim auf...

Erscheint lt. Verlag 16.7.2012
Mitarbeit Ausgewählt von: Volker Michels
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Autobiografie • Deutschland • Hermann Hesse • insel taschenbuch 2854 • IT 2854 • IT2854 • Klassiker • lebensstufe • Lesebuch • Memoiren • Menschwerdung • Sammlung
ISBN-10 3-458-73075-3 / 3458730753
ISBN-13 978-3-458-73075-0 / 9783458730750
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