Das Geburtstagsgeschenk (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 2. Auflage
384 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60117-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Geburtstagsgeschenk -  BARBARA VINE
Systemvoraussetzungen
10,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ivor Tesham, ein Machtmensch, Draufgänger und Politiker, macht seiner anderweitig verheirateten Geliebten zum achtundzwanzigsten Geburtstag ein riskantes Überraschungsgeschenk. Ein Geschenk, das seine Karriere und sein Leben zu zerstören droht.

Barbara Vine (alias Ruth Rendell), geboren 1930, lebte in London. Ihre Bücher erhielten zahlreiche Auszeichnungen. 1996 erhielt sie von der Queen den Ehrentitel Commander of the British Empire und 1997 schließlich den Grand Master Award der Mystery Writers of America für das Gesamtwerk. Sie wurde auf Vorschlag von Tony Blair geadelt und ins House of Lords berufen. Barbara Vine starb 2015 in London.

Barbara Vine (alias Ruth Rendell), geboren 1930, lebte in London. Ihre Bücher erhielten zahlreiche Auszeichnungen. 1996 erhielt sie von der Queen den Ehrentitel Commander of the British Empire und 1997 schließlich den Grand Master Award der Mystery Writers of America für das Gesamtwerk. Sie wurde auf Vorschlag von Tony Blair geadelt und ins House of Lords berufen. Barbara Vine starb 2015 in London.

[5] 1

Wenn wir uns einst im Himmel treffen, werden wir alle dreiunddreißig Jahre alt sein, denn Christus war dreiunddreißig, als er starb. Eine reizvolle Idee! Wahrscheinlich sind die Leute, die sich das ausgedacht haben, darauf gekommen, weil es ein idealer Lebensabschnitt ist – nicht mehr die erste Jugend, aber von Alterserscheinungen noch weit entfernt. Mir erzählte Sandy Caxton davon, mein Tischnachbar bei dem Essen, zu dem Ivor zur Feier seines Geburtstages – des dreiunddreißigsten natürlich – eingeladen hatte. Ja, meinte Ivor später, Caxton habe immer einen ganzen Sack solcher Weisheiten auf Lager. Ich glaube allerdings eher, dass Caxton das Thema wechseln wollte, denn ich hatte ihn gefragt, ob er in London wohne.

»Bedaure, das kann ich Ihnen nicht sagen.« Als er mein verblüfftes Gesicht sah, fügte er hinzu: »Ich war mal Nordirland-Minister, und wir sollen nicht darüber sprechen, wo wir wohnen.«

Eigentlich hätte ich mir das denken können. Von Ivor wusste ich, dass Sandy sogar auf der Party einen Leibwächter dabeihatte und dass die Polizei, wenn Sandy irgendwo zur Frühmesse gehen wollte, vorher mit Spürhunden die Kirche absuchte. Letztlich hat es ihm nichts genützt. Sie haben ihn erwischt – genau nach Plan. Aber davon später. Iris’ Tischnachbar war Ivors Freund Jack Munro, den sie [6] besonders schätzte und von dem sie sich mit großem Bedauern verabschiedete, als wir vor den anderen gehen mussten. Wir hatten zwar einen zuverlässigen Babysitter, aber es zog uns trotzdem zurück zu Nadine. Sie war das erste unserer vier Kinder, und wir waren beide so vernarrt in sie, dass wir unruhig wurden, sobald wir längere Zeit von ihr getrennt waren, und sei es auch für den himmlischen Geburtstag ihres Onkels und obwohl eine ihrer Großmütter das Babysitten übernommen hatte.

Eine Person aber, die Ivor nahestand (wenn ich das so sagen darf), fehlte bei der Feier.

»Ivors Freundin war nicht da«, stellte ich fest, während wir die Fitzjohn’s Avenue hochgingen.

»Sie war bestimmt nicht eingeladen. Du kennst doch Ivor. In mancher Hinsicht ist er erstaunlich rückständig. Man lädt seine Geliebte nicht zusammen mit seinen Freunden ein.« Sie lächelte, wie immer, wenn von den Eigenheiten ihres Bruders die Rede war, halb mitleidig, halb bedauernd. »Außerdem hält er es wohl für Zeitverschwendung, angezogen mit ihr auszugehen, statt ausgezogen mit ihr drinzubleiben.«

»So läuft das also?«

»Wahrscheinlich nur so«, sagte Iris.

Wird sein Name genannt, reagieren die meisten Menschen mit einem verständnislosen »Wer?«, die übrigen denken kurz nach und fragen dann, ob das nicht der Typ sei, um den es – wann war das doch gleich – diese Skandalgeschichte gegeben habe.

Mein Schwager war Politiker durch und durch, und [7] deshalb lässt es sich nicht vermeiden, dass ich auch die Politik werde ins Spiel bringen müssen. Allerdings merke ich immer mehr, wie wenig ich über dieses Thema weiß und wie sehr die Details mich langweilen. Ich habe mir deshalb vorgenommen, diesen Aspekt von Ivors Leben so weit es geht auszuklammern bis auf (wie ich hoffe) besonders Interessantes und – denn darum kommt, wer über diese Ära spricht, nicht herum – den Rücktritt von Margaret Thatcher, die Ernennung von John Major zum Premierminister und die Parlamentswahlen von 1992 und 1997.

In meinen Bericht habe ich auch Jane Athertons Tagebuch aufgenommen. Nicht in Auszügen, sondern vollständig, so wie es Juliet zugeschickt wurde. Ivors Geschichte und auch die von Hebe Furnal wären ohne diese Aufzeichnungen nicht komplett. Erst kam das Päckchen, dann mit getrennter Post ein Brief. Ivor hat beides nie gesehen, ich vermute, dass er vom Vorhandensein des Tagebuchs nicht einmal etwas ahnt. Auf ihn war so viel eingestürmt, dass er einfach nichts mehr wissen wollte und lieber den Kopf in den Sand steckte. Jane war mit Hebe befreundet, aber die beiden waren sich offenbar so unähnlich, wie zwei Frauen es nur sein können. Was Jane der Freundin sonst noch bedeutet haben mag (abgesehen davon, dass sie ein willkommener Kontrast zu der schönen Hebe war), weiß ich nicht, fest steht jedenfalls, dass sie ihr Alibis lieferte. Und hätte sie sich dafür – insbesondere für ein bestimmtes Alibi – nicht hergegeben, wäre alles, was ich hier schildern werde, gar nicht passiert.

Ich selbst habe Hebe nie persönlich zu Gesicht bekommen. Wie alle anderen kenne auch ich sie nur von den Fotos, die nach dem Unfall in den Zeitungen erschienen – eine [8] hübsche Blondine, fast schon eine Schönheit, ein Model-Typ. Sie, die sich zwei Männer schnappten in dem Glauben, sie hätten die Richtige erwischt, und die andere hübsche Blondine sahen sich wirklich zum Verwechseln ähnlich, das fand nicht nur ich, sondern auch die Polizei und die Presse. Die Frage, welche Frau das beabsichtigte Opfer war, wurde öffentlich nie geklärt. Ivor ärgerte sich sehr darüber, dass man Hebe Furnal für Kelly Mason halten konnte, obwohl das für ihn zunächst scheinbar von Vorteil war, da es die Suchscheinwerfer der Polizei (oder der Presse) von ihm weglenkte. Denn so sehe ich es – als habe der Lichtkegel einer starken Taschenlampe auf der Suche nach einem Drahtzieher in dunkle Winkel geleuchtet und Ivor ein- oder zweimal fast berührt, ehe er weiterwanderte.

Hebe Furnal: siebenundzwanzig Jahre alt, Hausfrau mit einem abgeschlossenen Studium in Medienwissenschaften und einem zweijährigen Sohn namens Justin. Ehefrau von Gerry Furnal und Geliebte des Parlamentariers Ivor Tesham. »Mätresse« klingt veraltet, aber Iris nannte sie so und auch Ivor, als er mich ein, zwei Wochen nach jenem dreiunddreißigsten Geburtstag fragte, ob er Hebe eine Wohnung kaufen solle. Er bat mich hin und wieder um meinen Rat, wenn er ihn auch nie beherzigte. Kein Mensch beherzigt gute Ratschläge, ganz besonders nicht solche, die er selbst erbeten hat. Außerdem hatte Ivor seine Entscheidung längst getroffen.

»Irgendwie reizvoll ist die Idee schon, du kannst dir vorstellen, in welcher Hinsicht. Aber ich glaube, ich lasse es. Ich käme mir zu sehr vor wie ein Lebemann aus dem 18. Jahrhundert, der sich eine Geliebte in Shepherd’s Market hält.«

[9] »Shepherd’s Market kannst du dir gar nicht leisten«, wandte ich ein.

»Da hast du recht. Pimlico aber zum Beispiel schon. Nein, ich lasse lieber die Finger davon, das gäbe dann nur andere Probleme.«

Probleme sollte er allerdings so oder so bekommen. Doch zurück zu Kelly Mason. Sie war »die hübsche Kleine an der Kasse«, das »Aschenbrödel aus dem Supermarkt«, die Frau, die einen Fernsehmogul geheiratet hatte und berühmt wurde, weil sie blauen Satin mit Pailletten trug und nicht gekidnappt worden war. Wo sie jetzt ist? Manche sagen, sie sei in einer privaten Nervenklinik, einer anderen Version nach, die wahrscheinlicher klingt, hat man sie und ihre Betreuer in einer entlegenen Villa auf jener Insel im Südpazifik untergebracht, die ihr Mann für sie gekauft hat. Auf jeden Fall lebt sie – wohl aus Angst vor der Welt – völlig zurückgezogen, während sie ohne Ivors wenn auch unabsichtliches Eingreifen glücklich und zufrieden in ihrer Villa in der Bishops Avenue wohnen und die Mutter von Damian Masons Kindern sein könnte.

Damit Sie sich ein Bild von Ivor machen können – falls Sie sich an ihn nicht mehr aus der Zeit erinnern, als er Minister in John Majors Regierung war –, zitiere ich am besten den Eintrag im Dod’s, dem Handbuch der Parlamentsabgeordneten.

Ivor Hamilton Tesham, geboren 12. Januar 1957, Sohn des John Hamilton Tesham und Louisa, geb. Winstanley; Ausbildung Eton College, Windsor; Brasenose College, Oxford [10] (MA Jura); ledig; zugelassen als Barrister 1980, Lincoln’s Inn; Anwalt für Wirtschaftsrecht. Kandidiert in den Parlamentswahlen 1987 in Overbury; Unterhausabgeordneter für Morningford seit der Nachwahl vom 27. Januar 1988: Ausschüsse: Auswärtiges, Verteidigung; 1989 persönlicher Referent von Verteidigungsminister John Teague; 1990 Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium; 1992 Staatsminister für Luftwaffe Ausland im Verteidigungsministerium. Hobbys: Theater, Musik, Lesen. Adresse: Unterhaus, London SW1

Ich kannte ihn schon als kleinen Jungen in Ramburgh, er ist fünf Jahre jünger als ich. Wir zogen weg, als ich acht war, aber ich bin in diesem Dorf zur Welt gekommen, ebenso wie Ivor und meine Frau. Er und Iris sehen sich sehr ähnlich, er ist drei Jahre älter als sie. Beide sind groß und schlank und dunkel. Sandy Caxton hat mal gesagt, Iris habe das Gesicht einer israelitischen Prinzessin oder einer Rachel, die um ihre Kinder weint, obgleich das einzige jüdische Blut, das sie und Ivor haben, Anfang des 19. Jahrhunderts in die Familie kam. Ivor sah angeblich sehr gut aus, ich kann das nicht beurteilen. Aber ich habe erlebt, dass Frauen sich nach uns umdrehten, wenn wir ein Restaurant betraten, und mir haben sie bestimmt keine schönen Augen gemacht.

Damals war er seit einem Jahr mit Hebe Furnal »zusammen«, wie er es ausdrückte. Vorher war die Schauspielerin Nicola Ross seine Freundin gewesen. Sie hatten sich freundschaftlich getrennt. Ich weiß nicht, warum sie sich trennten und warum es eine »freundschaftliche« Trennung war, aber Iris meint, es habe nichts mit Hebe zu tun gehabt. Die Affäre [11] mit Nicola Ross sei für Ivor einfach nicht prickelnd genug gewesen. Sie waren beide ledig und ungebunden, es gab Leute, die fanden, sie seien geradezu füreinander geschaffen. Nicola, die er Nixie nannte, war eine...

Erscheint lt. Verlag 22.5.2012
Übersetzer Renate Orth-Guttmann
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Angst • Belletristik • Drohanrufe • Entführung • Gegenwartsliteratur • Geliebte • London • Lügen • Macht • Medienskandal • Naher Osten • Politiker • Roman • Sex • Spiel
ISBN-10 3-257-60117-4 / 3257601174
ISBN-13 978-3-257-60117-6 / 9783257601176
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99